Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der geminderten Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bei Verlust des Arbeitsplatzes infolge eigenen schuldhaften Verhaltens
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Unterhaltspflichtiger, der infolge eigenen schuldhaften Verhaltens seinen Arbeitsplatz verloren hat (hier: wegen Schrottdiebstahls beim Arbeitgeber), die dadurch eingetretene Verminderung seiner Leistungsfähigkeit einem Unterhaltsberechtigten entgegenhalten kann, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
Normenkette
BGB §§ 1603, 1610, 1603 Abs. 1, § 1610 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 07.01.1992) |
AG Alzey |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 15. Zivilsenats – 2. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Januar 1992 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als für die Zeit ab 1. April 1991 zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die am 1. Juni 1972 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Er ist ihr zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, der zunächst durch einen gerichtlichen Vergleich auf monatlich 230 DM ab 1. Januar 1977 bemessen wurde. In einer Urkunde des Kreisausschusses des Landkreises Groß-Gerau vom 25. April 1980 verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung von monatlich 300 DM ab 1. Juni 1980. Durch Prozeßvergleich vom 8. März 1990 (Az.: F. des Amtsgerichts G.-G.) einigten sich die Parteien sodann darauf, daß ab 1. Dezember 1989 nur noch monatlich 250 DM zu zahlen sind. Dem lag zugrunde, daß die Klägerin seit dem 1. September 1989 als Praktikantin in einem städtischen Kindergarten tätig war und monatlich 553,74 DM netto verdiente.
Die Klägerin begehrt die Erhöhung der Unterhaltsleistung des Beklagten auf monatlich 610 DM ab 1. August 1990 mit der Begründung, daß sie seither für voraussichtlich drei Jahre eine Fachschule für Sozialpädagogik besuche und weder eigene Einkünfte erziele noch – wegen der Einkommensverhältnisse des Beklagten – Ausbildungsförderungsmittel erhalte; ihre Mutter könne zu ihrem Unterhalt nicht beitragen, weil sie nicht erwerbstätig sei und eine am 3. Mai 1980 geborene andere Tochter, die behindert sei, betreue und dafür Pflegegeld und Sozialhilfe erhalte.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat der Klage stattgegeben. Mit seiner Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, daß sein Einkommen seit April 1991 erheblich gesunken sei; sein früherer Arbeitgeber habe ihm am 26. März 1991 fristlos gekündigt, weil er Schrotteile von der Arbeitsstelle mitgenommen habe. Trotz intensiver Bemühungen habe er nur einen deutlich schlechter bezahlten neuen Arbeitsplatz gefunden. Er hat widerklagend den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab 1. August 1991 beantragt und sich außer auf fehlende Leistungsfähigkeit darauf berufen, daß er vorrangig seine jetzige nicht erwerbstätige Ehefrau unterhalten müsse; die Klägerin müsse einer Erwerbstätigkeit nachgehen, denn für die gewählte Ausbildung fehle es ihr an der erforderlichen Fähigkeit und Leistungsbereitschaft. Die Klägerin hat sich dem Rechtsmittel mit dem Antrag angeschlossen, den rückständigen Unterhalt ab dem 3. eines jeden Monats mit 4% zu verzinsen.
Das Oberlandesgericht hat der Berufung des Beklagten teilweise entsprochen und – unter Neufassung des angefochtenen Urteils – den von den Parteien am 8. März 1990 geschlossenen Prozeßvergleich auf Klage und Widerklage dahin abgeändert, daß der Beklagte vom 8. Dezember 1990 bis zum 31. Dezember 1991 über den gezahlten monatlichen Unterhalt von 250 DM hinaus weitere 360 DM monatlich und sodann für die Zeit ab 1. Januar 1992 monatlich 610 DM zu zahlen hat, daß seine Unterhaltspflicht jedoch für die Zeit ab 1. August 1993 entfällt. Auf die Anschlußberufung hat das Oberlandesgericht entschieden, daß die rückständigen Unterhaltsbeträge ab dem 3. eines jeden Monats mit 4% zu verzinsen sind; im übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Abänderungsklage insgesamt abzuweisen und auf seine Widerklage die Unterhaltspflicht schon mit dem 1. August 1991 entfallen zu lassen sowie die Anschlußberufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für die Zeit bis zum 31. März 1991 betrifft.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht das Abänderungsbegehren der Klägerin nach den Grundsätzen über die Veränderung oder den Fortfall der Geschäftsgrundlage beurteilt. Denn da es sich bei dem abzuändernden Titel um einen Prozeßvergleich handelt, erfolgt die in § 323 Abs. 1 i.V. mit § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehene Anpassung des Titels an veränderte Umstände wie bei sonstigen privatrechtlichen Rechtsgeschäften allein nach den Regeln des materiellen Rechts (Senatsurteil vom 29. Januar 1992 – XII ZR 239/90 – BGHR ZPO § 323 Abs. 1, Prozeßvergleich 2), gegebenenfalls auch für die Zeit bis zur Erhebung der Klage (BGHZ GSZ 85, 64).
Eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Prozeßvergleichs hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß die Klägerin seit August 1990 ihre Tätigkeit als Praktikantin in einem Kindergarten aufgegeben hat und dadurch ihre Einkünfte, mit denen sie bis zu diesem Zeitpunkt ihren Unterhaltsbedarf teilweise selbst gedeckt hatte, weggefallen sind. Es hat die Klägerin für berechtigt angesehen, entsprechend einer schon im Vorprozeß angekündigten Absicht ab 1. August 1990 im Rahmen ihrer (angemessenen) Berufsausbildung zur Erzieherin die Fachschule für Sozialpädagogik zu besuchen, mit der Folge, daß der Lebensbedarf der am 1. Juni 1990 volljährig gewordenen Klägerin gemäß § 1610 Abs. 2 BGB die Kosten dieser Ausbildung umfaßt. Dabei hat es aus dem Umstand, daß die Klägerin den ersten Ausbildungsabschnitt wiederholen mußte, keine nachhaltige Verletzung ihrer Obliegenheit hergeleitet, die Ausbildung mit dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben (Senatsurteil vom 23. Mai 1984 – IVb ZR 39/83 – FamRZ 1984, 777, 778 m.w.N.). Die Klägerin darauf zu verweisen, ihren Unterhalt ganz oder teilweise durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, hat es als unzumutbar angesehen. Den Unterhaltsbedarf der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach der Lebensstellung allein des barunterhaltspflichtigen Beklagten bemessen, weil die Mutter der Klägerin auch nach ihrer Wiederheirat für sich und das von ihr betreute behinderte Kind Sozialhilfe in Form laufender Hilfe zum Lebensunterhalt beziehe und zum Barunterhalt der Klägerin nicht beitragen könne. Ausgehend von den Einkünften des Beklagten im Jahre 1990 und bis Ende März 1991 hat es sein unterhaltsrechtlich relevantes monatliches Nettoeinkommen mit 3.220 DM (1990) bzw. 2.882 DM (1991) festgestellt. Ein unterhaltsrechtlicher Vorrang seiner jetzigen Ehefrau bestehe nicht, da deren angemessener Unterhaltsbedarf durch den Bezug von Arbeitslosengeld gedeckt werde. Im Hinblick auf die danach bestehende unterdurchschnittliche Unterhaltslast hat es den Beklagten in die Gruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle (Stand Januar 1989 – abgedruckt in FamRZ 1988, 911) eingestuft und den Bedarf der Klägerin danach mit monatlich 610 DM (525 DM zuzüglich 85 DM Volljährigenzuschlag) errechnet.
b) Gegen die danach ausgeurteilte Erhöhung der Unterhaltsleistung des Beklagten bestehen für den genannten Zeitraum keine rechtlichen Bedenken. Solche werden auch von der Revision nicht erhoben. Sie wendet sich allein dagegen, daß das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt hat, die vor Rechtshängigkeit (25. Januar 1991) fällig gewordenen Unterhaltsrückstände mit 4% zu verzinsen, weil er am 8. Dezember 1990 dadurch in Verzug geraten sei, daß er das fernmündlich unterbreitete Verlangen der Klägerin nach höheren Unterhaltsleistungen – das auf die veränderten Verhältnisse und den abschlägig beschiedenen Antrag auf Ausbildungsförderung gestützt war – eindeutig und endgültig abgelehnt habe. Die Revision vertritt die Auffassung, die Weigerung habe nicht als endgültig verstanden werden dürfen; der Klägerin wäre zumindest zuzumuten gewesen, ihre Unterhaltsforderung dem Beklagten schriftlich zu unterbreiten und ihm eine Frist zu setzen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Feststellung des Oberlandesgerichts beruht auf dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin, daß der Beklagte auf ihr Verlangen nach Unterhaltserhöhung anläßlich eines Telefongespräches am 8. Dezember 1990 entgegnete, er werde keine höheren Zahlungen an sie leisten. Wenn das Berufungsgericht hierin eine den Verzug begründende endgültige Leistungsverweigerung erblickt hat, die nach Treu und Glauben eine (bezifferte) Mahnung erübrigt habe, so ist das rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Januar 1983 – IVb ZR 351/81 – FamRZ 1983, 352, 354 unter B I am Ende).
2. Soweit das Oberlandesgericht dem Erhöhungsbegehren der Klägerin auch für die Zeit ab dem 1. April 1991 (bis zum 31. Juli 1993) in vollem Umfang stattgegeben hat, hält die Entscheidung rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Leistungsfähigkeit des Beklagten dadurch erheblich eingeschränkt worden ist, daß sein bisheriger Arbeitgeber (ein Automobilunternehmen) das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 26. März 1991 fristlos gekündigt und eine Bitte um Wiedereinstellung mit Schreiben vom 13. Mai 1991 abgelehnt hat. Es hat festgestellt, daß er aus einem neuen Arbeitsverhältnis bei einer Bauunternehmung in den Monaten April bis September 1991 nur noch monatliche Nettoeinkünfte zwischen 1.725 DM und 2.447 DM hatte. Es hat dem Beklagten jedoch verwehrt, sich auf die Verminderung seiner Leistungsfähigkeit zu berufen, und hat ihm weiterhin (fiktiv) die früheren Einkünfte aus der höher bezahlten Tätigkeit zugerechnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe unstreitig seinen Arbeitgeber bestohlen; es habe auf der Hand gelegen, daß die Aufdeckung dieser Tat zwangsläufig den Verlust des Arbeitsplatzes habe nach sich ziehen müssen. Dem Beklagten habe sich auch die damit verbundene Gefährdung für den Unterhalt der Klägerin aufdrängen müssen, denn es habe ihm klar sein müssen, daß es schwerfallen werde, alsbald eine neue Arbeitsstelle mit gleichhoher Bezahlung wie bei dem früheren Arbeitgeber, für den er fast zwanzig Jahre tätig gewesen sei, wiederzufinden. Dem Beklagten sei danach in unterhaltsrechtlicher Beziehung ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) könne er sich auf eine in dieser Weise selbst herbeigeführte Verminderung seiner Leistungsfähigkeit nicht berufen.
b) Diesen Erwägungen kann nicht in allen Teilen zugestimmt werden.
Die Unterhaltspflicht gegenüber einem Verwandten setzt nach dem klaren Wortlaut des § 1603 Abs. 1 BGB die Leistungsfähigkeit voraus. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die Verminderung oder der Wegfall der Leistungsfähigkeit grundsätzlich auch dann zu beachten ist, wenn der auf Unterhalt in Anspruch Genommene sie selbst – auch schuldhaft – herbeigeführt hat und daß nur besondere, schwerwiegende Gründe dem Unterhaltspflichtigen im Einzelfall die Berufung auf eine Leistungsunfähigkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehren können (vgl. Senatsurteile vom 26. September 1984 – IVb ZR 17/83 – FamRZ 1985, 158, 159 f, vom 21. Januar 1987 – IVb ZR 94/85 – BGHR BGB § 1603 Abs. 1 Erwerbstätigkeit 1 = FamRZ 1987, 372, 374 und vom 16. März 1988 – IVb ZR 41/87 – FamRZ 1988, 597, 599 unter II 4). Unter Hinweis auf die Voraussetzungen, unter denen ein Unterhaltsberechtigter nach den §§ 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB oder § 1611 Abs. 1 BGB bei selbstverschuldeter Herbeiführung seiner Bedürftigkeit den Unterhaltsanspruch verliert, hat der Senat auch dem Verpflichteten die Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit versagt, wenn ihm ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen ist; eine solche Bewertung werde sich, so hat der Senat dargelegt, vielfach aus dem Bezug seines Verhaltens zur Unterhaltspflicht ergeben. Unter diesem Gesichtspunkt ist einem Unterhaltspflichtigen (Ehegatten oder Elternteil) die Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit beispielsweise versagt worden, wenn er eine gesicherte und einkömmliche Erwerbstätigkeit in einem erlernten Beruf zugunsten einer weiteren Ausbildung aufgegeben hatte, ohne den Unterhalt seiner Angehörigen sicherzustellen (Senatsurteil vom 8. April 1981 – IVb ZR 566/80 – FamRZ 1981, 539, 540), oder wenn ein Arbeitnehmer in verantwortungsloser, zumindest leichtfertiger Weise die Kündigung seines bisherigen versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses verschuldet oder eine ihm gebotene Möglichkeit, eine zumutbare andere versicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen, nicht wahrgenommen hat und sich stattdessen ohne Versicherungsschutz als freier Vertreter betätigt und dann durch einen Arbeitsunfall keine Einkünfte aus Lohnfortzahlung oder Krankengeld erzielte (Senatsurteil vom 16. März 1988 aaO). Beim Wechsel von einer angestellten in eine selbständige unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit, die zunächst mit erheblichen Einkommenseinbußen verbunden war, hat der Senat die dadurch eingetretene Verminderung der Leistungsfähigkeit zwar grundsätzlich für beachtlich gehalten, aber verlangt, daß der Pflichtige jedenfalls für eine Übergangszeit der zu erwartenden Entwicklung durch Bildung von Rücklagen oder Kreditaufnahmen Rechnung trägt (Senatsurteil vom 21. Januar 1987 aaO).
Auf der anderen Seite hat der Senat einem Strafgefangenen, soweit er nicht gerade wegen einer Verletzung seiner Unterhaltspflicht oder wegen schwerer Verfehlungen gegen das Leben oder die Gesundheit des Unterhaltsberechtigten oder seiner Angehörigen eine Freiheitsstrafe verbüßt, die Berufung auf die durch die Haft eingetretene Leistungsunfähigkeit nicht verschlossen (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1982 – IVb ZR 696/80 – FamRZ 1982, 792, 794 unter II 4 und vom 9. Juni 1982 – IVb ZR 704/80 – FamRZ 1982, 913, 914).
Danach ist der Fall eines zwar selbst verschuldeten, aber doch ungewollten Arbeitsplatzverlustes unterhaltsrechtlich nicht den Fällen freiwilliger Aufgabe einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gleichzustellen. Auch das Schrifttum tritt dafür ein, die unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit einer dadurch entstehenden Einkommensminderung auf schwerwiegende Fälle zu beschränken und Fälle leichteren Verschuldens auszunehmen, zumal wenn sich das Fehlverhalten nicht gegen den Unterhaltsberechtigten gerichtet hat (vgl. etwa Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl. Rdn. 563; Mutschler in RGRK-BGB 12. Aufl. § 1603 Rdn. 7; Griesche in FamGb § 1603 BGB Rdn. 61). Für den unterhaltsrechtlichen Bezug insbesondere einer Straftat reicht es nicht aus, daß sie für den Arbeitsplatzverlust kausal geworden ist. Es bedarf vielmehr einer auf den Einzelfall bezogenen Wertung dahin, ob die der Tat zugrundeliegenden Vorstellungen und Antriebe sich auch auf die Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Folge des strafbaren Verhaltens erstreckt haben (vgl. dazu schon Senatsurteil vom 26. September 1984 aaO S. 160). Dem werden die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht voll gerecht.
Feststellungen dazu, daß der Beklagte sich mit dem ihm zur Last gelegten Diebstahl bei seinem früheren Arbeitgeber der Unterhaltspflicht hat entziehen wollen oder daß ihm auch nur bewußt gewesen wäre, er könnte infolge seines Verhaltens leistungsunfähig werden, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Daß sich ihm solche Folgen „aufdrängen” mußten, trifft nicht zu, wenn bei objektiver Betrachtung auch eine Nachsicht des Arbeitgebers oder mildere Sanktionen als eine Kündigung ernsthaft in Betracht kamen. Der Beklagte hatte dazu geltend gemacht, er habe sich gegen den Diebstahlsvorwurf und die darauf gestützte fristlose Kündigung vom 26. März 1991 auf anwaltlichen Rat nicht gerichtlich zur Wehr gesetzt, sondern sich statt dessen – wenn letztlich auch vergebens – um eine Wiedereinstellung bemüht; denn er sei fast 20 Jahre lang bei dieser Firma beschäftigt gewesen und seine Tat habe darin bestanden, aus einer Kiste einige Teile mitzunehmen, die aus alten, gebrauchten Motoren ausgebaut und in den Schrott gegeben worden seien. Irgendein Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin liege nicht vor; er habe überhaupt nicht damit gerechnet, durch sein Verhalten seinen gut bezahlten Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen; die Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin, die zeitlich begrenzt und im Verhältnis zu seinen Arbeitseinkünften nicht ins Gewicht gefallen sei, habe keine Rolle gespielt. Er habe nach der Entlassung auch sofort bei einem Bauunternehmer eine neue, wenn auch schlechter bezahlte Tätigkeit begonnen und bleibe weiterhin intensiv bemüht, eine wieder besser bezahlte Beschäftigung zu finden.
Es ist nicht erkennbar, daß das Berufungsgericht diese Gesichtspunkte hinreichend in seine Beurteilung einbezogen hätte. Es hat sich auch nicht mit der Frage befaßt, ob eine schwerwiegende Straftat des Beklagten oder nur ein leichteres Versagen im Sinne des vorstehend Dargelegten vorliegt. Daß der Beklagte strafrechtlich belangt worden ist, ist nicht festgestellt. Für den notwendigen unterhaltsrechtlichen Bezug einer Straftat reicht es nicht aus, daß der dadurch verursachte Arbeitsplatzverlust sich nicht nur auf den Lebensstandard des Täters auswirkt, sondern daß dessen unterhaltsberechtigte Angehörigen mit betroffen werden. Denn derartige Folgen treffen die Angehörigen auch in einer intakten Familie und werden in der Regel als durch die Wechselfälle des Lebens bedingt hingenommen.
3. Das angefochtene Urteil kann nach allem keinen Bestand haben, soweit es die Zeit nach dem Verlust des früheren Arbeitsplatzes des Beklagten betrifft. Das gilt nicht nur für das Erhöhungsverlangen der Klägerin, sondern auch für das Abänderungsbegehren des Beklagten.
Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Die Nachholung fehlender Feststellungen und die erneute Würdigung des Sachverhalts entsprechend den vorstehend dargelegten Grundsätzen obliegen dem Tatrichter. Die danach erforderliche Zurückverweisung gibt zugleich Gelegenheit, nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz möglicherweise eingetretene Veränderungen zu berücksichtigen. Insbesondere wird insoweit der Frage nachzugehen sein, ob der Antrag der Klägerin auf Ausbildungsförderung, den sie aufgrund der Einkommensminderung des Beklagten erneuert hat und dessen Erfolg das Berufungsgericht offenlassen mußte, inzwischen bewilligt worden ist und zu einer (teilweisen) Deckung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin geführt hat.
Unterschriften
Zysk, Krohn, Nonnenkamp, Knauber, Gerber
Fundstellen
Haufe-Index 884744 |
NJW 1993, 1974 |
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