Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung des erbvertraglichen Erben von Schenkungen des lebenden Erblassers
Leitsatz (amtlich)
- Die Einsicht des Erblassers, seine Ehefrau in seinen Verfügungen von Todes wegen unzureichend bedacht zu haben, und sein daraus folgendes Streben, einen Erbvertrag mit seinen Söhnen zugunsten des Ehegatten zu korrigieren, begründen für sich allein kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse i.S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Anschluß an BGHZ 59, 343; 66, 8).
- Der durch Erbvertrag gebundene Erblasser ist nicht gehindert, den Erbverzicht seines Ehegatten durch Vertrag gem. § 2351 BGB wieder aufzuheben; die Vertragserben müssen das hinnehmen. Auch ohne einen derartigen Aufhebungsvertrag ist der dem Vertragserben gem. § 2287 BGB an sich zukommende Schutz entsprechend eingeschränkt, und zwar so weit, wie dem Erblasser der Weg des § 2351 BGB offen gestanden hätte.
Beauftragt die Zivilkammer des Landgerichts den Berichterstatter mit einer von ihr beschlossenen Beweisaufnahme "als Einzelrichter", dann ist der Berichterstatter in der Regel beauftragter Richter und nicht Einzelrichter (hier: i.S.v. §§ 348 ff ZPO a.F.); vor ihm besteht kein Anwaltszwang.
Normenkette
BGB §§ 2287, 2351; ZPO § 78 Abs. 2
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 12. Juli 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger und seine Brüder Herbert und Georg sind die Kinder des am 27. Oktober 1971 verstorbenen Landwirts und Fuhrunternehmers Georg J. (Erblasser) aus dessen erster Ehe; ein weiterer Bruder Willi ist vorverstorben. Der Erblasser war seit 1944 in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet.
In einem Rechtsstreit zwischen dem Erblasser und seinem Sohn Georg vor dem Landgericht Saarbrücken schlossen diese, der Kläger und dessen Bruder Herbert am 3. Juli 1967 im Rahmen eines Prozeßvergleiches einen Erbvertrag, durch den der Erblasser seine drei noch lebenden Kinder Hans (Kläger), Herbert und Georg zu gleichen Teilen zu seinen alleinigen Erben einsetzte.
Die Beklagte und der Erblasser hatten durch notariellen Vertrag vom 7. September 1961 wechselseitig auf ihr gesetzliches Erbrecht nach dem Erstverstorbenen (einschließlich des Pflichtteils) verzichtet.
Am 12. März 1968 schenkte der Erblasser der Beklagten 45.000,- DM, nach der Behauptung des Klägers sogar 100.000,- DM. Aufgrund notariellen Vertrages vom 19. Juli 1968 schenkte der Erblasser der Beklagten darüber hinaus ein in St. I., J. Straße 3, gelegenes Hausgrundstück.
Der Kläger läßt beide Schenkungen nicht gelten. Er hat die Auffassung vertreten, beide Schenkungen und auch deren dinglicher Vollzug seien als Aushöhlungsgeschäfte nichtig. Es handele sich um unzulässige Verfügungen von Todes wegen. Der Erblasser habe mit ihnen praktisch über sein gesamtes Vermögen verfügt. Bei der Schenkung des Grundstücks sei der Erblasser außerdem wegen eines im Juni 1968 erlittenen Schlaganfalles geschäftsunfähig gewesen. Überdies seien beide Schenkungen in der Absicht erfolgt, ihn und die übrigen Vertragserben zu benachteiligen.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Brüder Herbert und Georg in Anspruch und verlangt Auflassung des Grundstücks sowie Bewilligung der "Grundbuchberichtigung" und Herausgabe, ferner Zahlung von 100.000,- DM nebst Zinsen, hilfsweise Feststellung der Unwirksamkeit der Schenkungen vom 12. März und vom 9. Juli 1978. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für unbegründet gehalten. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Landgericht und Oberlandesgericht gehen übereinstimmend davon aus, daß der Kläger die Schenkung eines höheren Geldbetrages als 45.000,- DM nicht nachgewiesen habe. Sie behandeln beide Schenkungen schuldrechtlich als wirksam und auch dinglich als wirksam vollzogen. Die Revision bringt hiergegen nur vor, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt, weil es Vorbringen und Beweisanträge des Klägers zu der behaupteten Geschäftsunfähigkeit des Erblassers außer acht gelassen habe und weil es Vorbringen und einen Beweisantritt des Klägers zu der angeblichen Umgehung der Formvorschrift des § 2301 BGB übergangen habe. Der Senat hat diese Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Zur Begründung beschränkt er sich hierzu (§ 565 a ZPO) auf den Hinweis, daß der Vortrag des Klägers über die behauptete Geschäftsunfähigkeit des Erblassers hinreichender tatsächlicher Angaben ermangelte und daß das Berufungsgericht den erstinstanzlichen Beweisantrag zu § 2301 BGB als erledigt betrachten durfte, wenn der Kläger ihn nicht wiederholte und nicht einmal auf den entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag zurückkam.
2.
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger Erbe (oder Rechtsnachfolger eines Erben) ist. Es hat einen Anspruch aus § 2287 BGB verneint, weil der Kläger nicht habe nachweisen können, daß der Erblasser die Schenkung (gemeint sind beide Schenkungen) in der Absicht gemacht habe, den Kläger (oder dessen Brüder) zu beeinträchtigen. Dem Kläger sei es nicht gelungen, die Benachteiligungsabsicht durch den Nachweis darzutun, daß es dem Erblasser an einem lebzeitigen Eigeninteresse an den Schenkungen gefehlt habe. Dem stehe entgegen, daß der Erblasser nach den Bekundungen des beurkundenden Notars als Motiv für die Schenkungen angegeben habe, es gehe ihm um die Sicherheit seiner Ehefrau nach seinem Ableben. Der Erblasser habe auch Anlaß gehabt, sich um die wirtschaftliche Sicherung seiner Ehefrau Sorgen zu machen. Im Hinblick auf den Erbverzicht der Beklagten stelle die versprochene Rente von monatlich 700,- DM auch in Verbindung mit dem ihr im Juni 1968 eingeräumten Wohnrecht an dem Anwesen in S., St. I. Straße 11, im Verhältnis zu den materiellen Möglichkeiten des Erblassers keine ausreichende wirtschaftliche Sicherung der Beklagten dar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß das der Beklagten geschenkte Grundstück nach sachverständigem Urteil lediglich einen Wert von 117.000,- DM gehabt habe.
Diese Ausführungen begegnen rechtlichen Bedenken.
Nach der ausdrücklichen Gesetzesvorschrift des § 2286 BGB kann und darf ein Erblasser, der sich durch Erbvertrag auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen festgelegt hat, über sein Vermögen trotz der eingegangenen erbrechtlichen Bindung grundsätzlich ohne Beschränkung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden verfügen. Der Erblasser wird durch den Erbvertrag nicht einmal gehindert, sein Vermögen ganz oder teilweise zu verschenken. Selbst Schenkungen, die der Erblasser in der Absicht vornimmt, den Vertragserben zu beeinträchtigen, sind wirksam. Freilich entsteht hier (und nur hier) für den Vertragserben nach Anfall der Erbschaft ein Bereicherungsanspruch gemäß § 2287 BGB.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat seit dem grundlegenden Urteil vom 5. Juli 1972 (BGHZ 59, 343, 350) den Zweck des § 2287 BGB betont. Dieser Zweck geht dahin, § 2286 BGB einzuschränken und den Vertragserben bei Schenkungen vor mißbräuchlicher Ausübung des dem Erblasser an sich verbliebenen Rechts, über sein Vermögen auch weiterhin durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden zu verfügen, Schutz zu bieten. Dieser Schutz greift, wie das Berufungsgericht an sich nicht verkannt hat, nach der Rechtsprechung des Senats aber nicht ein, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hat. Ein lebzeitiges Eigeninteresse in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Dabei kommt den Gründen, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt haben, ausschlaggebendes Gewicht zu. Hier kommt es darauf an, ob diese Gründe ihrer Art nach so sind, daß der Vertragspartner sie anerkennen und deswegen die sich aus der Verfügung für ihn ergebende Benachteiligung hinnehmen muß (vgl. z.B. das Urteil vom 20. Dezember 1978 - IV ZR 132/77 - WM 1979, 442, 445). Das ist in der Regel aber nicht der Fall, wenn der Erblasser ohne Änderung der bei Abschluß des Vertrages gegebenen Umstände allein wegen eines auf eine Korrektur der Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels anstelle der bedachten einer anderen Person wesentliche Vermögenswerte zuwendet, nur weil diese andere Person ihm - jetzt - genehmer ist (BGHZ 59, 343; 66, 8).
Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles hatte das Berufungsgericht die von der Beklagten dargelegten (vgl. BGHZ 66, 8, 17) oder sonst in Betracht kommenden Gründe, die den Erblasser zu der Begünstigung der Beklagten bewogen haben können, darauf zu prüfen, ob diese Gründe ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an den Schenkungen erkennen lassen. Ergaben diese Gründe ein solches lebzeitiges Eigeninteresse nicht, oder bewies der Kläger als Vertragserbe (vgl. BGHZ 66, 8, 16), daß die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu den ihn benachteiligenden Schenkungen bewogen hatten, dann konnte davon ausgegangen werden, daß ein lebzeitiges Eigeninteresse nicht vorgelegen hatte und daß die Schenkungen daher im Sinn von § 2287 BGB in der Absicht vorgenommen worden waren, den Vertragserben zu benachteiligen, so daß der Anspruch nach § 2287 BGB begründet ist. Auch das hat das Berufungsgericht Jedenfalls im Grundsatz richtig gesehen. Dennoch ist die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers durch das Oberlandesgericht von Rechtsirrtum beeinflußt.
Das Oberlandesgericht hält die wirtschaftliche Sicherung der Beklagten durch eine monatliche Rente von 700,- DM und ein Wohnrecht im Blick auf die finanziellen Verhältnisse des Erblassers nicht für ausreichend. Der Erblasser habe deshalb Anlaß gehabt, sich um die Sicherung seiner Frau Sorgen zu machen. Wie der Gesamtzusammenhang des Urteils ergibt, will das Berufungsgericht damit sagen, der Grund für die Schenkungen des Erblassers sei der, daß er die Beklagte mit Hilfe der Schenkungen für die Zeit nach seinem Ableben besser habe sichern wollen.
Damit verkennt das Berufungsgericht zunächst, daß die monatliche Rente der Beklagten aufgrund des notariellen Vertrages vom 10. Februar 1967 - UR. Nr. 313/1967 Notar Schmidt - nicht 700,- DM betrug, sondern infolge einer gleichzeitig vereinbarten Gleitklausel erheblich höher liegen dürfte. Andererseits ist das der Beklagten am 5. Juni 1968 eingeräumte Wohnrecht nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien im Berufungsverfahren unwirksam (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 31. Juli 1974 und Schriftsatz der Beklagten vom 19. Mai 1976). Davon abgesehen läßt das Bestreben des Erblassers, die Versorgung seiner Frau zu verbessern, nach den bisherigen Feststellungen gerade kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers erkennen, das die mit den Schenkungen verbundene Benachteiligung des Klägers und seiner Brüder rechtfertigen könnte.
Der Erblasser und die Beklagte hatten bei der Vereinbarung des Erbverzichts am 7. September 1961 eine Versorgung der Beklagten durch eine monatliche Rente von 450,- DM als ausreichend angesehen. Sie hatten diese Rente am 10. Februar 1967 durch eine solche in Höhe von monatlich 700,- DM ersetzt, wobei durch eine Anbindung dieses Betrages an den Lebenshaltungsindex mit Hilfe einer Gleitklausel einer schleichenden Entwertung dieser Rente vorgebeugt war. Seitdem war eine Änderung der Umstände, die für die Bemessung einer angemessenen Versorgung der Beklagten von Bedeutung sein konnten, nicht eingetreten. Wenn der Erblasser der Beklagten in dieser Lage trotzdem wesentliche Teile seines Vermögens schenkte, dann tritt darin nichts anderes als ein Sinneswandel zutage, indem er nunmehr danach trachtete, die bindend vereinbarte Erbfolgeordnung zugunsten der Beklagten in der Sache zu korrigieren. Allein die mögliche Einsicht des Erblassers, seine Frau vielleicht doch zu gering bedacht zu haben, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit einem vergleichbaren Fall bereits in dem Urteil vom 12./15. November 1976 - IV ZR 81/75 - (WM 1977, 201) befaßt. Dort war vorgebracht, der Erblasser habe seinen nichtehelichen Sohn durch nachträgliche Schenkungen besserstellen wollen, weil ihm zum Bewußtsein gekommen sei, diesem mit einer zu geringen Bedenkung in seinem bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament Unrecht getan zu haben: er habe dieses Unrecht noch bei Lebzeiten wiedergutmachen wollen. Der Bundesgerichtshof hat damals ausgeführt, aus dem Vorbringen gehe allein hervor, daß in der Zwischenzeit bei dem Erblasser ein Sinneswandel eingetreten sei; deswegen habe der Erblasser seinen Nachlaß anders verteilen wollen, als es in seiner bindenden Verfügung von Todes wegen geschehen war. - Hier ist es nicht anders. Auch im vorliegenden Falle wollte der Erblasser seine Verfügung von Todes wegen korrigieren. Die Vertragserben sollten benachteiligt werden, indem die Beklagte zu Lebzeiten bereits wesentliche Vermögensvorteile erhielt, die sonst an den Kläger und seine Brüder gegangen wären. In einem solchen Fall können die benachteiligten Erben die Herausgabe der verschenkten Gegenstände gemäß § 2287 BGB von dem Beschenkten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
3.
Der hier zu entscheidende Fall zeichnet sich Jedoch durch die Besonderheit aus, daß die Beklagte gemäß § 2346 BGB auf ihr gesetzliches Erbrecht als Ehefrau des Erblassers verzichtet hatte. Hier stellt sich die Frage, ob der Schutz, den § 2287 BGB dem Vertragserben im allgemeinen gewährt, gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten, der auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat, Einschränkungen erfährt.
Diese in Rechtsprechung und Schrifttum - soweit ersichtlich - in dieser Form noch nicht erörterte Frage ist nach der Auffassung des Senats zu bejahen.
Der Erbverzicht kann gemäß § 2351 BGB durch Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Verzichtenden Jederzeit wieder aufgehoben werden. Der Verzichtende erlangt dadurch dieselbe Stellung wieder, die er ohne den Erbverzicht hatte. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser in der Zwischenzeit die Erbfolge - wie im vorliegenden Fall - durch Erbvertrag festgelegt hatte. Die Beklagte wäre in einem solchen Fall durch die Aufhebung des Erbverzichts selbstverständlich nicht Erbin geworden, hätte aber jedenfalls ihren Pflichtteil beanspruchen können, und zwar ohne daß der Kläger und seine Brüder daran etwas hätten ändern können. Die Aufhebung des Erbverzichts wäre, auch bei Unentgeltlichkeit, keine Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers an die Beklagte im Sinn von § 516 BGB und keine Schenkung im Sinn von §§ 516, 2287 BGB gewesen und könnte daher ihrerseits auch keine Ansprüche aus § 2287 BGB auslösen. Hieraus folgt, daß der Kläger und seine Brüder trotz ihrer Stellung als Vertragserben den Schutz des § 2287 BGB jedenfalls insoweit nicht beanspruchen können, wie die Rechte des Erblassers aus § 2351 BGB reichen.
Nun haben die Erblasser und die Beklagte allerdings dem Wortlaut der beiden notariellen Verträge vom 10. Februar 1967 nach von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Aber auch wenn die Verträge nicht in dieser Weise auszulegen sind, darf das dem Kläger und seinen Brüdern nicht zugute kommen; auch dann noch ist der ihnen gemäß § 2287 BGB an sich zukommende Schutz dem Umfang nach entsprechend eingeschränkt. Auch in einem solchen Fall müssen der Kläger und seine Brüder zurücktreten, und zwar so weit, wie dem Erblasser der Weg des § 2351 BGB offengestanden hätte; das heißt praktisch, soweit die Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte den Wert eines ihr im Falle der Aufhebung des Erbverzichts zukommenden Pflichtteils nicht überstiegen.
Freilich darf bei alledem nicht übersehen werden, daß der Erbverzicht vom 7. September 1961 anscheinend kein "unentgeltlicher" war und daß nach der in der Literatur vorherrschenden Meinung eine "für" den Erbverzicht geleistete Abfindung bei Aufhebung des Erbverzichts nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugewähren ist (vgl. z.B. Staudinger/Ferid, 10./11. Aufl. § 2351 Rdn. 16; Erman/Bartholomeyczik, 6. Aufl. § 2351 Rdn. 3; Soergel/Müller, 10. Aufl. § 2351 BGB Rdn. 1; von Lübtow, Erbrecht S. 542 f.; Kipp/Coing, 13. Bearb. § 82 Fußn. 29 sowie V 1; Endemann, Erbrecht 3.-5. Aufl. S. 278).
Nun ist der in dem Vertrag vom 7. September 1961 anscheinend als "Gegenleistung" gedachte wechselseitige Erbverzicht der Parteien infolge des Vorversterbens des Vaters des Klägers Überholt und kann nicht zurückgewährt werden. In Betracht kommt als "Gegenleistung" aber noch die der Beklagten zugesagte Rente, die, wenn § 812 BGB (oder auch die Grundsätze der §§ 320 ff BGB vgl. dazu z.B. RGRK-Johannsen, § 2346 BGB Rdn. 2, 3) hier eingriffen, in Anrechnung gebracht werden müßte und deshalb den dem Erblasser verbliebenen und oben aufgezeigten Spielraum zu - auch benachteiligenden - Schenkungen an die Beklagte ganz oder teilweise aufzehren müßte. Ob das der Fall ist, hängt einmal von den Wertverhältnissen ab und zum anderen davon, ob insoweit wirklich eine gegenseitige Abhängigkeit von Erbverzicht und Rente im Sinne eines Synallagma vorlag. Das letztere liegt für den Vertrag vom 10. Februar 1967 immerhin näher als für den Vertrag vom 7. September 1961. Denn die am 7. September 1961 der Beklagten zugesagte Rente von ursprünglich 450,- DM monatlich war in dem mit Erbvertrag überschriebenen II. Abschnitt dieses Vertrages geregelt und kann als erbvertragliche Zuwendung nach dem Willen der Beteiligten als selbständige und als "unentgeltliche" gedacht worden sein. Dagegen ist die an deren Stelle getretene Rente von ursprünglich 700,- DM monatlich in dem Vertrag vom 10. September 1967 - UR.-Nr. 313/1967 - ausdrücklich als Gegenleistung bezeichnet. Aber auch hier bedarf es noch der Prüfung durch den Tatrichter, inwieweit es sich hier wirklich um eine "Gegenleistung" (nur) "für" den Erbverzicht oder (auch) "für" die Beendigung der von den Eheleuten 1944 vereinbarten Errungenschaftsgemeinschaft handelt.
Sollte sich ergeben, daß dem Kläger nach diesen Grundsätzen noch ein Anspruch aus § 2287 BGB zusteht, insbesondere in Bezug auf das der Beklagten geschenkte Grundstück, dann stellt sich die weitere Frage, ob der Kläger Übereignung dieses Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung hinnehmen muß, oder ob er von der Beklagten nur Zahlung des Betrages beanspruchen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht, den er nicht gelten lassen muß. Die Frage wird nach den Grundsätzen zu beantworten sein, die die Rechtsprechung zu der gemischten Schenkung entwickelt hat (vgl. BGHZ 30, 120; LM BGB § 2287 Nr. 2). Das bedeutet, daß der Kläger das geschenkte Grundstück (bei entsprechender Zug-um-Zug-Leistung) nur dann herausverlangen kann, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, also wenn derjenige Wertanteil der Schenkung, der nach den oben dargelegten Grundsätzen hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil.
4.
Der Senat kann das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten (§ 563 ZPO). Insbesondere erweist es sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht schon deshalb im Ergebnis als zutreffend, weil der Erbvertrag, auf den der Kläger sich stützt, unwirksam wäre.
Der Erbvertrag ist Teil eines Prozeßvergleichs, der am 3. Juli 1967 in einem Rechtsstreit zwischen dem Erblasser und dessen Sohn Georg vor dem Landgericht Saarbrücken zustande gekommen ist. Vertragspartner des Erbvertrages sind die Parteien jenes Rechtsstreits sowie der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits und der weitere Bruder Herbert. Die Beklagte hält den Erbvertrag in Übereinstimmung mit dem Landgericht für formnichtig, weil die Brüder Herbert und Hans bei Abschluß jenes Vertrages nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten waren. Das Berufungsgericht hat zu dieser Frage - von seinem Standpunkt aus mit Recht - nicht Stellung genommen.
Der Senat vermag sich den Bedenken gegen die Wirksamkeit des Erbvertrages nicht anzuschließen. Nach der Auffassung des Senats sind die Bedenken nicht stichhaltig, weil der Erbvertrag entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten vor dem beauftragten Richter und nicht vor dem Einzelrichter geschlossen worden ist, und weil schon deshalb eine Vertretung des Klägers und seines Bruders Herbert durch Rechtsanwälte bei Abschluß des Erbvertrages gemäß § 78 Abs. 2 ZPO nicht geboten war.
Die Zivilkammer hatte, wie sich aus den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Verfahrensakten ergibt, in jenem Rechtsstreit aufgrund mündlicher Verhandlung einen Auflagen- und Beweisbeschluß erlassen, in dem es unter IV. heißt:
"Termin zur Beweisaufnahme vor dem hiermit als Einzelrichter beauftragten Berichterstatter wird bestimmt auf ..."
Aufgrund dessen hatte der Berichterstatter die von der Kammer beschlossene Beweisaufnahme durchgeführt und hatte im Anschluß daran mehrere Sühneversuche abgehalten, die schließlich zu dem beanstandeten Prozeßvergleich führten. In den hierüber aufgenommenen Sitzungsniederschriften heißt es im Eingang jeweils "Öffentliche Einzelrichtersitzung der 3. Zivilkammer des Landgerichts". Außerdem ist der Berichterstatter dort stets bezeichnet als "Gerichtsassessor Gieseking als Einzelrichter". Dennoch war Gerichtsassessor Gieseking seinerzeit nicht Einzelrichter, sondern beauftragter Richter im Sinn von § 78 Abs. 2 ZPO. Das folgt schon daraus, daß die Zivilkammer dem Berichterstatter nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses nicht die verhältnismäßig freie Stellung des Einzelrichters alter Art nach §§ 348 ff. ZPO a.F. verschaffen, sondern ihm einen konkreten Auftrag erteilen wollte, nämlich ihn mit ("hiermit") der Durchführung der von der Zivilkammer beschlossenen Beweisaufnahme beauftragte und zugleich gemäß § 361 Abs. 1 ZPO Termin zur Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter bestimmte (vgl. Baumbach/Lauterbach, 29. Aufl. 1966 § 349 ZPO Anm. 3 A; BGHZ 40, 179, 182 f). Daß der Berichterstatter, vor dem nicht etwa mündlich verhandelt wurde, sich später als Einzelrichter bezeichnete und daß die Beweisaufnahme und die Sühneversuche in öffentlicher Sitzung stattfanden, vermochte seine Stellung als beauftragter Richter nicht zu ändern.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1456238 |
BGHZ, 264 |
NJW 1980, 2307 |
DNotZ 1981, 49 |
JZ 1980, 768 |