Normenkette
AGBG §§ 3, 9; BGB § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 13.04.1988) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. April 1988 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hat bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif V (Krankentagegeld für Selbständige und Arbeitnehmer) der Beklagten sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT 78) zugrunde, die den Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherer entsprechen. Nach Abschnitt A Nr. 2 des Tarifs V sind versicherungsfähig für die Zeit ihrer Erwerbstätigkeit alle im Tätigkeitsgebiet des Versicherers wohnenden selbständig Erwerbstätigen und Arbeitnehmer im Alter von 16 bis 65 Jahren. Nicht versicherungsfähig ist, wer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld bezieht.
Der Kläger war in der Zeit vom 5. November 1986 bis zum 22. April 1987 krankgeschrieben. Die Beklagte zahlte ihm für die Zeit bis zum 6. Februar 1987 Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 8.905 DM. Sodann stellte sie die Zahlungen ein. Der Kläger bezog nämlich aufgrund eines am 10. Oktober 1986 vor dem Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geschlossenen Vergleiches von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit in Höhe von monatlich 1.011,40 DM. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls wurde der 12. Februar 1986 angenommen. Die Rente sollte beginnend mit dem 14. August 1986 bis zum 30. September 1988 gezahlt werden. Einen entsprechenden Rentenbescheid erließ die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte am 29. Dezember 1986.
Der Kläger verlangt die Zahlung restlichen Krankentagegeldes in Höhe von 8.625 DM nebst Zinsen. Er begehrt ferner die Feststellung, daß die Krankentagegeldversicherung über den 31. August 1986 hinaus fortbesteht. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, daß das Versicherungsverhältnis mit der Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nach § 15 lit. a) MB/KT 78 beendet sei. Sie verlangt widerklagend die Rückzahlung der von ihr erbrachten Leistungen abzüglich zu erstattender Versicherungsprämien, insgesamt 7.944,32 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage im wesentlichen stattgegeben. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiter sein Klagebegehren sowie die Abweisung der Widerklage.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
1. § 15 MB/KT 78 kennt hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen verschiedene Gründe der Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Nach lit. a) endet das Versicherungsverhältnis bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist. Nach lit. b) endet das Versicherungsverhältnis ferner mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt nach dieser Klausel vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist.
Der Kläger meint, nur diese letztere Klausel sei für ihn maßgebend, aber nicht einschlägig, weil er nicht auf Dauer erwerbsunfähig sei. Dem ist das Berufungsgericht nicht gefolgt. Es hält das Versicherungsverhältnis wegen der, wenn auch nur befristeten Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für beendet, weil damit die Voraussetzungen für die Versicherungsfähigkeit des Klägers nach dem Tarif entfallen seien. Dieses Verständnis der Versicherungsbedingungen bekämpft die Revision zu Unrecht. Sie meint, § 15 lit. b) MB/KT 78 enthalte die speziellere Regelung und gehe deshalb lit. a) vor.
Das trifft indessen nicht zu. Die erste Klausel hebt auf den Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit ab. Dazu gehört, daß der Versicherte keine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld bezieht. Danach ist nur der Bezug einer bestimmten Versorgungsrente maßgebend, ohne Rücksicht auf Art, Dauer und Schwere der Beeinträchtigung des Versicherten. Die andere Klausel stellt dagegen auf die Berufsunfähigkeit selbst ab, macht die Beendigung des Versicherungsverhältnisses aber nicht vom Bezug einer daran geknüpften Rente abhängig. Es werden also verschiedene Sachverhalte geregelt, die sich zwar überschneiden können, aber nicht müssen und an unterschiedliche Kriterien anknüpfen. Beide Regelungen bestehen deshalb nebeneinander, ohne daß die eine im Verhältnis zur anderen die speziellere wäre.
2. Das Berufungsgericht prüft danach zu Recht, ob das Versicherungsverhältnis des Klägers nach § 15 lit. a) MB/KT 78 geendet hat. Es bejaht das mit der zutreffenden Erwägung, daß nach dieser Klausel nicht zwischen der Zahlung einer befristeten und der einer unbefristeten Rente wegen Berufsunfähigkeit unterschieden wird. Es nimmt an, daß das Versicherungsverhältnis damit zum 31. August 1986 beendet worden ist. Dem stehe nicht entgegen, daß der Rentenbescheid vom 29. Dezember 1986 die Rente rückwirkend bewilligt habe. Denn versichert sei durch die Krankentagegeldversicherung das Risiko eines voraussichtlich vorübergehenden Verdienstentganges. Auch durch die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente werde aber der Verdienstentgang des Versicherungsnehmers ab dem Zeitpunkt, für welchen die Rente bewilligt sei, kompensiert. Zudem habe die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ihren eigentlichen Grund in dem vor dem Landessozialgericht am 10. Oktober 1986 geschlossenen gerichtlichen Vergleich. Dieser Zeitpunkt liege vor dem Eintritt des Versicherungsfalls am 5. November 1986, so daß das zwischen den Parteien bestehende Versicherungsverhältnis bei Eintritt des Versicherungsfalls in jedem Fall beendet gewesen sei. All das ist richtig. Die gegenteilige Ansicht der Revision, Abschnitt A Nr. 2 Tarif V sei dahin auszulegen, daß die Versicherungsfähigkeit nur bei Bezug einer unbefristeten Rente entfalle, beruht auf ihrer unzutreffenden Annahme, daß § 15 lit. a) unter Hinzuziehung der Regelung des § 15 lit. b) MB/KT 78 interpretiert werden müsse (siehe oben unter 1.).
3. Das Berufungsgericht nimmt auch zu Recht an, daß die Regelung des § 15 lit. a) MB/KT 78 i.V.m. Abschnitt A Nr. 2 Tarif V einer Inhaltskontrolle gemessen an den Vorschriften der §§ 3 und 9 AGBG standhält. Die Regelung der Versicherungsfähigkeit einer Person im Tarif der Beklagten ist weder ungewöhnlich noch überraschend im Sinne von § 3 AGBG. Das Berufungsgericht hebt zu Recht hervor, daß unter Tarif keineswegs nur die Zusammenstellung eines Zahlenwerks, vielmehr auch einheitlich festgelegte Bedingungen für Lieferungen oder Leistungen verstanden werden. Es weist auf den übersichtlich aufgebauten Abschnitt A des Tarifs V der Beklagten hin, in dem jeder Versicherungsnehmer ohne Schwierigkeiten die entscheidende Stelle finde, zumal auf den Passus über den versicherungsfähigen Personenkreis durch fettgedruckte Überschrift eigens hingewiesen werde. Unter diesen Umständen sind auch nach Auffassung des erkennenden Senats Inhalt und Form der Regelung des versicherungsfähigen Personenkreises für einen Versicherungsnehmer nicht überraschend.
Aber auch einen Verstoß gegen § 9 AGBG verneint der Tatrichter zu Recht. Die Krankentagegeldversicherung ist eine Summenversicherung, die dazu bestimmt ist, einen krankheitsbedingten Verdienstausfall auszugleichen. Das Berufungsgericht bezeichnet es treffend als konsequent, daß mit dem Bezug einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die an die Stelle des Arbeitseinkommens tritt, auch der Versicherungsschutz in der Krankentagegeldversicherung endet. Das entspricht dem Schutzzweck dieser Versicherungsart. Von einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers durch die Klausel kann deshalb nicht die Rede sein, zumal der Versicherungsnehmer die Wahl hat, ob er eine – sei es auch nur vorübergehende – Rente der hier vorliegenden Art in Anspruch nehmen oder sich den Versicherungsschutz aus dem Versicherungsvertrag erhalten will (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Januar 1989, IVa ZR 187/87 = VersR 1989, 392).
4. Das Berufungsgericht hat den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, das von der Beklagten für die Zeit bis zum 6. Februar 1987 gezahlte Krankentagegeld abzüglich zu erstattender Versicherungsprämien zurückzuzahlen. § 814 BGB stehe dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen; es sei nicht ersichtlich, daß die Beklagte vor der Einstellung ihrer Zahlungen von der Zahlung einer Rente an den Kläger gewußt habe. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen. Sein Vortrag hierzu sei unsubstantiiert. Es sei weder dargetan, welche Aushilfen mit welcher Qualifikation der Kläger für welche Tätigkeiten eingestellt habe, noch, was er im einzelnen an die Aushilfen gezahlt habe. Abgesehen davon habe der Kläger durch die Einstellung von Aushilfskräften anrechenbare Einkünfte erzielt, die seinen Ausgaben gegenübergestellt werden müßten.
Auch das ist im Ergebnis richtig. Der Kläger hatte zwar in seiner Berufungsbegründung mit Beweisangebot vorgetragen, er habe für drei Aushilfen in der Zeit vom November 1986 bis April 1987 insgesamt 6.336 DM gezahlt; wenn ihm das Krankentagegeld nicht zur Verfügung gestanden hätte, hätte er diese Aushilfen nicht beschäftigt, denn einen entsprechend hohen Vorteil habe er aus der Beschäftigung nicht gehabt. Damit hat der Kläger zwar in ausreichender Weise dargetan, wofür er einen größeren Teil des gezahlten Krankentagegeldes verwendet haben will. Daraus ergibt sich aber noch nicht eine Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB. Sie kann nach Sachlage nur in einem Wegfall des auf unberechtigte Weise Erlangten bestehen. Verwendet der Bereicherungsschuldner aber das Erlangte dazu, um anderweitige Vermögensvorteile zu erzielen, so ist er nur dann entreichert, wenn und soweit ihm dies mißlingt (vgl. MünchKomm/Lieb 2. Aufl. § 818 Rdn. 70/71; Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 818 Rdn. 35), wenn er also das Erlangte in unwirtschaftlicher Weise angelegt hat. Erst daraus ergibt sich eine Entreicherung. Daß es sich so verhält, steht zur Darlegungs- und Beweislast des Bereicherungsschuldners, der sich auf einen Wegfall der Bereicherung beruft. Hier ist es keineswegs selbstverständlich, daß Aufwendungen für Aushilfskräfte dem damals als Handelsvertreter für Uhren tätigen Kläger nicht auch entsprechende Gewinne gebracht haben. Ein wirtschaftlich denkender Handelsvertreter stellt im Krankheitsfall, ob er Krankentagegeld bezieht oder nicht, nur dann Aushilfskräfte ein, wenn er sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Zur Darlegung einer Entreicherung hätte es also einer Gegenüberstellung der für die Aushilfskräfte gemachten Aufwendungen und der durch sie erzielten Gewinne bedurft.
Unterschriften
Dr. Hoegen, Rottmüller, Dr. Lang, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1237669 |
NJW 1990, 51 |
BGHR |