Leitsatz (amtlich)
Zum Zustandekommen eines Scheckbegebungsvertrages durch Entgegennahme von Schecks durch einen Mehrpersonenvertreter.
Normenkette
BGB §§ 164, 364
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 1 HKO 1819/98) |
OLG Dresden (Aktenzeichen 2 U 3035/98) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. März 1999 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 25. August 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Firma S./N. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) von der Beklagten die Zahlung restlichen Kaufpreises aus zwei Verträgen vom 29. Mai 1996, durch welche die H. Heizkraftwerk GmbH ihr Fernwärmeversorgungsnetz sowie mehrere Hausanschlußstationen an die Beklagte veräußert hatte. Gemäß § 2 der jeweiligen Verträge war „der Kaufpreis … mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten der Gläubigerin der H., nämlich der S + N GmbH (Gemeinschuldnerin), zu zahlen”. Die Beklagte übergab anschließend dem Verhandlungsführer auf der Verkäuferseite S., der sowohl alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wie der H. Heizkraftwerk GmbH war und die Verträge im Namen beider Gesellschaften unterzeichnet hatte, mehrere auf die „Heizkraftwerk GmbH M.” als Zahlungsempfängerin ausgestellte Verrechnungsschecks über insgesamt 578.726,73 DM; in den angehefteten Quittungsbelegen war jeweils „W., Kauf FW-Netz M.” bzw. „Vertrag vom 29.05.1996” angegeben. Die Verrechnungsschecks wurden dem Geschäftskonto der H. Heizkraftwerk GmbH gutgeschrieben; hiervon leitete die H. Heizkraftwerk GmbH nur einen Betrag von 123.238,79 DM an die Gemeinschuldnerin weiter, während sie die restlichen Scheckbeträge für sich verwandte.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte aus den Vereinbarungen vom 29. Mai 1996 unter Berücksichtigung des bei der Gemeinschuldnerin eingegangenen Betrages sowie einer Teilabtretung auf Zahlung von insgesamt 482.460,10 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage bis auf einen Betrag von 26.972,16 DM nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte schulde zugunsten des vom Kläger verwalteten Vermögens aus den beiden Kaufverträgen vom 29. Mai 1996 einen restlichen Kaufpreis von 455.487,94 DM. Wie sich aus dem Wortlaut und dem Inhalt dieser Verträge ergebe und durch die Art und Weise der Abwicklung bestätigt werde, stünden die Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin aus eigenem Recht zu. In Höhe eines Teilbetrages von 455.487,94 DM seien die Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin unerfüllt geblieben. Der restliche Kaufpreiszahlungsanspruch aus beiden Verträgen vom 29. Mai 1996 in Höhe von 605.698,89 DM sei, nachdem der Geschäftsführer S. die an ihn von der Beklagten erfüllungshalber übergebenen Verrechnungsschecks über einen Gesamtbetrag von 578.726,73 DM zugunsten der H. Heizkraftwerk GmbH eingelöst habe, wovon an die Gemeinschuldnerin lediglich ein Betrag von 123.238,79 DM weitergeleitet worden sei, lediglich in Höhe dieses Betrages erfüllt worden, so daß eine Restforderung von 482.460,10 DM verblieben sei, die nach teilweiser Zusprechung durch das Landgericht noch in Höhe von 455.487,94 DM nicht befriedigt sei.
Ohne Erfolg erhebe die Beklagte gegenüber dem geltend gemachten Zahlungsanspruch die Einrede der Scheckhingabe entsprechend §§ 273 Abs. 1, 270 Abs. 1 BGB. Durch die Aushändigung der Verrechnungsschecks an den Geschäftsführer S. sei die Gefahr einer Einlösung zugunsten der H. Heizkraftwerk GmbH nicht auf die Gemeinschuldnerin übergegangen, da die Übergabe nicht aufgrund jeweils geschlossener Scheckbegebungsverträge zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte habe bereits kein an die Gemeinschuldnerin gerichtetes Angebot auf Abschluß eines Scheckbegebungsvertrages abgegeben; vielmehr habe die Beklagte durch Bezeichnung der H. Heizkraftwerk GmbH als Empfängerin in dem dafür vorgesehenen Feld auf jedem der Verrechnungsschecks eine Leistungsbestimmung in Richtung der H. Heizkraftwerk GmbH getroffen und damit eine Erfüllungshandlung ihr gegenüber vorgenommen, die von dem Geschäftsführer S. entgegengenommen worden sei. Dieser von der Beklagten getroffenen Leistungsbestimmung stehe nicht entgegen, daß aus den geschlossenen Kaufverträgen die Gemeinschuldnerin, nicht dagegen die H. Heizkraftwerk GmbH forderungsberechtigt gewesen sei, dem Geschäftsführer S. die dort getroffenen Zahlungsmodalitäten bekannt gewesen und zwei der Schecks im Anschluß an die Vertragsverhandlungen ausgehändigt worden seien. Die Beklagte habe zur Erfüllung der ihr aus den Verträgen obliegenden Kaufpreiszahlungspflicht die Zahlungsweise des Verrechnungsschecks gewählt und damit auch das dieser innewohnende Risiko übernommen, daß die Gefahr einer unberechtigten Einlösung auf die Gemeinschuldnerin erst nach Zugang der jeweiligen Schecks aufgrund wirksam getroffener Scheckzahlungsabrede übergehe. Da die Zahlungen nach den auf den Schecks getroffenen Empfängerbezeichnungen für die H. Heizkraftwerk GmbH und nicht für die Gemeinschuldnerin bestimmt gewesen seien und auch die sonstigen Umstände nicht mit ausreichender Sicherheit ergäben, daß der Geschäftsführer S. als Vertreter der Gemeinschuldnerin gemeint gewesen sei, müsse angenommen werden, daß die Zahlungen an die H. Heizkraftwerk GmbH geleistet worden seien. Fehle es damit bereits an einem Angebot der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin auf Abschluß eines Scheckbegebungsvertrages, so habe ein solcher zwischen beiden und damit ein Übergang der Verlustgefahr unabhängig davon nicht zustande kommen können, ob der Geschäftsführer S. aus Sicht der Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gehandelt habe.
Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife ebenfalls nicht durch, da ihr ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschuldnerin nicht zustehe.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Soweit das Berufungsgericht die Kaufverträge vom 29. Mai 1996 dahin ausgelegt hat, daß die Gemeinschuldnerin aus diesen Verträgen (allein) forderungsberechtigt ist, rügt die Revision allerdings vergeblich, die tatrichterliche Auslegung der individual-rechtlich vereinbarten Zahlungsregelung sei unvollständig, weil die gleichwertige Möglichkeit außer Betracht gelassen worden sei, daß die Gemeinschuldnerinauch – also neben der Verkäuferin H. GmbH – ein Forderungsrecht erworben habe. Diese Deutung findet keine Stütze im Vertragsinhalt. Die Revision vermag auch keinen übergangenen Vortrag bei der Auslegung aufzuzeigen. Die Beklagte ist vielmehr in den Tatsacheninstanzen selbst immer davon ausgegangen, daß sie an die Gemeinschuldnerin habe zahlen wollen und daß S. bei der Entgegennahme der Schecks ausdrücklich als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin aufgetreten sei.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten stehe gegenüber dem restlichen Kaufpreisanspruch in Höhe von 455.487,94 DM die Einrede der Scheckhingabe gemäß §§ 273 Abs. 1, 270 Abs. 1 BGB analog nicht zu.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt die Scheckzahlungsabrede dem Scheckaussteller das Recht, die Bezahlung der Kausalforderung bis zur Rückgabe des unversehrten, insbesondere unbezahlten, erfüllungshalber hingegebenen Schecks zu verweigern (BGH, Beschluß vom 16. April 1996 – XI ZR 222/95, WM 1996, 1037 f m.w.Nachw.). Hieraus ergibt sich ein ständiges Leistungsverweigerungsrecht des Scheckausstellers für den Fall, daß die Verlustgefahr des Schecks entsprechend der getroffenen Scheckzahlungsabrede auf den Schecknehmer übergegangen ist und dieser den Scheck nicht unbezahlt zurückgeben kann, weil der Scheck von der bezogenen Bank inzwischen eingelöst worden ist.
b) Wie die Revision zu Recht rügt, fehlt es im Streitfall nicht an einem Scheckbegebungsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten. Bei seinem gegenteiligen Verständnis läßt das Berufungsgericht die für die Feststellung des Parteiwillens maßgebliche eindeutige Interessenlage der Parteien sowie den mit der Hingabe der Schecks verfolgten Zweck außer acht.
aa) Bei der Auslegung des Scheckbegebungsvertrages gilt die allgemeine Regel, daß unter Berücksichtigung aller auch außerhalb der Scheckurkunde liegenden Umstände der Inhalt der Parteierklärungen zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 28. Januar 1992 – XI ZR 149/91, WM 1992, 567 unter II 2; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1990 – XI ZR 113/89, NJW-RR 1991, 229 unter II 1; zum Wechselbegebungsvertrag BGHZ 64, 11, 14 ff; siehe auch Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 21. Aufl., Einleitung WG Rdnr. 58; Einleitung SchG Rdnr. 16).
bb) Wenn nach der rechtsfehlerfreien und danach bindenden Auslegung des Berufungsgerichts allein die Gemeinschuldnerin und nicht (auch) die Verkäuferin H. Heizkraftwerk GmbH Gläubigerin des Kaufpreisanspruchs sein sollte, konnte die Hingabe der Schecks an den Geschäftsführer S., der sowohl die H. Heizkraftwerk GmbH wie auch die Gemeinschuldnerin bei dem Vertragsabschluß vertreten hatte, auch aus dessen – maßgeblicher – Sicht sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte damit ihre Kaufpreisverpflichtungen gegenüber der Gemeinschuldnerin erfüllen wollte; zum Abschluß eines Scheckbegebungsvertrages mit der H. Heizkraftwerk GmbH, der keinerlei Forderungen gegenüber der Beklagten zustanden, bestand kein Anlaß. Zudem war durch die Quittungsbelege jeweils klargestellt, daß sich die Zahlungen auf die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Kaufverträge vom 29. Mai 1996 bezogen. Dem Umstand, daß auf sämtlichen Verrechnungsschecks jeweils von der Beklagten die H. Heizkraftwerk GmbH als Schecknehmerin angegeben worden war, kann demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.
Im übrigen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, im Adreßfeld der Schecks sei jeweils die H. Heizkraftwerk GmbH deshalb aufgeführt worden, weil die Schecks in der Buchhaltung der Beklagten ausgefertigt worden seien und Verkäuferin die H. Heizkraftwerk GmbH gewesen sei.
cc) Bei Berücksichtigung der erkennbaren Interessenlage der Beklagten sowie des mit der Hingabe der Verrechnungsschecks verfolgten Zwecks ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte, die sich mit einer Zahlung des Kaufpreises an die Gemeinschuldnerin anstelle einer solchen an die verkaufende H. Heizkraftwerk GmbH einverstanden erklärt hatte, durch die Übergabe der Schecks ihre Kaufpreisschuld erfüllen wollte. Damit sind aber, wie bereits das Landgericht zutreffend angenommen hat, entsprechende Scheckbegebungsverträge zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin zustande gekommen.
dd) Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, daß der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen hat, der Geschäftsführer S. sei bei Entgegennahme der Schecks – und damit bei Annahme des Vertragsangebots der Beklagten – nicht für die Gemeinschuldnerin, sondern für die H. Heizkraftwerk GmbH aufgetreten, was auch seinem Willen entsprochen habe. Ist – wie hier – ungewiß, in wessen Namen der Vertreter den Vertrag geschlossen hat, so ist in entsprechender Anwendung des § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB die Willenserklärung des Vertreters gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 – VII ZR 299/86, NJW-RR 1988, 475 unter 1 a; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 164 Rdnr. 14, jew. m.w.Nachw.). Für die Auslegung der mit der Entgegennahme der Schecks – konkludent abgegebenen – Willenserklärung auf Abschluß von Scheckbegebungsverträgen ist entscheidend, wie die Beklagte diese Erklärungen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußte; der innere Wille ist nicht maßgebend (BGHZ 36, 30, 33; 47, 75, 78; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 – IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206 unter II 2 a = BGHR BGB § 133 Wille 7, jew.m.w.Nachw.). Der Kläger hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich für die Beklagte der Wille des Geschäftsführers S. ergab, bei Entgegennahme der Schecks für die H. Heizkraftwerk GmbH zu handeln. Der Kläger führt vielmehr allein verschiedene Indizien auf, die nach seiner Ansicht auf ein Handeln des Geschäftsführers für die H. Heizkraftwerk GmbH hindeuten. Diese Indizien, wie die Bezeichnung der H. Heizkraftwerk GmbH als Schecknehmerin sowie die Entgegennahme der Schecks durch den Geschäftsführer S., der zugleich Vertreter der H. Heizkraftwerk GmbH war, rechtfertigen jedoch, wie zuvor dargestellt, den vom Kläger daraus gezogenen Schluß nicht. Soweit der Kläger weiter auf die Einlösung der Schecks auf Konten der H. Heizkraftwerk GmbH hinweist, kann hieraus für einen bei Entgegennahme der Schecks bestehenden – für die Beklagte erkennbaren – Willen S. nichts entnommen werden.
d) Ist aber durch die Übergabe der Verrechnungsschecks an den Geschäftsführer S. die Verlustgefahr auf die Gemeinschuldnerin in entsprechender Anwendung von § 270 Abs. 1 BGB übergegangen, steht dem geltend gemachten Restkaufpreisanspruch die Einrede der Scheckhingabe entgegen (BGH, Beschluß vom 16. April 1996 aaO).
3. Auf die Revision der Beklagten war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Ball, Dr. Leimert, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.07.2000 durch Zöller, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510951 |
BB 2000, 2015 |
DB 2000, 2516 |
NJW 2000, 3344 |
EWiR 2000, 1043 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1857 |
WuB 2001, 3 |
ZIP 2000, 1719 |
MDR 2000, 1364 |
ZBB 2000, 339 |