Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdacht der Körperverletzung mit Todesfolge
Tenor
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 15. November 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Nebenklägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Die Verlobte des Angeklagten wurde in den Hauptverhandlungsterminen vom 6. und vom 8. November 2000 als Zeugin vernommen. Sie wurde im Hauptverhandlungstermin vom 8. November 2000 vereidigt, ohne zuvor über ihr Recht belehrt worden zu sein, als Verlobte des Angeklagten die Beeidigung ihres Zeugnisses zu verweigern (§§ 52 Abs. 1 Nr. 1, 63 StPO).
Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil beruhen. Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte nicht rechtswidrig, da seine als Körperverletzung mit Todesfolge zu wertende Tat durch Notwehr geboten war (§ 32 StGB). Für die Annahme des Landgerichts, daß der Angeklagte sich bei Begehung der Tat in einer Notwehrlage befand, war die seine Einlassung bestätigende Aussage seiner Verlobten in der Hauptverhandlung das maßgebliche Beweismittel, da weitere Augenzeugen nicht vorhanden sind. Das Landgericht hat die Aussage als eidliche verwertet und zur Glaubwürdigkeit der Zeugin u. a. ausgeführt:
„Diese beeidete Aussage steht im Widerspruch zur Aussage der Zeugin im Ermittlungsverfahren bei der Polizei und beim Ermittlungsrichter, wo sie bekundet hat, bei der Tat nicht dabei, sondern in der Wohnung des Angeklagten gewesen zu sein.
Auch wenn die Zeugin (…) nicht nachvollziehbar zu erklären vermochte, warum sie trotz ihrer allgemeinen Kenntnis vom Notwehrrecht ihren Verlobten nicht bereits im Ermittlungsverfahren entlastet hat, ist die Kammer gleichwohl davon überzeugt, daß sie im Ermittlungsverfahren gelogen und in der Hauptverhandlung trotz ihrer offensichtlichen Neigung zu Übertreibungen jedenfalls im Kernbereich die Wahrheit gesagt hat.”
Danach läßt sich, obwohl das Landgericht insoweit seine Überzeugung auch darauf gestützt hat, daß nach den Bekundungen der Lebensgefährtin des Tatopfers davon auszugehen ist, daß die Verlobte des Angeklagten zur Tatzeit „jedenfalls nicht in der Wohnung war” und daß ihre Aussage „in Teilen” durch die Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen bestätigt werden, nicht ausschließen, daß es die Glaubwürdigkeit der Zeugin anders beurteilt hätte, wenn diese nach der vorgeschriebenen Belehrung erklärt hätte, sie wolle ihre Aussage nicht beeiden (vgl. BGHR StPO § 63 Verletzung 1; BGH StV 1991, 498; BGH, Beschluß vom 7. November 2000 – 4 StR 398/00). Hätte das Landgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugin anders beurteilt, wäre aber unter den hier gegebenen Umständen – anders als in dem der Entscheidung BGHR StPO § 63 Verletzung 2 zugrundeliegenden Fall – einer die Beweiswürdigung des Landgerichts tragenden Erwägung die argumentative Basis entzogen.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 614753 |
NStZ 2001, 604 |