Leitsatz (amtlich)
Zur Verjährung des Auskunftsanspruchs des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB bei Vereinbarung einer Staffelmiete.
Normenkette
BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 556g Abs. 3, § 557a Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 01.02.2022; Aktenzeichen 65 S 190/21) |
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Entscheidung vom 23.09.2021; Aktenzeichen 102 C 129/21) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 65 - vom 1. Februar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als bezüglich des Auskunftsverlangens der Klägerin zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, macht unter Berufung auf eine erfolgte Abtretung Ansprüche der Mieterin einer Wohnung des beklagten Vermieters im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 geltend.
Rz. 2
Zwischen dem Beklagten und Z. (nachfolgend Mieterin) besteht seit dem 1. November 2015 ein Mietverhältnis über eine Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die Mietvertragsparteien vereinbarten eine Staffelmiete; danach erhöhte sich die Miete mit Wirkung ab dem 1. November 2018.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 4. Mai 2020 rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten - unter Berufung auf eine entsprechende Beauftragung und Bevollmächtigung sowie auf eine erfolgte Forderungsabtretung durch die Mieterin - gemäß § 556g Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung. Sie verlangte unter Fristsetzung Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbarte Mieterhöhungen, über in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen und einen sich gegebenenfalls hieraus ergebenden Betrag einer Mieterhöhung sowie darüber, ob es sich bei dem bestehenden Mietverhältnis um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handele. Ferner begehrte die Klägerin die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung des Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.
Rz. 4
Mit der am 4. August 2021 erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Erteilung der vorgenannten Auskünfte und auf (Rück-)Zahlung ihrer Ansicht nach für den Monat Juni 2020 zu viel gezahlter Miete sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch genommen. Der Beklagte hat sich unter anderem auf die Verjährung des Auskunftsanspruchs berufen.
Rz. 5
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Auskunftserteilung sowie - überwiegend - zur Zahlung verurteilt.
Rz. 6
Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht (LG Berlin [Zivilkammer 65]) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte gemäß § 556g Abs. 3, § 557a Abs. 4, § 398 BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung.
Rz. 10
Sie sei aktiv legitimiert, da die geltend gemachten Ansprüche von der Mieterin wirksam an sie abgetreten seien. Das schlichte Bestreiten der - nicht gemäß § 134 BGB unwirksamen - Abtretung sei vor dem Hintergrund der von der Klägerin vorgelegten schriftlichen "Bestätigung Vollmachterteilung und Abtretung, Genehmigung" mit der Unterschrift der Mieterin "unbeachtlich, § 138 Abs. 2 ZPO"; die Echtheit der Unterschrift habe der Beklagte nicht bestritten.
Rz. 11
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wirksam. Sie sei insbesondere in ausreichender Weise begründet und die Begründung, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. Mai 2020 (VIII ZR 45/19) festgestellt habe, in der von § 556d Abs. 2 BGB vorausgesetzten Weise auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses öffentlich zugänglich gemacht worden. Eine zwischenzeitliche Umstellung des Datenverarbeitungssystems beim Abgeordnetenhaus von Berlin auf das System PARDOK biete - entgegen der Ansicht des Beklagten - keine Grundlage für die Annahme, dass das Veröffentlichungsdatum 28. Mai 2015 unrichtig sei.
Rz. 12
Der Auskunftsanspruch der Mieterin gemäß § 556g Abs. 3 BGB sei nicht gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Es könne offenbleiben, ob ein den Hauptanspruch vorbereitender Auskunftsanspruch überhaupt selbständig und unabhängig vom Hauptanspruch verjähren könne. Ebenso wie der Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB könne der - vom Gesetzgeber bewusst als Hilfsanspruch des Mieters zum Hauptanspruch gemäß § 556g Abs. 1 BGB auf Rückzahlung überzahlter Miete und auf Feststellung der höchstzulässigen Miete ausgestaltete - Auskunftsanspruch aus § 556g Abs. 3 BGB jedenfalls nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dem er diene. Dem stünden die Zwecke des Verjährungsinstituts (Schuldnerschutz, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit) entgegen.
II.
Rz. 13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit diese bezogen auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch gemäß § 556g Abs. 3 BGB eröffnet ist, nicht in vollem Umfang stand.
Rz. 14
Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Klägerin aus abgetretenem Recht der Mieterin gegen den Beklagten nach den im Streitfall anwendbaren Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB in der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung, Art. 229 § 49 Abs. 2 EGBGB) in Verbindung mit der am 1. Juni 2015 in Kraft getretenen Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 ein Auskunftsanspruch gemäß § 556g Abs. 3, § 398 BGB zusteht; insbesondere hat es rechtsfehlerfrei die Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung bejaht. Soweit es eine Verjährung des Auskunftsanspruchs verneint hat, trifft die hierfür gegebene Begründung zwar nicht zu. Dies wirkt sich jedoch im Hinblick darauf, dass gemäß § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB die Anwendung der Vorschriften der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel gesetzlich angeordnet ist, im Ergebnis nicht aus. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings den Vortrag der Klägerin zu einer an sie erfolgten Abtretung dieses Anspruchs als unstreitig behandelt.
Rz. 15
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht unter Verweis auf die - gemäß Art. 229 § 35 Abs. 1, 2 EGBGB für den vorliegenden Mietvertrag geltende - Vorschrift des § 557a Abs. 4 BGB angenommen, dass die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) im Streitfall anwendbar sind und der Mieterin demzufolge gegen den Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung von Auskunft gemäß § 556g Abs. 3 BGB über diejenigen Tatsachen zusteht, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den vorbezeichneten Vorschriften maßgeblich sind. Jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist es zudem, dass das Berufungsgericht den Auskunftsanspruch nicht als verjährt angesehen hat.
Rz. 16
a) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 556d Abs. 2 BGB erlassene Berliner Mietenbegrenzungsverordnung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet und insbesondere nicht deswegen nichtig ist, weil sie - wie der Beklagte geltend macht - aufgrund von Mängeln der Bekanntmachung nicht in einer den Anforderungen des § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB gerecht werdenden Weise begründet worden wäre.
Rz. 17
Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die sich aus Sinn und Zweck der vorbezeichneten Vorschrift ergebende Verpflichtung der jeweiligen Landesregierung, die Begründung einer Verordnung nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB der Öffentlichkeit in zumutbarer Weise an einer allgemein zugänglichen Stelle bekannt zu machen, für die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 durch die Zurverfügungstellung über die Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses und die dort rechtzeitig vor Inkrafttreten der Verordnung am 1. Juni 2015 erfolgte Veröffentlichung erfüllt wurde. Zur weiteren Begründung wird auf die Senatsurteile vom 27. Mai 2020 (VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 80, 86 ff.), vom 11. November 2020 (VIII ZR 369/18, NZM 2021, 220 Rn. 39) und vom 19. Januar 2022 (VIII ZR 123/21, NZM 2022, 202 Rn. 20, 24 f.) verwiesen, in denen sich der Senat eingehend mit den gegen eine wirksame Bekanntmachung vorgebrachten Einwänden befasst, diese aber aus den im Einzelnen ausgeführten Gründen für nicht durchgreifend erachtet hat. Hieran hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest (siehe hierzu auch Senatsurteil vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, unter II 2 b, zur Veröffentlichung bestimmt).
Rz. 18
b) Die Revision rügt vergeblich, dass das Berufungsurteil insoweit nicht mit Gründen versehen sei (§ 547 Nr. 6 ZPO), weil es auf den Vortrag des Beklagten zur Ungeeignetheit des - in dem über die Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses aufrufbaren System zur Parlamentsdokumentation (PARDOK) ausgewiesenen - letzten Update-Ladedatums zum Nachweis des Veröffentlichungszeitpunkts vor Inkrafttreten der Verordnung nicht eingehe. Nach diesem Vorbringen seien starke Indizien dafür vorhanden, dass es dieses System im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung "in der heutigen Form" noch nicht gegeben habe, und könne die Hinterlegung beziehungsweise Freigabe der entsprechenden Datei - mangels Erkennbarkeit des jeweiligen Datums aus den Dokumenteneigenschaften - auch erst lange nach dem Inkrafttreten der Verordnung erfolgt sein. Der von der Revision geltend gemachte Begründungsmangel liegt nicht vor.
Rz. 19
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem in § 547 Nr. 6, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO niedergelegten Begründungserfordernis bereits dann Genüge getan, wenn die Entscheidungsgründe erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, NJW 2017, 814 Rn. 27 mwN). Ist das Urteil in dem betreffenden Punkt zwar knapp, lässt es aber die Auffassung des Berufungsgerichts genügend deutlich erkennen, liegt ein Mangel im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1967 - VII ZR 35/65, BGHZ 48, 222, 223; MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 547 Rn. 1; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 547 Rn. 14).
Rz. 20
bb) Nach diesem Maßstab wahrt die angegriffene Entscheidung das Begründungserfordernis. Das Berufungsgericht hat seine Würdigung, die Begründung zur vorgenannten Rechtsverordnung sei in der von § 556d Abs. 2 BGB vorausgesetzten Weise öffentlich zugänglich gemacht worden, vor allem auf die Senatsentscheidungen vom 27. Mai 2020 (VIII ZR 45/19) und vom 11. November 2020 (VIII ZR 369/18) gestützt. Es hat die Ausführungen des Senats in dem zuerst genannten Senatsurteil unter Rn. 86 f. betreffend die Veröffentlichung der Verordnung einschließlich ihrer Begründung auf der - vom Berufungsgericht bereits bei den Ausführungen zur ausreichenden Begründung der Verordnung namentlich bezeichneten - Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses unter genauer Beschreibung der dort abrufbaren Angaben - auch zum Veröffentlichungsdatum - wörtlich wiedergegeben und ergänzend ausgeführt, dass es diesen folge. Soweit das Berufungsgericht im Anschluss daran ausgeführt hat, eine "zwischenzeitliche Umstellung" des Datenverarbeitungssystems des Berliner Abgeordnetenhauses auf das System PARDOK biete keine Grundlage für die Annahme, das dort genannte Veröffentlichungsdatum sei unrichtig, hat es sich hiermit erkennbar auf das von der Revision angeführte Vorbringen des Beklagten bezogen und sich mit diesem befasst. Damit ist hinreichend deutlich geworden, aus welchem Grund es dem Vortrag des Beklagten dazu, wie sich die Abrufbarkeit beim System PARDOK "in der heutigen Form" darstellt, keine Aussagekraft für die Beurteilung einer Bekanntmachung der Verordnung im Mai 2015 beimisst. Hierdurch ist dem Begründungserfordernis des § 547 Nr. 6 ZPO Genüge getan.
Rz. 21
c) Auf die - vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene und in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht verneinte (vgl. hierzu Senatsurteil vom heutigen Tag in dem Verfahren VIII ZR 125/22) - Frage, ob der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB aufgrund seiner Ausgestaltung als Hilfsanspruch (überhaupt) vor dem als Hauptanspruch zu wertenden Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB verjähren könne, kommt es im Streitfall nicht an. Diese Frage ist - wie die Revisionserwiderung mit Recht geltend macht - unter den vorliegend gegebenen tatsächlichen Umständen nicht entscheidungserheblich, weil eine Verjährung des Auskunftsanspruchs der Mieterin vor Erhebung der Klage im August 2021 bereits aus anderen Gründen - im Hinblick auf die Vorschrift des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB - ausscheidet.
Rz. 22
aa) Gemäß § 557a Abs. 1 BGB kann - wie von den Mietvertragsparteien im Streitfall - die Miete für bestimmte Zeiträume in unterschiedlicher Höhe vereinbart werden. Im Fall einer solchen Staffelmiete sind nach § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel anzuwenden. Als Folge dieser gesetzlichen Anordnung entsteht mit jeder neuen Staffelstufe ein (selbständiger) Anspruch des Mieters auf Auskunftserteilung über die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Miethöhe der jeweiligen Staffelmiete maßgeblichen Tatsachen gemäß § 556g Abs. 3 BGB (vgl. auch Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., § 556g BGB Rn. 44; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 556g Rn. 70). Selbst wenn ein zu einem früheren Zeitpunkt - etwa mit dem Abschluss des Mietvertrags oder mit dem Inkrafttreten vorangegangener Staffelstufen - entstandener Auskunftsanspruch bei Inkrafttreten der nachfolgenden Staffelstufe bereits verjährt wäre, hinderte dies die Durchsetzung des neuen Auskunftsanspruchs nicht.
Rz. 23
Einem solchen Verständnis des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB steht nicht die Senatsrechtsprechung entgegen, nach der eine gegen die Höhe der Miete einer niedrigeren Staffelstufe gerichtete Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF für die nachfolgenden Mietstaffeln fortwirkt und vom Mieter nach Ablauf einer Mietstaffel nicht wiederholt werden muss (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2022 - VIII ZR 279/21, NZM 2022, 706 Rn. 57 ff.). Dieser Rechtsprechung liegt die Wertung zugrunde, dass der Gesetzgeber mit der Erklärung der Anwendbarkeit der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel die Berechnung der zulässigen Miethöhe bei vereinbarter Staffelmiete konkretisieren, nicht aber die Wahrnehmung der Mieterrechte erschweren und insbesondere nicht die Anforderungen an das Rückzahlungsverlangen zulasten des Mieters erhöhen wollte (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2022 - VIII ZR 279/21, aaO Rn. 58 f.). Demgegenüber entspricht es, weil bei der Staffelmiete die Zulässigkeit der Miethöhe für jede Staffelstufe einer eigenständigen Prüfung unterliegen soll (vgl. BT-Drucks. 18/3121, S. 16), Sinn und Zweck sowohl des gesetzlichen Auskunftsanspruchs nach § 556g Abs. 3 BGB als auch der in § 557a Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB getroffenen Regelung, dass dem Mieter grundsätzlich für jede dieser Staffelstufen erneut - und bezogen auf die ortsübliche Miete im Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Mietstaffel (vgl. § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB) erstmals - die Möglichkeit eröffnet wird, sich mittels eines Auskunftsverlangens gegenüber dem Vermieter Kenntnis von den für diese Prüfung maßgeblichen Tatsachen zu verschaffen.
Rz. 24
(bb) Vor diesem Hintergrund trifft die Annahme des Berufungsgerichts, der Auskunftsanspruch der Mieterin gegen den Beklagten sei bei Erhebung der Klage (noch) nicht verjährt gewesen, im Ergebnis zu. Denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts galt nach der Vereinbarung der Mietvertragsparteien ab dem 1. November 2018 die aktuelle Mietstaffel. Damit steht der Mieterin jedenfalls der durch die gesetzliche Anordnung in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB neu begründete Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung von Auskunft gemäß § 556g Abs. 3 BGB zu, der unter Zugrundelegung der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) bei Klageerhebung im August 2021 auch dann noch nicht verjährt gewesen ist, wenn es für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und nicht auf dessen Geltendmachung (vgl. hierzu die Senatsurteile vom heutigen Tage in den Verfahren VIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22 und VIII ZR 125/22) ankäme.
Rz. 25
2. Als nicht frei von Rechtsfehlern erweist sich jedoch - jedenfalls auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen - die Annahme des Berufungsgerichts, die Mieterin habe den Auskunftsanspruch gemäß § 556g Abs. 3 BGB an die Klägerin abgetreten (§ 398 BGB). Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht die diesbezügliche Behauptung der Klägerin in rechtsfehlerhafter Anwendung von § 138 Abs. 2 ZPO als unstreitig behandelt. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts war der Beklagte nicht gehalten, den Vortrag der Klägerin deshalb substantiiert zu bestreiten, weil die Klägerin eine schriftliche "Bestätigung Vollmachterteilung und Abtretung, Genehmigung" mit der Unterschrift der Mieterin vorgelegt hat.
Rz. 26
a) Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei allerdings grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab (vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 11 mwN; vom 31. Mai 2017 - VIII ZR 181/16, NJW-RR 2017, 842 Rn. 19).
Rz. 27
Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn die Partei einen Vortrag mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten kann. Nach dieser Vorschrift ist die Erklärung einer Partei mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist. Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließt die Verpflichtung der Partei zu substantiiertem Bestreiten aus. Dies gilt unabhängig von der Substantiierung des gegnerischen Vortrags. Auch ein detaillierter Vortrag, der sich etwa auf ein Privatgutachten oder andere Unterlagen stützt, kann - wenn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO vorliegen - mit bloßem Nichtwissen bestritten werden. Eine Pflicht, eigene Ermittlungen anzustellen, um im Einzelnen auf den gegnerischen Vortrag eingehen zu können, besteht nicht. Eine Grenze besteht nur insoweit, als für das Gericht und den Gegner der Umfang des Bestreitens erkennbar sein muss (siehe zu allem BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, aaO Rn. 12 mwN).
Rz. 28
b) Nach diesem Maßstab durfte der Beklagte die Behauptung der Klägerin, die Mieterin habe ihr die geltend gemachten Ansprüche im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe abgetreten, gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten. Weder war er an dem - nach der Behauptung der Klägerin - die materielle Forderungsinhaberschaft der Klägerin begründenden Rechtsgeschäft mit der Mieterin beteiligt noch unterlag dessen Vornahme selbst seiner Wahrnehmung. Er war deshalb entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht zu einem substantiierten Bestreiten verpflichtet und musste sich insbesondere nicht mit den von der Klägerin hierzu eingereichten Unterlagen auseinandersetzen oder etwa deren Fehlerhaftigkeit aufzeigen.
III.
Rz. 29
Nach alledem kann das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da es weiterer Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Abtretung des Auskunftsanspruchs gemäß § 556g Abs. 3 BGB durch die Mieterin an sie bedarf, nicht zur Endentscheidung reif und daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Bünger |
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Dr. Schmidt |
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Wiegand |
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Dr. Matussek |
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Dr. Reichelt |
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Fundstellen
Haufe-Index 15798152 |
NJW 2023, 8 |
NZM 2023, 677 |
ZAP 2023, 790 |
ZMR 2023, 0 |
ZMR 2023, 866 |
JZ 2023, 539 |
MDR 2023, 1103 |
WuM 2023, 551 |