Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Kreditnehmers zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung als Kündigungsbeschränkung
Normenkette
BGB a.F. § 247 Abs. 1-2
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Februar 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte gewährte dem Kläger aufgrund Kreditvertrages vom 7./8. Februar 1984 bei Festschreibung der Kreditkonditionen bis zum 31. Januar 1989 ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen über 1,4 Millionen DM. Weiter wurde vereinbart:
Die Forderung aus dem Darlehen wird an eine Bank abgetreten, die es einer von ihr aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Schuldverschreibungen zuführt. ... Demgemäß wird das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB hiermit ausgeschlossen, solange das Darlehen zur Deckungsmasse dieser Bank gehört (§ 247 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Die vorgesehene Einstellung des Darlehens in den Deckungsstock der refinanzierenden Bank unterblieb.
In den Bedingungen für Baudarlehen (BBD), die Bestandteil des Kreditvertrages geworden sind, heißt es unter Ziff. 7.1:
Bei Darlehen (mit fest vereinbartem Zinssatz), die vor Ablauf einer vereinbarten Festschreibungsfrist fällig (oder entgegen den vertraglichen Vereinbarungen zurückgezahlt) oder nicht abgenommen werden (siehe Ziff. 5.4 BBD), ist eine Entschädigung von 3 v.H. des vereinbarten Darlehensbetrages an die Bank zu zahlen.
Diese Entschädigung ist höher oder niedriger anzusetzen, wenn die Bank einen höheren oder der Darlehensnehmer keinen oder einen geringeren Schaden nachweist.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1985 unterrichtete der Notar Dr. Engelskirchen die Beklagte von der Absicht des Klägers, Darlehen und Grundschulden abzulösen, und bat u.a. um Bekanntgabe des Ablösungsbetrages per 31. Juli 1985. Die Beklagte bezifferte diesen in ihrem Antwortschreiben vom 16. Juli 1985 - unter Einschluß einer Entschädigungsgebühr von 94.080 DM (= 6,72 % der Darlehenssumme) - mit 1.514.476,54 DM. Mit Schreiben vom 18. Juli 1975 wies sie den Kläger darauf hin, daß es sich bei der genannten Gebühr um eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß Ziff. 7.1 BBD handele. Der Kläger zahlte Ende Oktober 1985 den verlangten Betrag einschließlich der Entschädigungsgebühr.
Mit der Klage hat der Kläger die Rückzahlung eines Teilbetrages der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 10.000 DM geltend gemacht und diesen Anspruch nach Abweisung der Klage durch das Landgericht in der Berufungsinstanz weiterverfolgt. Die Beklagte hat im Wege der Anschlußberufung die Feststellung begehrt, daß dem Kläger auch hinsichtlich des die Klagesumme übersteigenden Betrages von 84.080 DM ein Anspruch auf Rückzahlung der Entschädigung nicht zustehe. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und der Feststellungsklage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10.000 DM und die Zurückweisung der Anschlußberufung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt im wesentlichen aus:
Die Beklagte habe dem Kläger mit Schreiben vom 16. und 18. Juli 1985 die Aufhebung des bis zu diesem Zeitpunkt ungekündigten Kreditverhältnisses gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 94.080 DM angeboten. Dieses Angebot habe der Kläger angenommen.
Die Vereinbarung über die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sei nicht gemäß § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. unwirksam. Mache eine Bank ihr Einverständnis mit der vorzeitigen Rückzahlung eines Kredites von der Leistung einer solchen Entschädigung abhängig, so liege darin keine Beschränkung des Kündigungsrechts aus § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.. Die in Ziff. 7.1 BBD niedergelegte Verpflichtung des Kreditnehmers, bei vorzeitiger Fälligstellung des Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen, betreffe nicht den Fall der Kündigung nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F..
Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger beim Abschluß des Aufhebungsvertrages darüber aufzuklären, daß das Darlehen nicht wie vorgesehen einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen zugeführt worden sei und deshalb die Möglichkeit der Kündigung nach § 247 Abs. 1 BGB a.F. bestanden habe. Der Kläger habe eine Beendigung des Vertragsverhältnisses schon zum 31. Juli 1985 angestrebt; sein etwaiges Interesse an einer Kündigung unter Einhaltung der Sechsmonatsfrist sei nicht hinreichend deutlich geworden. Im übrigen sei seinen schutzwürdigen Belangen dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß er von der Beklagten über die Zugehörigkeit des Darlehens zur Deckungsmasse für Schuldverschreibungen Auskunft hätte verlangen können.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
II.
1.
Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Bereicherungsanspruch des Klägers verneint, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)
Die Verpflichtung des Kreditnehmers zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung stellt, wenn und soweit sie Rechtsfolge einer Kündigung nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sein soll, eine Kündigungsbeschränkung i.S. des § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. dar (BGHZ 79, 163, 165 f; Senatsurteile BGHZ 90, 161, 163 und vom 7. Juli 1988 - III ZR 111/87 - WM 1988, 1401, 1402). Als solche ist sie nur dann wirksam, wenn das Darlehen zu einer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für Schuldverschreibungen gehört oder gehören soll; dann kann das Kündigungsrecht durch ausdrückliche Vereinbarung für die Zeit ausgeschlossen werden, während der das Darlehen zur Deckungsmasse gehört (§ 247 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.). Dafür reicht es aus, daß der Kündigungsausschluß - wie hier - zwischen einem Kreditnehmer und einer Bank, die nicht zum Kreis der nach § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. begünstigten Darlehensgeber gehört, vereinbart wird, sofern die Bank ihre Ansprüche an eine unter die genannte Bestimmung fallende Emissionsbank abtritt, die das Darlehen einer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse zuführt (Senatsurteil BGHZ 82, 182, 184 ff). Das Verbot der Kündigungsbeschränkung (§ 247 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) trifft seinem Sinn und Zweck nach auch solche Fälle, in denen sich der Darlehensnehmer im Zuge der einvernehmlichen Vertragsaufhebung auf die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung einläßt, weil er sich im Blick auf § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. an einer Kündigung gehindert sieht (Senatsurteil vom 7. Juli 1988 aaO).
b)
Hiernach durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Vereinbarung der Parteien über die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht als wirksam ansehen.
aa)
Anders als im Falle des Senatsurteils vom 7. Juli 1988 (aaO) war hier die vorgesehene Einstellung des Darlehens in den Deckungsstock der refinanzierenden Bank unstreitig unterblieben. In solchen Fällen stellt eine im Kreditvertrag selbst enthaltene Klausel, wonach die Ausübung des gesetzlichen Kündigungsrechts nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. die Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung auslöst, stets eine unzulässige Kündigungsbeschränkung i.S. des § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. dar. Selbst wenn also - was nach den Darlehensbedingungen nahe liegt, vom Berufungsgericht und der Beklagten jedoch verneint wird - Ziff. 7.1 BBD eine solche Entschädigungspflicht auch für den Fall der Kündigung nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. vorsehen würde, hätte sich daraus für den Kläger eine wirksame Zahlungsverpflichtung nicht ergeben.
bb)
Nach den tatrichterlichen Feststellungen hat sich der Kläger (erstmalig) im Zuge der Vertragsaufhebung verpflichtet, die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 94.080 DM an die Beklagte zu zahlen. Das nimmt die Revision hin.
Nachdem die Beklagte es unterlassen hat, das Darlehen einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen zuzuführen, ist die Vereinbarung über die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung unwirksam, wenn der Kläger sich nur deswegen auf sie eingelassen hat, weil er im Blick auf § 247 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. an einer Kündigung gehindert zu sein glaubte (Senatsurteil aaO).
Dazu hat der Kläger vorgetragen, er sei seinerzeit davon ausgegangen, daß ihm ein Kündigungsrecht nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht zustehe; hätte er gewußt, daß die vorgesehene Einstellung des Darlehens in einen Deckungsstock für Schuldverschreibungen unterblieben war, so hätte er von seinem Kündigungsrecht nach der genannten Vorschrift Gebrauch gemacht. Ist diese - von der Beklagten bestrittene - Darstellung, mit der sich das Berufungsgericht bei der Würdigung des Bereicherungsanspruchs rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt hat, richtig, dann ist die Vereinbarung über die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung unwirksam mit der Folge, daß der Kläger die 94.080 DM ohne rechtlichen Grund geleistet hat.
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, aus der Bereitschaft der Beklagten, über die vorzeitige Vertragsbeendigung zu verhandeln, habe sich ohne weiteres ergeben, daß sie ihre Darlehensforderung nicht abgetreten habe und daß diese somit auch nicht der Deckungsmasse der refinanzierenden Bank zugeführt worden sei. Wie die Rechtsbeziehungen der Beklagten zu ihrem Refinanzierer im einzelnen ausgestaltet waren, konnte der Kläger nicht überblicken. Aus seiner Sicht konnte die refinanzierende Bank die Beklagte auch ermächtigt haben, eine Vertragsaufhebung gegen Zahlung einer - von der Beklagten weiterzuleitenden - Vorfälligkeitsentschädigung zu vereinbaren.
2.
Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadensersatzpflicht der Beklagten sind von Rechtsirrtum beeinflußt. Nach den bisherigen Feststellungen kann ein Ersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer vertraglichen oder vorvertraglichen Aufklärungspflicht nicht verneint werden.
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Vertragspartner, auch soweit sie entgegengesetzte Interessen verfolgen, verpflichtet, einander über Umstände aufzuklären, die - etwa bei drohender Vereitelung des Vertragszwecks - erkennbar für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er nach der Verkehrsauffassung Aufklärung erwarten darf (Urteile vom 26. November 1986 - VIII ZR 260/85 - BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Aufklärungspflicht 4 = WM 1987, 319, 320; vom 16. Oktober 1987 - V ZR 170/86 - BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Aufklärungspflicht 8; vom 30. Oktober 1987 - V ZR 144/86 - BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Aufklärungspflicht 11 = WM 1988, 48, 50; vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 224/87 - BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Aufklärungspflicht 18 = WM 1988, 1566, 1568; vom 26. Oktober 1988 - VIII ZR 230/87 - BGHR BGB vor § 1/Positive Vertragsverletzung - Aufklärungspflicht 3 = WM 1989, 26, 28; vom 8. Dezember 1988 - VII ZR 83/88 - BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Aufklärungspflicht 22 = WM 1989, 416, 417). Das kann die Verpflichtung einschließen, einen Vertragspartner, der sich vom Vertrage lösen will und mit dem anderen Teil über eine - entschädigungspflichtige - Vertragsaufhebung verhandelt, darauf hinzuweisen, daß Umstände, die nach dem Vertragsinhalt ein gesetzliches Kündigungsrecht ausschließen sollten, nicht eingetreten seien.
b)
Im Streitfall war dem Kläger unbekannt geblieben, daß das Darlehen nicht wie vorgesehen einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen zugeführt worden war. Er durfte deshalb unter den gegebenen Umständen, insbesondere nach dem ausdrücklichen Hinweis der Beklagten auf Ziffer 7.1 BBD, von einem wirksamen Ausschluß seines gesetzlichen Kündigungsrechts ausgehen (§ 247 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.). Bei dieser Sachlage beschränkte sich seine Entscheidung darauf, das Angebot der Beklagten zur Vertragsaufhebung bei Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung anzunehmen oder von der erstrebten Kreditablösung abzusehen. Die naheliegende Prüfung, ob es für ihn wirtschaftlich günstiger sei, anstelle der entschädigungspflichtigen Vertragsaufhebung das Kreditverhältnis nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zu kündigen, war ihm dagegen verschlossen. Der Grund hierfür ist allein der Sphäre der Beklagten zuzuordnen, die es übernommen hatte, die Einstellung des Darlehens in einen Deckungsstock zu veranlassen und die sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen kann, sie habe nicht gewußt, daß die Einstellung unterblieben sei. Daß dem Kläger ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zustand (Senatsurteil BGHZ 90, 161, 173), ändert an dieser Beurteilung nichts; denn er hatte keine Veranlassung zu der Annahme, die Beklagte könnte von der beabsichtigten Refinanzierungsmaßnahme absehen. Unter diesen Umständen mußte die Beklagte den Kläger darüber aufklären, daß das Darlehen nicht einer Deckungsmasse für Schuldverschreibungen zugeführt worden war.
c)
Die Verletzung der Aufklärungspflicht wäre allerdings für den etwaigen Schaden des Klägers nicht ursächlich geworden, wenn der Kläger auch bei erfolgter Aufklärung von seinem gesetzlichen Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte. Das setzt die Feststellung voraus, daß er ersichtlich kein Interesse an der gesetzlichen Kündigung hatte, es ihm vielmehr allein darauf ankam, den Kredit ungeachtet der damit verbundenen Kosten schon zum 31. Juli 1985 abzulösen. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht insoweit keine überprüfbaren Tatsachen festgestellt hat, die eine solche Würdigung tragen könnten. Wenn der Kläger eine alsbaldige Kreditablösung angestrebt hat, so schließt das nicht aus, daß er bei Kenntnis der Kündigungsmöglichkeit von dieser Gebrauch gemacht hätte. Daß sein Interesse an einer Kündigung unter Wahrung der Sechsmonatsfrist nicht hinreichend deutlich geworden ist, rechtfertigt die Verneinung der Aufklärungspflicht nicht. Das angefochtene Urteil enthält keine konkreten Feststellungen, die Grundlage einer Interessenabwägung sein könnten.
III.
Hiernach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob der Kläger das Kreditverhältnis gekündigt hätte, wenn die Beklagte ihm mitgeteilt hätte, daß die Einstellung des Darlehens in eine Deckungsmasse für Schuldverschreibungen unterblieben war. Im Falle einer solchen Feststellung wird, soweit es um den Schadensersatzanspruch geht, gegebenenfalls zu erwägen sein, ob sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs eine Zinsersparnis anrechnen lassen muß, die sich daraus ergeben kann, daß er anstelle der Kündigung nach § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vertragsaufhebung schon zum 31. Juli 1985 erreicht hat.
Unterschriften
Krohn
Kröner
Halstenberg
Rinne
Wurm
Fundstellen