Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlassung aus dem Richterdienstverhältnis auf Probe

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 29.06.1994)

 

Tenor

I. Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des Landgerichts Leipzig – Dienstgericht für Richter – vom 29. Juni 1994 aufgehoben.

II. Der Antrag des Antragstellers, die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Februar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1993 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der am … 1957 geborene Antragsteller legte die zweite juristische Staatsprüfung in Hessen am 23. November 1990 mit der Gesamtnote „ausreichend” ab.

Mit Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. April 1991 wurde der Antragsteller unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Richter ernannt. Er wurde zunächst dem Kreisgericht Dresden-Stadt und, für die Zeit ab 1. Januar 1993, dem Amtsgericht Dresden zugewiesen. Vom 3. April bis 31. Oktober 1991 war er an das Sächsische Staatsministerium der Justiz abgeordnet, für die Zeit ab 1. Juli 1992 an das Arbeitsgericht Dresden.

Die Tätigkeit des Antragstellers beim Ministerium wurde am 28. Januar 1992 dienstlich beurteilt, eine Vorbeurteilung durch den Direktor des Arbeitsgerichts Dresden erfolgte ab 30. Juni 1992. Eine weitere Vorbeurteilung durch den Direktor des Arbeitsgerichts Dresden vom 25. Januar 1993, ergänzt am 4. Februar 1993, kam zu der zusammenfassenden Bewertung „noch nicht geeignet”. Der Präsident des Landesarbeitsgerichts schloß sich am 8. Februar 1993 dieser Beurteilung mit folgender Ergänzung an: „Herr Kölscher ist noch nicht geeignet und für die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht geeignet.” Der Präsident des Amtsgerichts Dresden trat in der Probezeitbeurteilung vom 25. März 1993, mit der sich der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden am 29. März 1993 einverstanden erklärte, den Vorbeurteilungen des Direktors des Arbeitsgerichts Dresden vom 25. Januar und vom 4. Februar 1993 bei und gelangte ebenfalls zu dem Gesamturteil „noch nicht geeignet”.

Gestützt auf § 22 Abs. 1 DRiG verfügte der Antragsgegner am 12. Februar 1993 die Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe mit Ablauf des 1. April 1993. Zur Begründung führte er aus, die bisherigen Leistungen des Antragstellers entsprächen in keiner Weise den Anforderungen, die an einen Richter auf Probe gestellt werden müßten. Neben unzureichender fachlicher Qualifikation mangele es ihm auch an der notwendigen persönlichen Eignung für das Richteramt.

Die Entlassungsverfügung wurde dem Antragsteller am 17. Februar 1993 ausgehändigt.

Über die beabsichtigte Entlassung des Antragstellers wurde der Vorsitzende des Präsidialrates mit Schreiben vom 12. Februar 1993 mit der Bitte um Äußerung informiert. Unter dem 22. Februar 1993 nahm der Präsidialrat wie folgt Stellung:

„Der Präsidialrat hat in seiner Sitzung vom 18. Februar 1993 beschlossen, der Entlassung des Richters auf Probe Bernd H. nicht zuzustimmen.

Die Beurteilung des Richters schließt mit der Bemerkung ‚noch nicht geeignet’, es ist daher nach Ansicht des Präsidialrats noch zuzuwarten, wie sich der Richter weiterentwickelt. Möglicherweise könnte es sich empfehlen, den Richter auch entsprechend seinem Einsatzwunsch zu verwenden. Im übrigen sieht der Präsidialrat bei dem Richter eine positive Entwicklung in den letzten Monaten.”

Gegen die ihm am 17. Februar 1993 zugegangene Entlassungsverfügung des Antragsgegners erhob der Antragsteller mit am 15. März 1993 eingegangenen Schreiben vom 11. März 1993 Widerspruch.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch durch Bescheid vom 16. Juni 1993, dem Antragsteller am 23. Juni 1993 zugestellt, zurück.

Zur Begründung führte der Antragsgegner im wesentlichen folgendes aus:

Die dienstlichen Beurteilungen ließen an der Eignung des Antragstellers erhebliche Zweifel aufkommen.

Der Leiter der Abteilung II des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz habe in seiner Beurteilung vom 28. Januar 1992 auf nicht unerhebliche Einarbeitungsschwierigkeiten des Antragstellers hingewiesen und zum Ausdruck gebracht, daß dieser jeweils längere Zeit zur Bearbeitung benötigt und Schwierigkeiten gehabt habe, rechtliche Probleme zu erkennen und richtig zu gewichten.

Der Direktor des Arbeitsgerichts Dresden habe in seiner Beurteilung vom 30. Juni 1992 festgestellt, daß der Antragsteller im Vergleich zu seinen Kollegen in gleichem Umfang mit Verfahren belastet sei und auch entsprechend Gütetermine durchgeführt habe. In der Zeit vom 25. November 1991 bis 30. Juni 1992 habe der Antragsteller jedoch lediglich zwei Kammertermine durchgeführt. Zur Zeit der Erstellung der Beurteilung habe sich noch keine schriftliche Urteilsbegrün-dung bei den Akten befunden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Antragsteller auch für die Zukunft keine Kammerverhandlungen terminiert gehabt. Obwohl der Direktor des Arbeitsgerichts Dresden den Antragsteller bereits in der Erörterung dieser Beurteilung sowie schriftlich in der Beurteilung selbst darauf hingewiesen habe, daß es nun dringend geboten sei, sich den Kammerterminen und damit der streitigen Verhandlung zu stellen, habe der Antragsteller seither lediglich ca. sechs Kammertermine pro Monat durchgeführt.

In der letzten dienstlichen Beurteilung vom 25. Januar 1993 habe der Direktor des Arbeitsgerichts Dresden festgestellt, diese Art der Handhabung führe dazu, daß schwierige, durch Vergleiche nicht zu erledigende Fälle, sich in einem Maße anhäuften, daß auch ein erfahrener Richter damit irgendwann nicht mehr fertig werde.

Daraus folge, daß der Antragsteller nicht in der Lage sei, seine Arbeit dergestalt zu strukturieren, daß er den üblichen Geschäftsanfall in angemessener Zeit bewältige. Er arbeite zu umständlich und langsam und stelle sich der streitigen Verhandlung in der Entscheidung nicht.

Der Präsident des Landesarbeitsgerichts sei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Antragsteller „noch nicht geeignet” und für die Arbeitsgerichtsbarkeit „nicht geeignet” sei.

Die Beurteilungen des Antragstellers durch den Direktor des Arbeitsgerichts Dresden habe der Präsident des Amtsgerichts Dresden unter dem 25. März 1993 geteilt. Der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden habe sich durch die Anbringung des Prüfungsvermerkes vom 29. März 1993 mit dieser Einschätzung ebenfalls einverstanden erklärt.

Die Beurteilungen der Leistungen durch den Präsidenten des Amtsgerichts Dresden sowie der Prüfungsvermerk durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden seien dem Antragsteller am 16. April 1993 eröffnet worden. Ein eventueller Mangel, der darin liegen könne, daß eine Beurteilung durch den Präsidenten des Amtsgerichts im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung noch nicht vorgelegen habe, sei geheilt; für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung sei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen.

Aus den Beurteilungen ergebe sich, daß der Antragsteller weder über die persönliche noch über die fachliche Eignung verfüge, die für die Ausübung des Richteramtes nötig sei. Der Antragsteller habe seine Entscheidung unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Fürsorgepflicht getroffen. Mit Rücksicht auf die besondere Stellung, die das Grundgesetz einem Richter einräume, seien strenge Maßstäbe anzulegen gewesen. Es sei zudem zu beachten gewesen, daß ein Richter in eigener Verantwortung zu entscheiden habe und das rechtsuchende Publikum darauf vertraue, daß nur geeigneten Richtern die Rechtsprechung übertragen werde.

Der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung stehe nicht entgegen, daß die Anhörung des Präsidialrats nicht vor der Zustellung der Entlassungsverfügung stattgefunden habe. Die Beteiligung des Präsidialrats könne auch noch nach der Zustellung der Entlassungsverfügung stattfinden, sofern diese zeitlich vor der Beendigung des Dienstverhältnisses liege. Aufgrund des Wortlautes des § 22 Nr. 4, SächsRiG könne das Sächsische Staatsministerium der Justiz einen Proberichter auch dann aus dem Dienstverhältnis entlassen, wenn der Präsidialrat sich im Rahmen seiner Beteiligung ausdrücklich gegen eine Entlassung des Betroffenen ausgesprochen habe.

Demnach sei auch eine Beteiligung des Präsidialrates nach Zustellung der Entlassungsverfügung zulässig. Einer eventuellen ablehnenden Stellungnahme des Präsidialrates zu einer beabsichtigten Entlassung eines Richters auf Probe könne auch dadurch Rechnung getragen werden, daß die Entlassungsverfügung dann gegebenenfalls zurückgenommen werde.

Mit Schriftsatz vom 20. Juli 1993, bei Gericht am folgenden Tage eingegangen, hat der Antragsteller Klage zum Landgericht Leipzig – Dienstgericht für Richter – erhoben mit dem Antrag, die Entlassungsverfügung vom 12. Februar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1993 aufzuheben.

Der Antragsgegner hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.

Nach Beweiserhebung durch Vernehmung des Präsidenten des Arbeitsgerichts Dresden als Zeugen über die dienstlichen Leistungen des Antragstellers beim Arbeitsgericht Dresden hat das Landgericht Leipzig – Dienstgericht für Richter – durch Urteil vom 29. Juni 1994 die Entlassungsverfügung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz aufgehoben.

Es hält die Entlassungsverfügung für ermessensfehlerhaft:

Der Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1993 lasse nicht erkennen, ob sich der Antragsgegner mit den Einwendungen des Präsidialrats auseinandergesetzt habe. Die Frage, ob die Entlassungsverfügung schon wegen dieser Bedenken ermessensfehlerhaft sei, könne aber offenbleiben.

Denn der Antragsgegner sei unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von seiner eigenen Verwaltungsvorschrift zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 22. Dezember 1992 abgewichen, ohne über die einzelnen Beurteilungen, die er der Entlassungsverfügung zugrundegelegt habe, hinausgehende Gründe darzutun, die diese rechtfertigen könnten. Der Antragsteller sei mit dem Gesamtergebnis „noch nicht geeignet” beurteilt worden. Gründe, die in Abweichung von § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 der Verwaltungsvorschrift eine weitere Erprobung des Antragstellers nicht sachdienlich erscheinen ließen, habe der Antragsgegner nicht dargelegt.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Antragsteller im ersten Halbjahr 1993, „also noch vor Erlaß des für die Leistungseinschätzung maßgeblichen Widerspruchsbescheids”, bei 263 Güteverhandlungen 74 Kammertermine abgehalten habe und daher in einem akzeptablen Leistungsbereich liege. Dieser Leistungsvergleich könne letztlich aber dahingestellt bleiben, da die diesbezüglichen Leistungen des Antragstellers in den Beurteilungsbeiträgen sowie in der Gesamtbeurteilung mit „noch nicht geeignet” ihren Niederschlag gefunden hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die – zugelassene – Revision des Antragsgegners.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach sich Zweifel an der Eignung des Antragstellers für das Richteramt aus den vorliegenden dienstlichen Beurteilungen und Beurteilungsbeiträgen ergäben. Das Dienstgericht verkenne, daß die so festgestellten Zweifel ausreichten, um in ermessensfehlerfreier Weise eine Entlassung nach § 22 Abs. 1 DRiG zu rechtfertigen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß die letzte vor Erlaß des Widerspruchsbescheids erstellte Beurteilung vom 25. März 1993 zu dem Prädikat „noch nicht geeignet” gelangt sei. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Vielmehr werde bei allen Proberichtern, bei denen das Prädikat der nach Ablauf von neun und achtzehn Monaten zu erstellenden Beurteilung auf „noch nicht geeignet” laute, geprüft, ob die Zweifel an der Eignung so gravierend seien, daß sie eine Entlassung nach § 22 Abs. 1 DRiG rechtfertigten.

Der Antragsgegner beantragt,

das Urteil des Landgerichts Leipzig – Dienstgericht für Richter – vom 29. Juni 1994 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er beanstandet hinsichtlich der Einbeziehung des Präsidialrates, daß dieser erst nach Zustellung der Entlassungsverfügung gehört worden sei. Eine Heilung durch Nachholung einer Beteiligung sei immer dann ausgeschlossen, wenn ein Beteiligungsrecht besonders schwach ausgestaltet sei. Zu Recht habe das Landgericht auch die fehlende Auseinandersetzung des Antragsgegners mit den Einwendungen des Präsidialrates beanstandet.

Zutreffend habe das Landgericht einen weiteren Rechtsverstoß des Antragsgegners darin gesehen, daß dieser von seiner eigenen Verwaltungsvorschrift zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten abgewichen sei, ohne über die einzelnen Beurteilungen hinausgehende Gründe darzutun, die dies hätten rechtfertigen können. Der Antragsgegner wolle einen Proberichter entlassen, der bei Anwendung dieses Standards für das Richteramt geeignet sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Bezug genommen wird weiter auf die dienstlichen Beurteilungen und Beurteilungsbeiträge, den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1993 und das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die auf § 22 Abs. 1 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sowohl die formellen wie auch die materiellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

Der Antragsteller wurde am 2. April 1991 zum Richter auf Probe ernannt, seine Entlassung wurde zum 1. April 1993 ausgesprochen, also mit Ablauf des 24. Monats seit seiner Ernennung (§ 22 Abs. 1. DRiG).

Der Antragsgegner sieht als Entlassungsgrund eine sachlich unzulängliche richterliche Tätigkeit des Antragstellers an: Die Leistungen des Antragstellers entsprächen nicht den Anforderungen, die an einen Richter auf Probe gestellt werden müßten. Seine dienstlichen Beurteilungen ließen an seiner Eignung erhebliche Zweifel aufkommen. Neben unzureichender fachlicher Qualifikation mangele es dem Antragsteller auch an der persönlichen Eignung für das Richteramt.

Die Entlassung des Antragstellers mit dieser Begründung überschreitet weder die Grenzen des der obersten Dienstbehörde durch § 22 Abs. 1 DRiG eingeräumten Ermessens noch widerspricht sie dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung, § 114 VwGO (vgl. BGH DRiZ 1976, 23 f; BGHZ 78, 93, 98; BGH DRiZ 1984, 444).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht der formellen Rechtmäßigkeit seiner Entlassung nicht entgegen, daß der Präsidialrat nicht vor der Bekanntgabe der Entlassungsverfügung an den Antragsteller beteiligt worden ist. Denn die gemäß § 22 Nr. 4 SächsRiG vorgeschriebene Beteiligung des Personalrats wurde vor Abschluß des Widerspruchsverfahrens mit heilender Wirkung nachgeholt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Dienstgerichts im angefochtenen Urteil (UA S. 14/15) Bezug genommen.

Der Präsidialrat sprach sich in seiner Stellungnahme vom 22. Februar 1993 gegen eine Entlassung des Antragsgegners aus. Den Ausführungen des Antragsgegners im Widerspruchsbescheid ist zu entnehmen, daß ihm dieses Votum bekannt war, daß er aber keinen Anlaß sah, die Entlassungsverfügung im Hinblick darauf zurückzunehmen. Daß er dabei auf die Einwendungen des Präsidialrats nicht ausdrücklich eingegangen ist, kann nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden. Denn der Präsidialrat hat sich zur Begründung seiner Auffassung im wesentlichen nur auf die mit der Wertung „noch nicht geeignet” versehene dienstliche Beurteilung des Antragstellers bezogen, die der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid gewürdigt hat.

Der Auffassung des Dienstgerichts, der Antragsgegner sei mit der Entlassung des Antragstellers unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von seiner eigenen Verwaltungsvorschrift zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 22. Dezember 1992 abgewichen, kann nicht gefolgt werden.

Die genannte Verwaltungsvorschrift (Sächsisches Amtsblatt Nr. 5 vom 4. Februar 1993) sieht für die unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu erteilende Beurteilung (§ 4 Abs. 1 Satz 1) unter anderem die Bewertung „noch nicht geeignet” für Richter vor, „die sich gemessen an den Anforderungen ihrer Laufbahn nur in dem Maße bewährt haben, daß eine Verlängerung der Probezeit sachdienlich erscheint” (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 a.a.O.). Der zu diesem Zeitpunkt so beurteilte Proberichter kann danach weiter erprobt werden, er wird – jedenfalls zunächst – nicht zum Richter auf Lebenszeit ernannt. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung des Deutschen Richtergesetzes: Einerseits ist eine Entlassung des Proberichters zum Ablauf des dritten oder vierten Jahres der Probezeit nur noch möglich, wenn er für das Richteramt nicht geeignet ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG), andererseits ermöglichen die Bestimmungen der §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 2 DRiG eine weitere Erprobung über die Mindestzeit von drei Jahren hinaus.

Für die früher als unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zu erteilenden Beurteilungen eines Richters auf Probe (§ 6 Abs. 3 SächsRiG, § 4 der Verwaltungsvorschrift) kommt gemäß § 6 Abs. 4 der Verwaltungsvorschrift unter anderem ebenfalls die Bewertung „noch nicht geeignet” in Betracht. Die Verweisung auf diese Note bedeutet aber nicht, daß in diesen Fällen auch ihre in § 6 Abs. 3 Nr. 2 a.a.O. niedergelegte Definition zu gelten hätte. Diese auf die Beurteilung unmittelbar vor Ablauf der Probezeit zugeschnittene Definition, die eine Verlängerung der Probezeit ermöglicht, ist mit der Regelung des § 22 Abs. 1 DRiG nicht zu vereinbaren. Nach dieser Vorschrift ist die Entlassung aus jedem sachlichen Grund zulässig (BGHZ 78, 93, 98). Sie setzt, anders als eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG, nicht die Feststellung voraus, der Richter auf Probe sei für das Amt des Richters oder Staatsanwaltes nicht geeignet. Vielmehr können schon ernstliche Zweifel an der Eignung eines Richters auf Probe, die sich aus einer dienstlichen Beurteilung ergeben können, seine Entlassung gemäß § 22 Abs. 1 DRiG rechtfertigen. Solche Zweifel begründende Tatsachen aber hat der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung und im Widerspruchsbescheid rechtsfehlerfrei dargelegt (vgl. BGH DRiZ 1976, 23).

Wollte man den Dienstherrn verpflichten, einen kurz vor Ablauf von 24 Monaten nach seiner Ernennung mit „noch nicht geeignet” beurteilten Richter auf Probe weiter zu erproben, würde ihm die Möglichkeit der Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 1 DRiG faktisch genommen. Er könnte einen Richter nicht nach dieser Vorschrift entlassen, obwohl Zweifel an seiner Eignung bestehen.

Daß der Antragsteller nicht weiter erprobt wurde, könnte allenfalls dann zu beanstanden sein, wenn seine Leistungen seit der letzten dienstlichen Beurteilung bis zur Entlassungsverfügung sich so entwickelt hätten, daß sie die sichere Erwartung begründeten, er werde alsbald mindestens durchschnittlichen Anforderungen genügen (BGH a.a.O.). Eine derartige Fallgestaltung war hier aber nicht gegeben. Vielmehr wurde der Antragsteller noch am 25. März 1993, also nach der Entlassungsverfügung, als „noch nicht geeignet” beurteilt.

Nicht entscheidungserheblich ist, ob beim Antragsteller, wie das Dienstgericht ausgeführt hat (UA S. 22) „im ersten Halbjahr 1993, also noch vor Erlaß des für die Leistungseinschätzung maßgeblichen Widerspruchsbescheids” verbesserte Leistungen festzustellen waren. Denn Leistungen, die nach der Entlassungsverfügung oder gar nach dem Entlassungstermin erbracht werden, können Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Entlassung als eines rechtsgestaltenden Aktes nicht mehr beeinträchtigen (BGH a.a.O.). Da das Dienstgericht, wenn auch mit anderer Begründung, den von ihm angestellten Leistungsvergleich ebenfalls als nicht entscheidungserheblich angesehen hat, sondern entscheidend auf die Bewertung der Leistungen mit „noch nicht geeignet” abgehoben hat, braucht hier der Frage, ob und inwieweit das Dienstgericht mit der Bewertung der Leistungen des Antragstellers im ersten Halbjahr 1993 in unzulässiger Weise seine eigene Beurteilung an die Stelle der des Dienstvorgesetzten gesetzt hat (BGH DRiZ 1971, 91, 92; BGH, Urt. v. 26. August 1991 – RiZ (R) 7/90), nicht eingegangen zu werden.

Nach all dem waren das angefochtene Urteil aufzuheben und der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Entlassungsverfügung zurückzuweisen.

Die Kostententscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Revisionsinstanz entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 b, § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG auf 48.377,81 DM festgesetzt.

 

Unterschriften

Schimansky, Gollwitzer, Henze, Siol, Nobbe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502515

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