Leitsatz (amtlich)
Die Ausübung des Befriedigungsrechts des Eigentümers nach § 1142 BGB mit dem vom Käufer hinterlegten Kaufpreis liegt regelmäßig außerhalb des Treuhandauftrags des Notars.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 1142; BNotO § 23
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. Mai 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es den Hilfsanspruch auf Zahlung von 95.000 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit 17. Oktober 1990 abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger kauften mit notariellem Vertrag vom 9. Juli 1991 von der Beklagten die im Grundbuch von O. eingetragenen Grundstücke Flur 9 Flurstück 564/2 (jetzt 564/4 und 564/5) und 564/3. Die Grundstücke sind mit einer Sicherungshypothek über 95.000 DM zugunsten einer Erbengemeinschaft belastet, die aus der Beklagten und deren Bruder H. S. besteht. Der Erbanteil des Bruders ist für die Landesjustizkasse gepfändet. Über den nach Tilgung eines Teilbetrags von 10.000 DM verbleibenden Restkaufpreis ist bestimmt:
„§ 3 Ziff. 1
Der Restkaufpreis von 170.000 DM ist zinslos fällig innerhalb von 14 Tagen, nachdem der Notar den Beteiligten mitgeteilt hat, daß …
d) die zur Löschung der eingetragenen Belastungen erforderlichen Unterlagen dem Notar in grundbuchmäßiger Form mit der Maßgabe vorliegen, daß er darüber Zug um Zug gegen Zahlung der Ablösesumme verfügen darf und der Kaufpreis zur Ablösung ausreicht;
jedoch nicht vor dem 1.9.1991.
§ 3 Ziff. 2
Die Verkäuferin wird die zur Löschung der eingetragenen Belastungen erforderlichen Unterlagen dem Notar vorlegen bzw. deren Vorlage veranlassen.
Der Käufer ist berechtigt und – soweit möglich – verpflichtet, bei Fälligkeit des Kaufpreises in Anrechnung auf den Kaufpreis diese Rechte abzulösen und den nach Ablösung verbleibenden Restbetrag an den Verkäufer auszuzahlen.
Falls die Löschungsunterlagen bezüglich des Rechts Abt. III Nr. 1 (scil. Sicherungshypothek) bis zum 1.9.1991 dem Notar nicht vorliegen sollten, ist der Kaufpreis mit einem Teilbetrag von DM 100.000 auf einem Notaranderkonto des Notars zu hinterlegen. Die Auszahlung mit allen etwaigen Zinsen soll erfolgen, sobald die Löschung des Rechts im Grundbuch eingetragen ist.
§ 3 Ziff. 7
Für den Fall der Zahlung über Notaranderkonto wird der Notar unwiderruflich angewiesen, aus dem hinterlegten Kaufpreis …
- erforderlichenfalls die Ablösung der eingetragenen Gläubigerin durchzuführen,
- einen verbleibenden Restbetrag … auf das Konto des Verkäufers zu überweisen.
Sollte die Durchführung dieses Vertrages aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, hat der Notar bereits hinterlegte Beträge unmittelbar an den Einzahler bzw. das einzahlende Kreditinstitut zurückzuzahlen.”
Die Beklagte legte die Löschungsunterlagen nicht vor. Die Kläger hinterlegten 100.000 DM auf das Anderkonto des Notars und wurden am 22. Oktober 1991 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Die Kläger haben die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der Löschung der Sicherungshypothek und zur Beschaffung der zur Löschung weiter erforderlichen Erklärungen beantragt. Hilfsweise haben sie den Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der Hypothek herbeizuführen, hilfsweise hierzu die Beklagte zur Zahlung von 95.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Anschlußberufung haben die Kläger statt der Bewilligungserklärung die Vorlage der Löschungsbewilligung der Erbengemeinschaft gefordert und den Hauptantrag sowie den Hilfsantrag auf Herbeiführung der Löschung mit dem Antrag verbunden, der Beklagten Frist zur Erfüllung des Urteils zu setzen und sie bei Nichtwahrung der Frist zur Zahlung von 95.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Dem nachrangigen Hilfsantrag auf Zahlung haben sie in letzter Linie den Antrag hinzugefügt, die Freigabe der hinterlegten Summe zu ihren Gunsten gegenüber dem Notar zu erklären. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung zurückgewiesen.
Mit der Revision hat die Klägerin die vor dem Oberlandesgericht gestellten Anträge weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen, als die den Zahlungsantrag zum Gegenstand hat.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht stellt fest, die Beklagte habe sich erfolglos bemüht, die Löschungsbewilligung ihres Bruders zu erlangen. Auch der Klägerin sei dies nicht gelungen. Mit der Hinterlegung des Kaufpreisteils von 100.000 DM hätten die Kläger von der für diesen Fall vorgeschriebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Dies habe zur Folge, daß die Beklagte keine Verpflichtung mehr treffe, die Löschungsbewilligung ihres Bruders herbeizuführen. Dies sei nunmehr Sache des Notars. Er sei unwiderruflich angewiesen, die Ablösung der Hypothek zu betreiben. Aus diesen Gründen sei auch für die Ansprüche auf Zahlung, hilfsweise Freigabe der hinterlegten Mittel kein Raum.
Dies hält, im angenommenen Umfang, den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, mit der Hinterlegung des dafür vorgesehenen Kaufpreisteils sei die Beklagte von der Verpflichtung befreit, Leistungshandlungen zum Zwecke der Beseitigung der eingetragenen Sicherungshypothek (§ 434 BGB; zum Rechtscharakter der Mangelbeseitigungspflicht als – primäre – Leistungspflicht vgl. Senat, Urt. v. 25. Oktober 1991, V ZR 225/90, WM 1991, 2166 f) vorzunehmen. Rechtlich nicht haltbar ist aber die weitere Auslegung des Kaufvertrages, bis zur Ablösung der Sicherungshypothek durch den Notar seien den Klägern weitere Rechte aus dem Kaufvertrag versagt (§§ 133, 157 BGB). Dies läßt Teile der getroffenen Vereinbarung außer acht und wird dem Gebot der interessegerechten Vertragsauslegung (Senatsurt. v. 10. Juli 1998, V ZR 360/96, WM 1998, 1183, 1186; v. 12. Januar 2001, V ZR 372/99, WM 2001, 631, 632) nicht gerecht.
1. Die Auslegung des Berufungsgerichts würde dazu führen, die Erfüllung gegenseitiger Hauptleistungspflichten, nämlich auf Beseitigung des Rechtsmangels und auf Zahlung des vollen Kaufpreises, auf Dauer zu blockieren. Den Klägern würden bei der Veräußerung des erworbenen Eigentums rechtliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten erwachsen, sie könnten den durch das Eigentum vermittelten Bodenkredit nicht ausschöpfen und wären nach Hinterlegung des Kaufpreisteils von 100.000 DM an der Verfügung über ihr Kapital gehindert. Für die Beklagte träte ein ähnlich unbefriedigender Zustand ein.
Dem hilft, was das Berufungsgericht zudem unerörtert läßt, die Pflicht des Notars zur Amtsausübung (§ 15 BNotO) nicht ab. Gegenstand dieser Pflicht sind zwar auch von dem Notar übernommene Treuhandaufträge (§ 23 BNotO; §§ 54 a bis 54 d BeurkG). Die im Streitfalle von dem beurkundenden Notar bei der Hinterlegung übernommenen Amtspflichten sind indes erfüllt. Ob die Auffassung des mit der Verwahrung der Akten und Bücher des Urkundsnotars betrauten Notars (§ 51 BNotO) zutrifft, die Beschaffung der Löschungsunterlagen sei auch nach der Hinterlegung Sache der Beklagten gewesen, mag dahinstehen. Eine über die Anforderung der Löschungsbewilligung bei dem Bruder der Beklagten hinausgehende Pflicht traf der Notar jedenfalls nicht. Diese wurde spätestens im Rechtsstreit durch die Aufforderung vom 17. März 2000, die Bewilligungserklärung abzugeben (GA 131), erfüllt. Der Bruder der Beklagten hat die Aufforderung mit dem Hinweis, er habe erbrechtliche Ansprüche auf einen Teil der an die Kläger veräußerten Flächen, abgelehnt. Damit waren die Möglichkeiten zur treuhänderischen Abwicklung durch den Notar erschöpft und der Treuhandauftrag gescheitert. Eine weitergehende Auslegung des Treuhandauftrags dahin, mit den hinterlegten Mitteln die Eigentümerrechte der Kläger aus § 1142 BGB auszuüben, hätte im Vereinbarten keine Grundlage. Sie läge auch außerhalb des bei notariellen Treuhandaufträgen Üblichen und wird vom Berufungsgericht nicht in Erwägung gezogen.
Den Fall des Scheiterns des Treuhandauftrags hat der Kaufvertrag, was das Berufungsgericht übersieht, geregelt. Nach § 3 Ziff. 7 sind die hinterlegten Beträge von dem Notar an den Einzahler, also die Kläger, zurückzuerstatten. Die zuvor erteilte unwiderrufliche Anweisung, das Grundpfandrecht mit den hinterlegten Mitteln abzulösen, auf die das Berufungsgericht abstellt, ist erloschen.
2. Die Pflicht des Notars, bei Scheitern des Treuhandauftrags die hinterlegte Summe an den einzahlenden Teil zurückzuerstatten, berührt als solche die Verpflichtungen der Parteien als Käufer und Verkäufer nicht. Sie ist eine mit dem Treuhandauftrag übernommene Amtspflicht, die nur im Verhältnis zwischen dem Notar und den Hinterlegungsbeteiligten besteht. Ihre Begründung hat aber bei sachgerechter Auslegung des Vertrags oder bei dessen ergänzender Auslegung Auswirkungen auf die noch unerfüllten Leistungspflichten. Hierzu ist der Senat befugt; denn auslegungsrelevante Tatsachen sind nicht mehr festzustellen (BGHZ 65, 107, 112; zur ergänzenden Vertragsauslegung vgl. Senat, Urt. v. 12. Dezember 1997, V ZR 250/96, WM 1998, 626). Die Beklagte ist danach von der primären Pflicht, den Rechtsmangel zu beseitigen, befreit. Andererseits sind die Kläger nicht rechtlos gestellt; denn sie sind auf die sekundären Ansprüche aus § 325 BGB verwiesen:
Die Parteien hatten bei Abschluß des Kaufvertrags im Jahre 1991 vor Augen, daß der Beseitigung der Sicherungshypothek außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Diese hatten in der ungeklärten erbrechtlichen Lage zwischen den Geschwistern und dem zusätzlichen Zugriff der Landesjustizkasse ihre Ursache. Um dem abzuhelfen, sahen die Parteien, worauf das Berufungsurteil in anderem Zusammenhang zutreffend hinweist, Anlaß, im Kaufvertrag ein besonderes Instrumentarium festzulegen. Nach ihm stellte, wenn die eigenen Bemühungen der Parteien (§ 3 Ziff. 2 des Vertrags) nicht ausreichten, die notarielle Abwicklung das äußerste Mittel dar. Scheiterte auch dieses, war die Beklagte nicht mehr gehalten, der primären Pflicht zur Rechtsmängelbeseitigung nachzukommen. Eine Verpflichtung, den Miterben unter Zuhilfenahme der Gerichte zur Mitwirkung an der Löschung (§ 2038 BGB) zu zwingen, wollte die Beklagte erkennbar nicht auf sich nehmen. Andererseits konnten die Kläger nicht gehalten sein, die Belastung des Grundstücks ohne Ausgleich zu akzeptieren. Dem Willen – bei Nichterkennen der Abwicklungslücke dem hypothetischen Willen – der Parteien entspricht es, das Scheitern der notariellen Abwicklung dem Unvermögen der Beklagten zur Erfüllung der Leistungspflicht aus § 434 BGB gleichzusetzen. Die Rechte der Kläger bestimmen sich daher nach §§ 440, 325 BGB; denn die Beklagte hat ihr anfängliches Leistungsunvermögen zu vertreten (Senatsurt. v. 10. März 1972, V ZR 87/70, WM 1972, 656). Die aus dem dispositiven Gesetzesrecht hergeleiteten Erwägungen des Senats zur vollständigen Nichterfüllung des Kaufvertrags im Falle eines Rechtsmangels (Urt. v. 21. Januar 2000, V ZR 387/98, NJW 2000, 1256; vgl. auch Urt. v. 30. Oktober 1998, V ZR 367/97, NJW-RR 1999, 346) weichen dem auf anderes gerichteten (hypothetischen) Willen der streitenden Parteien. Denn eine Totalabwicklung des Kaufs war beiderseits ausgeschlossen.
3. Dem vom Senat angenommenen Hilfsanspruch auf Zahlung von 95.000 DM legen die Kläger „die Minderung des Wertes” zugrunde, die das Grundstück im Falle des Verkaufs infolge der eingetragenen Belastung erleide. Sie nehmen mithin die der Beklagten möglichen Leistungen, die Verschaffung von Eigentum in Besitz, in Anspruch und verlangen wegen des Leistungsteils, zu dem die Beklagte unvermögend ist, Ersatz in Geld. Hierfür bietet § 325 BGB eine Grundlage. Die Schadensberechnung kann allerdings nicht von einer Verminderung des Verkehrswerts des Grundstücks im technischen Sinne ausgehen; denn bei der Grundstücksbewertung bleiben nach den Richtlinien der Wertermittlungsverordnung (Senatsurt. v. 12. Januar 2001, V ZR 420/99, WM 2001, 997) die Belastungen des Objekts außer Ansatz. Sie schlägt jedoch bei der nach § 249 BGB gebotenen Differenzrechnung zwischen der Vermögenslage der Kläger bei rechtsmängelfreier und rechtsmängelbehafteter Leistung zu Buche. Die näheren Feststellungen hierzu wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache zu treffen haben. Bislang ist ungeklärt, in welcher Höhe die Sicherungshypothek valutiert und welche Aufwendungen erforderlich sind, um die Pfandfreigabe durch die Landesjustizverwaltung zu erreichen. In die Differenzrechnung wird, da der rechtsmängelfreien Leistung der volle Kaufpreis gegenüberstünde, die Freigabe des hinterlegten Kaufpreisanteils im Wege des Zug-um-Zug-Vorbehalts einzubeziehen sein.
Unterschriften
Tropf, Lambert-Lang, Krüger, Klein, Bauner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.10.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651884 |
DB 2002, 369 |
NJW 2002, 967 |
BGHR 2002, 50 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 200 |
ZfIR 2001, 974 |
MDR 2002, 147 |
ZNotP 2002, 78 |