Leitsatz (amtlich)
Nach der regelmäßigen Interessenlage kann der Verkäufer vereinbarte Fälligkeitszinsen verlangen, wenn der Kaufpreis zwar rechtzeitig auf dem Anderkonto des Notars eingeht, seiner Auszahlung an den Verkäufer aber Auflagen des Kreditinstituts des Käufers entgegenstehen (im Anschluß an Senatsurteil vom 7. März 1997, V ZR 4/96, WM 1997, 1152); dies gilt nicht, wenn der Verkäufer seinerseits die vom Käufer gesetzten Auszahlungsbedingungen nicht erfüllt hat.
Normenkette
BGB § 433 Abs. 2, §§ 157, 362 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. Juni 1999 im Kostenpunkt und im Umfang der Annahme aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 22. Oktober 1993 verkaufte die Beklagte der Klägerin ein Mietgrundstück in B.-F., das sie selbst am 15. Oktober 1993 von einem Dritten angekauft hatte. Der Kaufpreis von 1,6 Mio. DM war bis 30. November 1993 auf das Anderkonto des beurkundenden Notars zu zahlen. § 2 des Kaufvertrags sah hierzu in den nachfolgenden Sätzen vor:
3. Die Zahlung gilt nur als Erfüllung, wenn für die Auszahlung keine Auflagen der finanzierenden Kreditinstitute vorliegen und noch nicht erfüllt sind, deren Erfüllung vom Käufer zu vertreten ist und die über die Auszahlungsvoraussetzungen des vorliegenden Vertrags hinausgehen.
4. Die Auszahlung des Kaufpreises nebst Hinterlegungszinsen an den Verkäufer erfolgt:
…
b) nach Sicherstellung, daß der Ankaufsvertrag des Verkäufers abgewickelt werden kann, d.h. der Kaufpreis vollständig hinterlegt ist;
e) wenn die in § 3 vereinbarte Lastenfreiheit gewährleistet ist.
6. Der Verkäufer wird darauf hingewiesen, daß über diese kaufvertraglichen Auszahlungsvoraussetzungen hinaus die Auszahlung an ihn erst nach Erfüllung der Treuhandauflagen des finanzierenden Kreditinstituts bezüglich der Eintragung eines Finanzierungsgrundpfandrechts auf dem Kaufgrundstück erfolgen kann.
8. Sollte der Kaufpreis nicht bei Fälligkeit bezahlt werden, verzinst sich der jeweils fällige Kaufpreisteil um 4 v.H. jährlich über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank.
9. Diese Zinsen sind auch für die Zeit zu zahlen, in welcher der Kaufpreis nach Maßgabe des Kaufvertrages ausgezahlt werden könnte, aber die Auszahlung wegen weitergehender Treuhandauflagen des finanzierenden Kreditinstituts nicht erfolgen kann.
Die Übergabe des Grundstücks und der Übergang der Nutzungen sollte am 1. Dezember 1993, nicht jedoch vor vollständiger „Kaufpreisbelegung” erfolgen.
Am 31. Dezember 1993 ging dem Anderkonto des Notars ein Betrag in Höhe des damaligen Kaufpreisrestes, 467.000 DM, zu. Der Betrag war von der Darlehensgeberin der Klägerin, der Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank (Berlin Hyp), unter der Bedingung zur Verfügung gestellt worden, daß die Auszahlung erst erfolgen dürfe, wenn sichergestellt sei, daß zugunsten der Bank eine erstrangige Grundschuld über 1,3 Mio. DM bestellt werde. Der Notar teilte der Bank am 20. Mai 1994 mit, die Grundschuld sei im Grundbuch des Kaufgrundstücks an rangbereiter Stelle eingetragen, am 25. Mai 1994 werde „bezüglich des Ankaufsvertrages” der Kaufpreis ausgezahlt und eine Reihe (vorgehender) Grundpfandrechte gelöscht; wegen eines weiteren Grundpfandrechtes sei die Löschungsbewilligung angefordert. Der hinterlegte Betrag von 467.000 DM wurde am 22. Juni 1994 an die Beklagte ausgezahlt.
Am 8. Mai 1995 forderte die Beklagte die Klägerin „wegen nicht vertragsgemäßer Belegung” des Kaufpreises zur Zahlung von Zins in Höhe von 80.388,95 DM auf. Die Klägerin bezahlte den Betrag zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde. Mit der Klage fordert sie ihn zurück, läßt sich jedoch einen Betrag von 4.512,66 DM wegen eines Zahlungsrückstandes über 967.000 DM zwischen dem 10. und 30. Dezember 1993 anrechnen (Klagesumme: 75.876,29 DM). Die Beklagte errechnet einen Zinsanspruch von nur noch 26.317,08 DM, der im wesentlichen auf den Kaufpreisrest von 467.000 DM zurückgehe, der erst am 22. Juni 1994 getilgt worden sei. Wegen der Restforderung der Klägerin – mindestens in Höhe von 54.071,87 DM (80.388,95 DM abzüglich 26.317,08 DM) – rechnet sie mit einem Anspruch auf Rückerstattung von Mieten im Gesamtbetrag von 68.853,71 DM auf, die die Klägerin zwischen Januar und Juni 1994 zu Unrecht bezogen habe.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung in Höhe von 73.840,74 DM sowie aus anderem Rechtsgrund zur Zahlung weiter geforderter 1.712,89 DM verurteilt. Deren Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision hat die Beklagte den Antrag auf volle Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Senat hat das Rechtsmittel nur in Höhe der Aufrechnung, mithin hinsichtlich eines Teilbetrags des Rückforderungsanspruchs in Höhe von 68.853,71 DM, angenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, mit dem Eingang des Restbetrages von 467.000 DM auf dem Anderkonto am 30. (richtig: 31.) Dezember 1993 sei der Kaufpreis vereinbarungsgemäß „gezahlt” gewesen. Denn die Auflagen der Berlin Hyp gingen nicht über die vertraglichen Bedingungen hinaus, stünden mithin nach § 2 Satz 3 des Vertrags der Erfüllung nicht entgegen. § 2 Satz 6 sehe nämlich als weitere Voraussetzung für die Auszahlung des Kaufpreises die Erfüllung der Auflagen des finanzierenden Kreditinstituts vor. Deshalb stellten diese auch keine weitergehenden Auflagen im Sinne des in § 2 Satz 9 des Vertrags vorgesehenen Zinsanspruchs dar. Überdies habe die Beklagte nicht dargelegt, daß der Kaufpreis auszahlungsreif gewesen sei. Denn es sei davon auszugehen, daß die Auflagen der Berlin Hyp bis zur Auszahlung im Juni 1994 nicht erledigt gewesen seien. Im Anschluß an das Landgericht bejaht das Berufungsgericht einen Zinsanspruch der Beklagten in Höhe von 6.548,21 DM wegen früherer Kaufpreisrückstände, der Restanspruch der Klägerin belaufe sich mithin auf 73.840,74 DM (80.388,95 DM abzüglich 6.548,21 DM).
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Nur im Ergebnis zutreffend bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Zinsen, die auf den Kaufpreisrest von 467.000 DM entfallen, mithin des Betrags von 73.840,74 DM (§ 812 BGB).
1. Das Berufungsgericht mißversteht die Voraussetzungen, die der Kaufvertrag der Parteien an die Erfüllung der Pflicht der Klägerin zur Hinterlegung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto stellt (§§ 133, 157 BGB). § 2 Satz 3 des Vertrags ließ zur Erfüllung der Hinterlegungspflicht (zur Frage der Tilgung des Kaufpreises bei Hinterlegung auf Anderkonto – vgl. Senat BGHZ 87, 156, 162 ff) nicht bereits die Zahlung auf das Anderkonto genügen, erforderlich war vielmehr darüber hinaus, daß der Auszahlung der hinterlegten Summe an die Beklagte keine Hindernisse entgegenstanden, die von den Kreditinstituten, die den Kaufpreis im Auftrag der Klägerin finanzierten, aufgestellt worden waren. Dies leuchtet ein; denn solange die Auszahlungsbedingungen des Kreditgebers des Käufers nicht erfüllt sind, kann der Verkäufer, auch wenn er seinerseits den ihm gesetzten Auszahlungsauflagen nachgekommen ist, über die hinterlegte Summe nicht verfügen. Der Notar, der mit der Übernahme der Gelder die Bedingungen des Kreditgebers akzeptiert hat, ist gehindert, die Summe auszukehren. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, aus Satz 6 des Vertrages ergebe sich anderes. Die Bestimmung enthält keine Willenserklärungen der Parteien, sondern einen belehrenden Hinweis des Notars nach § 17 BeurkG. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung, ihrem Sinn und ihrem Zusammenhang mit dem übrigen Urkundstext. Die Bestimmung bezeichnet sich selbst als „Hinweis” an den Verkäufer auf ein mögliches Auszahlungshindernis, das über die voranstehenden („diese”), vom Verkäufer selbst zu schaffenden Auszahlungsbedingungen (im einzelnen § 2 Satz 4 des Vertrags) hinausgeht. Die Belehrung knüpft an § 2 Satz 3 des Kaufvertrags an und weist auf Auszahlungshindernisse hin, die, da im Verhältnis der Kaufparteien vom Käufer „zu vertreten”, der Erfüllung der Hinterlegungspflicht entgegenstehen. Die Meinung des Berufungsgerichts, § 2 Satz 6 enthalte eine vertragliche Auszahlungsvoraussetzung im Sinne des Satzes 3 würde die dort getroffenen Anordnungen in ihr Gegenteil verkehren. Unerledigte Auszahlungsbedingungen der Kreditinstitute des Käufers stünden der Erfüllung der Hinterlegungspflicht nicht entgegen. Der Käufer hätte erfüllt, obwohl die von ihm zu vertretenden Auszahlungshindernisse nicht beseitigt sind. Zwar kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine Hinterlegungsvereinbarung, wofür eine Belastungsvollmacht (hier § 4 des Kaufvertrags) ein Indiz sein kann, eine Auslegung in diesem Sinne zuläßt; im Streitfalle haben die Parteien aber ihrem anderweiten, der regelmäßigen Interessenlage entsprechenden Willen Ausdruck gegeben (zu den Anforderungen an die Hinterlegung vgl. Senatsurt. v. 7. März 1997, V ZR 4/96, WM 1997, 1152). Der Eingang des Kaufpreisrestes auf dem Anderkonto am 31. Dezember 1993 führte mithin nicht zur Erfüllung der Hinterlegungspflicht.
2. Gleichwohl stand der Beklagten kein Anspruch auf Verzinsung des rückständigen Kaufpreisteils zu; denn die Parteien haben in § 2 Satz 9 des Kaufvertrags die Zinspflicht zusätzlich davon abhängig gemacht, daß der Verkäufer die von ihm zu schaffenden Auszahlungsvoraussetzungen herbeigeführt hat. Hieran fehlte es indessen; denn die von der Beklagten gewährleistete (§ 3 Satz 3 des Vertrags), von der Klägerin zur Auszahlungsvoraussetzung gemachte Lastenfreiheit (§ 2 Satz 4 lit. e) war, wie das Berufungsgericht aufgrund des Schreibens des Notars vom 20. Mai 1994 festgestellt hat, noch im Mai 1994 nicht erfüllt. Nach dem Vortrag der Klägerin war neben älteren Grundpfandrechten auch die von der Beklagten zum Ankauf des Grundstücks bestellte Grundschuld über 1,2 Mio. DM noch nicht ausgebucht. Wie der Notar schreibt, wurde auch der Ankaufspreis (vgl. § 2 Satz 4 lit. b des Kaufvertrags) jedenfalls bis zu diesem Tage nicht ausgezahlt.
II.
Das Berufungsurteil hat indessen keinen Bestand, da es, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Aufrechnung der Beklagten wegen zu Unrecht eingezogener Mieten (68.853,71 DM) unberücksichtigt gelassen hat. Die Voraussetzungen der Übergabe des Grundstücks und des damit verbundenen Übergangs der Nutzungen auf die Klägerin waren mit Eingang des Restkaufpreises auf dem Anderkonto am 31. Dezember 1993 nicht erfüllt. Denn die „Kaufpreisbelegung” im Sinne des Kaufvertrages ist mit der Erfüllung der Hinterlegungspflicht der Klägerin identisch. Solange – von ihrer Seite – die Voraussetzungen zur Auszahlung des Kaufpreises an die Beklagte nicht geschaffen waren, sollten ihr auch die Nutzungen nicht zustehen. Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, auf welche Höhe sich die von der Klägerin zwischen Januar und Juni 1994 gezogenen Nutzungen, die insbesondere im Hinblick auf zu verrechnende Aufwendungen streitig sind, belaufen.
Unterschriften
Tropf, Lambert-Lang, Krüger, Klein, Bauner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.10.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651636 |
DB 2002, 582 |
NJW 2002, 59 |
BGHR 2002, 46 |
BGHR |
EWiR 2002, 147 |
IBR 2002, 46 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 2240 |
WuB 2002, 159 |
ZIP 2001, 2181 |
ZfIR 2002, 29 |
DNotZ 2002, 213 |
MDR 2002, 146 |
ZBB 2001, 490 |
ZNotP 2001, 480 |