Leitsatz (amtlich)
Die Besetzung von (sogenannten) Verwaltungsstellen einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Ersatzkasse mit Bediensteten einer privaten Krankenversicherung verstößt, wenn keine besonderen Unlauterkeitsmerkmale hinzutreten, nicht gegen § 1 UWG.
Normenkette
UWG § 1; SGB IV § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 11.04.1996) |
LG München I |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. April 1996 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eine bundesweit tätige private Krankenversichsrungsgesellschaft. Die Beklagte ist bundesweit als öffentlich-rechtliche Ersatzkasse tätig.
Die Beklagte unterhält zur Betreuung ihrer Mitglieder 102 hauptamtliche Geschäftsstellen sowie 450 Verwaltungsstellen. Mit der Leitung ihrer Verwaltungsstellen betraut sie u.a. auch Mitarbeiter privater Krankenversicherungen. Die Parteien streiten – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung – über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieses Verhaltens.
Einer ihrer Verwaltungsstellenleiter, der zugleich Leiter der Geschäftsstelle E. der C. Versicherungsgruppe ist, zu der auch die C. Krankenversicherung a.G. gehört, wandte sich mit Schreiben vom 29. Oktober 1993 unter Verwendung des Briefkopfes der „C.” an ein Mitglied der Beklagten. Er bot dem Adressaten unter der Überschrift „Information für alle Versicherten der H. -Ersatzkasse” an, ihm kostenlos und unverbindlich ein mit seinen persönlichen Angaben gerechnetes Angebot zu erstellen. Mit Schreiben vom 14. Februar 1994 wandte er sich erneut an denselben Adressaten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zwischen den Partelen bestehe ein direktes Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte handele mit der Bestellung von Mitarbeitern privater Krankenversicherungen zu Verwaltungsstellenleitern auch in der Absicht, den Wettbewerb bestimmter privater Versicherungsunternehmen zu fördern, was sich bereits daraus ergebe, daß sie deren Mitarbeitern den Zugang zu den Daten ihrer Mitglieder eröffne.
Ferner ist die Klägerin der Meinung, das Verhalten des Verwaltungsstellenleiters anläßlich des angeführten Vorfalls sei nach § 1 UWG wettbewerbswidrig. Es sei nur aufgrund seiner Doppelfunktion als Verwaltungsstellenleiter der Beklagten einerseits und Geschäftsstellenleiter der C. Versicherungsgruppe andererseits unter Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz möglich gewesen.
Die Beklagte verstoße mit ihrer Verwaltungsstellenbesetzungspraxis zudem gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, wonach Träger der Sozialversicherung, zu denen auch die Beklagte gehöre, nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgabe führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben verwenden dürften. Eine Tätigkeit zugunsten privater Versicherungen gehöre nicht zu den zulässigen Aufgaben der Beklagten. Da die Beklagte ihre Verwaltungsstellenleiter für die von ihnen erbrachten Leistungen nur unzureichend honoriere, liege – soweit es sich um Mitarbeiter privater Krankenversicherer handele – deren Interesse, für die Beklagte tätig zu sein, allein im möglichen „Zugang zu Versicherten der Beklagten mit potentiell erheblichem Versicherungsbedarf bei privaten Versicherungsunternehmen”.
Die Klägerin hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt,
der Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Angestellte und/oder Beauftragte privater Krankenversicherungsunternehmen gleichzeitig mit der Führung von Geschäfts- bzw. Verwaltungsstellen der Beklagten zu betrauen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, der Klageantrag enthalte eine unzulässige Verallgemeinerung, da es am Bezug zum konkreten Verletzungsfall fehle. Der Antrag sei auch zu weit gefaßt, da die Klägerin nicht verlangen könne, daß Angestellte oder Beauftragte privater Krankenversicherungsunternehmen generell nicht als Verwaltungsstellenleiter eingesetzt werden dürften.
Die Besetzung ihrer Verwaltungsstellen mit Bediensteten privater Krankenversicherungen verstoße zudem nicht gegen § 1 UWG. Zur Gewährleistung der Betreuung ihrer Mitglieder sei sie auf Verwaltungsstellen angewiesen, die über die erforderlichen räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen verfügten. Versicherungsmakler seien hierfür besonders geeignet. Ihnen sei nicht gestattet, als Gegenleistung für ihre Tätigkeit ihre – der Beklagten – Mitglieder für private Versicherungen zu werben. Durch schriftliche Vereinbarungen werde sichergestellt, daß die bei ihr gespeicherten Daten nicht weitergegeben würden. Die Verwaltungsstellenleiter seien überdies zur Geheimhaltung verpflichtet. Im übrigen komme es häufig vor, daß öffentlich-rechtliche und private Krankenversicherer zusammenarbeiteten.
Ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV liege ebenfalls nicht vor, da sie sich strikt an die ihr zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben halte und ihre Mittel nur in diesem Bereich verwende.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß – auch noch hinsichtlich zweier weiterer Unterlassungsanträge – verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage in dem aus dem Antrag ersichtlichen Umfang abgewiesen und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Damit ist die Verurteilung der Beklagten rechtskräftig geworden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken (1.) zu dulden, daß Kunden der Beklagten auf dem Briefpapier einer privaten Versicherungsgruppe angeschrieben werden, um diese zu informieren oder die Vermittlung von Versicherungsverträgen anzubieten und (2.) durch ihre Verwaltungsstellenleiter Namen und Anschriften von Kunden der Beklagten privaten Versicherungsunternehmen zugänglich zu machen oder selbst zugunsten privater Versicherungsunternehmen zu verwenden.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Teil ihrer Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat darin, daß die Beklagte Mitarbeiter privater Krankenversicherungen als Verwaltungsstellenleiter bestellt, keinen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Bestimmungen des UWG kämen im Streitfall zur Anwendung, da zwischen den Parteien jedenfalls insoweit ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, als beide unstreitig mit Interessenten private Krankenversicherungsverträge abschlössen. Die Beklagte fördere auch den Wettbewerb derjenigen privaten Krankenversicherungsgesellschaften, deren Mitarbeiter sie mit ihrer Interessenvertretung beauftrage. Es liege nahe daß die Mitglieder der Beklagten insoweit mit diesen privaten Versicherungsgesellschaften Versicherungsverträge abschlössen, als sie Versicherungsleistungen außerhalb der Krankenversicherung anböten. Die Wettbewerbsförderungsabsicht der Beklagten sei ebenfalls gegeben. Der Umstand, daß ihre Verwaltungsstellenleiter ihren Mitgliedern weitere Versicherungsleistungen anbieten könnten, diene auch dem Interesse der Beklagten; sie könne ihren Mitgliedern damit zumindest mittelbar einen umfassenden Versicherungsschutz bieten.
Die Tätigkeit eines Mitarbeiters einer privaten Krankenversicherungsgesellschaft für die Beklagte in dem in Rede stehendem Umfang bedeute jedoch nicht ohne weiteres, daß dieser seine Tätigkeit in einer gegen die guten Sitten i.S. des § 1 UWG verstoßenden Weise zugunsten des privaten Versicherers, bei dem er hauptsächlich beschäftigt sei, ausnutze. Es sei durchaus denkbar, daß sich der Verwaltungsstellenleiter den Mitgliedern der Beklagten gegenüber auf die Befugnisse beschränke, die ihm die Beklagte vertraglich einräume. Nach dem Musterformularvertrag (Anlage B 1) erhalte der Verwaltungsstellenleiter für seine ehrenamtliche Tätigkeit zwar nur eine geringfügige Vergütung, die ihm im wesentlichen lediglich die Abdeckung seiner laufenden Kosten ermögliche. Insoweit sei bedeutsam, daß sich die Tätigkeit als Verwaltungsstellenleiter günstig auf die Tätigkeit für seine private Versicherungsgesellschaft auswirken könne, worin der wesentliche Anreiz für einen Vertragsschluß mit der Beklagten liege. Diese Nebenwirkung des Vertragsverhältnisses bedeute aber nicht, daß sich der Verwaltungsstellenleiter sittenwidrig verhalte. Hierzu bedürfe es weiterer Umstände, wie der Ausnutzung der Autorität als gesetzlicher Krankenversicherung, die im Einzelfall festzustellen wäre. Insbesondere stelle der Umstand, daß er die Mitglieder der Beklagten in Räumen betreue, die erkennbar zum Geschäftsbetrieb einer privaten Versicherungsgesellschaft gehörten, keinen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Dies gelte vor allem auch deshalb, weil ein Verwaltungsstellenleiter nach dem Inhalt des Musterformularvertrages nicht berechtigt sei, Sozialdaten zu offenbaren. Vielmehr sei er ausdrücklich zur Geheimhaltung verpflichtet, und zwar über das Ende seiner Mitarbeit hinaus.
Die Beklagte verstoße mit der Bestellung von Mitarbeitern privater Krankenversicherungsgesellschaften zu Verwaltungsstellenleitern auch nicht gegen § 30 Abs. 1 SGB IV. Die in dem Musterformularvertrag genannten Rechte und Pflichten der Verwaltungsstellenleiter zeigten, daß ihre Mitwirkung im Geschäftsbetrieb der Beklagten sich im Rahmen des Aufgabenbereichs nach § 30 Abs. 1 SGB IV halte.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht, das für die Revisionsinstanz bindend (§ 17 a Abs. 5 GVG) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bejaht hat, hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Beauftragung von Mitarbeitern privater Krankenversicherungen als Verwaltungsstellenleiter durch die Beklagte nicht als wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG zu beurteilen ist. Es ist dabei zutreffend und von der Revisionserwiderung unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte mit der Bestellung der Mitarbeiter zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat. Ebenso hat es aber zu Recht einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV sowie das Vorliegen besonderer Unlauterkeitsmerkmale verneint.
1. Als nicht durchgreifend erweist sich zunächst die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte als Träger der Sozialversicherung (§ 29 SGB IV) verstoße mit der Bestellung von Mitarbeitern privater Krankenversicherungsunternehmen als Verwaltungsstellenleiter nicht gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, wonach Ersatzkassen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden dürften. Die Revision macht insoweit geltend, nach der genannten Vorschrift stehe das Handeln der Versicherungsträger unter Gesetzesvorbehalt. Da es weder im Sozialgesetzbuch noch sonst eine gesetzliche Grundlage dafür gebe, Mitarbeiter eines privaten Krankenversicherungsunternehmens als „Verwaltungsstellenleiter” einer Ersatzkasse mit den Aufgaben und Befugnissen zu betrauen, wie sie sich aus dem Musterformularvertrag der Beklagten ergäben, verstoße das Verhalten der Beklagten gegen § 30 Abs. 1 SGB IV und damit zugleich gegen § 1 UWG. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.
a) Die Revision weist im Ausgangspunkt allerdings zutreffend darauf hin, daß das Handeln der Träger der Sozialversicherung nach § 30 Abs. 1 SGB IV unter Gesetzesvorbehalt steht. Die Sozialversicherungsträger besitzen keine allgemeine Zuständigkeit, sondern dürfen nur gesetzlich vorgeschriebene oder zugelassene Aufgaben erfüllen (BGH, Urt. v. 19.1.1995 – I ZR 41/93, GRUR 1996, 213, 215 = WRP 1995, 475 – Sterbegeldversicherung; KassKomm/Maier, § 30 SGB IV Rdn. 1). Um welche Aufgaben es sich dabei im einzelnen handelt, ob zu ihnen insbesondere das in Rede stehende Handeln der Beklagten gehört, ergibt sich nicht aus § 30 Abs. 1 SGB IV selbst. Diese Bestimmung enthält lediglich die allgemeine Umschreibung der Befugnisse des Sozialversicherungsträgers, ohne dabei dessen Aufgaben und Geschäfte konkret zu regeln (BGH GRUR 1996, 213, 215 – Sterbegeldversicherung). Eine Konkretisierung der den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben findet sich vor allem im Fünften, aber auch im Ersten Buch des Sozialgesetzbuches.
b) Nach § 14 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Gemäß Satz 2 dieser Bestimmung sind diejenigen Leistungsträger für die Beratung zuständig, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen sind oder die Pflichten zu erfüllen haben. Die Beklagte hat mit dieser Aufgabe teilweise ihre Verwaltungsstellenleiter betraut. Denn ihnen obliegt nach Ziffer 3.1 des von der Beklagten benutzten Musterformularvertrages die Betreuung und Aufklärung der Mitglieder der Beklagten in Kassenangelegenheiten. Die Beklagte hält sich mithin grundsätzlich im Rahmen des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs, wenn sie jemanden mit der Leitung einer ihrer Verwaltungsstellen betraut. Dieser Beurteilung steht im Streitfall auch nicht entgegen, daß die Leitung der Verwaltungsstellen teilweise Mitarbeitern von privaten Krankenversicherungsunternehmen übertragen wird. Denn weder § 30 Abs. 1 SGB IV noch § 14 SGB I lassen sich hinsichtlich des Personenkreises, dessen sich der Versicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben zu bedienen hat, irgendwelche Einschränkungen entnehmen.
Insbesondere ergibt sich ein Verstoß der Beklagten gegen § 30 ADS. 1 SGB IV – entgegen der Annahme der Revision – nicht aus § 39 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit § 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB IV. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wählt die Vertreterversammlung bei den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten Versichertenälteste, die nach Absatz 3 Satz 1 der Bestimmung insbesondere die Aufgabe haben, eine ortsnahe Verbindung des Versicherungsträgers mit den Versicherten und den Leistungsberechtigten herzustellen und diese zu beraten und zu betreuen. In § 39 Abs. 2 Nr. 2 SGB IV ist vorgesehen, daß durch Satzung bestimmt werden kann, daß auch bei anderen Versicherungsträgern die Vertreterversammlung Versichertenälteste wählt.
Der Revision kann nicht darin beigetreten werden, aus dem Zusammenhang der genannten Regelungen ergebe sich, daß die Aufgabe, eine ortsnahe Verbindung des Versicherungsträgers zu den Versicherten und den Leistungsberechtigten herzustellen und diese zu beraten und zu betreuen, auch im Streitfall von Gesetzes wegen den Versichertenältesten zugewiesen sei. Dieser Annahme steht schon entgegen, daß es den Ersatzkassen nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 SGB IV grundsätzlich freigestellt ist, ob sie in ihrer Satzung bestimmen, daß die Vertreterversammlung Versichertenälteste wählt. Es besteht mithin – anders als nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten – für die Ersatzkassen gerade keine gesetzliche Verpflichtung, Versichertenälteste zu wählen und von diesen die in § 39 Abs. 3 Satz 1 SGB IV genannten Aufgaben wahrnehmen zu fassen.
c) Bei den Verwaltungsstellenleitern, die zusätzlich noch für eine private Versicherungsgesellschaft tätig sind, handelt es sich auch nicht um – ebenfalls unter dem Gesetzesvorbehalt stehende – beliehene Unternehmer des Privatrechts, die für die Beklagte hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Die Revision bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Vorbringen der Beklagten, wonach es Aufgabe der Verwaltungsstellenleiter sei, den Versicherten der Beklagten und den Interessenten für eine Versicherung die Möglichkeit zu gewähren, in der Nähe ihres Wohnortes oder ihrer Arbeitsstelle einen Ansprechpartner aufzusuchen, an den sie sich mit ihren Antragen wenden könnten. Die Verwaltungsstellenleiter fungierten mithin als Kontakt- und Vermittlungspersonen zwischen dem anfragenden Mitglied bzw. Interessenten und der übergeordneten Geschäftsstelle. Sie hätten in erster Linie die Aufgabe, dem Antragenden Unterlagen auszuhändigen, Antragen an die übergeordnete Geschäftsstelle weiter zuleiten und einfache Fragen (wie z.B. diejenige nach der Beitragsgrenze für die Krankenversicherungspflicht) zu beantworten.
Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich nicht um die eigene Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, sondern lediglich um die Erfüllung selbständiger Nebengeschäfte. Die Verwaltungsstellenleiter stehen nicht in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zu einem Dritten, hier den Mitgliedern der Beklagten, wie es für Beliehene typisch ist (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., S. 414 Rdn. 5), sondern handeln im Auftrag und nach Weisung der Beklagten.
2. Ein Verstoß gegen § 1 UWG ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht daraus, daß die Beklagte den für sie als Verwaltungsstellenleiter tätigen Mitarbeitern privater Krankenversicherungsgesellschaften den Zugang zu den Sozialdaten ihrer Mitglieder eröffnet und dadurch die grundsätzliche Möglichkeit schafft, daß die nach § 35 Abs. 1 SGB I, § 284 Abs. 3 SGB V, § 78 SGB X und § 5 BDSG geheimzuhaltenden personenbezogenen Daten zu Werbezwecken für das private Versicherungsunternehmen genutzt werden.
Der Beklagten ist es an sich nicht verwehrt, ihren Bediensteten die Sozialdaten ihrer Mitglieder zu überlassen, wenn dies im Rahmen der Erfüllung ihrer den Versicherten gegenüber bestellenden Leistungspflichten geschieht. In der mit den Verwaltungsstellenleitern geschlossenen Vereinbarung hat die Beklagte auch bestimmt, daß die geheimzuhaltenden Daten nur zu dem vorgenannten Zweck genutzt werden dürfen. In Ziffer 9 des von ihr benutzten Musterformularvertrages ist ausdrücklich geregelt, daß ein Verwaltungsstellenleiter zur Geheimhaltung nach den genannten Bestimmungen des SGB und BDSG verpflichtet ist und daß die Geheimhaltungspflicht über das Ende seiner Mitarbeit für die Beklagte hinaus besteht. Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, daß nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß Verwaltungsstellenleiter, die zugleich für ein privates Versicherungsunternehmen tätig sind, die vertraglich übernommene Geheimhaltungspflicht mißachten und die ihnen bekannt gewordenen personenbezogenen Daten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zugunsten des privaten Versicherers nutzen werden. Diese Annahme rechtfertigt sich, wie die Revision geltend macht, auch nicht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung. Danach ist vielmehr mangels gegenteiliger Anhaltspunkte anzunehmen, daß die Verwaltungsstellenleiter sich grundsätzlich vertragstreu verhalten und sich gegenüber den Mitgliedern der Beklagten auf diejenigen Befugnisse beschränken, die ihnen von der Beklagten gemäß dem Musterformularvertrag eingeräumt werden. Die Klägerin hat auch lediglich einen Einzelfall vorzutragen vermocht, in dem ein Verwaltungsstellenleiter vertragsbrüchig geworden ist. Das reicht für das von ihr erstrebte generelle Verbot, Personen, die zugleich Mitarbeiter einer privaten Versicherungsgesellschaft sind, zu Leitern einer Verwaltungsstelle der Beklagten zu bestellen, nicht aus.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die Beklagte unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel rechtskräftig verurteilt worden ist, es zu unterlassen, über ihre Verwaltungsstellenleiter Namen und Anschriften ihrer Mitglieder privaten Versicherungsunternehmen zugänglich zu machen oder selbst zum Zwecke von Informations- und Akquisitionsbemühungen zugunsten privater Versicherungsunternehmen zu verwenden. Dadurch verlieren die Bedenken der Revision an Gewicht, daß die Beklagte möglicherweise nicht in geeigneter Weise darauf dringen wird, daß die Verwaltungsstellenleiter ihre Geheimhaltungspflichten auch befolgen.
3. Entgegen der Ansicht der Revision lassen sich im Streitfall aus der Stellung der Beklagten als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV) auch sonst keine Umstände herleiten, die gem. § 1 UWG ein generelles Verbot der Bestellung von Mitarbeitern privater Krankenversicherungen zu Verwaltungsstellenleitern rechtfertigen könnten.
Ein Verhalten der öffentlichen Hand, das geeignet ist, den Wettbewerb Dritter zu fördern, ist nicht grundsätzlich als wettbewerbswidrig zu beurteilen, sondern erst bei Hinzutreten besonderer Umstände. Es gilt insoweit der allgemeine Grundsatz, daß bei der Beurteilung des Verhaltens die wettbewerbsrechtliche Ausgangslage, der Anlaß und Zweck des Handelns, die Begleitumstände und die Auswirkungen auf den Leistungswettbewerb zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 82, 375, 395 – Brillen-Selbstabgabestellen).
a) Das kooperative Zusammenwirken zwischen einer Ersatzkasse und privaten Krankenversicherungsunternehmen kann unter Umständen wettbewerbsrechtlich-unzulässig sein, wenn mit der Zusammenarbeit gerade die gezielte Förderung des Wettbewerbs einzelner privater Krankenversicherungen durch die Ersatzkasse bezweckt ist (vgl. dazu auch BGHZ 64, 232, 234; 123, 157, 161 f. – Abrechnungs-Software für Zahnärzte). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
Anlaß und Zweck der Bestellung der Mitglieder privater Krankenversicherungen zu Verwaltungsstellenleitern durch die Beklagte sprechen gegen eine gezielte Förderung des Wettbewerbs privater Krankenversicherungen. Die Beklagte gehört nach ihrem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen mit nur 378.961 von etwa 51 Mio. gesetzlich krankenversicherten Personen (Stand 1. Oktober 1993) zu den eher kleinen Ersatzkassen. Die Gründe, die sie für das beanstandete Verhalten angeführt hat, sind nachvollziehbar. Sie hat darauf verwiesen, daß sie in verschiedenen ländlichen Regionen mir wenige Mitglieder hat, so daß die Einrichtung von flächendeckenden hauptamtlichen Geschäftsstellen zur Betreuung dieses relativ geringen Mitgliederbestandes einen unverhältnismäßig hohen Kostenaufwand zur Folge hätte, den sie ohne Anhebung der von ihren Mitgliedern zu entrichtenden Versicherungsbeiträgen nicht decken könnte. Wenn sie sich unter diesen Umständen im Interesse der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitgliedern entschlossen hat, auf eine Vor-Ort-Betreuung der Versicherten nicht ganz zu verzichten und deshalb zur flächendeckenden Betreuung insgesamt 450 Verwaltungsstellen einzurichten, die wesentlich kostengünstiger betrieben werden können als hauptamtliche Geschäftsstellen, kann dies allein noch nicht als unlauter gewertet werden. Soweit die Beklagte ihre Verwaltungsstellen – neben Pensionären, Hausfrauen sowie Finanz- und Versicherungsmaklern – auch mit Mitarbeitern privater Krankenversicherungen besetzt hat, dient dies nicht der gezielten Förderung ces Wettbewerbs dieser Krankenversicherungen – zumal die Beklagte sich nicht auf die Auswahl von Mitarbeitern bestimmter Krankenversicherungen beschränkt –, sondern der Erfüllung von Fürsorge- und Betreuungspflichten gegenüber ihren Mitgliedern. Ein derartiges Zusammenwirken zwischen der Beklagten und Mitarbeitern privater Krankenversicherungsunternehmen, das nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten im übrigen auch von anderen kleineren Trägern der öffentlich-rechtlichen Krankenversicherung praktiziert, wird, läßt sich, sofern nicht weitere Unlauterkeitsumstände hinzutreten, noch nicht als Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb werten.
Bei der im Rahmen des § 1 UWG gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die staatliche Aufsicht, der die Versicherungsträger unterliegen (vgl. §§ 87 ff. SGB IV), die nach dem Vorbringen der Beklagten schon seit langem praktizierte Handhabung bislang offensichtlich unbeanstandet gelassen hat; jedenfalls lassen sich den Akten keine gegenteiligen Anhaltspunkte entnehmen.
b) Das Verhalten der Beklagten läßt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs hoheitlicher Machtstellung zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs als Verstoß gegen § 1 UWG werten (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1963 – Ib ZR 72/62, GRUR 1964, 210, 213 = WRP 1964, 85 – Landwirtschaftsausstellung; Urt. v. 4.12.1970 – I ZR 96/69, GRUR 1971, 168, 169 = WRP 1971, 219 – Ärztekammer). Das besondere Vertrauen, das der Bürger dem Handeln der zu neutraler und objektiver Amtsführung verpflichteten öffentlichen Verwaltung in der Regel entgegenbringt, ist schutzwürdig und darf nicht mißbraucht werden. Im Streitfall lassen sich jedoch weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch den Akten hinreichende Anhaltspunkte für einen Autoritäts- oder Vertrauensmißbrauch seitens der Beklagten entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte über den von ihr angeführten Anlaß und Zweck ihres Verhaltens (vgl. oben unter II. 3. a) hinausgegangen und die ihr zustehenden Hoheitsbefugnisse sachwidrig zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs eingesetzt haben könnte. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist allein der Umstand, daß die Mitglieder der Beklagten sich anläßlich eines Beratungsgespräches in den Räumen einer privaten Versicherungsgesellschaft nach dem Leistungsangebot dieses Unternehmens erkundigen und möglicherweise auch Verträge abschließen könnten, für sich allein noch nicht ausreichend. Diese für den Verwaltungsstellenleiter und die private Krankenversicherung, für die er tätig ist, günstige Nebenwirkung ist Folge, aber nicht Zweck des Handelns der Beklagten.
Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten für die Annahme einer unlauteren Verquickung amtlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen, die zur Interessenkollision bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben führen kann (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 1 UWG Rdn. 940 ff.).
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant
Fundstellen
NJW-RR 1999, 767 |
GRUR 1999, 267 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1999, 558 |
VersR 1999, 228 |
WRP 1999, 176 |
NJWE-WettbR 1999, 173 |
KVuSR 1999, 26 |