Leitsatz (amtlich)
Der Aufsichtsrat ist befugt, einem von ihm ausgesprochenen und dadurch zwar wirksam gewordenen, aber noch der gerichtlichen Unwirksamkeitserklärung ausgesetzten Widerruf einer Vorstandsbestellung dadurch endgültigen Bestand zu verleihen, daß er namens der Gesellschaft mit dem betroffenen Vorstandsmitglied einen Vergleich abschließt.
Normenkette
AktG § 75 Abs. 3 S. 4, § 97
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 20.06.1956) |
LG Mannheim |
Tenor
Die Revision gegen das am 20. Juni 1956 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Karlsruhe wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 28. März 1951 wurde der Kläger zum Vorstandsmitglied der Beklagten berufen und zugleich zum Vorsitzer des Vorstandes bestellt. Er nahm seine Tätigkeit Mitte Juli 1951 auf. Am 18. Dezember 1951 stellte sich der Aufsichtsrat der Beklagten auf den Standpunkt, ein Dienstvertrag sei noch nicht zustande gekommen; er beschloß, den Kläger aus dem Vorstandsamt mit sofortiger Wirkung abzuberufen und ein etwa bereits eingegangenes Dienstverhältnis fristlos zu kündigen. Der Kläger hielt sowohl den Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied wie die Kündigung des nach seiner Ansicht bereits wirksam gewordenen Dienstvertrages für unberechtigt. Am 3./11. März 1952 unterschrieben die Parteien, die Beklagte hierbei vertreten durch ihren Aufsichtsrat, eine Vereinbarung des Inhalts, daß der Kläger mit Wirkung vom 31. Dezember 1951 im gegenseitigen, gütlichen Einvernehmen aus dem Vorstand der Beklagten ausscheide, die Beklagte ihm eine Entschädigung von 40.000 DM zahle und damit sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten seien. Die Beklagte zahlte den Betrag abzüglich 17.280,95 DM Einkommensteuer und Notopfer Berlin sowie abzüglich 700 DM an den Kläger ausgezahlter, jedoch noch nicht abgerechneter Reisekostenvorschüsse. Der Kläger, der darauf die Reisekostenvorschüsse abrechnete und zunächst den sich auf Grund dieser Abrechnung zu seinen Gunsten ergebenden Betrag von 1.631,55 DM forderte, verlangte dann Auszahlung der einbehaltenen 700 DM mit der Begründung, der Abzug dieses Betrages verstoße gegen die Abgeltungsklausel der Vereinbarung vom 8./11. März 1952. Die Beklagte vertrat demgegenüber den Standpunkt, diese Klausel enthalte keinen alles umfassenden Generalverzicht, sondern beziehe sich nur auf solche Forderungen, die unmittelbar mit dem Ausscheiden des Klägers zusammenhingen. Mit dieser Begründung forderte sie 5.300 DM als Rückkaufpreis für einen Pkw, den der Kläger bei Dienstantritt an die Beklagte unter dem Vorbehalt des Wiederkaufs verkauft und nach seinem Ausscheiden wieder übernommen hatte. Die Beklagte setzte von diesem Betrage die vom Kläger berechneten Reisespesen ab und verlangte im Vorprozeß (3 O 81/52 LG Mannheim = 1 U 117/53 - OLG Karlsruhe) Zahlung von 3.868,45 DM. Die Klage wurde wegen der Abgeltungsklausel abgewiesen.
Der Kläger macht der Beklagten zum Vorwurf, sie habe im Vorprozeß und anderweit unwahrerweise und wider besseres Wissen behauptet, er sei als Vorstandsmitglied abberufen worden; außerdem habe sie der Vereinbarung vom 8./11. März 1952 zuwider die Urkunde über diese Vereinbarung nicht der Anmeldung der Vorstandsänderung zum Handdelsregister beigefügt. Aus diesen Gründen hat der Kläger mit Einschreiben vom 29. September 1954 den Rücktritt von der Vereinbarung vom 8./11. März 1952 erklärt. Er hält diese Vereinbarung auch für unwirksam, weil der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied nach §75 Abs. 3 Satz 4 AktG sofort wirksam sei, der Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs nur gerichtlich entschieden und nicht vergleichsweise erledigt werden könne und der Aufsichtsrat nach erfolgtem Widerruf nicht mehr befugt sei, mit dem abberufenen Vorstandsmitglied noch Verträge abzuschließen. Der Kläger hat die Vereinbarung vom 8./11. März 1952 auch wegen arglistiger Täuschung, wegen Drohung und wegen Irrtums angefochten. In dem Einschreiben vom 29. September 1954 hat er sein Amt als Vorstandsmitglied niedergelegt und diese Maßnahme auf "wichtige Gründe" gestützt. Zugleich hat er Rechte aus dem nach seiner Ansicht wirksam gewordenen und nicht beseitigten Dienstverhältnis geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
1.
a)
festzustellen, daß er als Vorsitzer des Vorstandes der Beklagten nicht abberufen worden sei, und die Beklagte zu verurteilen, ihre gegenteilige Behauptung zu widerrufen,
b)
festzustellen, daß der Rücktritt des Klägers von der Vereinbarung vom 8./11. März 1952 rechtswirksam sei,
2.
die Beklagte zur Zahlung von 35.488,66 DM zu verurteilen - das ist das Gehalt für die Zeit vom 1. Januar 1952 bis 30. September 1954 unter Abzug der erhaltenen Entschädigung von 40.000 DM, anderweiten Verdienstes von 7.200 DM, des Pkw-Rückkaufpreises von 5.300 DM und des Reisekostenvorschusses von 700 DM -,
3.
festzustellen, daß die vom Kläger vorgenommene Niederlegung des Amtes als Vorsitzer und Mitglied des Vorstandes der Beklagten rechtswirksam sei,
4.
aa)
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.500 DM als Gehalt für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis zum 30. April 1955 zu zahlen,
bb)
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,
a)
an den Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1955 bis zum 30. Juni 1956 monatlich 2.500 DM abzüglich anderweiter Arbeitseinkünfte zu zahlen,
b)
die in den §§8, 9 des Dienstvertrages vom 26. November 1951 vorgesehenen Pensionsleistungen zu erbringen,
hilfsweise
festzustellen, daß
a)
die Vereinbarung vom 8./11. März 1952 wegen Willensmangels nichtig sei,
b)
bei einer Abberufung des Klägers aus seinem Vorstandsamt bei der Beklagten die zwischen ihm und der Beklagten über sein Ausscheiden getroffene Vereinbarung nichtig sei,
ganz hilfsweise festzustellen, daß die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand der Beklagten unwirksam sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Anträge zu 4 bb) nicht weiterverfolgt und die Zahlungsanträge in der Weise auf 10.000 DM beschränkt, daß er anstelle der Antrage zu 2 und 4 aa) je 5.000 DM verlangt. Seine Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision gebeten hat.
Entscheidungsgründe
I.
Die Abrede vom 8./11. März 1952 ist nicht deshalb unwirksam, weil sie sich mit dem Ausscheiden des Klägers nach erklärtem Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied befaßte und die Beklagte beim Abschluß dieser Vereinbarung durch ihren Aufsichtsrat vertreten wurde.
1.)
Diese Vereinbarung stellt einen Vergleich im Sinne des §779 BGB dar. Ein Vergleich über die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung zum Vorstandsmitglied wird durch §75 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht ausgeschlossen. Diese Vorschrift ordnet aus Gründen der Rechtssicherheit an, daß der Widerruf wirksam ist, solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist. Durch sie wird nicht bestimmt, daß die Frage der Berechtigung des Widerrufs nur gerichtlich entschieden und nicht auch vergleichsweise geklärt werden könnte. Der Aufsichtsrat ist berechtigt, ein Vorstandsmitglied, dessen Bestellung widerrufen ist, wieder zum Vorstandsmitglied zu bestellen. Das kann auch in der Form der Rücknahme des Widerrufs geschehen. Umgekehrt ist der Aufsichtsrat auch in der Lage, einem von ihm ausgesprochenen und dadurch zwar wirksam gewordenen, aber noch der gerichtlichen Unwirksamkeitserklärung ausgesetzten Widerruf dadurch endgültigen Bestand zu verleihen, daß er das betroffene Vorstandsmitglied durch einen Vergleich dazu bestimmt, von der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung abzusehen.
2.)
Nach §97 AktG ist der Aufsichtsrat befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist zu eng. Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats besteht nicht bloß gegenüber Personen, die bereits zum Vorstand gehören, sondern auch gegenüber solchen, die erst Vorstandsmitglieder werden sollen. Sie besteht auch nicht bloß für Rechtsgeschäfte, die die Gesellschaft vorzunehmen hat, sondern auch für alle Rechtsgeschäfte, die ein Vorstandsmitglied mit der Gesellschaft vornehmen will (Schlegelberger/Quassowski AktG §97 Anm. 3). Andererseits hat der Senat in seinem Urteil vom 28. April 1954 (BGHZ 13, 188) den Standpunkt vertreten, daß die Aktiengesellschaft in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung zum Vorstandsmitglied nicht durch den Aufsichtsrat, sondern durch den Vorstand vertreten wird. Damit ist aber nicht gesagt, daß der Aufsichtsrat nicht berechtigt ist, die Gesellschaft bei einem Vergleich zu vertreten, der einem Vorstandsmitglied, dessen Bestellung widerrufen ist, die Möglichkeit nehmen soll, die Wirksamkeit des Widerrufs gerichtlich überprüfen zu lassen. Für einen derartigen Vergleich kann die Vertretungsberechtigung des Aufsichtsrats nicht verneint werden. Ein solcher Ver-
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Rechtsanwalt Dr. K. erklärt, sie werde beim Scheitern der Vergleichsverhandlungen "die Abberufung auf Grund des Aufsichtsratsbeschlusses vom 18. Dezember 1951 zum Handelsregister eintragen lassen" (Schreiben vom 4. März 1952, Anl. 14). Aber hierin liege keine widerrechtliche Drohung im Sinne des §123 BGB, da sich die Beklagte zum Abschluß des Vergleichs keines unzulässigen Mittels bedient habe, die getroffene Vereinbarung dem divergierenden Standpunkt beider Parteien entspreche und der Kläger die Verhandlungen mit aller Hartnäckigkeit geführt und sich der wirtschaftlichen Macht der Beklagten nicht gebeugt habe.
Diese Ausführungen sind rechtlich einwandfrei. Nach §73 Abs. 1, 2 AktG ist jede Änderung des Vorstands zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden, wobei die Urkunden über die Änderung beizufügen sind. Dem Registergericht ist daher beim Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied die Urkunde über den Abberufungsbeschluß des Aufsichtsrats vorzulegen. Die Beklagte hat also dem Kläger lediglich das angedroht, was sie zu tun gesetzlich verpflichtet war. Das ist nicht widerrechtlich.
Nun kann allerdings die Androhung eines an sich erlaubten Verhaltens auch wegen des mit der Drohung verfolgten Zwecks widerrechtlich sein (RGZ 166, 40). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt kann die Ankündigung der Beklagten, beim Scheitern der Vergleichsverhandlungen nach §73 AktG verfahren zu wollen, nicht als widerrechtlich angesehen werden. Schon vor dieser Androhung führten die Parteien die Vergleichsverhandlungen übereinstimmend mit dem Ziel, den ausgesprochenen Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied durch ein einverständliches Ausscheiden zu ersetzen. Vor jener Ankündigung war auch schon eine Einigung darüber erzielt, daß der Kläger eine Entschädigung von 40.000 DM gezahlt erhalten solle. Es ging nur noch darum, ob, wie der Kläger verlangte, der Beschluß der Hauptversammlung vom 18. Dezember 1951, dem Kläger das Vertrauen zu entziehen, und der Beschluß des Aufsichtsrats, die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied zu widerrufen, förmlich aufzuheben seien oder ob diese Beschlüsse, wie die Beklagte meinte, bei einem Vergleich überholt seien und das Verlangen des Klägers, diese Beschlüsse und ihre Begründung ausdrücklich zu widerrufen, der Sachlage nicht gerecht werde. Die Androhung, nach §73 Abs. 2 AktG verfahren zu wollen, schloß sich übrigens an den Hinweis der Beklagten an, die Vergleichsverhandlungen nach bestimmter Frist als gescheitert zu betrachten, und war in der Antwort auf ein Schreiben (vom 2. März 1952, Anl. 14) enthalten, in dem der Kläger erklärt hatte, ohne jenen förmlichen Widerruf könne er auf einen Rechtsstreit nicht verzichten. Nach Lage der Dinge hat das Schreiben Dr. K.s vom 4. März 1952 nicht die Bedeutung, daß der Kläger zur Erfüllung eines unlauteren oder auch nur unbilligen Verlangens unter Druck gesetzt werden sollte, sondern vielmehr den Sinn, dem Kläger die unvermeidlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen vor Augen zu führen. Hierin kann eine widerrechtliche Drohung nicht gefunden werden. Der Kläger mag das Empfinden haben, aus unfreier Lage heraus den Vergleich geschlossen zu haben; das reicht aber, wenn es an einer widerrechtlichen Drohung fehlt, zur Anfechtung nach §123 BGB nicht aus (BGHZ 8, 348, 357).
III.
Der Rücktritt des Klägers von der Vereinbarung vom 8./11. März 1952 ist unwirksam.
Der Kläger leitet ein Rücktrittsrecht sowohl aus einem seiner Ansicht nach dem Vergleich beigefügten Rücktrittsvorbehalt wie aus positiver Vertragsverletzung her. Den Rücktrittsvorbehalt will er sich in dem Schreiben des Rechtsanwalts Dr. B. vom 12. März 1952 (Anl. 10) gemacht haben. Dieser hat bei Übersendung der Vergleichsurkunde erklärt, daß der Kläger den Vergleich unter der Voraussetzung unterzeichnet habe, daß nicht gegen den Sinn dieser Abrede verstoßen werde. Als Sinn des Übereinkommens bezeichnet das erwähnte Schreiben, daß Urkunde gemäß §73 Abs. 2 AktG ausschließlich diese Vereinbarung sei und daß mit diesem Übereinkommen die Beschlüsse der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats vom 18. Dezember 1951 hinfällig seien und demgemäß weder mittel- noch unmittelbar Dritten gegenüber erwähnt werden dürften. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies ein Rücktrittsvorbehalt ist und ob er Vergleichsbestandteil geworden ist oder nicht. Denn sowohl für einen vertraglich zugelassenen wie für einen auf positive Vertragsverletzung gestützten Rücktritt fehlt es an einem ausreichenden Grunde.
1.)
Als solchen sieht, der Kläger die von Rechtsanwalt Dr. Koehler im Vorprozeß erstattete Zeugenaussage an. In ihr gibt Dr. K. wieder, daß er am 18. Dezember 1951 zu einer Sitzung des Aufsichtsrats der Beklagten gerufen und ihm dort eröffnet worden sei, es sei soeben die Abberufung des Klägers aus wichtigen Gründen beschlossen worden, er, der Zeuge, solle zusammen mit einem anderen Herrn dem Kläger diesen Beschluß eröffnen. Die Aussage Dr. K.s kann der Beklagten nicht aus dem Grunde als Vertragsbruch oder gar als positive Vertragsverletzung angelastet werden, weil sie den Vorprozeß geführt und sich auf Dr. K. als Zeugen dafür berufen hat, daß die Abgeltungsklausel des Vergleichs keinen Generalverzicht enthielt und sich jedenfalls nicht auf den Kaufpreisanspruch für den vom Kläger zurückgenommenen Wagen erstreckte. Die Ansicht des Klägers aber, die Beklagte sei auf Grund des Vergleichs verpflichtet gewesen, Dr. K. anzuweisen, in seiner Aussage nicht von der Abberufung zu sprechen, ist nicht haltbar. Denn ein Zeuge hat dasjenige, was ihm von dem Gegenstande seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben (§396 Abs. 1 ZPO), und diese Aussagepflicht kann durch einen Vertrag, der jemandem Schweigen über einen bestimmten Punkt auferlegt, nicht eingeengt werden.
2.)
Als weiteren Rücktrittsgrund macht der Kläger geltend, daß die Beklagte den Vorprozeß angestrengt hat und daß in der Begründung der Berufung des Vorprozesses an mehreren Stellen von der Abberufung des Klägers die Rede ist. Das geschah aber nicht in der Weise, daß dem Kläger nachgesagt wurde, er sei abberufen worden und nicht einverständlich aus dem Vorstand der Beklagten ausgeschieden, sondern um die Ansicht der Beklagten zu erläutern, daß sich die Abgeltungsklausel nach dem Inhalt der geführten Vergleichsverhandlungen nur auf diejenigen beiderseitigen Rechte und Ansprüche bezogen haben könne, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers standen. Das könnte nur dann als Vertragsbruch oder als positive Vertragsverletzung gewertet werden, wenn die Beklagte den Vorprozeß lediglich als Mittel benutzt hätte, um die Abberufung zur Sprache bringen zu können. So liegt es aber, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß angenommen hat, nicht. Die Beklagte hat sehr ernsthaft den Standpunkt vertreten, daß der Anspruch aus dem vom Kläger vorgenommenen Wiederkauf des Wagens nicht von der Abgeltungsklausel des Vergleichs erfaßt werde. Sie hat hierfür durchaus beachtliche Gesichtspunkte vorgebracht. Daß sie mit ihrem Standpunkt nicht durchgedrungen ist und daß Gerichtsverhandlungen auch zu Ohren Dritter kommen können, ist nicht geeignet, die Anstrengung des Vorprozesses und die dortige Berufungsbegründung zu einem Grunde für den Rücktritt vom Vergleich zu machen.
3.)
Die Beklagte hat zwar der Anmeldung der Vorstandsänderung zum Handelsregister nicht die Vereinbarung vom 8./11. März 1952, sondern einen Auszug aus dem Aufsichtsratsbeschluß vom 18. Dezember 1951 beigefügt. Aber aus diesem Auszug ergibt sich nicht, daß die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied aus wichtigem Grunde widerrufen worden sei. Der Auszug sagt vielmehr: "Der Aufsichtsrat ist damit einverstanden, daß Herr Dipl. Ing. E. aus dem Vorstand des Großkraftwerks und aus den Diensten dieser Gesellschaft ausscheidet." Bei dieser Wortfassung kann nicht der Eindruck entstehen, der Kläger sei aus seiner Stellung als Vorstandsvorsitzer abberufen worden. Der Zeitpunkt dieser Niederschrift erklärt das für den 31. Dezemher 1951 vereinbarte Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten unverdächtiger und damit dem Kläger günstiger als ein rückwirkender Vergleich. Das Verhalten der Beklagten bei der Anmeldung der Vorstandsänderung bildet daher keinen Rücktrittsgrund.
IV.
Ist aber der Vergleich vom 8./11. März 1952 verbindlich, so hat der Kläger keinen der erhobenen Ansprüche.
Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß die Feststellungsanträge zu 1 a) und 1 b) mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sind. Diesen Anträgen fehlt keine Sachurteilsvoraussetzung, sondern die materielle Berechtigung. Der Feststellungsantrag zu 1 zielt darauf ab, den ursprünglichen Streit, ob der Kläger als Vorstandsvorsitzer der Beklagten wirksam abberufen ist, gerichtlich entscheiden zu lassen. Das ist im Hinblick auf den verbindlich abgeschlossenen Vergleich ausgeschlossen. Der wirksam abgeschlossene und verbindlich gebliebene Vergleich verbietet beiden Parteien, auf eine Rechtsbeziehung zurückzugreifen, die sie ihrer Unsicherheit wegen im Wege beiderseitigen Nachgebens beseitigt haben. Nicht die Unzulässigkeit des Feststellungsantrages zu 1 a) verbietet eine Prüfung der Frage, ob der Kläger als Vorstandsmitglied der Beklagten abberufen worden ist, sondern der Vergleich vom 8./11. März 1952 stellt einer derartigen Nachprüfung im Wege. Deshalb ist sowohl der Feststellungsantrag zu 1 a) wie der ganz hilfsweise gestellte Feststellungsantrag unbegründet.
Der Rücktritt des Klägers von dem Vergleich ist unberechtigt und darum unwirksam. Aus diesem sachlichen Grunde und nicht wegen des jede sachliche Nachprüfung ausschließenden Mangels des Rechtsschutzbedürfnisses ist der Klageantrag zu 1 b) abzuweisen.
Der Kläger ist auf Grund des Vergleichs bei der Beklagten ausgeschieden. Er ist daher nicht berechtigt, Gehalt zu verlangen. Nach Abschluß des Vergleichs war der Kläger auch nicht mehr in der Lage, sein Vorstandsamt niederzulegen. Darum waren der Zahlungsanspruch und der Klageantrag zu 3 abzuweisen.
Die Abberufungserklärung ist durch den Vergleich gegenstandslos geworden. Die Beklagte hat diese durch die Entwicklung der Dinge überholte Erklärung lediglich im Vorprozeß zur Begründung ihres Standpunkts vorgebracht, daß sich die Abgeltungsklausel des Vergleichs nicht auf den Anspruch aus dem Wiederkauf des Kraftwagens erstreckt. Da das keinen Verstoß gegen den Vergleich darstellt, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Widerruf.
Mangels Nichtigkeit des Vergleichs konnte auch den beiden Hilfsanträgen der Klage nicht stattgegeben werden.
Die Revision war daher als in allen Punkten unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018553 |
BGHZ 26, 236 - 239 |
BGHZ, 236 |
DB 1958, 134 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1958, 419 |
NJW 1958, 419-420 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1958, 154 (Volltext mit amtl. LS) |