Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich die nachträgliche Haftungsbefreiung eines Mitbürgen auch auf dessen Rechtsverhältnis zu den übrigen Mitbürgen auswirkt.
Normenkette
BGB § 774 Abs. 2, § 426 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Krefeld |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Dezember 1998, berichtigt durch Beschluß vom 26. Februar 1999, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an den 16. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Anfang des Jahres 1992 gründeten der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte die B. GmbH; die Gesellschaft wurde in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte zu jeweils gleichen Anteilen; der Beklagte übernahm die Geschäftsführung allein. Die Sparkasse Krefeld gewährte der Gesellschaft einen Kontokorrentkredit in Höhe von 150.000 DM und sagte einen Avalkredit für Gewährleistungsbürgschaften bis zu 500.000 DM zu. Am 23. Januar 1992 übernahmen beide Gesellschafter die unbeschränkte Bürgschaft zur Sicherung aller Forderungen der Bank aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH.
Am 18. März 1993 vereinbarte der Geschäftsführer der Klägerin mit der Sparkasse eine Beschränkung seiner Bürgschaftsverpflichtung auf 150.000 DM. Am 7. September 1994 kündigte die Sparkasse das Kreditverhältnis. Die Gesellschaft ist insolvent. Der Geschäftsführer der Klägerin zahlte aufgrund seiner Bürgschaftsverpflichtung 150.000 DM an die Gläubigerin. Auch deren Restforderung in Höhe von 236.800,04 DM wurde getilgt; ob dies auf Leistungen des Beklagten beruht, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Beklagte hatte sich verpflichtet, den persönlich für die Kläranlage St. erhaltenen Auftrag auf die B. GmbH zu übertragen. Ein entsprechender Nachunternehmervertrag datiert vom 4. März 1992. Am selben Tage wurde über dieses Objekt ein weiterer Vertrag geschlossen, in dem der Beklagte der Klägerin die entsprechenden Arbeiten übertrug.
Die Klägerin hat für die dort erbrachten Leistungen Zahlung von 11.687,85 DM verlangt. Außerdem hat sie aus abgetretenem Recht einen Ausgleichsanspruch ihres Geschäftsführers als Mitbürgen in Höhe von 51.300 DM sowie einen in der Revisionsinstanz nicht mehr streitigen Betrag von 14.430,24 DM eingeklagt. Hilfsweise hat sie die Klage auf einen restlichen Ausgleichsanspruch ihres Geschäftsführers in Höhe von 23.700 DM gestützt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 26.118,09 DM stattgegeben, die Bürgschaftsansprüche dagegen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Beklagten der Klägerin lediglich 12.879,84 DM zuerkannt. Mit der Revision verlangt die Klägerin weitere 64.538,25 DM, die sie in Höhe von 11.687,85 DM als Werklohn für die Arbeit an der Kläranlage St. geltend macht und im übrigen aus Mitbürgenausgleich herleitet.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Die Entscheidung ergeht als Versäumnisurteil, beruht jedoch auf einer vollständigen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f).
I.
Das Berufungsgericht hat einen Ausgleichsanspruch des Geschäftsführers der Klägerin als Mitbürge abgelehnt, weil eine solche Forderung nur dann in Betracht komme, wenn der Mitbürge über den auf ihn im Innenverhältnis entfallenden Teil hinaus geleistet habe. Das sei hier jedoch nicht geschehen; denn der Geschäftsführer der Klägerin sei dem Beklagten gegenüber verpflichtet gewesen, die Hälfte der von der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten zu tragen. Die spätere Einschränkung der Bürgenhaftung habe sich im Innenverhältnis nicht ausgewirkt; denn zunächst sei eine Haftung auch für über das vereinbarte Kreditlimit hinausgehende Forderungen aufschiebend bedingt begründet worden. Der Geschäftsführer der Klägerin könne nicht geltend machen, der Beklagte habe allein die Erhöhung der Kreditschulden verursacht. Als die für den kaufmännischen Teil zuständige Person sei er dafür vielmehr in gleicher Weise wie der Beklagte verantwortlich. Die Klägerin habe keine davon abweichenden Absprachen zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Beklagten substantiiert vorgetragen. Da der Geschäftsführer nicht mehr als die Hälfte der Kreditschulden getilgt habe, könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die von ihm behaupteten Zahlungen erbracht habe.
Wie die Revision zutreffend rügt, halten diese Ausführungen in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagte persönlich Leistungen auf die Hauptschuld erbracht hat. Für die revisionsrechtliche Prüfung ist daher zu unterstellen, daß dies nicht geschehen ist. In diesem Falle steht der Klägerin der geltend gemachte Ausgleichsanspruch zu.
a) Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung unter Beweisantritt vorgetragen, die Restschuld in Höhe von 236.800,04 DM sei nicht aus Mitteln des Beklagten beglichen worden. Vielmehr habe sich die Gläubigerin insoweit aus ihr zur Sicherheit abgetretenen Forderungen der Hauptschuldnerin befriedigen können. Trifft dies zu, hat der Geschäftsführer der Klägerin aus §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 75.000 DM gegen den Beklagten, der durch Abtretung auf die Klägerin übergegangen ist.
Aus dem Gesamtschuldverhältnis unter den Mitbürgen resultiert die Pflicht, an der Befriedigung des Gläubigers zu gleichen Anteilen mitzuwirken. Hat der Gläubiger nur einen Mitbürgen in Anspruch genommen, so kann dieser wegen der von ihm erbrachten Zahlung grundsätzlich auch dann anteiligen Ausgleich verlangen, wenn sie nur einen Teil der Hauptforderung betraf und der Höhe nach nicht über den Betrag hinausging, der im Innenverhältnis auf den Leistenden entfallen wäre, wenn der Gläubiger von allen Mitbürgen im Umfang ihrer Gesamthaftung Zahlung verlangt hätte (BGHZ 23, 361, 364; BGH, Urt. v. 15. Mai 1986 – IX ZR 96/85, NJW 1986, 3131, 3132; v. 4. Juni 1987 – IX ZR 31/86, NJW 1987, 3126, 3128). Ist der Gläubiger wegen seiner übrigen Forderungen anderweitig befriedigt worden, folgt aus dem Rechtsverhältnis zwischen den gleichrangigen Mitbürgen ohne weiteres, daß die nur von einem erbrachte Leistung anteilig auf alle zu verteilen ist.
b) Entgegen der vom Berufungsgericht im Beschluß über den Tatbestandsberichtigungsantrag vertretenen Auffassung hat die Klägerin die in der Berufungsbegründung gegebene Darstellung dazu, wie die Hauptschuld getilgt worden sei, später nicht fallengelassen. Die Klägerin hat in Beantwortung der Berufungserwiderung des Beklagten ausdrücklich erklärt, die Tilgung der Gläubigerforderung durch persönliche Leistungen des Beklagten bleibe bestritten. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, daß sie an ihrem bisherigen Vortrag festhält. Die Behauptung der Klägerin ist auch hinreichend substantiiert; denn es ist nicht ersichtlich, daß sie von ihrem Zedenten, der nicht selbst Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, ohne weiteres hätte erfahren können, aus welchen der zur Sicherheit abgetretenen Forderungen die Gläubigerin Befriedigung erlangt habe. Im übrigen hat das Berufungsgericht übersehen, daß der Beklagte, soweit er sich auf eigene Leistungen als Bürge beruft, darlegungs- und beweispflichtig ist. Auch der Beklagte hat für seine Behauptung Beweis angeboten.
2. Das angefochtene Urteil hat jedoch selbst dann keinen Bestand, wenn man davon ausgeht, der Beklagte persönlich habe die restliche Gläubigerforderung getilgt.
a) Befreit der Gläubiger einen Mitbürgen nachträglich teilweise von seiner Verpflichtung, wirkt sich dies allerdings in der Regel nicht auf das Ausgleichsverhältnis zu den Mitbürgen aus; denn insoweit gelten gemäß § 769 BGB die Grundsätze über die Ausgleichspflicht unter Gesamtschuldnern (BGH, Urt. v. 11. Juni 1992 – IX ZR 161/91, NJW 1992, 2286, 2287). Diese Ausgleichspflicht entsteht bereits bei Begründung des Gesamtschuldverhältnisses und nicht erst mit der Leistung eines Gesamtschuldners an den Gläubiger (BGHZ 114, 117, 122; BGH, Urt. v. 20. Dezember 1990 – IX ZR 268/89, WM 1991, 399, 400). Die Rechte und Pflichten aus dieser Rechtsbeziehung zwischen den Mitbürgen treten als selbständiges Schuldverhältnis neben die Bürgschaftsverträge (BGH, Urt. v. 11. Juni 1992, aaO). Mit deren Abschluß erstreckten sich die Ausgleichsansprüche auf alle Leistungen, die die Mitbürgen in Zukunft aufgrund ihrer vertraglich übernommenen Pflichten gegenüber dem Gläubiger zur Deckung der Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsbetrieb der GmbH noch zu erbringen hatten. Diese so entstandenen Rechte des Beklagten konnten nicht allein infolge der dem Geschäftsführer der Klägerin nachträglich von der Sparkasse eingeräumten Haftungsbegrenzung erlöschen.
b) Eine vom Regelfall der §§ 769, 426 Abs. 1 BGB abweichende Gestaltung des Innenverhältnisses kann sich jedoch aus einer Vereinbarung unter den Mitbürgen, einem sonstigen aus ihrer Rechtsbeziehung folgenden Grunde oder auch aus der Natur der Sache ergeben (Senatsurt. v. 4. Juni 1987, aaO S. 3129; v. 11. Juni 1992, aaO S. 2287). In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend ausgewertet.
Diese hat vorgetragen, der Beklagte habe damals das von der Sparkasse eingeräumte Kreditlimit von 150.000 DM häufig in erheblicher Weise überzogen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe deshalb den Beklagten veranlaßt, das Konto wieder unter die vereinbarte Kreditlinie zurückzuführen, und, als dies gelungen sei, am 18. März 1993 bei der Gläubigerin eine Beschränkung seiner Haftung auf 150.000 DM erreichen können. Dies alles sei zuvor bei den wöchentlichen Besprechungen mit dem Beklagten erörtert worden, in der erklärten Absicht, das Risiko des Zedenten auf 150.000 DM zu begrenzen. Der Beklagte habe gegen diese Absichten keine Einwendungen erhoben.
Trifft diese Darstellung zu, kann daraus eine nachträgliche Beschränkung der Haftung des Zedenten auch im Innenverhältnis auf 150.000 DM folgen. Eine solche Möglichkeit läßt sich nicht allein mit dem Hinweis darauf ausschließen, der Zedent sei in der Gesellschaft für die kaufmännischen, der Beklagte dagegen für die technischen Aufgaben zuständig gewesen. Da nur der Beklagte als Geschäftsführer neue Verbindlichkeiten ohne Zustimmung des Mitgesellschafters begründen konnte, erscheint es auf der Grundlage der Darstellung der Klägerin möglich, daß das geschäftliche Risiko des Zedenten nicht nur der Gläubigerin gegenüber, sondern auch im Innenverhältnis eingeschränkt werden sollte. Die Frage bedarf erneuter tatrichterlicher Würdigung; zudem wird das Berufungsgericht den von der Klägerin zum Beweis ihrer Darstellung benannten Zeugen vernehmen müssen.
c) Wirkt die Beschränkung der Haftung im Innenverhältnis, ist der Ausgleich unter den Mitbürgen nach dem Verhältnis der einzelnen Höchstbeträge vorzunehmen (BGHZ 137, 292, 297). Da der Beklagte für die Gesamtforderung haftet, lautet dieses Verhältnis 386.800,04: 150.000. Der danach auf den Zedenten entfallende Anteil beträgt 27,94335 % des Gläubigeranspruchs = 108.084,89 DM. In diesem Falle wäre also ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 41.915,11 DM auf die Klägerin im Wege der Zession übergegangen.
II.
1. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe keine Forderung für Arbeiten an der Kläranlage St. gegen den Beklagten zu. Insoweit kämen nur Ansprüche gegen die vom Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten gegründete GmbH in Betracht. Dies ergebe sich aus dem Nachunternehmervertrag, den der Beklagte am 7. März 1992 mit der GmbH geschlossen habe.
2. Diese Erwägungen sind von Rechtsirrtum beeinflußt, weil das Berufungsgericht ein Geständnis des Beklagten, selbst Vertragspartner der Klägerin geworden zu sein, mit rechtlich nicht haltbarer Begründung verneint hat.
a) Der Beklagte hat in der Klageerwiderung erklärt, bezüglich der Kläranlage St. sei ein konkreter Nachunternehmervertrag zwischen ihm und der Klägerin vereinbart worden. Diesen Vertrag, der den Beklagten als Hauptunternehmer und die Klägerin als Nachunternehmer bezeichnet, hat er zugleich in Kopie vorgelegt und sich auf dessen Inhalt bezogen. Mit dieser Darstellung hat der Beklagte den Klagevortrag, er selbst habe der Klägerin den Auftrag erteilt, in klarer und zweifelsfreier Weise bestätigt. Weiterer Ausführungen bedurfte es dazu nicht. Im Termin vom 25. Oktober 1996 haben die Parteivertreter unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze verhandelt. Damit war die Auftragsvergabe an die Klägerin durch den Beklagten in bindender Form zugestanden (§ 288 ZPO).
b) Dieses Geständnis hat auf der für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Tatsachenbasis nicht gemäß § 290 ZPO seine Wirkung verloren. Der Beklagte hat zwar im Laufe des Rechtsstreits behauptet, die Darstellung in der Klageerwiderung beruhe auf einem Irrtum. Er hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine unbewußte Unkenntnis des angeblich wahren Sachverhalts zum maßgeblichen Zeitpunkt entnehmen läßt.
Bleibt das Geständnis wirksam, wird sich das Berufungsgericht mit den gegen die Forderung selbst erhobenen Einwendungen zu befassen haben.
III.
Der Rechtsstreit ist daher insgesamt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.01.2000 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556385 |
BB 2000, 479 |
DB 2000, 662 |
DStZ 2000, 231 |
NJW 2000, 1034 |
EWiR 2000, 429 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 408 |
WuB 2000, 435 |
ZIP 2000, 406 |
MDR 2000, 468 |
ZBB 2000, 133 |