Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Gericht zumutbar ist, einen verspäteten Antrag auf Vernehmung eines Zeugen durch vorbereitende Maßnahmen auszugleichen.
b) Eine in erster Instanz unterbliebene Entschuldigung für verspätetes Vorbringen kann grundsätzlich in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden. Ob etwas anderes gilt, wenn zwingende Gründe die rechtzeitige Entschuldigung verhindert haben, bleibt dahingestellt.
c) Zu einem nach § 528 Abs. 3 ZPO zu Recht zurückgewiesenen Vorbringen ist ein Zeuge in der Berufungsinstanz auch dann nicht zu vernehmen, wenn er zu neuem Vorbringen zu hören ist.
d) § 528 Abs. 3 ZPO verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 21.12.1978) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Dezember 1978 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin stellt Radiatoren her. Die Beklagte handelt mit Röhren und Heizkörpern. Am 6. Mai 1976 lieferte die Klägerin der Beklagten 25 t Stahlradiatoren und berechnete hierfür 40.354,31 DM. Zur Bezahlung des Kaufpreises übersandte die Beklagte unter Abzug von 4 % Skonto einen am 20. August 1976 fällig werdenden Wechsel über 38.740 DM, den die Klägerin jedoch zurückschickte.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 40.354,31 DM in Anspruch.
Die Beklagte äußerte sich trotz der in der Terminsladung enthaltenen Aufforderung nicht zur Klage und war in dem vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1977 nicht vertreten. Es erging daher Versäumnisurteil nach Antrag.
Noch vor der am 5. August 1977 erfolgten Zustellung des Versäumnisurteils, bei der auf die Folgen einer Fristversäumnis gemäß § 340 Abs. 3 ZPO hingewiesen wurde, legte die Beklagte Einspruch ein. Der Vorsitzende bestimmte daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache auf Mittwoch, den 26. Oktober 1977 und wies die Beklagte in der Ladung, die dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 12. August 1977 zugestellt wurde, nochmals auf § 340 Abs. 3 ZPO hin. Die Einspruchsbegründung der Beklagten, die vom 26. September 1977 datiert, ging am Freitag, dem 21. Oktober 1977 bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden in Nürnberg ein.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrags trug die Beklagte vor, es sei vereinbart worden, daß Zahlung durch Wechsel unter Abzug von 4 % Skonto innerhalb von acht Tagen erfolgen solle. Hierfür trat sie Beweis durch Benennung des Zeugen Rupprecht und durch Vorlage von Urkunden an. In der Folgezeit, so trägt die Beklagte weiter vor, habe die Klägerin die Zahlungsvereinbarung nicht gelten lassen und sie nicht mehr beliefert, so daß sie, die Beklagte, zu Deckungskäufen genötigt gewesen sei. Hierfür habe sie Mehraufwendungen von 44.289 DM gehabt. Mir ihrem Schadensersatzanspruch rechne sie gegen die Klageforderung auf.
Das Landgericht hat diesen Vortrag als verspätet zurückgewiesen und mit Urteil vom 30. Dezember 1977 das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein, mit der sie sich gegen die Zurückweisung ihres Vorbringens wendet. Zur Entschuldigung des verspäteten Vortrags führte sie insbesondere aus, der in der Ladung enthaltene Hinweis auf § 340 Abs. 3 ZPO sei unauffällig gewesen. Überdies sei die Informationserteilung schwierig gewesen, weil der Hauptsitz der Beklagten in Hilden liege und mit Düsseldorfer Rechtsanwälten habe korrespondiert werden müssen. Infolgedessen hätten Informationen nicht rechtzeitig erteilt werden können.
Zur Sache wiederholte die Beklagte das Vorbringen erster Instanz und trug weiter vor, infolge der Deckungskäufe sei ihr zwar nur ein Schaden von 16.963,58 DM entstanden, infolge von Mängeln der Radiatoren habe sie aber einen Schaden von 1.004,83 DM erlitten und durch Lieferverzug der Klägerin einen Gewinnausfall von 22.876 DM gehabt. Insoweit trat die Beklagte wiederum Beweis an durch Vernehmung des Zeugen Ru., ferner durch die neu benannten Zeugen Wi. und Di. sowie durch Vorlage von Urkunden und Sachverständigengutachten.
Die Klägerin hat die von der Beklagten erhobenen Gegenansprüche bestritten.
Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Verfahren des Landgerichts leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel; denn das Landgericht hätte das Vorbringen der Beklagten in dem am 21. Oktober 1977 eingegangenen Schriftsatz berücksichtigen und den von der Beklagten benannten Zeugen Ru. dazu hören müssen, ob für den Kaufpreis vereinbarungsgemäß ein Wechsel unter Abzug von 4 % Skonto gegeben werden durfte. Daß die Einspruchsbegründung nicht in der Einspruchsfrist, sondern erst am 21. Oktober 1977, also verspätet eingegangen sei, mache den Einspruch nicht unzulässig, weil der mit dem Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vom 3. Dezember 1976 (Vereinfachungsnovelle, BGBl I 3281) für den Einspruch eingeführte Begründungszwang nicht als gesetzliches Formerfordernis im Sinne von § 341 Abs. 1 ZPO und damit nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung des Einspruchs anzusehen sei. Ein Vorbringen in der verspäteten Einspruchsbegründung könne daher nur dann nicht zugelassen werden, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und wenn die Verspätung nicht genügend entschuldigt worden sei. Hier hätte entgegen der Ansicht des Landgerichts die Berücksichtigung des Vorbringens in dem am 21. Oktober 1977 eingegangenen Schriftsatz nicht zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt, weil der Zeuge Ru. gemäß § 273 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu dem Termin am 26. Oktober 1977 hätte geladen werden müssen und trotz der Kürze der Zeit hätte geladen werden können.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Einspruch nicht deshalb unzulässig, weil er weder in der Einspruchsschrift noch innerhalb der Einspruchsfrist begründet worden war. Das ergibt sich schon aus dem Hinweis auf § 296 ZPO in § 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO, der andernfalls sinnlos wäre, und ist, soweit ersichtlich, nunmehr herrschende Meinung (vgl. BGH Urteil vom 12. Juli 1979 - VII ZR 284/78 = BGHZ 75, 138; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 38. Aufl. § 340 Anm. 3 F haben die abweichende Ansicht der 36. Aufl. aufgegeben).
2.
Das Berufungsgericht hat nicht erörtert, ob die Beklagte mit dem Vorbringen der Einspruchsbegründung deshalb ausgeschlossen ist, weil die nach § 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesetzte Frist zur Klageerwiderung nicht eingehalten worden war. Die Frage, ob dann, wenn infolge Nichteinhaltung der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Partei mit ihrem Vorbringen zur Sache hätte ausgeschlossen werden müssen, mit der Einspruchsbegründung ein Vortrag zur Sache gebracht werden darf oder ob nur diejenigen Äußerungen zuzulassen sind, mit denen die Beklagte das Versäumnis der Frist entschuldigen will, ist umstritten (OLG Zweibrücken MDR 1979, 321; LG Münster NJW 1978,?.558 mit ablehnender Anmerkung Messer; Kramer NJW 1977, 1657, 1659; Hartmann NJW 1978, 1457, 1463; Franzki NJW 1979, 9, 13; Deubner NJW 1979, 337, 342; Fastrich NJW 1979, 2598), kann aber hier dahingestellt bleiben.
3.
Das Vorbringen in der am 21. Oktober 1977 eingegangenen Einspruchsbegründung war nämlich in jedem Fall verspätet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht dieses Vorbringen nicht zugelassen. Da das Versäumnisurteil vom 13. Juli 1977 der Beklagten am 5. August 1977 zugestellt worden war, hätte der Einspruch gemäß §§ 339 Abs. 1, 340 Abs. 3 ZPO bis 19. August 1977 begründet werden müssen, was trotz des wiederholten Hinweises des Landgerichts nicht geschah. Die Versäumung der Einspruchsbegründungsfrist kann aber nur unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO zur Nichtzulassung des Vorbringens führen. Es kommt also darauf an, ob seine Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte und ob die Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt hat (§§ 340 Abs. 3, 296 Abs. 1 ZPO).
a)
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß die Frage, ob eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits eingetreten wäre, nach dem Stand des Verfahrens im Zeitpunkt des verspäteten Vorbringens zu beurteilen ist (BGH Urt. v. 12. Juli 1979 a.a.O. sowie das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des BGH vom 31. Januar 1980 - VII ZR 96/79). Nach einer anderen Auffassung (vgl. insbesondere Schneider NJW 1979, 2614 m.w.Nachw.) ist entscheidend, wie der Prozeßverlauf sich hypothetisch bei rechtzeitigem Vorbringen gestaltet hätte. Hier kann offen bleiben, ob der Ansicht des VII. Zivilsenats uneingeschränkt zu folgen ist, weil das Vorbringen der Beklagten in dem am 21. Oktober 1977 eingegangenen Schriftsatz in jedem Fall zu einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätte. Folgt man der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so hätte die Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beklagten vom 26. September 1977 den Rechtsstreit verzögert, weil das Landgericht in dem Termin vom 26. Oktober 1977 zunächst Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen Ru. hätte anordnen müssen, während es von seinem Standpunkt aus entscheiden konnte und die Klage abweisen mußte. Zu demselben Ergebnis hätte das Landgericht aber kommen müssen, wenn es die mutmaßliche Prozeßdauer bei rechtzeitigem Vorbringen zum Vergleich herangezogen hätte. In diesem Fall hätte es nämlich durch die nach dem 19. August 1977 zu treffende vorbereitende Maßnahme nach § 273 ZPO den Zeugen Rupprecht zum Termin vom 26. Oktober 1977 laden können und müssen, anstatt in diesem Termin erst einen Beweisbeschluß erlassen zu können.
aa)
Eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits tritt allerdings dann nicht ein, wenn die verspäteten Angriffs- und Verteidigungsmittel noch so rechtzeitig vorgetragen werden, daß sie bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden können, wenn also die Verspätung des Parteivorbringens durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen des Gerichts ausgeglichen werden kann (BGH Urteil v. 12. Juli 1979 aaO). Nicht zumutbar ist in der Regel eine umfangreiche Beweisaufnahme, sei es, daß zahlreiche Zeugen gehört werden sollen, sei es, daß ein Streitstoff von erheblichem Ausmaß geklärt werden soll (vgl. BGH Urteil v. 9. Juni 1971 - VIII ZR 25/70 = NJW 1971, 1564). So war es hier indessen nicht in der Einspruchsbegründung der Beklagten wurde auf vorgelegte Urkunden verwiesen und vor allem durch den Antrag auf Vernehmung Rupprechts Zeugenbeweis angetreten.
bb)
Dennoch war dem Landgericht nicht zuzumuten, die Verspätung des Beweisantritts durch eine vorbereitende Maßnahme gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, die Ladung Rupprechts zum Termin vom 26. Oktober 1977, auszugleichen.
Die am Freitag, dem 21. Oktober 1977 bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden in Nürnberg eingereichte Einspruchsbegründung mußte zunächst an die Geschäftsstelle der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Nürnberg-Fürth weitergeleitet werden. Vor einer Anordnung, Rupprecht zu dem Termin am kommenden Mittwoch, dem 26. Oktober 1977 als Zeugen zu laden, hätte der Kammervorsitzende von dem Schriftsatz Kenntnis nehmen und sich über die Erheblichkeit des Beweisantritts klar werden müssen. Hätte er dann die Ladung Ru. angeordnet, so hätte die Geschäftsstelle die Ladung ausfertigen und zur Post geben müssen.
Für all das hätten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht drei Werktage, sondern allenfalls zwei Werktage - Freitag der 21. Oktober und Montag der 24. Oktober 1977 zur Verfügung gestanden, denn eine erst am Dienstag, dem 25. Oktober 1977 herausgegangene Ladung hätte Ru. auch unter normalen Postverhältnissen nicht mehr so rechtzeitig erreicht, daß er zu dem Termin am folgenden Vormittag hätte erscheinen können.
In den in Betracht kommenden zwei Werktagen wäre eine rechtzeitige Ladung Ru. allenfalls durch besondere Eilanordnungen zu erreichen gewesen.
Bei dem üblichen Geschäftsgang der Einlaufstellen und der Gerichte, insbesondere bei dem in der Regel erheblichen Aktenumlauf einer großstädtischen Kammer für Handelssachen, kann nämlich nicht angenommen werden, daß der im Laufe des 21. Oktober 1977 eingereichte Schriftsatz - die Uhrzeit der Einreichung ergibt sich aus dem Einlaufstempel der gemeinsamen Einlaufstelle nicht - bereits an diesem Tage über die Geschäftsstelle der 4. Kammer für Handelssachen zu deren Vorsitzenden gelangt wäre und von diesem hätte bearbeitet werden können, zumal der Schriftsatz keinen auf die Eilbedürftigkeit oder den bevorstehenden Verhandlungstermin hinweisenden Vermerk enthielt. Auch das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen erst am Montag, dem 24. Oktober 1977 die Ladung des Zeugen hätte veranlassen können. Selbst wenn die Ladung Rupprechts an diesem Tag angeordnet worden wäre, wäre es lebensfremd und mit dem üblichen Geschäftsgang der Gerichte nicht vereinbar, anzunehmen, daß die Geschäftsstelle die Ladung Ru. noch am selben Tag ausgefertigt und zur Post gegeben hätte, falls der Kammervorsitzende die Anordnung der Ladung in den üblichen Geschäftsgang gegeben und nicht die Geschäftsstelle angewiesen hätte, die Ladung des Zeugen sofort auszufertigen.
Einem Gericht ist zwar zuzumuten, die Verspätung eines Partei Vorbringens durch im normalen Geschäftsgang mögliche Anordnungen auszugleichen. Es kann dem Gericht aber nicht zugemutet werden, Eilanordnungen zu treffen, um das verspätete Vorbringen einer Partei auszugleichen. Dementsprechend brauchte das Landgericht den verspäteten Vortrag einschließlich des Beweisantrages in der Einspruchsbegründung der Beklagten nicht zu berücksichtigen.
b)
Die Beklagte hat die Verspätung ihres Vorbringens nicht in einer § 296 Abs. 1 ZPO entsprechenden Weise entschuldigt.
aa)
Sie hat eine Entschuldigung für die Verspätung ihres Vorbringens erst in der Berufungsbegründung gebracht. Eine Entschuldigung für die Verspätung des erstinstanzlichen Vorbringens ist indessen in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht mehr möglich (ebenso OLG Frankfurt NJW 1979, 375; LG Frankfurt NJW 1979, 2111; LG Paderborn NJW 1978, 381; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 38. Aufl. § 528 Anm. 4 B). Die gegenteilige Auffassung (so z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 10. Aufl. § 528 Anm. 3) geht sowohl am Wortlaut als auch am Zweck der gesetzlichen Regelung vorbei. § 528 Abs. 3 ZPO räumt dem Berufungsgericht nur die Prüfungsbefugnis dafür ein, ob das verspätete Vorbringen in erster Instanz "zu Recht" ausgeschlossen wurde. Das ist nach dem Wortlaut des § 296 Abs. 1 ZPO schon dann anzunehmen, wenn die säumige Partei die Verspätung nicht gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht - das die Frage möglicherweise fehlender Schuld prüfen muß - entschuldigt hat. Ließe man jede in zweiter Instanz nachgeholte Entschuldigung zu, wäre der mit § 296 ZPO bezweckte Druck auf die Parteien zur Beschleunigung und Konzentration ihres Vorbringens weitgehend wirkungslos.
bb)
Ob in Fällen, in denen eine Partei die Verspätung in erster Instanz aus zwingenden Gründen nicht entschuldigen konnte, die Nachholung in zweiter Instanz wegen sonst fehlen den rechtlichen Gehörs zugelassen werden muß (so E. Schneide MDR 1978, 969 und Zöller/Schneider, ZPO, 12. Aufl. § 528 Anm. VI 2 a), bedarf hier keiner Entscheidung. Die vermeintlichen Entschuldigungsgründe der Beklagten - Unauffälligkeit des Hinweises auf § 340 Abs. 3 ZPO und Informationsschwierigkeiten - waren dieser schon in erster Instanz bekannt und hätten dort gebracht werden können.
4.
Das Landgericht hat mithin das Vorbringen der Beklagten über die angeblich mit der Klägerin vereinbarte Zahlungsweise sowie über den von der Beklagten behaupteten Schaden durch die Deckungskäufe zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Der Ausschluß der Beklagten mit ihrem in erster Instanz verspätet vorgebrachten Verteidigungsvorbringen ist nach § 528 Abs. 3 ZPO endgültig.
a)
Wie der Bundesgerichtshof im Urteil vom 10. Juli 1979 (VI ZR 223/78 = NJW 1979, 2109) dargelegt hat, hat das Berufungsgericht bei zu Recht erfolgter Zurückweisung nach § 528 Abs. 3 ZPO nicht mehr zu prüfen, ob die Zulassung das Berufungsverfahren verzögern würde. Die Maßnahmen zur Beschleunigung in erster Instanz wären nämlich zwecklos, wenn das dort zutreffend als verspätet behandelte Vorbringen nachträglich in der zweiten Instanz wieder geltend gemacht werden könnte (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 15. Mai 1970, BT-Drucks. VI/790, S. 62; ebenso BGH Urt. v. 31. Januar 1980 - VII ZR 96/79).
b)
Bei dem Ausschluß des verspäteten Vorbringens der Beklagten bleibt es, obwohl der Zeuge Rupprecht auch für erstmals im Berufungsrechtszug gebrachtes Vorbringen benannt wurde und gegebenenfalls, wenn das neue Vorbringen vom Berufungsgericht zuzulassen ist, in der Berufungsinstanz zu vernehmen wäre.
aa)
Das Oberlandesgericht Hamm (MDR 1979, 148) ist zwar in dem Fall, daß zu nach § 528 Abs. 2 ZPO zulässigem Vorbringen derselbe Zeuge zu vernehmen ist wie zu dem nach § 528 Abs. 3 ZPO ausgeschlossenen Vorbringen, der Ansicht, daß der Zeuge zu dem gesamten Vorbringen, auch zu dem zurückgewiesenen Vortrag zu vernehmen ist.
bb)
Dem kann nicht gefolgt werden. Wenn ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vom Gericht erster Instanz zu Recht zurückgewiesen wurde und gemäß § 528 Abs. 3 ZPO die Ausschlußwirkung für die Berufungsinstanz fortbesteht, kann nicht entgegen der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung ein ausgeschlossenes Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit der Begründung zugelassen werden, daß dieses auch für in zweiter Instanz zulässiges Vorbringen zu berücksichtigen ist und daher im Ergebnis keine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits einträte. Denn auf die Frage der Verzögerung kommt es, wie unter II 4 a ausgeführt worden ist, insoweit nicht an. Außerdem würde anderenfalls einem Mißbrauch, durch Benennung des zu dem ausgeschlossenen Vorbringen benannten Zeugen zu einem neuen Beweisthema auch dessen Vernehmung zu dem zurückgewiesenen Vortrag zu erreichen, Tür und Tor geöffnet.
5.
Entgegen der von einem Teil des Schrifttums vertretenen Ansicht (Lampenscherf MDR 1978, 365; Franzki DRiZ 1977, 161, 166 und NJW 1979, 9, 13; OLG Düsseldorf NJW 1979, 1719; a.A. Dengler NJW 1980, 163) ist § 528 Abs. 3 ZPO nicht verfassungswidrig (BGH Urt. v. 31. Januar 1980 - VII ZR 96/79).
a)
Daß die Präklusion verspäteten Vorbringens für die Berufungsinstanz nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, sofern in erster Instanz ausreichende Gelegenheit zur Äußerung geboten war, hat das Bundesverfassungsgericht zu § 529 ZPO a.F. bereits entschieden (BVerfGE 36, 92, 98 = NJW 1974, 133; BVerfG, Urt. v. 22. Mai 1979 - IBvR 1077/77 = NJW 1980, 277). § 528 ZPO n.F. gibt keinen Anhaltspunkt für eine andere Beurteilung (vgl. BayVerfGH, Beschluß vom 26. Januar 1979 - Vf 94 - VI 77 = NJW 1980, 278).
b)
Auch ein Verstoß gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) herzuleitende Gleichbehandlungsgebot liegt nicht vor. Art. 3 GG fordert die Gleichbehandlung nur für wesentlich gleiche Sachverhalte. Dem Senat ist zweifelhaft, ob die Regelungsgegenstände in § 528 Abs. 1 und 2 ZPO einerseits, Abs. 3 andererseits in diesem Sinne wesentlich gleich sind. Die Absätze 1 und 2 regeln die Behandlung erstmalig in der Berufungsinstanz eingeführten, jedoch verspäteten Vorbringens, während Abs. 3 das in erster Instanz bereits geltendgemachte und vom Gericht als verspätet zurückgewiesene, in der zweiten Instanz wiederholte Vorbringen betrifft. Dies bewerten als wesentlichen Unterschied OLG München (MDR 1978, 1028) und OLG Celle (NJW 1979, 377), ferner Dengler (aaO). Andererseits kann es für die Gleichartigkeit der Sachverhalte sprechen, daß ein Rechtsstreit zwar in zeitlich getrennte durch den Instanzenzug gebildete Abschnitte unterteilt ist, daß er aber auf eine einzige Endentscheidung ausgerichtet ist, daß verspätetes Vorbringen deshalb prinzipiell die gleiche Chance zur Berücksichtigung auch in der Berufungsinstanz haben muß und aus diesem Grunde die Sachverhalte des § 528 ZPO als gleichartig anzusehen sind. Von dieser Auffassung gehen ersichtlich Lampenscherf, Franzki und das Oberlandesgericht Düsseldorf (jeweils aaO) aus.
aa)
Die Frage braucht nicht entschieden zu werden, weil die Differenzierung zwischen den Absätzen 1 und 2 des § 528 ZPO einerseits und Abs. 3 dieser Bestimmung andererseits durch vernünftige, sich aus der Natur der Sache ergebende einleuchtende Gründe gerechtfertigt wird und es schon deshalb an einem Verstoß gegen Art. 3 GG fehlt (BVerfGE 36, 119, 130; 31, 212, 218; 33, 367, 384).
bb)
Der sachliche Unterschied ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfGE 36, 92, 98 = NJW 1974, 133) Zweck der als Einheit aufzufassenden gesetzlichen Regelung in den §§ 296 und 528 ZPO. Der Gesetzgeber wollte - wie bereits ausgeführt - mit diesen Vorschriften Druck auf die Parteien ausüben, um eine Straffung und Beschleunigung der Zivilprozesse zu erreichen. Dieser Zweck bedingt gleichartige gerichtliche Reaktionen auf verspätetes Vorbringen in beiden Tatsacheninstanzen, wie sie in § 296 Abs. 1 und 2 ZPO einerseits und § 528 Abs. 1 und 2 ZPO andererseits mit genau korrespondierendem Inhalt Gesetz geworden sind. Sollte eine in der ersten Instanz ausgesprochene Nichtzulassung bzw. Zurückweisung nicht wirkungslos werden, mußte notwendigerweise das einmal ausgeschlossene Angriffs- oder Verteidigungsmittel auch in der Berufungsinstanz ausgeschlossen bleiben. Daher ist es sachlich vertretbar, wenn es nach § 528 Abs. 3 ZPO auf eine Verzögerung der Berufungsinstanz nicht ankommt.
cc)
Die Regelung mag - wie in der Literatur vielfach befürchtet wird - in manchen Fällen dazu führen, verspätetes Vorbringen in erster Instanz zurückzuhalten, um es in zweiter Instanz unter Vermeidung einer Verfahrensverzögerung nachzuschieben. Das macht die Bestimmung des § 528 Abs. 3 ZPO aber nicht schlechthin ungeeignet, die angestrebte Beschleunigung zu fördern. Die Partei, die Angriffs- oder Verteidigungsmittel bewußt zurückhält, geht angesichts der in § 528 Abs. 1 und 2 ZPO getroffenen Regelung nicht nur ein Kostenrisiko (§ 97 Abs. 2 ZPO), sondern auch ein Prozeßrisiko ein.
dd)
Ob die getroffene Regelung zweckmäßig und praktikabel ist - was in Rechtsprechung und Schrifttum bezweifelt wird - ist keine verfassungsrechtliche, sondern eine allein dem Gesetzgeber überlassene Frage.
III.
Das Urteil des Berufungsgerichts kann demnach keinen Bestand haben. Dem Senat ist indes nicht möglich, in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auch neues Vorbringen gebracht hat, das das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus zu Recht, nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 528 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO geprüft hat.
Da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, war durch Versäumnisurteil das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, weil diese von der Entscheidung in der Sache abhängt.
Gemäß § 708 Nr. 2 ZPO war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Fundstellen
Haufe-Index 3018784 |
NJW 1980, 1102 |
NJW 1980, 1102-1105 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 487-488 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.) |