Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 18.07.1983) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. Juli 1983 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Lohnsteuer verurteilt worden ist (Fall II 1 der Urteilsgründe);
- im gesamten Strafausspruch.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht München I hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen zwei Vergehen der Steuerhinterziehung, in einem Fall rechtlich zusammentreffend mit Urkundenfälschung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung des materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. Die Verurteilung wegen Hinterziehung von Lohnsteuer (Fall II 1 der Urteilsgründe) hat keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat zwar festgestellt, daß die Mitglieder der Arbeitskolonnen und ihre „Wortführer” B., K. und Ö. Arbeiter der C.-BAU GmbH bzw. der C.-BAU GmbH & Co. Beton und Sch. KG gewesen sind (vgl. UA S. 7/9, 17, 28/29).
b) Die Auslegung der zwischen diesen Unternehmen und den Arbeitern getroffenen Vereinbarungen dahin, „daß die GmbH bzw. KG den Arbeitern zusätzlich die diesen Nettolöhnen entsprechenden Lohnsteuerbeträge schuldet und diese an das Finanzamt abzuführen hat” (UA S. 29), wird jedoch von den bisherigen Feststellungen nicht getragen. Danach wurden „hohe” Stundenlöhne verlangt und nach Arbeitsleistung ungekürzt ausbezahlt. Die Zahlungen sollten durch Vortäuschung von Subunternehmern verschleiert werden. Die überwiegend ausländischen Arbeitnehmer hatten zum Teil keine Arbeitserlaubnis und legten weder Lohnsteuerkarten noch sonstige Unterlagen vor. Diese Umstände drängen zu der Annahme, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gegenüber den Behörden verheimlichen und infolgedessen auch keinerlei Abgaben abführen sollte. Nur auf diese Weise konnte sich der Angeklagte einen „Wettbewerbsvorteil” (UA S. 33) verschaffen.
Die rechtsfehlerhafte Annahme einer Nettolohnvereinbarung berührt das dem Schuldspruch zugrunde liegende Tatgeschehen. Sie kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, weil das Landgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – den Betrag der hinterzogenen Lohnsteuer im Wege der Abtastmethode (Abschn. 89 LStR) ermittelt hat. Bei der Hochrechnung des Nettolohns auf den fiktiven Bruttolohn wurden entgegen der getroffenen Auslegung allerdings auch weitere gesetzliche Lohnabzugsbeträge in Ansatz gebracht (UA S. 24). Trotz weitgehender Unterstellungen zugunsten des Angeklagten bei der Berechnung, die nicht in allen Einzelheiten überprüfbar dargelegt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich bei Zugrundelegung einer Bruttolohnvereinbarung niedrigere Lohnsteuerbeträge ergeben und sich somit der Schuldumfang mindert.
c) Die Höhe der hinterzogenen Beträge fiel bei der Strafzumessung strafschärfend ins Gewicht (UA S. 33). Wegen des engen Zusammenhangs der beiden Straftaten und der jeweiligen Strafzumessungserwägungen – die im Fall II 2 gefälschten Unterlagen sollten auch der Verschleierung der im Fall II 1 bezahlten Schwarzlöhne dienen (UA S. 34) – ist die Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche geboten.
d) Auf die weiteren Einwendungen der Revision gegen die Verurteilung im Fall II 1 braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden. Der neue Tatrichter wird sie bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen müssen. Falls erneut festgestellt wird, daß die C.-BAU GmbH den Geschäftsbetrieb im April 1975 eingestellt hat und der Anstoß zu den neuen Tatteilen Anfang 1976 von Ö. ausgegangen ist (UA S. 8, 33), könnte dies die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs zwischen den vor und nach der Unterbrechung des Geschäftsbetriebs begangenen Straftaten in Frage stellen.
2. Der Schuldspruch wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fall II 2 der Urteilsgründe) läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Insbesondere ist die rechtliche Würdigung des Sachverhalts als Urkundenfälschung nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat festgestellt, daß die als Aussteller der Rechnungen angegebene Firma „Montagebau Gebrüder B.” niemals existent gewesen ist (UA S. 7, 18, 30); sie sollte als Arbeitgeber der Kolonne B. und Subunternehmer der C.-BAU GmbH ausgegeben werden (UA S. 6, 10, 17). Selbst wenn man mit der Verteidigung davon ausgehen wollte, daß die Firmenbezeichnung nur ein Andername der Arbeitskolonne B. selbst gewesen sei, käme dem Einverständnis des Kolonnenführers mit dem Gebrauche dieses Namens keine rechtfertigende Bedeutung zu. Denn nach den Feststellungen hatte Adern B. – schon wegen der Rechtsfolgen aus § 14 Abs. 3 UStG – nicht den Willen, sich durch den Angeklagten rechtsgeschäftlich vertreten zu lassen und die in der Urkunde verkörperte Erklärung als eigene anzuerkennen (vgl. RGSt 75, 46, 49; 76, 125, 126; BGHSt 27, 255, 258; BGH, Urt. vom 2.2.1954 – 2 StR 483/53; Tröndle in LK 10. Aufl. § 267 Rdn. 20 m.w.N.).
b) Auch die Annahme von Fortsetzungszusammenhang begegnet keinen Bedenken. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Hinterziehung von Steuern derselben Art über mehrere Steuerzeiträume hinweg eine fortgesetzte Handlung sein kann. Voraussetzung für die Annahme eines Gesamtvorsatzes ist dabei allerdings, daß der einheitliche Vorsatz des Täters die geplante Handlungsreihe in den wesentlichen Grundzügen ihrer künftigen Gestaltung erfaßt und nicht lediglich dahin geht, je nach Entwicklung der Einnahmen unrichtige Steuererklärungen abzugeben. Jedoch können auch solche Einzelhandlungen Bestandteil einer fortgesetzten Handlung sein, die der Täter zwar nicht von vornherein, aber doch noch vor Beendigung des letzten ursprünglich geplanten Teilaktes einer fortgesetzten Tat in sein Vorhaben mit einbezieht (BGHSt 30, 207, 209). Ein Verstoß gegen diese Rechtsgrundsätze ist nicht ersichtlich.
Unterschriften
Herdegen, Ulsamer, Maul, Schikora, Granderath
Fundstellen