Leitsatz (amtlich)
Eine vom Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Leistungsbestimmung zugunsten eines Dritten ist unwirksam.
Normenkette
InsO § 81; BGB § 267 Abs. 1, § 812
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 09.09.2011; Aktenzeichen 1 U 34/10) |
LG Kiel (Entscheidung vom 07.04.2010; Aktenzeichen 11 O 308/09) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig vom 9.9.2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wurde, als diese beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, an sie in ihrer Eigenschaft als Verwalterin über das Vermögen des Schuldners W. K. 15.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt als Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. K. (nachfolgend: Schuldner) die Rückzahlung von 15.000 EUR zur Insolvenzmasse, die dem beklagten Amt (nachfolgend: Beklagter) über ein Notaranderkonto zur Erfüllung eines notariellen Grundstückskaufvertrages zugeflossen sind.
Rz. 2
Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, folgender Sachverhalt zugrunde:
Rz. 3
Am 9.1.2008 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am 22.12.2008 schloss der Schuldner mit dem Beklagten namens und in Ausübung einer notariellen Generalvollmacht des R. L. vom 11.12.2004 einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück, wobei er der beurkundenden Notarin sofort einen Betrag von 15.000 EUR in bar als Anzahlung auf den Kaufpreis von 65.000 EUR aushändigte, den diese umgehend auf ein von ihr hierfür errichtetes Notaranderkonto einzahlte. Am 19.2.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aufgehoben und die Restschuldbefreiung angekündigt. Auf Antrag der Klägerin wurde mit Beschluss vom 23.7.2009 die Nachtragsverteilung wegen der 15.000 EUR angeordnet und der Vollzug der Klägerin übertragen.
Rz. 4
Die Klägerin hat von dem Beklagten in erster Instanz u.a. Freigabe dieses Geldes auf dem Notaranderkonto verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat die Klägerin - nach Auszahlung des Geldes vom Notaranderkonto an den Beklagten - Zahlung begehrt. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Wegen der vom Schuldner übergebenen 15.000 EUR hat der Senat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, ausgeführt:
Rz. 7
Ein Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB i.V.m. § 81 InsO hinsichtlich der Geldscheine scheide aus, weil das Geld auf das Anderkonto eingezahlt worden sei. Ein Anspruch nach § 812 ff. BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) scheitere daran, dass nicht der Beklagte als Empfänger der Leistung anzusehen sei. Hätte nämlich der Schuldner eigenes Geld einbezahlt, liege eine Zahlung auf fremde Schuld gem. § 267 Abs. 1 BGB vor. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Tilgungsbestimmung gem. § 81 InsO unwirksam sei. Die Tilgungsbestimmung sei keine Verfügung. Maßgebend sei allein, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstelle. Jedenfalls im Zeitpunkt des Eingangs des Geldes auf dem Notaranderkonto hätten die Vertreter der Beklagten noch nichts von einem angeblichen Missbrauch der Generalvollmacht des Zeugen L. gewusst. Eine spätere Kenntnis sei unerheblich.
Rz. 8
Habe der Schuldner fremdes Geld übergeben, liege eine direkte Leistung des Zeugen L. an den Beklagten vor. Die Klägerin könne deshalb in jedem Fall nur vom Zeugen L. eine Rückzahlung verlangen.
Rz. 9
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 2. Alt. BGB komme wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht in Betracht. Ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung scheide gem. § 129 Abs. 1 InsO aus, weil die fragliche Handlung nach Eröffnung vorgenommen worden sei. Auch ein solcher Anspruch könne sich zudem nur gegen den Zeugen L. richten.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Rz. 11
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die vom Schuldner an die Notarin übergebenen 15.000 EUR eigenes Geld des Schuldners oder im Eigentum des Zeugen L. stehendes Geld war. Dies durfte indessen nicht dahinstehen, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Klage im Falle, dass es sich um Geld des Schuldners handelte, begründet ist.
Rz. 12
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass ein Anspruch der Klägerin ausscheidet, wenn es sich um Geld des Zeugen L. gehandelt hat. Dann hat der Schuldner als Vertreter des Zeugen gehandelt und für diesen das Geld über die Notarin und die Bank als Leistungsmittler an den Beklagten geleistet. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Masse im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners scheidet dann aus. Das wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
Rz. 13
2. Handelte es sich dagegen um Geld des Schuldners, ist ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gegeben.
Rz. 14
a) Dem steht nicht schon die Auffassung der Revisionserwiderung entgegen, es liege auch in diesem Falle eine Leistung des Zeugen L. an den Beklagten vor, weil der Schuldner das Geld zunächst durch Insichgeschäft dem Zeugen L. übereignet habe, bevor er es der Notarin als dessen Vertreter übereignet habe. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil eine solche Übereignung an den Zeugen L. gem. § 81 Abs. 1 InsO unwirksam gewesen wäre. Stand das Geld zuvor im Eigentum des Schuldners, war es gem. § 35 Abs. 1 InsO vom Insolvenzbeschlag erfasst. Anhaltspunkte für eine Unpfändbarkeit liegen nicht vor. Jedenfalls konnten gem. § 91 InsO weder der Zeuge L. noch die Notarin Eigentum an den Geldscheinen erwerben.
Rz. 15
b) Liegt, wie das Berufungsgericht angenommen hat, eine wirksame (Teil-)Erfüllung des Anspruch des Beklagten gegen den Zeugen L. aus dem Kaufvertrag vor, hat die Klägerin allerdings nur einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) gegen den Zeugen L. (BGH, Urt. v. 22.10.1975 - VIII ZR 80/74, WM 1975, 1235; v. 23.2.1978 - VI ZR 11/76, BGHZ 70, 389, 396 f.; v. 4.11.1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 94 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 267 Rz. 7). Diesem Anspruch kann der Schuldner der befriedigten Forderung auch nicht § 814 BGB entgegenhalten (BGH, je a.a.O.).
Rz. 16
Eine derartige Leistung eines Dritten mit Erfüllungswirkung setzt allerdings voraus, dass der Dritte den Willen hat und zum Ausdruck bringt, auf die Verpflichtung des Schuldners zu leisten; maßgeblich ist, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (BGH, Urt. v. 26.9.1994 - II ZR 166/93, NJW 1995, 128, 129; vom 4.11.1997, a.a.O., je m.w.N.).
Rz. 17
Allerdings gilt auch hier der allgemeine Grundsatz der Rechtsscheinslehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei Fehlen der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt werden kann. Der Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers kann die fehlende wirksame Tilgungs- und Zweckbestimmung nicht ersetzen (BGH, Urt. v. 20.3.2001 - XI ZR 157/00, BGHZ 147, 145, 151 m.w.N.; v. 21.1.2010 - IX ZR 226/08, WM 2010, 473 Rz. 13; v. 21.11.2013 - IX ZR 52/13, WM 2014, 21 Rz. 17).
Rz. 18
c) Es liegt danach - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine wirksame Schuldtilgung gegenüber dem Beklagten vor. Deshalb besteht der Anspruch des Beklagten aus dem Kaufvertrag weiter. In diesem Fall findet der Bereicherungsausgleich zwischen dem scheinbar Leistenden, hier dem Insolvenzschuldner, und dem Gläubiger statt (BGH, Urt. v. 4.11.1997, a.a.O., S. 95; vom 20.3.2001, a.a.O., S. 149; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 267 Rz. 3; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O., Rz. 11; Krüger in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 267 Rz. 23).
Rz. 19
Der Beklagte hat, weil keine Leistung des Schuldners vorliegt, auf sonstige Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB).
Rz. 20
aa) Die Erfüllungshandlung des Schuldners war gem. § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Schuldner gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht mehr berechtigt, im Verhältnis zu dem Beklagten eine wirksame Erfüllungszweckbestimmung zu treffen. Bedient sich der Schuldner zur Begleichung einer Verbindlichkeit eines Zahlungsmittlers, hängt die Erfüllung von der konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung ab, dass er eine entsprechende Tilgungsbestimmung verlautbart. Diese Tilgungsbestimmung hat verfügungsähnliche Wirkung. Sie erfordert deshalb die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Schuldners (BGH, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O., Rz. 21).
Rz. 21
Unwirksam nach § 81 Abs. 1 InsO ist auch eine Leistungsbestimmung i.S.d. § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Senat hat unter Verfügungen in diesem Sinne alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken. Daher sind alle Zahlungen des Schuldners sowie die Genehmigung im Einzugsermächtigungsverfahren betroffen (BGH, Urt. v. 25.10.2007 - IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rz. 19 m.w.N.). Es werden auch verfügungsähnliche Geschäfte erfasst (BGH, Urt. v. 21.11.2013, a.a.O., m.w.N.; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 81 Rz. 2 f.). Auch die Ermächtigung eines Dritten durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen, ist nach § 81 InsO unwirksam (BGH, Beschl. v. 12.7.2012 - IX ZR 210/11, ZIP 2012, 1565 Rz. 7; v. 12.7.2012 - IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517 Rz. 14). Für die Leistungsbestimmung nach § 267 Abs. 1 BGB gilt dasselbe. Auch sie ist eine verfügungsähnliche Handlung. Da somit eine wirksame Leistung durch den Schuldner als Dritten nicht vorliegt, trat durch die Auskehrung an den Beklagten auch keine Erfüllungswirkung ein (BGH, Urt. v. 4.11.1997, a.a.O., S. 95).
Rz. 22
Ob die Klägerin eine Leistungsbestimmung nach § 267 BGB hätte nachholen können (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.7.1964 - VI ZR 129/63, NJW 1964, 1898, 1899; v. 15.5.1986 - VII ZR 274/85, NJW 1986, 2700; vom 4.11.1997, a.a.O.; Beschluss vom 12.7.2012, a.a.O., Rz. 15 f.) kann dahinstehen. Eine solche Leistungsbestimmung, die in einer Klage gegen den Zeugen L. möglicherweise hätte gesehen werden können, ist vorliegend jedenfalls nicht erfolgt.
Rz. 23
bb) Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Bereicherungsrecht. § 143 InsO ist entgegen der Ansicht der Revision nicht analog anwendbar. Diese Vorschrift gilt nur für das Insolvenzanfechtungsrecht, das hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil es gem. § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen betrifft, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Im Übrigen fehlt es für die Bemessung der Höhe des Bereicherungsanspruchs an einer Regelungslücke, weil der Umfang des Anspruchs in den §§ 812 ff. BGB ausreichend geregelt ist.
III.
Rz. 24
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr festzustellen haben, ob es sich bei den 15.000 EUR um eigenes Geld des Schuldners oder um Geld des Zeugen L. gehandelt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 6755807 |
BB 2014, 1217 |
DB 2014, 1134 |
DB 2014, 6 |
NJW 2014, 2192 |
EBE/BGH 2014 |
NJW-RR 2014, 873 |
EWiR 2014, 523 |
WM 2014, 1002 |
ZIP 2014, 1037 |
DZWir 2014, 451 |
JZ 2014, 423 |
MDR 2014, 747 |
NZI 2014, 607 |
NZI 2014, 7 |
ZInsO 2014, 1011 |
GWR 2014, 396 |
KSI 2014, 185 |
NJW-Spezial 2014, 437 |