Entscheidungsstichwort (Thema)
Kartellschadensersatz: Gesamtwürdigung im Rahmen der Schadensentstehung. Kartellschadensersatz: Zwischenurteil bei Geltendmachung von Schäden aus mehreren Beschaffungsvorgängen
Normenkette
EGVtr Art. 81; GWB § 1; GWB 1999 § 33 Abs. 1 Fassung: 1998-08-26; GWB 2005 § 33 Abs. 1 Fassung: 2005-07-15, Abs. 3 Fassung: 2005-07-15, Abs. 4 Fassung: 2005-07-15; BGB § 823 Abs. 2; ZPO § 304
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.05.2019; Aktenzeichen VI-U (Kart) 9/18) |
LG Köln (Urteil vom 15.05.2018; Aktenzeichen 31 O 133/14) |
Tenor
Auf die Revision wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 bis 4 erkannt worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Kartellsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, die für den öffentlichen Nahverkehr der Stadt Köln verantwortlich ist, nimmt die Beklagten auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
Rz. 2
Zwischen April 2002 und Oktober 2009 beauftragte die Klägerin die Beklagten zu 1 in 13 Fällen - zum Teil nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens, zum Teil nach Einholung eines oder mehrerer Angebote - mit der Lieferung von Materialien für den Gleisoberbau.
Rz. 3
Mit Bescheiden vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt unter anderem gegen die Beklagten zu 1, 2, 4 und 6 jeweils ein Bußgeld wegen Beteiligung an dem Kartell der "Schienenfreunde".
Rz. 4
Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Sie hat beantragt, die Beklagten zu 2 bis 8 zu verurteilen, ihr Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 326.234,61 € nebst Zinsen, zu zahlen und sie von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung freizustellen. Das Landgericht hat - bei Ruhen des Verfahrens gegen die Beklagte zu 1 - durch Grundurteil die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 8 als Gesamtschuldner dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Nach Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht die Berufungen der übrigen Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 2 bis 4 ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 6
Der Klägerin stehe gegen die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz des ihr durch an die Beklagte zu 1 erteilte Beschaffungsaufträge entstandenen Kartellschadens nach § 33 Satz 1 GWB 1999 und § 33 Abs. 3 GWB 2005, jeweils in Verbindung mit § 1 GWB, Art. 81 EGV, zu. Die Haftung der Beklagten zu 2 und 4 ergebe sich aus § 830 Abs. 1 Satz 1, § 840 Abs. 1 BGB, diejenige der Beklagten zu 3 aus § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 840 Abs. 1 BGB. Zugunsten der Klägerin streite eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Klägerin von dem Kartellrechtsverstoß betroffen und dieser zumindest ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden sei. Auch bei einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorausgesetzt werde, sei von einem auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Kartellschaden der Klägerin auszugehen und streite eine tatsächliche und widerlegliche Vermutung für die Kartellbetroffenheit der in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge. Die Beklagten hätten die tatsächliche Vermutung der Kartellbetroffenheit und diejenige eines kartellbedingten Schadens nicht widerlegt. Schadensersatzansprüche wegen Aufträgen, die die Klägerin der - im Segment "Schienen und Schwellen" am Kartell nicht beteiligten - Heinrich Krug erteilt habe, bestünden nicht, weil ein Preisschirmeffekt nicht festzustellen sei. Dies berühre den Bestand des Grundurteils jedoch nicht, weil der Klägerin jedenfalls irgendein Schaden entstanden sei.
Rz. 7
Ob der Klägerin Leistungen von Seiten der Fahrgäste oder der Zuwendungsgeber schadensmindernd anzurechnen seien, könne offenbleiben, weil das Landgericht diese Frage mit Recht dem Betragsverfahren vorbehalten habe. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei aufgrund eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin weder gemindert noch ausgeschlossen. Schließlich seien die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt.
Rz. 8
II. Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nicht bejaht werden.
Rz. 9
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die bis zum 30. Juni 2005 erteilten Aufträge aus den Beschaffungsvorgängen, auf die die Klägerin ihre Klage unter anderem stützt, als Anspruchsgrundlage § 33 Satz 1 GWB 1999 in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, BGHZ 224, 281 Rn. 18 - Schienenkartell II, mwN). Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht § 33 Abs. 3 GWB 2005 auf die Schadensersatzansprüche angewendet, die die Klägerin auf Beschaffungsvorgänge nach dem 30. Juni 2005 stützt.
Rz. 10
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen schuldhaften Verstoß der Beklagten zu 2 und 4 gegen § 1 GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) festgestellt und dabei angenommen, dass nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid die Beklagten über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt waren. Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen (näher: BGHZ 224, 281 Rn. 21 - Schienenkartell II).
Rz. 11
3. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigt ist.
Rz. 12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs sowohl nach § 33 Satz 1 GWB 1999 als auch nach § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB 2005 ebenso wie nach § 823 Abs. 2 BGB, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen, wobei für die Feststellung dieser Voraussetzung der Maßstab des § 286 ZPO gilt. Angesichts der Besonderheiten des kartellrechtlichen Deliktstatbestands kommt es auf die Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat, nicht an und bedarf es auch nicht der Feststellung einer konkret-individuellen Betroffenheit (BGHZ 224, 281 Rn. 25 - Schienenkartell II; BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 - KZR 8/18, WuW 2020, 597 Rn. 25 - Schienenkartell IV; Urteil vom 23. September 2020 - KZR 4/19, WuW 2021, 37 Rn. 16 f. - Schienenkartell V).
Rz. 13
b) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht angenommen hat, sind die vorstehenden Voraussetzungen für die Annahme der Betroffenheit im Streitfall erfüllt, weil die Klägerin von am Kartell beteiligten Unternehmen Waren erworben hat, welche Gegenstand der Kartellabsprache waren. Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen bleiben ohne Erfolg. Es erscheint angesichts der Art und Weise des festgestellten Vorstoßes möglich, dass der Klägerin sowohl im Hinblick auf die Beschaffung von Zubehör- und Ersatzteilen oder Betonschwellen, der Beauftragung von Kleinlosen, im Hinblick auf Aufträge, die auf Grundlage von europaweiten Ausschreibungen, als auch solchen, die ohne Ausschreibung vergeben wurden, jeweils ein Schaden entstanden ist (BGH, WuW 2021, 37 Rn. 19 ff. - Schienenkartell V). Ebenso wenig ist die Möglichkeit der Entstehung eines kartellbedingten Schadens ausgeschlossen, wenn Aufträge an Kartellbeteiligte nach einem bestimmten Zeitpunkt erteilt worden sind, ab dem Absprachen in Bezug auf ein bestimmtes Segment - hier: Weichen - nur noch einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen stattfanden. Auch etwaige höhere Angebote von Kartellaußenseitern lassen die Betroffenheit der Klägerinnen nicht entfallen.
Rz. 14
4. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen - mit der für ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 - KZR 26/17, NZKart 2019, 101 Rn. 38 - Schienenkartell I; s.a. Urteil vom 10. Februar 2021 - KZR 63/18, juris Rn. 57 - Schienenkartell VI) - überhaupt ein Schaden entstanden ist.
Rz. 15
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden sei, welche die Beklagten nicht widerlegt hätten, steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang. Nach ihr streitet zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens zwar eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung - im Sinne eines Erfahrungssatzes - grundsätzlich dafür, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (BGH, Urteil vom 8. Januar 1992 - 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 194; Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 - Grauzementkartell I; BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, WRP 2018, 941 Rn. 35 - Grauzementkartell II; NZKart 2019, 101 Rn. 55 - Schienenkartell I; BGHZ 224, 281 Rn. 40 - Schienenkartell II; WuW 2021, 37 Rn. 26 - Schienenkartell V). Die Berücksichtigung eines solchen Erfahrungssatzes führt aber nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Vielmehr ist der einschlägige Erfahrungssatz im Rahmen der nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Schadensentstehung sprechenden Indiztatsachen zu berücksichtigen (näher: BGHZ 224, 281 Rn. 36 - Schienenkartell II; BGH, WuW 2021, 37 Rn. 26 f. - Schienenkartell V).
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b) Die danach erforderliche Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Entstehung eines Schadens sprechenden Indizien hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es hat zwar - hilfsweise - einzelne Gesichtspunkte im Zusammenhang gewürdigt, sich dabei aber auf die Dauer, die Intensität und die Marktabdeckung des Kartells, auf die für eine Kartelldisziplin sprechenden Marktumstände und auf den Gesichtspunkt der Auslastung von Produktionskapazitäten beschränkt. Auf Grundlage dieser unvollständigen Gesamtwürdigung ist es zu der Annahme gelangt, für die Entstehung des Schadens streite eine tatsächliche Vermutung, die nur unter besonderen Umständen widerlegt werden könne und die die Beklagten nicht zu erschüttern vermocht hätten. In diesem Zusammenhang hat es zahlreiche weitere Einwendungen der Beklagten und die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Indiztatsachen nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Widerlegung der tatsächlichen Vermutung und nur je für sich gewürdigt. Es kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht von einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen ist und angenommen hat, den Beklagten obliege in Ansehung der tatsächlichen Vermutung der Beweis des Gegenteils.
Rz. 17
5. Das Berufungsgericht hat zudem rechtsfehlerhaft angenommen, die Frage, ob der Klägerin auch durch bestimmte an Kartellaußenseiter erteilte Aufträge ein Schaden entstanden sei, berühre den Bestand des zusprechenden Grundurteils nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bilden die aus den einzelnen Beschaffungsvorgängen abgeleiteten Schäden, die die Klägerin geltend macht, materiell-rechtlich jeweils selbständige Ansprüche (BGH, WuW 2021, 37 Rn. 70 - Schienenkartell V). Daran ändert es (entgegen OLG Düsseldorf, NZKart 2021, 185, 186 f.) nichts, dass den Rechtsgrund der Ansprüche - ebenso wie entsprechender Ansprüche anderer Geschädigter - bereits die Grundabsprache bildet, für deren Schadensfolgen die hieran beteiligten Unternehmen gesamtschuldnerisch einstehen müssen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 - KZR 70/17, WuW 2020, 595 Rn. 30 ff. - Schienenkartell III). Aus diesen Gründen kann ein insgesamt zusprechendes Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs nach § 304 ZPO nur dann ergehen, wenn die Haftung dem Grunde nach für jeden der geltend gemachten Ansprüche festgestellt ist. Diese Voraussetzungen sind nach dem Berufungsurteil im Streitfall nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Haftung der Beklagten für an Heinrich Krug erteilte Aufträge zur Lieferung von Schienen und Schwellen könne nicht festgestellt werden.
Rz. 18
III. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil er der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nicht vorgreifen kann. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Rz. 19
IV. Bei der erneuten Prüfung, ob der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zustehen, wird das Berufungsgericht die Anforderungen an die Tatsachenfeststellung, die Voraussetzungen für eine etwaige Haftung der Beklagten im Hinblick auf an Kartellaußenseiter erteilte Aufträge sowie die Maßstäbe der Vorteilsausgleichung zu beachten haben, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen sind (BGHZ 224, 281 Rn. 34 ff. - Schienenkartell II; BGH, WuW 2020, 597 Rn. 43 ff. - Schienenkartell IV; WuW 2021, 37 Rn. 43 ff. - Schienenkartell V).
Rz. 20
Das Berufungsgericht wird für die Zwecke eines Grundurteils - soweit ein solches überhaupt in Betracht kommt - die Frage nicht offenlassen dürfen, ob die Beklagte zu 3 im Hinblick auf Beschaffungsvorgänge der Klägerin für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Abspaltung des Geschäftsbereichs dem Grunde nach auf Schadensersatz haftet. Angesichts der Selbständigkeit der materiell-rechtlichen Ansprüche (oben Rn. 17) genügt der Verweis auf die Haftung der Beklagten zu 3 in Bezug auf anderweitige Beschaffungsvorgänge vor dem Wirksamwerden der Abspaltung nicht. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang, aber auch für ein etwaiges Betragsverfahren, zu beachten haben, dass sich die Haftung der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG auf solche Verbindlichkeiten erstreckt, die vor Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Altverbindlichkeiten bereits dann begründet, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung dieses Anspruchs bereits vor Wirksamwerden der Spaltung gelegt wurde und die weiteren Voraussetzungen seines Entstehens erst nach dem Wirksamwerden der Spaltung erfüllt werden (BGH, Urteil vom 13. August 2015 - VII ZR 90/14, NJW 2015, 3373 Rn. 37, mwN auch zur Rechtsprechung des II. Zivilsenats zur vergleichbaren Situation bei § 160 HGB). Nach diesen Grundsätzen kann bereits der vor Wirksamwerden der Spaltung begangene Verstoß gegen das Kartellverbot nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV genügen, um die aufgrund der nach diesem Zeitpunkt erfolgten Beschaffungen entstandenen Schadensersatzansprüche, für die die Beklagte zu 3 als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2 und 4 haftet (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 - KZR 70/17, WuW 2020, 595 Rn. 37 f. - Schienenkartell III), als Altverbindlichkeiten zu qualifizieren, weil das maßgebliche haftungsbegründende Verhalten der durch die Kartellabsprache erfolgte Eingriff in die Freiheit des Wettbewerbsprozesses ist (BGH, WuW 2021, 37 Rn. 71 - Schienenkartell V).
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