Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Der vom Erblasser in Aussicht genommene Testamentserbe, der deswegen nicht Erbe geworden ist, weil der vom Erblasser angesprochene Notar amtspflichtwidrig das Testament nicht beurkundet hat, ist mit seinem Schadensersatzanspruch gegen den Notar ausgeschlossen, wenn der Erblasser es schuldhaft unterlassen hat, den Notar zu erinnern (Abweichung von BGH, Urt. v. 17. Oktober 1955 – III ZR 33/54, NJW 1956, 260).
Leitsatz (redaktionell)
Der vom Erblasser in Aussicht genommene Testamentserbe, der deswegen nicht Erbe geworden ist, weil der vom Erblasser angesprochene Notar amtspfichtwidrig das Testament nicht beurkundet hat, ist mit seinem Schadensersatzanspruch gegen den Notar ausgeschlossen, wenn der Erblasser es schuldhaft unterlassen hat, den Notar zu erinnern.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1 S. 3; BGB § 839 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 01.04.1996) |
LG Coburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 1. April 1996 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine kirchliche Stiftung, nimmt den verklagten Notar auf Schadensersatz in Anspruch, weil er es pflichtwidrig und schuldhaft versäumt habe, ein Testament des am 9. Oktober 1992 ohne letztwillige Verfügung verstorbenen A. M. (im folgenden: Erblasser) zu beurkunden, der sie zur Alleinerbin habe bestimmen wollen.
Am 8. März 1991 bat der damals 83jährige und an dem Parkinsonschen Syndrom leidende Erblasser über das Pfarrbüro den Beklagten zu sich in die Wohnung, um ein Testament zu errichten. Dieser Bitte kam der Beklagte noch am selben Tage nach. In der Wohnung des Erblassers traf er außerdem die Ordensschwester G. D. an, die in der Kirchengemeinde, der der Erblasser angehörte, die Krankenpflege versah und insbesondere den Erblasser betreute. Infolge seiner Erkrankung konnte sich der Erblasser nur schwer verständlich machen. Unter Mithilfe von Schwester G. teilte er dem Beklagten seinen letzten Willen mit. Danach sollte die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt und dem Mutterhaus der Schwester G. ein Vermächtnis zugewandt werden. Der Beklagte skizzierte den Gesprächsinhalt und nahm vom Erblasser eine Unterschriftsprobe. Am Ende seines Besuchs teilte er mit, daß das Testament noch geschrieben werden müsse; danach werde er zu seiner Beurkundung nochmals vorbeikommen. Entgegen dieser Ankündigung erschien der Beklagte nicht wieder. Eine Erinnerung an die noch ausstehende Beurkundung ist weder durch den Erblasser noch durch einen Dritten erfolgt.
Die in Höhe von 89.741,19 DM erhobene und später auf 138.572 DM erhöhte Klage ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden, weil der Erblasser es fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB). Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Erblasser habe gewußt, daß das Testament noch nicht rechtswirksam errichtet gewesen sei. Spätestens nach Ablauf von einigen Monaten habe sich ihm der Verdacht aufdrängen müssen, der Beklagte könnte die Angelegenheit vergessen haben. Selbst wenn er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen sei, selbst Verbindung zum Beklagten aufzunehmen, wäre es ihm möglich gewesen, ihn über Schwester G. zu erinnern. Diese hätte sich einer entsprechenden Bitte nicht verschlossen. Wäre er erinnert worden, hätte der Beklagte das Testament formgerecht beurkundet. Das schuldhafte Unterlassen der Schadensabwendung durch den Erblasser sei der Klägerin zuzurechnen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Der Senat schließt sich der Ansicht des Berufungsgerichts an, daß ein vom Erblasser in Aussicht genommener Testamentserbe – der nur deshalb nicht Erbe geworden ist, weil der vom Erblasser angesprochene Notar amtspflichtwidrig das Testament nicht oder nicht ordnungsgemäß beurkundet hat – mit seinem Schadensersatzanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, wenn der Erblasser die Einlegung eines Rechtsmittels schuldhaft unterlassen hat.
a) In diesem Falle nützt es dem als Erbe (oder Vermächtnisnehmer) in Aussicht genommenen Dritten nichts, falls gegen ihn persönlich kein entsprechender Schuldvorwurf erhoben werden kann. Der Dritte ist zwar selbst „Verletzter” im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB. Es ist anerkannt, daß den Notar, der ein Testament zugunsten des Dritten beurkunden soll, diesem gegenüber Amtspflichten treffen, bei deren Verletzung er dem Dritten auf Schadensersatz haften kann (vgl. BGHZ 27, 274, 275; 31, 5, 10; 58, 343, 353; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. März 1982 – V ZR 12/81, WM 1982, 615; v. 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/95, WM 1996, 548, 550). Daneben – und sogar in erster Linie – bestehen aber auch Amtspflichten gegenüber dem Erblasser, der den Notar mit der Beurkundung des Testaments beauftragt hat. Durch den Auftrag ist eine vertragsähnliche öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung zwischen dem Erblasser und dem Notar entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juni 1981 – VI ZR 148/79, WM 1981, 942, 943; v. 23. November 1995 – IX ZR 213/94, NJW 1996, 464, 465, z.V.b. in BGHZ 131, 200 ff). Unterläßt dieser schuldhaft die ihm aufgetragene Beurkundung, ist jedenfalls auch der Erblasser „Verletzter” im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB.
b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 17. Oktober 1955 – III ZR 33/54, NJW 1956, 260) ausgesprochen, derjenige, der in einem nichtigen Testament als Erbe eingesetzt sei und gemäß § 839 BGB Ersatz des ihm aus der Nichtigkeit des Testaments entstehenden Vermögensschadens verlange, brauche sich ein – nicht vorsätzliches – Selbstverschulden auf seiten des Erblassers nicht entgegenhalten zu lassen.
Diese Ansicht müßte, falls sie zutreffend wäre, auch für den vorliegenden Sachverhalt gelten. Denn § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 BGB regelt nur einen besonderen Fall des mitwirkenden Verschuldens (Haug, in: Seybold/Schippel, BNotO 6. Aufl. § 19 Rdnr. 103; ders. Die Amtshaftung des Notars 1989 Rdnr. 233, 234; vgl. auch BGHZ 56, 57, 63; MünchKomm-BGB/Papier, 2. Aufl. § 839 Rdnr. 284; Palandt/Thomas, BGB 56. Aufl. § 839 Rdnr. 73).
c) Dem Urteil vom 17. Oktober 1955 folgt der Senat jedoch nicht. Er kann von ihm abweichen, ohne den großen Senat für Zivilsachen anrufen zu müssen, weil er inzwischen anstelle des III. Zivilsenats, der seinerzeit entschieden hatte, für die Notarhaftung zuständig ist.
aa) In der früheren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Anrechnung eines Mitverschuldens des Erblassers nur unter dem Gesichtspunkt einer Analogie zu § 846 BGB geprüft. Er hat diese abgelehnt, weil der Schaden des in Aussicht genommenen Testamentserben keine schadenstiftende Einwirkung auf den Erblasser voraussetze. Außerdem könnte dem Erblasser als Mitverschulden allenfalls vorgeworfen werden, bei der Testamentserrichtung nicht auf die Belange des in dem Testament zu Bedenkenden geachtet zu haben. Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, daß sich die Amtspflichtverletzung – wie ausgeführt – auch und sogar in erster Linie gegen den Erblasser richtet und daß dieser auch gegen die eigenen Interessen handelt, wenn er den säumigen Notar nicht dazu anhält, den erbrechtlichen Dispositionen des Erblassers Wirksamkeit zu verleihen. Daran ändert nichts, daß der Schaden nicht dem Erblasser, sondern dem verhinderten Erben erwächst.
bb) Die Anrechnung des Mitverschuldens des an der Beurkundung unmittelbar beteiligten Erblassers zu Lasten des in Aussicht genommenen – und an der Beurkundung nur mittelbar oder gar nicht beteiligten – Testamentserben (oder Vermächtnisnehmers) ist geboten, weil es – ähnlich wie bei vergleichbaren privatrechtlichen Verhältnissen – Treu und Glauben widerspräche, wenn dem lediglich in den Schutzbereich der Notarpflichten miteinbezogenen Testamentserben (Vermächtnisnehmer) weitergehende Rechte zustünden als den unmittelbaren Urkundsbeteiligten.
Die Einbeziehung derer, die – ohne unmittelbar beteiligt zu sein – aufgrund des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts Rechte erwerben sollen, in den Schutzbereich der Notarpflichten (siehe oben unter a) wird mit der „Leistungsnähe” dieser nur mittelbar Beteiligten oder gänzlich Außenstehenden begründet. Dritte im Sinne des § 19 BNotO sind alle Personen, deren Interesse nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen werden kann, auch wenn sie durch die Amtsausübung nur mittelbar und unbeabsichtigt betroffen werden (vgl. BGHZ 20, 53, 56; 31, 5, 10; 58, 343, 353).
Insofern ähnelt der vorliegende Sachverhalt einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (§ 328 BGB analog). Fällt der in Aussicht genommene Erbe durch Verschulden eines von dem Erblasser eingeschalteten Rechtsanwalts aus, kann er diesen aus Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Anspruch nehmen (BGH, Urt. v. 6. Juli 1965 – VI ZR 47/64, NJW 1965, 1955, 1956; v. 11. Januar 1977 – VI ZR 261/75, aaO; v. 13. Juli 1994 – IV ZR 294/93, NJW 1995, 51, 52; v. 13. Juni 1995 – IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551, 2552). Dabei muß der geschädigte Dritte sich das Mitverschulden des Vertragspartners seines Schädigers anrechnen lassen, selbst wenn jener nicht sein Erfüllungsgehilfe oder gesetzlicher Vertreter ist (BGHZ 24, 325, 327 f; 33, 247, 250; BGH, Urt. v. 23. Juni 1965 – VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757, 1759; v. 10. November 1994 – III ZR 50/94, NJW 1995, 392, 393; vgl. auch Lange, Schadensersatz 2. Aufl. § 10 XI 5 e [S. 599 f]). Diese Begrenzung des Drittschutzes folgt unter anderem aus Treu und Glauben (§ 242 BGB): Da der Geschädigte seine Rechte gegen den Schädiger nur aus den Vertragsbeziehungen der unmittelbaren Vertragsbeteiligten herleitet, dürfen ihm nicht mehr Rechte zustehen als dem Vertragspartner des Schädigers. Die Einbeziehung des Dritten in den geschützten Vertragsbereich bringt es mit sich, daß jener mit der Erweiterung des Rechtsschutzes auch die damit verbundenen Rechtsnachteile in Kauf nehmen muß.
Der vorliegende Sachverhalt weist obendrein gewisse Parallelen zu den Fällen der Schadensliquidation im Drittinteresse auf. Der Schaden konnte nämlich von vornherein nicht bei dem Erblasser, sondern nur bei einem Dritten, dem in Aussicht genommenen Testamentserben (oder Vermächtnisnehmer), eintreten (vgl. BGH, Urt. v. 11. Januar 1977 – VI ZR 261/75, NJW 1977, 2073, 2074; Hohloch FamRZ 1977, 530, 533; Lorenz JZ 1995, 317, 321 f). Auch bei der Drittschadensliquidation wird ein Mitverschulden, das den in seinen Rechten Verletzten trifft, auf den Schaden des Dritten angerechnet (BGH, Urt. v. 29. Januar 1969 – I ZR 18/67, NJW 1969, 789, 790; Lange, Schadensersatz § 8 III 9 [S. 478]; vgl. auch BGH, Urt. v. 25. November 1971 – VII ZR 37/70, NJW 1972, 289).
cc) Die Anrechnung des Mitverschuldens des Testators als des unmittelbaren Urkundsbeteiligten zu Lasten des lediglich mitgeschützten Dritten entspricht ferner dem Sinn und Zweck des § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB. Der Betroffene soll, ehe er Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung geltend macht, sich zunächst gegen das beanstandete Verwaltungshandeln selbst wenden und versuchen, auf diesem Wege Abhilfe zu erreichen (BGHZ 95, 238, 242; 103, 242, 247; BGH, Urt. v. 6. Juli 1995 – III ZR 175/94, NJW 1995, 2778, 2779). Dieses Haftungsprivileg des Amtsträgers (vgl. auch MünchKomm-BGB/Papier, § 839 Rdnr. 285) rechtfertigt es, daß das Verschulden des Betroffenen, der es versäumt hat, sich auf diese Weise zu schützen, einem Drittbegünstigten auch dann zugerechnet wird, wenn dieser selbst nichts unternehmen konnte.
Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß nach der Gegenmeinung die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB immer dann leerläuft, wenn derjenige, den der Erblasser in seinem Testament bedenken will, davon nicht unterrichtet ist. Dann hat er vor dem Erbfall keine Möglichkeit, gegen einen Notarfehler, durch den seine erbrechtliche Stellung beeinträchtigt wird, ein Rechtsmittel einzulegen. Ihn trifft also kein Verschulden, und auf das Verschulden des Erblassers käme es nicht an.
Selbst dann, wenn der vorgesehene Erbe (Vermächtnisnehmer) von dem Vorhaben des Erblassers weiß, kann dieser die Abwicklung des von ihm angestoßenen Amtsgeschäfts doch besser kontrollieren. Er muß am besten wissen, was er will, und kann besser als jeder andere überprüfen, ob sein Wille vom Notar richtig umgesetzt wird. Als unmittelbar Beteiligter hat der Erblasser auch ganz andere Möglichkeiten, auf den Notar einzuwirken, als ein Dritter.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Erblasser habe es fahrlässig unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, ist rechtsfehlerfrei.
a) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Begriff „Rechtsmittel” in § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB nicht im engen technischen Sinn, sondern weit zu verstehen ist. Er umfaßt alle Rechtsbehelfe, die sich gegen die amtspflichtwidrige Handlung oder Unterlassung richten und dazu bestimmt und geeignet sind, diese zu beseitigen oder zu berichtigen und so den Schaden abzuwenden. Dazu gehören außer der förmlichen Beschwerde (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BNotO) auch Gegenvorstellungen und Erinnerungen (BGH, Urt. v. 5. Februar 1974 – VI ZR 71/72, NJW 1974, 639, 640; v. 23. Februar 1978 – III ZR 97/76, NJW 1978, 1522, 1523; v. 22. Juni 1982 – VI ZR 268/80, DNotZ 1983, 129, 131; v. 9. November 1989 – IX ZR 261/88, NJW 1990, 1242, 1243) sowie mündliche Vorhaltungen (Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdnr. 220; ders., in: Seybold/Schippel, § 19 BNotO Rdnr. 99; Sandkühler, in: Arndt/Sandkühler/Lerch, § 19 BNotO Rdnr. 198).
b) Die tatrichterliche Würdigung, daß es von dem Erblasser fahrlässig gewesen sei, den Beklagten nicht an den Abschluß des Geschäfts zu erinnern, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Für die Fahrlässigkeit im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 ZPO gilt nach der Rechtsprechung des Senats ein subjektiver Maßstab: Es ist zu prüfen, ob der Betroffene die nach den gegebenen Umständen sowie nach seinem Bildungsstand und seiner Geschäftsgewandtheit gebotene Sorgfalt beachtet hat (Senatsurt. v. 9. November 1989 – IX ZR 261/88, NJW 1990, 1242, 1243 m. Anm. Heckschen WuB VIII C. § 53 BeurkG 190 u. Heinemann DNotZ 1990, 443; ebenso bereits Urt. v. 5. Februar 1974 – VI ZR 71/72, NJW 1974, 639, 640; v. 22. Juni 1982 – VI ZR 268/80, DNotZ 1983, 129, 131; zustimmend Haug, in: Seybold/Schippel, § 19 BNotO Rdnr. 101; Sandkühler, in: Arndt/Sandkühler/Lerch, § 19 BNotO Rdnr. 201; vgl. aber auch BGHZ 113, 17, 25; BGH, Urt. v. 7. November 1996 – III ZR 283/95, WM 1997, 177). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Seine Feststellung, der Erblasser habe den Beklagten am 8. März 1991 richtig dahin verstanden, daß das Testament noch nicht errichtet sei und daß er, der Beklagte, noch einmal kommen müsse, wird von der Revision nicht angegriffen.
Gegen die Annahme, der Erblasser habe „spätestens nach Ablauf von mehreren Monaten … Anlaß zur Nachfrage” gehabt, wendet sich die Revision ohne Erfolg. Ihrer Vermutung, daß der Erblasser im Laufe der Zeit geistig zu sehr abgebaut habe, um noch an das zu errichtende Testament denken zu können, fehlt die tatsächliche Grundlage. Das Berufungsgericht hat das vorgerückte Alter und die gesundheitliche Beeinträchtigung des Erblassers wie auch die damit verbundenen Artikulationsschwierigkeiten berücksichtigt. Daß sich der Gesundheitszustand des Erblassers zwischen dem 8. März 1991 und einem im Juni 1992 erlittenen Schlaganfall, nach welchem der Erblasser nicht mehr ansprechbar war, nennenswert verschlechtert habe, ist in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen worden. Nach der Aussage der Schwester G. wäre er bis zu seinem Schlaganfall durchaus imstande gewesen, sie um eine Erinnerung bei dem Beklagten zu bitten. Die Erwägung des Berufungsgerichts, daß dem Erblasser dies zuzumuten gewesen sei, nachdem er bei der Beauftragung des Beklagten auf demselben Wege vorgegangen sei, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Die Ursächlichkeit der unterlassenen Erinnerung für den eingetretenden Schaden wird von der Revision erfolglos bezweifelt.
Ob die Ursächlichkeit des Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels für den eingetretenen Schaden – der allgemeinen Regel entsprechend – danach zu beurteilen ist, wie nach Meinung des Regreßgerichts richtigerweise auf das Rechtsmittel hin hätte entschieden werden müssen (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 1994 – IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211, 1213), oder aber danach, welchen Erfolg das Rechtsmittel tatsächlich gehabt hätte (so der III. Zivilsenat in ständiger Rechtsprechung für die Amtshaftung, vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 1959 – III ZR 33/58, VersR 1959, 736, 738; v. 16. Januar 1986 – III ZR 77/84, NJW 1986, 1924, 1925; v. 5. Februar 1987 – III ZR 16/86, BGHR BGB § 839 Abs. 3 – Kausalität 1; v. 21. April 1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 99), kann offenbleiben. Nach beiden Ansichten ist die Ursächlichkeit gegeben.
Ist entscheidend, wie nach Meinung des Regreßgerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen, war die unterlassene Erinnerung an die Adresse des Beklagten für den Schaden ursächlich, weil der Beklagte (spätestens) auf die Erinnerung hin die Beurkundung hätte vornehmen müssen. Kommt es darauf an, wie der Beklagte tatsächlich reagiert hätte, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß er auf die Erinnerung hin das Testament beurkundet hätte. Gleichgültig ist dabei, welcher der von den Parteien gegebenen Sachdarstellungen man folgt. Hatte der Beklagte – wie die Klägerin behauptet – die Testamentserrichtung vergessen, ist – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – kein konkreter Anhalt ersichtlich, daß eine Erinnerung durch den Erblasser fruchtlos gewesen wäre. Dies gilt erst recht, wenn der Beklagte – wie er behauptet – die Fertigstellung des Testaments sogar von einer Erinnerung des Erblassers abhängig gemacht hatte.
Unterschriften
Brandes, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Fundstellen
Haufe-Index 1122696 |
NJW 1997, 2327 |
JR 1998, 155 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 790 |