Leitsatz (amtlich)
Auch nach der Neufassung des § 549 Abs. 2 ZPO durch die Vereinfachungsnovelle kann die Revision darauf gestützt werden, daß das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat (Bestätigung von BGHZ 44, 46).
Normenkette
ZPO § 549 Abs. 2 Fassung: 1976-12-03
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 14.07.1977) |
LG Augsburg |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 1977 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter der Firma L. D., M. GmbH (im folgenden: L.); die Beklagte deren Gesellschafterin. Sie hat eine Konkursforderung von über 1.000.000 DM angemeldet. Ein anderer Konkursgläubiger W., der der Gemeinschuldnerin schon vor Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit im Zusammenhang mit von ihr hergestellten Fahrzeugen vorgeworfen hatte, seine Patente und Gebrauchsmuster verletzt zu haben, hatte Forderungen von über 25.000.000 DM angemeldet. Der Kläger hatte alle diese Forderungen bestritten. Nachdem zwischen der Gemeinschuldnerin und W. langjährige Rechtsstreitigkeiten vorausgegangen waren und auch der Kläger mit ihm längere Zeit verhandelt hatte, schloß er schließlich am 6. Mai 1972 mit W. einen Vergleich, durch den die gegenseitigen Ansprüche ausgeglichen wurden.
Die Beklagte warf dem Kläger vor, er habe durch Abschluß dieses Vergleichs schuldhaft seine Pflichten als Konkursverwalter verletzt und ihr dadurch Schaden zugefügt. Dieserhalb hat der Kläger Feststellungsklage erhoben, deren Antrag er im Termin der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht dahin präzisierte:
Festzustellen, daß der Beklagten keine Schadensersatzansprüche gegen ihn (persönlich) aus einer unrichtigen Führung der Konkursverwaltung über das Vermögen der Firma L. bei Abschluß des Vergleiches vom 6. Mai 1972 zustehen.
Die Beklagte, die ihren Sitz in der Schweiz hat, hat sich nur unter Vorbehalt auf den Rechtsstreit eingelassen und im übrigen die Abweisung der Klage beantragt; sie hat die Zuständigkeit des Landgerichts gerügt und ein Rechtsschutzinteresse für die Klage in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat seine Zuständigkeit bejaht und dem Klageantrag stattgegeben, dem Kläger jedoch ein Drittel der Kosten auferlegt, weil er zunächst eine seine gesamte Tätigkeit als Konkursverwalter umfassende negative Feststellungsklage erhoben gehabt und sie erst später auf den Abschluß des Vergleiches mit W. beschränkt, also teilweise zurückgenommen habe. Gegen ihre Verurteilung haben die Beklagte Berufung und der Kläger hinsichtlich der ihn belastenden Kostenentscheidung Anschlußberufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit sich das Urteil des Landgerichts auf die Berühmung vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen des Klägers beziehe; im übrigen hat es die Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen und demgemäß auch die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Diesem hat es auch die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils in der Hauptsache und die Abänderung der Kostenentscheidung im Sinne seines mit der Anschlußberufung verfolgten Antrages.
Entscheidungsgründe
I.
Das Oberlandesgericht hält die Berufung der Beklagten insoweit nicht für begründet, als sie dem Kläger vorwirft, vorsätzlich eine unerlaubte Handlung begangen zu haben; insoweit sei nämlich die internationale Zuständigkeit des Landgerichts nach § 32 ZPO gegeben.
Soweit der Vorwurf der Beklagten sich jedoch auf eine fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers bezieht, hat es die Klage mangels internationaler Zuständigkeit des angegangenen Gerichts als unzulässig abgewiesen. Es führt aus, die Zuständigkeit sei insbesondere nicht nach § 23 ZPO gegeben, da der Kläger nicht eine von ihm gerade in Abrede gestellte Forderung zur Begründung der Zuständigkeit heranziehen könne. Infolgedessen könne auch seine Anschlußberufung keinen Erfolg haben.
II.
Die zum Nachteil des Klägers getroffenen Entscheidungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Das Berufungsgericht durfte die Klage nicht mangels (internationaler) Zuständigkeit abweisen.
a) Das Revisionsgericht ist nach § 549 Abs. 2 ZPO in seiner ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung berechtigt, die internationale Zuständigkeit des Gerichts, d.h. die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte, zu überprüfen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner zu § 549 Abs. 2 ZPO a.F. ergangenen Entscheidung BGHZ 44, 46 ausgesprochen, daß in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche die Revision auch darauf gestützt werden könne, daß das Gericht mit Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen hat (BGHZ 59, 23, 25 und Senatsurteil vom 3. Mai 1977 – VI ZR 24/75 = NJW 1977, 1590). Zu Unrecht vertritt die Revisionserwiderung den Standpunkt, diese Rechtsprechung finde auf die Neufassung dieser Vorschrift keine Anwendung; das nunmehr vielseitige Überprüfungsverbot betreffe auch die internationale Zuständigkeit.
Zwar hat der durch die Vereinfachungsnovelle neu gefaßte Absatz 2 des § 549 ZPO die Nachprüfbarkeit der Zuständigkeiten im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung und Prozeßökonomie weiterhin erheblich eingeschränkt (s. amtl.Begr. BT-Drucks. 7/2729 vom 5. November 1974 S. 93). Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit bleibt jedoch, worauf auch die amtliche Begründung (a.a.O. a.E.) unter Bezugnahme auf BGHZ 44, 46 ausdrücklich hinweist, von den vorgesehenen Beschränkungen unberührt (ebenso Stein/Jonas/Grunsky 20. Aufl. Rz 82; Baumbach/Lauterbach 36. Aufl. Anm. 6 und Thomas/Putzo 9. Aufl. Anm. 6 alle zu § 549 ZPO). Somit stellt sich die von der Revisionserwiderung angesprochene Frage nicht, ob bei der heute immer häufigeren Berührung mit Auslandsrecht ein Bedürfnis für eine Überprüfungsmöglichkeit durch das Revisionsgericht bestehe.
b) Das Berufungsgericht verneint zu Unrecht seine Zuständigkeit nach § 23 ZPO. Wie der Senat inzwischen BGHZ 69, 37, 44 (entgegen dem Reichsgericht JW 1930, 263) entschieden hat – das Urteil konnte dem Berufungsgericht noch nicht bekannt sein –, kommt bei einer negativen Feststellungsklage, wenn der sich einer Forderung berühmende Gläubiger im Inland keinen Wohnsitz bzw. Sitz hat, auch diese Forderung, mag auch der Rechtsstreit gerade um ihr Bestehen oder Nichtbestehen geführt werden, als zuständigkeitsbegründender Streitgegenstand im Sinne von § 23 ZPO in Betracht. Auf die Gründe dieses Urteils wird verwiesen.
2. Damit entfällt auch die Grundlage für den Standpunkt des Berufungsgerichts, mit dem es die Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers begründet hat. Davon daß dieser in zulässiger Weise die Kostenentscheidung des Landgerichts zur Überprüfung stellt, geht auch das Berufungsgericht aus; denn § 99 Abs. 1 ZPO erlaubt auch dann eine selbständige und alleinige Anfechtung der Entscheidung über die Kosten, wenn ein Rechtsmittel in der Hauptsache nur vom Gegner eingelegt worden ist (s. BGHZ 17, 392, 397; BGH Urt. v. 17. November 1966 – II ZR 22/65 = NJW 1967, 203).
III.
Das angefochtene Urteil war somit, soweit es zum Nachteil des Klägers erkannt hat, aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben, daß, falls es in der Neufassung des Klageantrags im Termin vom 10. Oktober 1975 nicht nur eine Klarstellung des ursprünglichen Begehrens, sondern – wie das Landgericht meint – eine teilweise Klagerücknahme sehen sollte, sich dies auch in der Festsetzung des Streitwertes auswirken müßte; demgemäß wäre bei einer gegebenenfalls vorzunehmenden Quotelung der Kosten zu berücksichtigen, daß der Kläger schon in der ersten Instanz nur über die „ermäßigte” Klage verhandelt hatte.
Unterschriften
Dr. Weber, Dunz, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Ankermann
Fundstellen
Haufe-Index 1502207 |
NJW 1978, 2202 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1979, 231 |
IPRspr. 1978, 143 |