Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 15.06.1977) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Juni 1977 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer am 26. März 1970 verstorbenen Mutter Anna Maria A. Die Erblasserin bestimmte den Beklagten zum Testamentsvollstrecker; für seine Tätigkeit sollte er 5 % des Brutto-Nachlaßwertes erhalten. Die Erblasserin war wie ihr Bruder Gottfried W. an mehreren Familiengesellschaften beteiligt (3 Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1 offene Handelsgesellschaft, 1 Kommanditgesellschaft, 1 BGB-Gesellschaft). Der Beklagte war der langjährige ständige Rechtsberater Gottfried VI 1 sowie der Geschäftsführer der drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und der Kommanditgesellschaft. Nach Angaben des Beklagten gegenüber dem Nachlaßgericht betrug der Wert der Geschäftsanteile am 26. März 1970 2.343.900,- DM; der Kurswert von Wertpapieren der Erblasserin wurde mit 772.341,- DM und deren Bankguthaben mit 201.202,- DM angegeben. Der Beklagte entnahm dem Nachlaß 147.735,37 DM als Testamentsvollstreckervergütung.
Die Klägerin begehrt Rückzahlung dieser Vergütung (nebst Zinsen) mit der Behauptung, der Beklagte sei seinen Amtspflichten als Testamentsvollstrecker nicht nachgekommen und habe nicht die Interessen des Nachlasses, sondern die seines langjährigen Mandanten Gottfried W. wahrgenommen; außerdem hat sie die Mitteilung eines Nachlaßverzeichnisses verlangt.
Der Beklagte fordert im Wege der Widerklage weitere 17.668,18 DM (nebst Zinsen) als Testamentsvollstreckervergütung.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung von 97.735,37 DM nebst Zinsen an die Klägerin und zur Mitteilung eines Nachlaßverzeichnisses verurteilt; die weitergehende Klage und die Widerklage hat es abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten, mit der er die völlige Klageabweisung und die Zahlung von 17.688,18 DM (nebst Zinsen) weiter verfolgte, zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung des Restbetrages von 50.000,- DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte nur noch die Abweisung der Zahlungsklage und den Antrag aus der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
1.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Beklagten für seine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker keine Vergütung zu. Er habe in besonders schwerwiegender Weise zumindest grob fahrlässig gegen seine Pflichten verstoßen. In drei Fällen (Hälfteanteil der Schumann-Sammlung mit einem Wert von 1.288.325,61 DM; Lizenzgebühren mit einem Wert von wenigstens 187.951,20 DM; Auszahlung von 12.944,- DM), denen erhebliche Bedeutung zukomme, habe er statt der Interessen des Nachlasses die Belange anderer vertreten, nämlich die seines Mandanten Gottfried W. im ersten Falle und die der W's, C. F. mbH (nachfolgend C. genannt) in den beiden anderen Fällen. Schon diese drei Pflichtverletzungen seien so schwerwiegend gewesen, daß sie allein ausreichten, einen Anspruch auf die Testamentsvollstreckervergütung zu versagen. Infolgedessen habe der Beklagte den gesamten dem Nachlaß entnommenen Betrag (147.735,37 DM) nebst Zinsen an die Klägerin zurückzuzahlen und keinen Anspruch auf weitere Vergütung (17.688,18 DM).
2.
Die Revision rügt zunächst, daß das Berufungsgericht Verwirkung angenommen habe. Mangels schriftlicher Unterlagen könne dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, daß er nur zögernd die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen erfüllt habe. Eine Pflichtverletzung könne angesichts erheblicher Zweifel an der Berechtigung dieser Forderungen eher darin gesehen werden, daß er dem Verlangen der Klägerin nach Erhebung der früheren Klagen nachgekommen sei.
Der Angriff führt nicht zum Erfolg.
a)
Der Anspruch des Testamentsvollstreckers auf Vergütung (§ 2221 BGB), kann, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 5. Mai 1976 (BGH LM BGB § 2221 Nr. 5 = NJW 1976, 1402 (L) = WM 1976, 771 = FamRZ 1976, 450 = MDR 1976, 914 = BB 1976, 814) ausgesprochen hat, verwirkt sein, wenn der Testamentsvollstrecker in besonders schwerwiegender Weise vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen hat (vgl. auch OLG Kiel SchlHA 1938, 128; BGB-RGRK 12. Aufl. § 2221 Rdn. 9; Palandt/Keidel, BGB 38. Aufl. § 2221 Anm. 1 b). In der erwähnten Entscheidung des Senats ist hierzu ausgeführt, daß der Anspruch verwirkt sein könne, wenn der Testamentsvollstrecker sich bewußt über die Interessen der Personen, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt sei, hinwegsetze und mit seiner Tätigkeit eigene Interessen oder die anderer Personen verfolge, oder wenn ihm die Interessen der von ihm betreuten Personen ganz gleichgültig seien und er sein Amt so nachlässig versehe, daß von einer ordnungsgemäßen (pflichtmäßigen) Amtsführung nicht die Rede sein könne, oder wenn der Testamentsvollstrecker seine Tätigkeit auf einem Gebiet entfaltet habe, das eindeutig nicht zu seinem Aufgabenkreis gehöre. Der Anspruch auf Vergütung sei hingegen nicht verwirkt, wenn der Testamentsvollstrecker in dem Bestreben, sein Amt zum Wohle der von ihm betreuten Personen auszuüben, infolge irriger Beurteilung der Sach- oder Rechtslage fehlerhafte Entschlüsse fasse und Entscheidungen treffe. Dadurch könne er sich zwar schadensersatzpflichtig machen; er behalte aber den Anspruch auf Vergütung und auf Ersatz seiner Aufwendungen. An diesen Rechtsgrundsätzen hält der Senat fest.
b)
Das Berufungsgericht, das sich auf diese Entscheidung berufen hat, hat die Rechtsgrundsätze beachtet und ohne Rechtsfehler aufgrund der festgestellten Vorgänge eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Beklagten bejaht.
Der Beklagte war als Testamentsvollstrecker gegenüber der Klägerin als Erbin des von ihm verwalteten Nachlasses zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet; er hatte die Interessen der Klägerin wahrzunehmen (OLG Kiel a.a.O.; Palandt/Keidel a.a.O. § 2216 Anm. 1). Der Beklagte hat aber, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, allein die Interessen des von ihm betreuten Mandanten Gottfried W. und der Firmen, in denen er als Geschäftsführer tätig war, berücksichtigt. Im einzelnen hat das Berufungsgericht hierzu ausgeführt:
(1)
Hinsichtlich des Hälfteanteils der Schumann-Sammlung habe der Beklagte ganz offen die Interessen Gottfried W. vertreten, obwohl es seine Aufgabe gewesen sei, gegenüber Gottfried W. die Nachlaßzugehörigkeit des Hälfteanteils geltend zu machen. Dieser Anteil sei Gottfried W. nicht geschenkt worden und daher in den Nachlaß gefallen. Die Berechtigung des Anspruchs gegenüber Gottfried W. hätte er zumindest erkennen können und müssen.
(2)
Hinsichtlich der Lizenzgebühren habe der Beklagte die Interessen der C. statt des Nachlasses vertreten. Der Beklagte habe als Geschäftsführer der C. gewußt, daß der Erblasserin Lizenzgebühren zustanden. Er hätte sich nach deren Tod um die Weiterzahlung der Lizenzgebühren an den Nachlaß bemühen müssen. Statt dessen habe er erst unter dem Druck der gegen die C. erhobenen Klage eine Aufstellung der Lizenzgebühren übergeben.
(3)
Hinsichtlich der Forderung in Höhe von 12.944,- DM gegenüber den C. habe der Beklagte erst die Zahlung veranlaßt, nachdem die C. verklagt worden seien. Zu Unrecht habe sich der Beklagte auf einen Verzicht der Erblasserin berufen. Auch hier habe der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen, die Forderung zur Hälfte für den Nachlaß geltend zu machen. (Nur die Hälfte der Forderung sei in den Nachlaß gefallen.)
Diese Feststellungen rechtfertigen es, den Vergütungsanspruch des Beklagten als verwirkt anzusehen. Die festgestellten Verstöße betrafen - im Hinblick auf den Gesamtnachlaß erhebliche - Vermögenswerte von insgesamt mindestens 1.482.748,81 DM. In allen drei Fällen hat die Klägerin erst nach Einschaltung eines Rechtsanwalts und nach Erhebung von Klagen die dem Nachlaß zustehenden Vermögenswerte erlangen können, wobei die Anspruchsgegner jeweils von dem Beklagten rechtlich beraten wurden. Die Rechtslage war nach den tatrichterlichen Feststellungen für den Beklagten auch nicht unübersichtlich. Der Beklagte hat nicht die Interessen des Erben im Auge gehabt und sich nicht von dem Bestreben leiten lassen, sein Testamentsvollstreckeramt zum Wohle der von ihm betreuten Person auszuüben.
3.
Die gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln erachtet der Senat nicht für durchgreifend. Er sieht deshalb gemäß § 565 a ZPO von einer Begründung ab. Das gilt insbesondere von der Rüge, das Berufungsgericht habe zu Unrecht als nicht nachgewiesen erachtet, daß die Erblasserin dem Beklagten die ungewöhnlich hohe Testamentsvollstreckervergütung von 5 % des Nachlaßwerts auch als Vermächtnis ausgesetzt habe.
4.
Soweit die Revision die Passivlegitimation des Beklagten in Zweifel zieht, übersieht sie, daß es im vorliegenden Prozeß allein um die Frage geht, ob dem Beklagten ein Vergütungsanspruch als Testamentsvollstrecker zusteht. Im übrigen hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei ausgeführt, daß die hier fraglichen Forderungen der Klägerin gegenüber W. (Hälfteanteil der Schumann-Sammlung) und im übrigen gegenüber den C. bestanden haben.
5.
Soweit die Revision die Auffassung vertritt, daß dem Beklagten angesichts seiner Arbeitsleistung und seines Teilverschuldens nicht jede Vergütung abgesprochen werden könne, greift auch diese Rüge nicht durch.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme einer teilweisen Verwirkung der Testamentsvollstreckervergütung rechtlich zulässig ist. Das Berufungsgericht brauchte von seinem Standpunkt aus hierauf nicht einzugehen. Das Landgericht hatte sich ausführlich mit der Frage befaßt, inwieweit die Arbeitsleistung des Beklagten wenigstens teilweise zu vergüten ist. Das Berufungsgericht hat diese Arbeitsleistung und ihre Würdigung nach dem Zusammenhang der Gründe nicht übersehen. Es hat aber die Pflichtwidrigkeiten des Beklagten im Gegensatz zum Landgericht für so gravierend erachtet, daß es den Vergütungsanspruch in voller Höhe als verwirkt angesehen hat. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
6.
Da das angefochtene Urteil auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen läßt, ist die Revision mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018755 |
DNotZ 1980, 164 |
DNotZ 1980, 164-166 |