Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein deutsches Unternehmen die Umstände mangelnder Berechtigung aus einem Inhaberverrechnungsscheck grob fahrlässig verkannt hat, dem dieser Scheck von einem ausländischen Schwesterunternehmen zum Zwecke „schnellstmöglichen” Einzuges im Wege der Legitimationszession übertragen worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 989-990; ScheckG Art. 21

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.08.1987)

LG Duisburg (Urteil vom 18.12.1986)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. August 1987 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 18. Dezember 1986 in der Hauptsache und im Kostenpunkt insoweit abgeändert, als die Kosten der Beklagten auferlegt worden sind.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt als Konkursverwalter über das Vermögen der H. GmbH in M. von der Beklagten die Zahlung eines Betrag von 356.483 DM. Dem Klagebegehren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Autobahn-Neubauamt Oldenburg stellte der Gemeinschuldnerin auf eine von dieser am 14. September 1982 in Höhe von 385.721,30 DM erstellte Abschlagsrechnung über die Durchführung von Bodenverfestigungs- und Entwässerungsarbeiten einen Inhaber Verrechnungsscheck über 385.000 DM aus. Der Scheck wurde am 23. September 1982 dem bei der Gemeinschuldnerin tätigen Projektleiter … R. ausgehändigt, der auch Projektleiter bei der in den Niederlanden ansässigen L. B. V. war, deren sich die Gemeinschuldnerin zur Durchführung des Auftrags als Subunternehmerin bedient hatte. … R. leitete den Scheck an die ebenfalls in den Niederlanden ansässige und zur A.-Gruppe gehörende L. N. B. V. weiter, die zuvor unter „A. M. B. V.” firmiert und durch Vereinbarung vom 16. September 1982 die bis zum 13. September 1982 nicht berechneten Forderungen der L. B. V. übernommen hatte. Die L. N. B. V. erstellte am 23. September 1982 gegenüber der Gemeinschuldnerin eine „vorläufige Endabrechnung” über 392.131,40 hfl. Sie leitete den Scheck zum Zwecke einer raschen und reibungslosen Einziehung an ihre in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Schwestergesellschaft, die Beklagte, weiter, die ihn über die Deutsche Bank einzog und der L. N. B. V. einen Gegenwert von 356.483 DM sowie der Gemeinschuldnerin den Restbetrag von 28.517 DM überwies.

Der Kläger meint, die Beklagte sei der Konkursmasse zum Schadenersatz verpflichtet, auf jeden Fall aber um den Klagebetrag ungerechtfertigt bereichert. Sie sei in bezug auf die fehlende Berechtigung der L. N. B. V. aus dem Scheck bösgläubig gewesen.

Das Landgericht hat dem Klagebegehren nach Rücknahme der Klage in Höhe von 28.517 DM stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 990, 989 BGB i.V.m. Art. 21 ScheckG zugesprochen. Es hat ausgeführt, der für die Gemeinschuldnerin bestimmte und für sie von dem Zeugen … R. in Empfang genommene Inhaberverrechnungsscheck sei ihr dadurch abhanden gekommen, daß der Zeuge den Scheck, ohne von der Gemeinschuldnerin ermächtigt worden oder sonst dazu berechtigt gewesen zu sein, an die L. N. B. V. weitergeleitet habe. Ein gutgläubiger Erwerb durch die L. N. B. V. scheide aus, weil ihrer Geschäftsleitung die Umstände ihrer fehlenden Berechtigung beim Scheckerwerb bekannt gewesen seien. Auch die Beklagte sei beim Scheckerwerb bösgläubig gewesen, weil sich aus den Umständen klar ersichtliche Zweifel an der sachlichen Scheckberechtigung der L. N. B. V. ergeben hätten. Der Scheck habe die Gemeinschuldnerin und nicht die L. N. B. V. als Zahlungsempfängerin ausgewiesen. Nach ihrer eigenen Darstellung sei die Beklagte von der L. N. B. V. eingeschaltet worden, um die Einlösung des Schecks „schnellstmöglich” zu bewirken, so daß der Versuch einer rechtzeitigen Schecksperre zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Auch betragsmäßig sei er auf eine Forderung der Gemeinschuldnerin abgestellt gewesen, so daß die Beklagte – offenbar auf Weisung der L. N. B. V. – nach seiner Einlösung den Überschußbetrag von 28.517 DM an die Gemeinschuldnerin zurücküberwiesen habe.

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der frühere Scheckinhaber, dem der Scheck abhanden gekommen ist, von dem Erwerber gemäß §§ 990, 989 BGB i. V. m. Art. 21 ScheckG Schadenersatz verlangen kann, wenn diesem beim Scheckerwerb infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, daß er zum Besitze des Schecks nicht berechtigt war und ihn nicht mehr herauszugeben vermag. Soweit es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Inhaberverrechnungsscheck sei der Gemeinschuldnerin abhanden gekommen und die L. N. B. V. habe ihn auch nicht gutgläubig erworben, läßt diese Würdigung keinen Rechtsfehler erkennen. Die ihr zugrundeliegenden, vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen werden von der Revision auch nicht angegriffen.

Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe die fehlende Verfügungsbefugnis der L. N. B. V. beim Scheckerwerb grob fahrlässig verkannt. Ob die Verkennung der mangelnden Verfügungsbefugnis des Scheckinhabers beim Erwerb eines Schecks im Einzelfall auf grober Fahrlässigkeit beruht, ob also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was jedem hätte einleuchten müssen, ist im wesentlichen eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die im Revisionsrechtszuge grundsätzlich nur in beschränktem Umfange nachgeprüft werden kann. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht alle für die Prüfungspflicht der Beklagten maßgebenden Umstände gewürdigt und deshalb verkannt, daß die der Beklagten bekannten Umstände nicht ausreichten, um das Geschäft als ungewöhnlich erscheinen zu lassen. Deshalb hat es fehlerhaft ihr Verhalten als grob fahrlässig beurteilt.

a) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, der Beklagten hätten sich deswegen Bedenken gegen die Berechtigung der L. N. B. V. aufdrängen müssen, weil nicht diese, sondern die Gemeinschuldnerin als Zahlungsberechtigte aus dem Scheck hervorgegangen sei. Nach dem Vortrag des Klägers war die Überbringerklausel auf dem Scheck nicht gestrichen, so daß es sich um einen Inhaberscheck i. S. des Art. 5 Abs. 2 ScheckG handelte. Der bloße Besitz an einem Inhaberscheck begründet eine widerlegbare Vermutung dafür, daß sein Inhaber auch materiell berechtigt ist. Stimmen Inhaber und der aus dem Scheck ersichtliche Zahlungsberechtigte nicht überein, begründet das keine Verdachtsmomente gegen die materielle Berechtigung des Inhabers. Aus diesem Grunde hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, einem Kreditinstitut, das einen Scheck zur Einziehung hereinnimmt, die Verpflichtung aufzuerlegen, die Berechtigung des Scheckinhabers nachzuprüfen (vgl. Sen. Urt. v. 10. Dezember 1973 – II ZR 138/72, WM 1974, 154; v. 27. Januar 1977 – II ZR 5/75, WM 1977, 1019, 1021; v. 21. Januar 1980 – II ZR 111/79, WM 1980, 891, 892). In der Regel sei die Verschiedenheit von Einreicher und Scheckempfänger kein Umstand, der den Verdacht erregen müsse, der Scheck könne seinem Eigentümer abhanden kommen und vom Einreicher auf unredliche Weise erlangt worden sein, da es jedenfalls im kaufmännischen Verkehr nicht ungewöhnlich sei, daß der erste Schecknehmer, der im Scheckformular aufgeführt sei, den Scheck nicht sogleich zum Einzug einreiche, sondern ihn zahlungshalber wieder in den Verkehr gebe. Die Verpflichtung, die Berechtigung des Einreichers zu überprüfen, entstehe für das Kreditinstitut erst dann, wenn ganz besondere Umstände vor allem in der Person des Inhabers oder der Ungewöhnlichkeit des Geschäftes nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Verdacht der fehlenden Scheckberechtigung ergeben (vgl. zuletzt Sen. Urt. v. 12. Januar 1987 – II ZR 187/86, WM 1987, 337, 338 sowie die zusammenfassenden Darstellungen von Bundschuh, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Wechsel- und Scheckrecht, 1987, 123 ff; Liesecke, Die Haftung der Banken bei der Einziehung von Verrechnungsschecks nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WM 1965, 1146 ff; Baumbach/Hefermehl, WG und ScheckG, 15. Aufl., § 21 Rdnrn. 8 – 19; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rdnrn. 801 – 809). Das Berufungsgericht führt keine Gründe dafür an – solche sind auch nicht ersichtlich –, die zu einer anderen Beurteilung Veranlassung geben könnten, wenn – wie vorliegend – ein ausländisches Unternehmen den Inkassoauftrag statt einer Bank einem deutschen Schwesterunternehmen mit dem Hinweis erteilt, da es kein Konto bei einer deutschen Bank unterhalte, könne es den Verrechnungsscheck nur über ein Konto seiner ausländischen Bank einziehen lassen, diesen umständlicheren und zeitraubenderen Weg wolle es aber vermeiden.

Auch besondere Umstände, welche die Beklagte zur Überprüfung der materiell-rechtlichen Berechtigung der L. N. B. V. verpflichteten, sind insoweit nicht ersichtlich. Der Kläger hat zwar vorgetragen, einer der Geschäftsführer der Beklagten habe das Angebot auf Übernahme der Forderungen mitunterzeichnet, zudem sei er oder ein anderes Mitglied der Geschäftsführung auch bis zum 23. September 1982 Mitglied des Aufsichtsrates der L. N. B. V., die damals noch unter „A. M. B. V.” firmiert habe, gewesen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte dadurch Kenntnis davon erlangt haben könnte oder hätte erlangen müssen, daß der Scheck der Gemeinschuldnerin nicht wirksam auf die L. N. B. V. übertragen worden war.

b) Die Revision rügt ferner zu Recht die Ansicht des Berufungsgerichts, für die Beklagte hätten sich klar ersichtliche Zweifel an der Scheckberechtigung der L. N. B. V. auch daraus ergeben müssen, daß sie von dieser eingeschaltet wurde, um die Scheckeinlösung „schnellstmöglich” zu bewirken, so daß der Versuch einer rechtzeitigen Schecksperre zum Scheitern verurteilt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat den Ausführungen, mit denen es den Vortrag der Beklagten wiedergibt, sie sei von der L. N. B. V. deswegen eingeschaltet worden, um die Einlösung des Schecks schnellstmöglich zu bewirken, die – auf unstreitigem Sachvortrag beruhende – Erwägung angefügt, diese rasche Einlösung habe den Versuch einer rechtzeitigen Schecksperre durch die Gemeinschuldnerin zum Scheitern verurteilt. Offensichtlich hat es das Scheitern der Schecksperre für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als maßgebend erachtet. Diese Würdigung ist von einem Denkfehler beeinflußt. Der Beklagten könnte dieser Umstand nur dann zum Vorwurf gemacht werden, wenn er ihr als maßgebendes Bestreben der L. N. B. V. bekannt gewesen wäre oder sich ihr aufgrund der Kenntnis der Hintergründe, aus denen die Einziehung des Schecks äußerst eilbedürftig war, hätte aufdrängen müssen. Dafür fehlen jedoch nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sowie dem Vortrag der Parteien jegliche Anhaltspunkte.

Soweit das Berufungsgericht aus dem Vortrag der Beklagten, sie sei von der L. N. B. V. deswegen eingeschaltet worden, damit die Scheckeinlösung „schnellstmöglich” habe bewirkt werden können, den Schluß zieht, das habe der Beklagten Veranlassung geben müssen, sich über die materielle Berechtigung der L. N. B. V. Gewißheit zu verschaffen, läßt diese Würdigung einen anderen, von der Beklagten mit ihrem Vortrag berührten Umstand unberücksichtigt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es das natürliche Bestreben eines jeden Unternehmens, zur Erhaltung seiner Wirtschaftskraft seine Forderungen so rasch wie möglich zu realisieren. Die von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen schließen nicht aus, daß die Beklagte von dieser Erwägung als Beweggrund der L. N. B. V. für eine schnellstmögliche Scheckeinziehung ausgegangen ist. Dem Vortrag der Beklagten, die L. N. B. V. habe ihr mitgeteilt, sie unterhalte kein eigenes Konto bei einem deutschen Kreditinstitut und wolle bei der Einlösung des Schecks den umständlicheren und zeitraubenderen Weg über ein eigenes, bei einer ausländischen Bank unterhaltenes Konto vermeiden, ist dieser Inhalt beizumessen, da nicht festgestellt worden ist, daß ihr die tatsächlichen Hintergründe für die Eilbedürfigkeit der Scheckeinlösung bekanntgeworden oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind.

c) Die Revision rügt ferner zu Recht die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, die Ungewöhnlichkeit des Geschäfts habe sich der Beklagten ferner deswegen aufdrängen müssen, weil der Scheckbetrag auf eine Forderung der Gemeinschuldnerin, nicht aber der L. N. B. V. abgestellt gewesen sei. Auch hier läßt das Berufungsgericht Umstände außer Betracht, die bei der Würdigung des Verhaltens der Beklagten hätten berücksichtigt werden müssen. Zwar steht aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichtes fest, daß Scheckeinlösung und Überweisung des Betrages von 28.517 DM durch die Beklagte an die Gemeinschuldnerin am 28. September 1982 erfolgt sind. Daraus konnte die Beklagte aber auch auf die Höhe der Forderung schließen, welche die L. N. B. V. als Rechtsnachfolgerin der Subunternehmerin gegenüber der Gemeinschuldnerin geltend machte. Obwohl die Gemeinschuldnerin ferner als Zahlungsberechtigte in dem Scheck aufgeführt war, schlossen diese Umstände deshalb nicht aus, daß die Beklagte, wie sie unwidersprochen vorgetragen hat, nach den ihr erteilten Informationen davon ausging, daß die L. N. B. V. nach Einziehung des Schecks den überschießenden Betrag von 28.517 DM der Gemeinschuldnerin vereinbarungsgemäß zurückerstatten sollte. Unter Berücksichtigung dieses von dem Berufungsgericht außer acht gelassenen Vortrages deutete für die Beklagte nichts darauf hin, daß die L. N. B. V. aus dem Scheck nicht berechtigt war.

Damit steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fest, daß die Würdigung aller zu berücksichtigenden Umstände weder für sich noch in ihrer Gesamtheit bei der Beklagten zu schwerwiegenden Bedenken und Zweifeln an der Scheckberechtigung der L. N. B. V. hätten führen und ihr Veranlassung für eine Überprüfung geben müssen.

3. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 816 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 3 und 4, § 819 Abs. 1, §§ 989, 990 BGB) steht dem Kläger schon deswegen nicht zu, weil die Beklagte den von ihr vereinnahmten Betrag in Höhe der Klagesumme unstreitig an die L. N. B. V. abgeführt hat. Damit ist sie gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert (vgl. BGHZ 47, 128, 130; Palandt/Thomas, BGB, 47. Aufl., § 818 Anm. 6 B; B, c; abweichend Wolf, Der mittelbare Stellvertreter als nicht berechtigt Verfügender, JZ 1968, 414, 415/416). Da die Beklagte, wie bereits ausgeführt, den Mangel ihrer Besitzberechtigung am Scheck und ihrer Einzugsberechtigung nicht gekannt hat, trifft sie auch nicht die verschärfte Haftung nach §§ 81, 9 Abs. 1, 818 Abs. 4, §§ 989, 990 BGB.

Die Klage war daher abzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kellermann, Dr. Bauer, Bundschuh, Brandes, Dr. Henze

 

Fundstellen

Haufe-Index 875192

BGHZ

NJW 1988, 2798

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1988, 1170

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