Leitsatz (amtlich)

Ein Insolvenzverwalter, der einen vom späteren Gemeinschuldner anhängig gemachten Nichtigkeitsprozess aufnimmt, hat für die Nichtigerklärung des Streitpatents kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn das Streitpatent abgelaufen ist, gegen den Gemeinschuldner geltend gemachte Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht fristgemäß beim Insolvenzverwalter angemeldet worden sind und der Nichtigkeitsbeklagte die verbindliche Erklärung abgibt, derartige Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse nicht geltend zu machen.

 

Normenkette

PatG § 81

 

Verfahrensgang

BPatG (Urteil vom 03.08.2000; Aktenzeichen 3 Ni 20/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.8.2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des BPatG abgeändert:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25.7.1983 angemeldeten deutschen Patents 33 26 790 (Streitpatents), für das die innere Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 82 22 388v. 7.8.1982 in Anspruch genommen worden ist und das eine Duschabtrennung betrifft. Aus diesem Patent hat die Beklagte die L. GmbH & Co. KG wegen Patentverletzung in Anspruch genommen, die daraufhin die vorliegende Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent erhoben hat.

Mit Urt. v. 3.8.2000 hat das BPatG das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Während des Berufungsverfahrens ist am 4.6.2002 über das Vermögen der L. GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der jetzige Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Er hat das Verfahren aufgenommen. Am 25.7.2003 ist das Streitpatent abgelaufen.

Im Senatstermin v. 13.7.2004 haben beide Parteien übereinstimmend erklärt, dass die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Streitpatents nicht gem. §§ 28, 174 InsO beim Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin angemeldet hat. Weiter hat die Beklagte erklärt, dass sie verbindlich auf Schadensersatzansprüche sowie Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gegenüber der Insolvenzmasse verzichte.

Die Beklagte hat daraufhin beantragt,

das am 3.8.2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des BPatG abzuändern und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat sie das Streitpatent in mehreren eingeschränkten Fassungen verteidigt.

Der Kläger hat zu der Erklärung der Beklagten im Senatstermin keine Erklärung abgegeben und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage als unzulässig. Die Klage ist, nachdem über das Vermögen der Nichtigkeitsklägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen Nichtigkeitsklägerin das Verfahren aufgenommen hat, das Streitpatent abgelaufen ist und die Nichtigkeitsbeklagte erklärt hat, auf Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gegen die Insolvenzmasse zu verzichten, im Laufe des Berufungsverfahrens unzulässig geworden.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH entfällt mit dem Ablauf eines Patents das öffentliche Interesse an dessen Nichtigerklärung. Deshalb wird eine auf Nichtigerklärung des Streitpatents gerichtete Klage gem. § 81 PatG nach Ablauf der Schutzfrist unzulässig, sofern nicht dem Kläger ein eigenes, ein Rechtsschutzbedürfnis begründendes schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Vernichtung des Streitpatents zur Seite steht (BGH, Urt. v. 3.5.1977 - X ZR 56/74; Liedl, Nichtigkeitsklagen 1975/77, S. 337 ff. [339], m.w.N. - Dauerhaftmagnete). Allerdings ist in der Rechtsprechung des Senats auch anerkannt, dass der wegen Patentverletzung in Anspruch genommene Nichtigkeitskläger ein Rechtsschutzbedürfnis an der rückwirkenden Nichtigerklärung eines Streitpatents haben kann, wenn dessen Schutzfrist abgelaufen ist, wenn er zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsklage aus dem Schutzrecht in Anspruch genommen wird (BGH, Urt. v. 29.9.1964 - Ia ZR 285/63, GRUR 1964, 231 [233] - Zierfalten; v. 6.7.1993 - X ZR 118/90).

2. Der Grundsatz, dass eine anhängige Verletzungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis an der rückwirkenden Nichtigerklärung des Streitpatents begründet, gilt jedoch nicht ausnahmslos. So fehlt es an ihm, wenn das Streitpatent nach Erlass eines Nichtigkeitsurteils durch Verzicht erloschen ist und der Nichtigkeitsbeklagte verbindlich erklärt, dass er sich gegenüber den Ansprüchen des Nichtigkeitsklägers aus Verwarnungen nicht auf die ursprüngliche Wirksamkeit des Streitpatents berufen werde (BGH, Urt. v. 29.9.1964 - Ia ZR 285/63, GRUR 1964, 231 [233] - Zierfalten; v. 3.5.1977 - ZR 56/74). Verzichtet der Nichtigkeitsbeklagte bei einer solchen Sachlage verbindlich auf alle Ansprüche aus dem Streitpatent gegenüber dem Nichtigkeitskläger, entfällt damit dessen Rechtsschutzbedürfnis.

Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ursprünglichen Nichtigkeitsklägerin eröffnet worden ist, die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Patentverletzung bislang nicht gem. § 28 InsO beim Insolvenzverwalter angemeldet und weiter erklärt hat, auf derartige Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse zu verzichten, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis des nunmehrigen Klägers für die Nichtigerklärung des Streitpatents mehr. Der Kläger tritt hier allein in seiner Funktion als Insolvenzverwalter auf und allein aus dieser kann er ein Rechtsschutzbedürfnis für die nachträgliche Nichtigerklärung des Streitpatents herleiten. Infolge des Verzichts der Nichtigkeitsbeklagten, die gegenüber der jetzigen Gemeinschuldnerin erhobenen Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse geltend zu machen, wird mit der Aufnahme des Nichtigkeitsprozesses kein der Abwehr von Belastungen für die Masse dienlicher Anspruch mehr verfolgt. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass in Fällen, in denen Schadensersatzforderungen wegen Patentverletzung nicht fristgemäß nach §§ 28, 174 InsO beim Insolvenzverwalter angemeldet worden sind, diese gem. § 177 InsO nachträglich angemeldet werden können und daher ein Rechtsschutzbedürfnis des Insolvenzverwalters an der rückwirkenden Nichtigerklärung des Streitpatents bestehen kann, solange nicht abschließend klargestellt ist, dass die Insolvenzmasse von derartigen Ansprüchen nicht betroffen ist. Zu solchen Belastungen kann es jedoch nicht mehr kommen, wenn der Schutzrechtsinhaber gegenüber der Insolvenzmasse auf solche Ansprüche verbindlich und wirksam verzichtet; eine Annahme eines solchen Verzichts stellt zugleich eine gegenüber der Nichtigkeitsklage einfachere und billigere Alternative der Wahrung der Rechte der Beteiligten dar. Deren Vorliegen schließt das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung der Nichtigkeitsklage nach Ablauf der Schutzdauer aus, da andere, ein solches Bedürfnis begründende Umstände weder dargelegt noch sonst ersichtlich sind. Ein Insolvenzverwalter, der einen vom späteren Gemeinschuldner anhängig gemachten Nichtigkeitsprozess aufnimmt, hat für die Nichtigerklärung des Streitpatents daher dann kein die Zulässigkeit der Klage begründendes Rechtsschutzbedürfnis, wenn das Streitpatent abgelaufen ist, gegen die Gemeinschuldnerin geltend gemachte Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht fristgemäß beim Insolvenzverwalter angemeldet worden sind und der Nichtigkeitsbeklagte die verbindliche Erklärung abgibt, derartige Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse nicht geltend zu machen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO.

 

Fundstellen

BGHR 2004, 1642

GRUR 2004, 849

ZIP 2004, 1921

BPatGE 2005, 300

Mitt. 2004, 546

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