Leitsatz (amtlich)
In Bauverträgen sind vorformulierte Vertragsbedingungen nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn der Verwender im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Absicht der Mehrfachverwendung hatte.
Normenkette
AGBG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Kläger verlangen von den Beklagten Vorschuß für die Ersatzvornahme zur Beseitigung von Mängeln und Schäden an der Fassade einer Wohnungseigentumsanlage. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der in den Verträgen geregelten Gewährleistungsausschlüsse hinsichtlich der Altbausubstanz.
II.
Die Beklagten waren Eigentümer eines Grundstücks in O., auf dem sich unter anderem ein Fabrikgebäude befand. Das Fabrikgebäude haben die Beklagten in sechs Gewerbeeinheiten und drei Eigentumswohnungen umgebaut. Die Kläger erwarben Wohn- und Teileigentum in dem Fabrikgebäude.
In den als Kaufverträge bezeichneten notariellen Verträgen verpflichteten die Beklagten sich zur Vornahme unterschiedlicher Bauarbeiten, die Einzelheiten sind in der Anlage zu den Verträgen, einer „Baubeschreibung zum Umbau der Fabrik”, niedergelegt. Zu den Arbeiten gehörten unter anderem die Verpflichtung, die Fassade des Fabrikgebäudes sandzustrahlen und zu reinigen.
Für die Bauarbeiten und Umbauarbeiten vereinbarten die Vertragsparteien in allen fünf Verträgen die Geltung der VOB/B.
Der Vertrag mit dem Kläger zu 1 enthält folgende Vereinbarung über die Beschränkung der Gewährleistungsansprüche:
„Für den Zustand der Altbausubstanz übernimmt der Verkäufer keine Gewähr …. Der Verkäufer haftet ausdrücklich nur gemäß Ziffer 2.2 und Ziffer 2.3.”
In den Verträgen mit den Klägern zu 2 bis 5 ist die Haftung der Beklagten auf die in der Baubeschreibung aufgeführten Arbeiten beschränkt. Außerdem heißt es:
„Im übrigen übernehmen die Verkäufer für den Zustand des Vertragsgegenstandes (Grund und Boden, Dach und Fach, Gemeinschafts-, Sonder- und gegebenenfalls Teileigentum) keinerlei Gewähr ….”
Die Vertragsobjekte wurden den Klägern im Jahre 1993 übergeben.
Am 5. Dezember 1993 schlossen der Kläger zu 1 und die Beklagten eine privatschriftliche Zusatzvereinbarung zu dem Kaufvertrag. In der Zusatzvereinbarung heißt es unter anderem wie folgt:
„Der Käufer nimmt den Vertragsgegenstand hiermit als vertragsgerecht ab, soweit nicht im folgenden Restarbeiten und Mängel aufgeführt werden, die von dem Verkäufer anerkannt werden ….
Reinigung der Fassade (sandgestrahlt entfällt), Ausbesserung der Bauschäden an der Fassade, Beiputzen der Fenster außen.”
Die Parteien einigten sich darauf, daß die ursprünglich vorgesehene Sandstrahlreinigung der Klinkerfassade nicht vorgenommen werden solle, weil zu befürchten war, daß dadurch Beschädigungen an der Fassade entstehen würden.
Der Kläger zu 1 forderte die Beklagten im Jahre 1994 vergeblich unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf.
Im Mai 1995 ließen die Kläger die Beklagten durch einen Rechtsanwalt erneut unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung an der Fassade auffordern. Nach fruchtlosem Ablauf leiteten die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige in diesem Verfahren bestätigte Schäden an der Fassade und schätzte die Beseitigungskosten auf ca. 111.000 DM.
Im Juli 1997 forderten die Kläger die Beklagten erfolglos zur Zahlung eines Kostenvorschusses auf.
III.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
II.
1. Das Berufungsgericht hat die Gewährleistungsausschlußklauseln der Verträge mit folgenden Erwägungen als unwirksam erachtet:
a) Die Gewährleistungsausschlußklauseln in den Erwerberverträgen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie seien in den Verträgen mit den Klägern zu 2 bis 5 gleichlautend. Die Klausel im Vertrag mit dem Kläger zu 1 sei im wesentlichen mit der Klausel aus den anderen Verträgen inhaltsgleich. Die einzige Abweichung, der Begriff „Altbausubstanz”, sei unerheblich, es handele sich um eine Präzisierung, die den Charakter als Formularklausel nicht beseitigen könne.
b) Die Formularklauseln seien unwirksam, weil sie gegen § 11 Nr. 10 a AGBG verstoßen würden. Die Regelung des § 11 Nr. 10 a AGBG sei anwendbar, weil die Beklagten sich aufgrund der umfangreichen Herstellungsarbeiten zur Herstellung einer neuen Sache verpflichtet hätten.
c) Auf die von den Beklagten behauptete ausführliche Belehrung der Kläger durch die Notare über die Folgen der Gewährleistungsausschlußklauseln komme es nicht an.
2. Die Erwägung des Berufungsgerichts zur Qualifizierung der Gewährleistungsausschlußklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Voraussetzung für Allgemeine Geschäftsbedingungen sind neben der Vorformulierung ohne individuelles Aushandeln, daß die Vertragsbedingungen von dem Verwender „für eine Vielzahl” von Verträgen vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 26. September 1996 – VII ZR 318/95, ZfBR 1997, 78 = BauR 1997, 123). Die vorformulierten Vertragsbedingungen sind nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn der Verwender im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Absicht der Mehrverwendung hatte (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 – VII ZR 53/99, BGHZ 144, 242 = ZfBR 2000, 472 = BauR 2000, 1182). Vertragsklauseln, die auf Standardformulierungen eines Notars beruhen, sind nicht schon allein deshalb Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom 16. November 1990 – V ZR 217/89, NJW 1991, 843).
a) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß die Beklagten die Vertragsklauseln gestellt haben und damit Verwender sind. Nach dem Sachvortrag der Beklagten, der in der Revision als richtig zu unterstellen ist, weil er vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt wurde, haben die Beklagten die Vertragsbedingungen nicht gestellt. Sie haben behauptet, die Gewährleistungsausschlußklauseln seien von den jeweiligen Notaren, die von den Klägern ausgesucht und bestimmt worden seien, vorgeschlagen worden.
b) Es fehlt auch an den erforderlichen Feststellungen, daß die Beklagten die Klauseln zum Zweck der Mehrfachverwendung formuliert und verwendet haben. Nach dem unter a) als richtig unterstellten Sachvortrag der Beklagten haben nicht sie, sondern die Kläger die Notare dazu veranlaßt, die Klauseln in die Verträge aufzunehmen.
c) Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß die Kläger hätten darlegen und beweisen müssen, daß die Gewährleistungsausschlußklauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen sind.
(1) Grundsätzlich muß die Vertragspartei des Verwenders, die sich im Individualprozeß auf den Schutz des AGB-Gesetzes beruft, die Voraussetzungen für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen.
Abweichend von diesem Grundsatz genügt der Erwerber seiner Darlegungslast schon durch die Vorlage des mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrages, wenn der Vertragspartner gewerblich als Bauträger tätig ist und der Vertrag Klauseln enthält, die typischerweise in Bauträgerverträgen verwendet werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 – VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 238 f. = ZfBR 1992, 219 = BauR 1992, 622).
(2) Die Voraussetzungen für die geringen Anforderungen an die Darlegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch den Erwerber liegen schon deshalb nicht vor, weil die Beklagten nicht gewerblich als Bauträger tätig sind.
III.
1. Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird vorrangig die Frage prüfen müssen, ob die Gewährleistungsausschlußklauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und ob die Beklagten die Vertragsklauseln gestellt haben.
Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, daß es sich um Individualvereinbarungen handelt, wird es über die Behauptung der Beklagten Beweis erheben müssen, die Kläger seien jeweils von dem beurkundenden Notar entsprechend den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1982 – VII ZR 74/81, ZfBR 1982, 152 = BauR 1982, 493) über die Rechtsfolgen des Gewährleistungsausschlusses aufgeklärt worden.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Bauner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.09.2001 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 645028 |
BB 2001, 2344 |
DB 2002, 680 |
NWB 2002, 124 |
BGHR 2001, 958 |
BauR 2001, 1895 |
EBE/BGH 2001, 347 |
NJW-RR 2002, 13 |
DNotI-Report 2001, 196 |
EWiR 2002, 225 |
IBR 2001, 597 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 2346 |
ZAP 2001, 1506 |
ZIP 2001, 1921 |
ZfIR 2001, 980 |
MDR 2001, 1349 |
ZfBR 2001, 507 |
ZfBR 2002, 56 |
NZBau 2001, 682 |
NotBZ 2001, 419 |
JbBauR 2003, 285 |