Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze über den Ausschluß gesonderter Ehrenschutzklagen gegenüber Parteivorbringen und Zeugenaussagen in gerichtlichen Verfahren sind nicht auf Abwehransprüche gegen widerrechtlich erlangte Beweismittel (hier: Tonbandaufnahmen) zu übertragen.
2. Die Unzulässigkeit des heimlichen Mitschneidens von (Telefon-) Gesprächen gilt prinzipiell auch für Besprechungen über geschäftliche Angelegenheiten.
3. Die Widerrechtlichkeit eines Eingriffs in das Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort entfällt nicht schon durch das Interesse des Verletzers, die ungenehmigte Tonaufzeichnung in einem Rechtsstreit zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu verwenden.
4. Die Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen die Verwendung einer heimlichen Tonbandaufnahme als Beweismittel in einem Zivilprozeß ist nicht deshalb rechtsmißbräuchlich weil der Verletzte mit ihnen letztlich reine Vermögensinteressen verfolgt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Löschung eines Tonbandes, auf dem die Ehefrau des Beklagten ein von ihr im Oktober 1982 mit dem Kläger geführtes Telefongespräch ohne dessen Wissen aufgezeichnet hat; er begehrt ferner Auskunft darüber, wieviele Kopien von der Aufnahme und ihrer Hörbarmachung noch vorhanden sind, und beansprucht auch deren Löschung.
Der Beklagte hatte im Auftrag einer vom Kläger geleiteten Zweigstelle der L. R. Bau GmbH in Ü. Baustofftransporte durchgeführt, für die er nach den Berechnungen der Straßenverkehrsgenossenschaft S. (Frachtenprüfstelle) im Jahre 1980 in Höhe von 29.973,67 DM unter dem gesetzlichen Mindesttarif entlohnt worden war; diesen Differenzbetrag hatte er bei dem Auftraggeber nachzufordern. Da der Kläger inzwischen als Geschäftsführer der in Ü. errichteten R. Tief- und Straßenbau GmbH tätig war, war sich der Beklagte unsicher, an welche der beiden Bau-Gesellschaften er seine Nachforderung zu richten habe. Der Klärung dieser Frage sollte das von seiner Ehefrau mit dem Kläger geführte Telefongespräch dienen.
Nach diesem Gespräch verklagte der Beklagte im Dezember 1982 zunächst die R. Tief- und Straßenbau GmbH auf Zahlung der Frachtdifferenz. In dem Rechtsstreit wurde das vom Beklagten vorgelegte Tonband mit Zustimmung des Klägers abgehört. Die Klage wurde rechtskräftig abgewiesen, weil das in Anspruch genommene Unternehmen nicht passivlegitimiert sei. In dem Berufungsurteil jener Sache ist ausgeführt, daß dann, wenn entsprechend der Behauptung des Beklagten der Kläger in dem Telefongespräch den Eindruck erweckt habe, Schuldnerin sei nunmehr die R. Tief- und Straßenbau GmbH, die L. R. Bau GmbH sich angesichts dieses treuwidrigen Verhaltens ihres früheren Zweigstellenleiters nicht auf die inzwischen eingetretene Verjährung einer sie etwa treffenden Frachtschuld berufen könne.
Auf eine daraufhin vom Beklagten an die L. R. Bau GmbH gerichtete Zahlungsaufforderung erhob diese Gesellschaft gegen den Beklagten im Mai 1985 Klage auf Feststellung, daß sie ihm keinen weiteren Fuhrlohn schulde. In jenem Verfahren legte der Beklagte eine Leseabschrift des von einem Tonstudio teilweise besser hörbar gemachten Tonbandes über das Telefongespräch vor; ferner wurden die Ehefrau des Beklagten und der Kläger als Zeugen über den Inhalt des Gesprächs vernommen. Der Rechtsstreit endete in erster Instanz mit der Abweisung der Feststellungsklage; zugleich wurde auf die Widerklage des Beklagten die L. R. Bau GmbH zur Zahlung der Frachtdifferenz und zur Erstattung der Prozeßkosten des Beklagten aus dem Rechtsstreit gegen die R. Tief- und Straßenbau GmbH verurteilt. Über die Berufung der L. R. Bau GmbH ist noch nicht entschieden.
Kurz vor Rechtshängigkeit des vorgenannten Verfahrens hat der Kläger die vorliegende Klage auf Löschung des Tonbandes erhoben und zur Begründung vorgetragen, er fühle sich durch den Beklagten in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Beklagte hat ein Schreiben seiner früheren Rechtsanwälte vom 25. April 1985 vorgelegt, in dem er dem Kläger hatte mitteilen lassen, daß von dem Tonband „außerhalb eines gegen die Firma R. (= L.R. Bau GmbH) zu führenden Verfahrens kein Gebrauch gemacht wird”. Auch hat er sich mit Schriftsatz vom 20. Februar 1986 bereit erklärt, dem Kläger nach rechtskräftigem Abschluß des gegen die L. R. Bau GmbH geführten Prozesses das Tonband zum Zwecke der Löschung zur Verfügung zu stellen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Löschung der Tonaufzeichnungen und Auskunft weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht meint, die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil ihr einziger Sinn sein könne, in die wegen der restlichen Fuhrlohnansprüche des Beklagten anhängigen oder zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten einzugreifen und den damit befaßten Gerichten die Prüfung der Frage zu entziehen, ob die Tonbandaufnahme als Beweismittel verwertbar sei. Der Kläger könne sein Interesse an der Nichtverwertung der Aufnahme als Beklagter oder auch als Zeuge in ausreichender Weise in jenen Verfahren geltend machen; diese Rechtsschutzgarantie lasse ähnlich wie bei Ehrenschutzklagen gegenüber Parteivorbringen und Zeugenaussagen einen weitergehenden Anspruch, durch den der Kläger in die anderen Prozesse hineinwirken könne, als unbegründet erscheinen. Auch verhalte der Kläger sich treuwidrig, da er sich in dem Verfahren gegen die von ihm geführte R. Tief- und Straßenbau GmbH mit der Verwertung des Tonbandes einverstanden erklärt habe. Schließlich könne er das einzige Ziel seiner Klage, die Beseitigung eines objektiven Beweismittels, ohnehin nicht erreichen, weil er selbst bei einem Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit in den anderen Verfahren eine Beweisführung des Beklagten durch das Zeugnis des Richters, der das Tonband abgehört habe, nicht vereiteln könne.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitern die Klageansprüche nicht daran, daß mit ihnen in anhängige oder künftige Rechtsstreitigkeiten über rechtliche Fuhrlohnforderungen des Beklagten eingegriffen und auf diese Weise den dafür zuständigen Gerichten die Entscheidung über die Verwertbarkeit des Tonbandes als Beweismittel entzogen würde. Die vom Berufungsgericht insoweit gezogene Parallele zum Ausschluß gesonderter Ehrenschutzklagen gegenüber Parteivorbringen und Zeugenaussagen in anderen Prozessen erweist sich als nicht stichhaltig.
a) Daß ehrkränkende Zußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem gerichtlichen Verfahren (= Ausgangsverfahren) dienen, regelmäßig nicht mit gesonderten Ehrenschutzklagen abgewehrt werden können, hat seinen wesentlichen Grund darin, daß das Ausgangsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Zußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden soll. In einem schwebenden Verfahren sollen die Parteien alles, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, selbst dann vortragen dürfen, wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird; in gleicher Weise sollen auch die Zeugen ihre Bekundungen frei von der Befürchtung, mit einer Widerrufs- oder Unterlassungsklage überzogen zu werden, abgeben können. Ob das Parteivorbringen wahr, die Zeugenaussagen richtig und die geschilderten Tatsachen für die Entscheidung erheblich sind, wird allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft; mit der Wahrung der schutzwürdigen Belange der Betroffenen und den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es unvereinbar, wenn diese Kompetenzregelung durch die Möglichkeit einer gesonderten Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem separaten Prozeß unterlaufen werden könnte. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine solche Abwehrklage grundsätzlich das Rechtschutzbedürfnis (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1977 – VI ZR 111/75 – GRUR 1977, 745, 747, insoweit nicht in BGHZ 69, 181 abgedruckt; vom 5. Mai 1981 – VI ZR 184/79 – NJW 1981, 2117, 2118 und vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85 – NJW 1986, 2502, 2503; BGH, Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85 – ZIP 1987, 1081 1082f).
b) Diese Grundsätze gelten jedoch nicht in gleicher Weise für Abwehransprüche gegenüber Tonbandaufnahmen, die im Ausgangsverfahren als Beweismittel benutzt werden sollen. Zwar fällt es auch bei ihnen in die Kompetenz des für jenes Verfahren zuständigen Gerichts, die Eignung der Aufnahmen als Beweismittel zu prüfen; sind die Tonaufzeichnungen durch Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines anderen erlangt worden und würde dieser Grundrechtsverstoß durch eine Beweiserhebung perpetuiert werden, so ist die Verwertung der Aufnahmen als Beweismittel grundsätzlich ausgeschlossen (BVerfGE 34, 238, 247; BGHSt 14, 358, 363; Senatsurteil vom 24. November 1981 – VI ZR 164/79 – VersR 1982, 191, 192f). Anders als bei Parteibehauptungen und Zeugenaussagen, deren Bedeutung vorwiegend in ihrer prozessualen Relevanz für das Ausgangsverfahren liegt, stellen aber heimliche Tonbandaufnahmen auch außerhalb des Ausgangsverfahrens allein schon durch ihre Existenz für den Betroffenen einen gewichtigen Eingriff in seine Persönlichkeit dar. Solange der Tonträger weiterhin zur Verfügung des Beweisführers steht, ist diesem das Wort des Betroffenen auch zu einer Zeit verfügbar, zu der es nicht gesprochen wird, und gerade darin liegt bereits die Verkürzung des Selbstbestimmungs- und Selbstentfaltungsrechts des von der Aufzeichnung Betroffenen. Deshalb kann diesem das Rechtschutzinteresse an der Beseitigung der Störung mit einer Klage aus prozessualen Gründen weder generell abgesprochen noch in der Weise verkürzt werden, daß er die Existenz des Tonbandes jedenfalls so lange hinnehmen müßte, bis ein damit befaßtes oder gar erst noch zu befassendes Gericht in einem Verfahren, in dem der Tonträger als Beweismittel angeboten wird, dessen Unverwertbarkeit feststellt. Vielmehr darf der Betroffene, dem wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Löschung des Tonbandes zusteht, aufgrund dieser Rechtsposition dem über die Tonaufnahme verfügenden Beweisführer grundsätzlich auch die prozessuale Verwertung zu Beweiszwecken verbieten (vgl. auch Senatsurteil vom 24. November 1981 = aaO).
Aus demselben Grunde kann in solchen Fällen entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts die auf Löschung gerichtete Abwehrklage nicht schon an der erklärten Absicht des Gegners scheitern, das Tonband als Beweismittel in anderen Rechtsstreitigkeiten zu verwenden (siehe auch Baumgärtel, Festschrift für Ulrich Klug (1983) S. 477, 483f, 491).
2. Im Streitfall ist der Kläger durch die von ihm nicht genehmigte Aufzeichnung des mit der Ehefrau des Beklagten geführten Telefongesprächs in seinem durch Art. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt worden, so daß ihm gemäß §§ 823, 1004 BGB prinzipiell die geltend gemachten Abwehransprüche zustehen können.
a) Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht in Frage, daß die Unzulässigkeit nicht genehmigter Tonbandmitschnitte sich auch auf sich mit rein geschäftlichen Dingen befassende Telefongespräche erstreckt. Für mündliche Zußerungen, insbesondere in einem Gespräch unter vier Augen oder einem Telefongespräch, ist charakteristisch, daß sie im Bewußtsein der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes und seiner jederzeitigen Korrigierbarkeit gemacht werden. Das gilt nicht anders für telefonische Besprechungen über geschäftliche Angelegenheiten. Prinzipiell kennzeichnet auch sie die Individualität der an dem Gespräch Beteiligten in Gedankenführung und Ausdruck, soweit es nicht um die bloße Übermittlung von geschäftlichen Zahlen oder Daten, um von der persönlichen Sphäre des Sprechenden völlig losgelöste Erklärungen wie reine Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen oder um ähnlich standardisierte Nachrichten geht (vgl. BVerfGE 34, 238, 247; BGHZ 27, 284, 286). Deshalb greift die Fixierung und Konservierung auch eines sich nur mit geschäftlichen Dingen befassenden Telefongesprächs in einer Tonbandaufnahme weil mit ihr der aus der Spontaneität, heraus formulierte Gedanke in dieser Verfestigung mit der Möglichkeit der jederzeitigen Abrufbarkeit und Wiederholbarkeit objektiviert wird, in das Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort so intensiv ein, daß die Aufzeichnung ebenso wie ihre Verwertung grundsätzlich nur mit Einwilligung des Betroffenen als rechtmäßig angesehen werden kann. Diese auch der Strafvorschrift des § 201 StGB zugrundeliegende Betrachtung ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt (BVerfGE 34, 238, 246ff; 54, 148, 153f; BGHZ 27, 284, 288ff; 73, 120, 122ff; 80, 25, 42; zuletzt Senatsurteil vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85 – VersR 1987, 778, 780).
Die aufgezeigten Grundsätze werden auch nicht, wie es das Berufungsgericht ersichtlich für denkbar hält, durch eine sich der Möglichkeiten des technischen Fortschritts bedienende Praxis des geschäftlichen Verkehrs in Frage gestellt. Denn auch im Geschäftsleben ist, von den dargelegten Ausnahmen abgesehen, das gesprochene Wort von der Individualität des Sprechenden nicht zu trennen, und deshalb geht es auch in diesem Bereich um den höchstpersönlichen Schutz des Individuums in der Gemeinschaft. Eine etwa durch technischen Fortschritt ermöglichte Übung, die in die persönliche Sphäre des Geschäftspartners eingreifen würde, müßte entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Schutzbedürfnis des einzelnen umso stärker hervortreten lassen.
b) Der Kläger kann seine Ansprüche auf Löschung des Tonbandes auch gegen den Beklagten richten. Zwar hat nicht der Beklagte, sondern seine Ehefrau das Gespräch mit dem Kläger aufgezeichnet, und der Kläger behauptet auch nicht, daß dem etwa eine Absprache mit dem Beklagten vorausgegangen sei. Der Eingriff des Beklagten in die geschützte Eigensphäre des Klägers liegt jedoch jedenfalls darin, daß sich der Beklagte mit der im Prozeß durch seinen Beweisantrag erklärten Bereitschaft, das in seinem Besitz befindliche Tonband als Beweismittel einzusetzen, die von seiner Ehefrau geschaffene Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zunutze macht und auf diese Weise den Grundrechtsverstoß perpetuiert. Das ermöglicht dem Kläger, seine Abwehrrechte gegen den Beklagten geltend zu machen (vgl. BGHZ 27, 284, 288, 290f; BGHSt 14, 358, 360).
3. Der Eingriff des Beklagten in die persönliche Sphäre des Klägers erweist sich im Streitfall auch als widerrechtlich.
a) Der Besitz und die vom Beklagten beabsichtigte Verwendung des Tonbandes in dem Prozeß gegen die L. R. Bau GmbH sind nicht von einer Einwilligung des Klägers gedeckt. Dieser hat sich zwar in dem vom Beklagten zuvor geführten Rechtsstreit gegen die R. Tief- und Straßenbau GmbH mit dem Abspielen des Tonbandes einverstanden erklärt. Das bedeutet aber nicht, daß der Kläger insoweit unter endgültigem Verzicht auf den Schutz seines gesprochenen Wortes dem Beklagten die Tonbandaufnahme zur beliebigen Benutzung auch in weiteren gerichtlichen Verfahren überlassen hätte. Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger, wie er geltend macht, in dem Prozeß gegen die R. Tief- und Straßenbau GmbH durch den Antrag des Beklagten auf Abspielen des zum Verhandlungstermin mitgebrachten Tonbandes „überrumpelt” worden ist. Jedenfalls steht seine damalige Einwilligung für einen konkreten Prozeß ihrer späteren Verweigerung in einem anderen gerichtlichen Verfahren schon deshalb nicht entgegen, weil sich die Rechtsgutverletzung durch den Beklagten nicht in einem einmaligen, abgeschlossenen Verletzungsakt erschöpft hat, sondern das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch den Besitz des Beklagten an der Tonbandaufnahme mit der dadurch gegebenen Verfügbarkeit fortwährend weiter beeinträchtigt wird. Bei solcher Sachlage gehört es zum Wesensgehalt des Selbstbestimmungsrechts, auch darüber frei entscheiden zu können, ob und ggfls. bis zu welchem Zeitpunkt der Verletzte die Störung hinnehmen und ab wann er ihrer Fortdauer mit Abwehrrechten begegnen will. Deshalb stand es im Streitfall im Belieben des Klägers, erst der weiteren Verletzung seiner Eigensphäre durch den Beklagten zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt entgegenzutreten.
b) Der Beklagte kann sich zur Rechtfertigung seiner Verletzungshandlung nicht auf Notwehr oder eine notwehrähnliche Lage berufen. Deren Voraussetzungen liegen nur vor, wenn eine heimliche Tonaufzeichnung zur Dokumentierung erpresserischer Drohungen oder ähnlicher strafbaren Handlungen, insbesondere zur Feststellung der Identität von Straftätern, oder aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen mangels anderer in Betracht kommender Beweismittel im Interesse einer wirksamen Rechtspflege erforderlich ist (BVerfGE 34, 238, 248f; BGHZ 27, 284, 289f; Senatsurteil vom 24. November 1981 = aaO). Einen solchen Sachverhalt trägt der Beklagte hier nicht vor.
c) Der Besitz des Beklagten an der Tonbandaufnahme zum Zwecke ihrer prozessualen Verwendung als Beweismittel stellt sich auch nicht aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung als rechtmäßig dar.
aa) Der Revisionserwiderung ist zwar dahin zu folgen, daß das Persönlichkeitsrecht keinen absoluten Schutz vor Eingriffen gewährt, sofern es, wie hier, nicht um die Intimsphäre des Betroffenen und damit um den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung geht (BVerfGE 34, 238, 245, 248ff; BGHZ 73, 120, 124; Senatsurteil vom 24. November 1981 = aaO).
Außerhalb dieser unantastbaren Sphäre ist über die Frage, ob dem durch eine heimliche Tonbandaufnahme in seinem Selbstbestimmungsrecht Verletzten gemäß §§ 823, 1004 BGB Abwehransprüche zustehen, aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Seiten zu entscheiden (BVerfGE 34, 238, 248; BGHZ 24, 72, 80; 27, 284, 289f; 73, 120, 124; Senatsurteil vom 24. November 1981 = aaO). Dabei kann aber, da das Grundgesetz dem Persönlichkeitsrecht einen hohen Stellenwert zuweist, dem Interesse, eine ohne Einwilligung erstellte Tonaufzeichnung in einem Rechtsstreit als Beweismittel zu benutzen, nur in besonderen Ausnahmefällen Vorrang vor dem Schutz des gesprochenen Wortes zukommen. Das allgemeine private Interesse, sich über den Inhalt eines Gesprächs ein Beweismittel für eine mögliche Auseinandersetzung zu verschaffen und dieses dann in einem etwaigen Prozeß zu verwenden, um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen, reicht dazu nicht aus (BGHZ 27, 284, 290; Senatsurteil vom 24. November 1981 = aaO).
bb) Im Streitfall hat der Beklagte keine Umstände dargetan, die sein Interesse an der beweismäßigen Verwendung der Tonaufzeichnung in dem Rechtsstreit gegen die L. R. Bau GmbH über das allgemeine Beweisinteresse jeder Prozeßpartei so sehr hinausheben könnten, daß ihm der Vorrang vor dem Recht des Klägers zur Selbstbestimmung über sein gesprochenes Wort eingeräumt werden müßte. Selbst wenn unterstellt wird, daß in dem genannten Fuhrlohnrechtsstreit trotz dort erfolgter Zeugenvernehmung der Ehefrau des Beklagten wie auch des Klägers über den Inhalt des Telefongesprächs und trotz eingereichter Leseabschrift der Tonaufzeichnung der Nachweis der vom Beklagten behaupteten Zußerungen des Klägers von der Benutzung des Tonbandes als Beweismittel abhängt, und wenn weiter angenommen wird, daß dieser Nachweis für die Wirksamkeit der von der L. R. Bau GmbH erhobenen Verjährungseinrede erheblich ist, so kommt alledem doch kein größeres Gewicht zu, als es auch jede andere Partei an der Verwendung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels zur Durchsetzung ihrer Ansprüche hätte. Das reicht aber, wie gesagt, nicht aus, um den Abwehranspruch des Klägers zu Fall zu bringen.
d) Die Erhebung der Abwehrklage gegen den widerrechtlichen Eingriff des Beklagten kann schließlich auch nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Dazu genügt es nicht, daß es dem Kläger, wie die Revisionserwiderung geltend macht, mit seiner Klage der Sache nach gar nicht um den Schutz seiner Persönlichkeit und die Selbstbestimmung über sein gesprochenes Wort, sondern allein um – dazu noch unberechtigte – Vermögensinteressen gehe, die er bei einer Verwendung der Tonbandaufnahme als Beweismittel für gefährdet halte. Selbst wenn das so ist, dann liegt deswegen allein in der Klageerhebung noch kein Rechtsmißbrauch. Stehen nämlich, wie hier in der Person des Klägers, die Verletzung des Persönlichkeitsrechts und ihre Widerrechtlichkeit fest, dann bedarf die Verfolgung der darauf gegründeten Abwehransprüche des Verletzten keiner weitergehenden Rechtfertigung; insbesondere erfordert eine Klage auf Beseitigung der Störung keine Darlegung der vom Kläger letztlich erstrebten Ziele und ihrer Schutzwürdigkeit. Insoweit gehört es zum Inhalt des hier betroffenen Selbstbestimmungsrechts, die Motive für seine Ausübung nicht anderen zur Billigung stellen zu müssen.
4. Ebenso wie die Abweisung des auf Löschung des Tonbandes gerichteten Klagebegehrens zu 2) hält auch die Abweisung der auf Auskunft und auf Löschung von Aufnahmekopien und Hörbarmachungen gerichteten Klageanträge zu 3) bis 5) durch das Berufungsgericht der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht mit den niedergelegten Gründen seiner Entscheidung, der Beklagte habe keine Einflußmöglichkeit auf ein mögliches Duplikat des besser hörbar gemachten Tonbandes und auch keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen weiterer Kopien, entgegen § 286 Abs. 1 ZPO den Streitstoff nicht ausgeschöpft. So hatte der Kläger unbestritten vorgetragen, der Beklagte (und nicht dessen Ehefrau) habe bei einem Tonstudio die Hörbarmachung anfertigen lassen, was vertragliche Ansprüche auf Löschung etwaiger dort vorhandener Kopien nahelegen konnte, deren Existenz der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 1. Juli 1985 nicht in Abrede gestellt hat. Falls dem Berufungsgericht dieser Vortrag zur Darlegung der geltend gemachten Ansprüche nicht ausreichte, hätte es gemäß § 139 Abs. 1 ZPO auf eine für erforderlich gehaltene Ergänzung hinwirken müssen.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Gemäß § 565 Abs. 1 ZPO ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Neben den Klageanträgen zu 3) bis 5) bedarf auch der auf Löschung des Tonbandes gerichtete Klageanspruch zu 2) noch der weiteren Verhandlung, weil insoweit bislang allein über die generelle Berechtigung dieses Begehrens, nicht aber darüber verhandelt worden ist, in welchem Umfang der Anspruch gegeben sein kann. So ist nach dem Vortrag der Parteien und dem Inhalt der zu den Gerichtsakten eingereichten Leseabschrift der Tonaufzeichnung davon auszugehen, daß gerade am Beginn der Aufnahme, bei dem sich das Telefongespräch auf die etwaige Übernahme der R. L. Bau GmbH bezieht, woraus der Beklagte sein Beweisinteresse herleitet, allein die Stimme der Ehefrau des Beklagten, nicht aber diejenige des Klägers zu hören ist. Ob und wodurch der Kläger auch insoweit in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist, bedarf deshalb ebenso noch des ergänzenden Vortrags und der Verhandlung der Parteien wie die Frage, ob auch bei dem weiteren Inhalt der Tonaufzeichnung dem Abwehrinteresse des Klägers schon durch Löschung seiner Stimme genügt wird oder ob und aus welchen Gründen dazu auch die vom Klageantrag ebenfalls umfaßte Löschung der Stimme der Ehefrau des Beklagten erforderlich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 650394 |
NJW 1988, 1016 |
GRUR 1988, 399 |
ZIP 1987, 1572 |
AfP 1988, 185 |
JZ 1988, 304 |