Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Werts eines Unterlassungsanspruchs. Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts. Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusterverletzung. Schadensersatzanspruch. Erstinstanzliche Gegenstandsbewertung. Kosten anwaltlicher Beratung. Gegenstandswert. Erhöhung der Geschäftsgebühr
Leitsatz (amtlich)
a) Die Ermittlung des Werts eines Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts erfordert eine Prognose, mit der sowohl der künftige Wert des Schutzrechts für den Anspruchsgläubiger als auch die Gefährdung der Realisierung dieses Werts durch den als Verletzer in Anspruch Genommenen abgeschätzt wird.
b) Die Geltendmachung einer Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusterverletzung rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme, der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sei umfangreich oder schwierig.
Normenkette
ZPO § 3; RVG § 14 Abs. 1, § 23 Abs. 1; RVG VV Nr. 2300
Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 06.06.2012; Aktenzeichen 72 S 4026/11) |
AG Augsburg (Entscheidung vom 08.09.2011; Aktenzeichen 17 C 2055/11) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Augsburg vom 6.6.2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin erwarb von der Beklagten, die einen Versandbuchhandel betreibt, zusammen mit einem dort bestellten Buch eine Einkaufstasche mit Kühlfach. Später bot sie diese Tasche über das Internetauktionshaus eBay zum Verkauf an. Daraufhin wurde sie anwaltlich im Auftrag eines dritten Unternehmens, dem Rechte an einem Gebrauchsmuster und einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster an der Tasche zustehen, abgemahnt und aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben, Auskunft zu erteilen, Rechnung zu legen, schutzrechtsverletzende Gegenstände in ihrem Besitz zu vernichten, ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz anzuerkennen und die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Diese waren im Abmahnschreiben auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 100.000 EUR berechnet (2.115,26 EUR). Die Kosten der Abmahnung übernahm die Beklagte, wobei sie sich mit der Schutzrechtsinhaberin der Höhe nach vergleichsweise auf Zahlung von 500 EUR einigte.
Rz. 2
Die Klägerin ließ die Berechtigung der Abmahnung ihrerseits von ihren jetzigen erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden nur: Prozessbevollmächtigten) prüfen, die dafür eine ebenfalls nach einem Gegenstandswert von 100.000 EUR berechnete 1,5-fache Geschäftsgebühr in Rechnung stellten.
Rz. 3
Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieser 1,5-fachen, zuletzt nach einem Gegenstandswert von 95.000 EUR berechneten Geschäftsgebühr verlangt. Das AG hat ihr eine 1,3-fache Gebühr nach einem Gegenstandswert von 50.000 EUR zugesprochen; das LG hat demgegenüber nur den Ansatz eines Gegenstandswertes von 10.000 EUR für angemessen erachtet, die Beklagte zur Zahlung von rund 776 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Rz. 4
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Erstattungsbegehren in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB zu. Die Höhe des Anspruchs richte sich nach den tatsächlich gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstandenen Kosten, wobei sich der anzusetzende Gegenstandswert nach dem Wert der vom Schutzrechtsinhaber geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung richte. Dafür sei ein Betrag von 10.000 EUR angemessen. Das Abmahnschreiben sei seinem vorgefertigten Text nach zu urteilen auf ganz andere Empfängerkreise und Verstöße ganz anderen Ausmaßes zugeschnitten als im Streitfall, wo die Klägerin einmalig eine einzige Tasche bei eBay zum Verkauf angeboten und zudem unvorsätzlich gehandelt habe. Der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 100.000 EUR sei demnach übersetzt und der Bedeutung der Sache unangemessen gewesen. Dies zeige sich auch daran, dass der Schutzrechtsinhaber schließlich eine Pauschalzahlung von 500 EUR akzeptiert habe. Das AG habe zutreffend nur eine 1,3-fache Gebühr nach RVG VV Nr. 2300 in Ansatz gebracht; die Tätigkeit der von der Klägerin beauftragten Rechtsanwälte sei weder besonders schwierig noch umfangreich gewesen.
Rz. 7
II. Gegen diese Beurteilung wendet die Revision sich ohne Erfolg.
Rz. 8
1. Gegenstand der revisionsrechtlichen Nachprüfung ist nach der Begründung für die Zulassung der Revision im Berufungsurteil eindeutig nur die Höhe des Klageanspruchs. Auf sie kann die Zulassung nach der Rechtsprechung des BGH beschränkt werden und dies kann auch in den Gründen geschehen (BGH, Urt. v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491; Beschl. v. 12.4.2011 - II ZB 14/10, ZIP 2011, 1587 für die auf die Festsetzung einer Verfahrensgebühr beschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde).
Rz. 9
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den vom AG zuerkannten Betrag nicht herabsetzen dürfen, weil es an einem zulässigen Angriff der Beklagten gegen die erstinstanzliche Gegenstandsbewertung in ihrer Anschlussberufung gefehlt habe.
Rz. 10
Nach §§ 524 Abs. 3 Satz 2, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist erforderlich, dass die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnet, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Danach müssen die rechtlichen Aspekte dargelegt werden, die der Berufungsführer als unzutreffend beurteilt ansieht, und die tatsächlichen oder rechtlichen Gründe angegeben werden, aus denen er die Fehlerhaftigkeit der rechtlichen Beurteilung und die Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ableiten will (BGH, Beschl. v. 21.5.2003 - VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580; Beschl. v. 23.10.2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rz. 10). Diesen Anforderungen wird die Anschlussberufung der Beklagten gerecht, da sie erkennen lässt, dass und aus welchen Gründen sie den vom AG angesetzten Gegenstandswert von 50.000 EUR für übersetzt hält.
Rz. 11
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten ihrer Gebührenrechnung nicht einen Gegenstandswert von 95.000 EUR, sondern nur von 10.000 EUR zugrunde legen dürfen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 12
a) Hat der Schuldner, wie hier, gem. § 280 Abs. 1 BGB für die Kosten anwaltlicher Beratung einzustehen, die der Gläubiger im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis in Anspruch nehmen durfte, ist der Höhe nach die Vergütung zu erstatten, die der Rechtsanwalt nach den einschlägigen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes von seinem Auftraggeber verlangen kann.
Rz. 13
b) Der Gegenstandswert ist in einem solchen Fall gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das hiernach maßgebliche Interesse des Schutzrechtsverletzers bemisst sich nach dem Wert der ihm infolge der Inanspruchnahme aus den Schutzrechten drohenden Nachteile.
Rz. 14
aa) Zu diesen Nachteilen gehören zum einen die dem Schutzrechtsinhaber für die Abmahnung zu erstattenden Kosten. Dafür ist im Streitfall auf das Risiko der Klägerin abzustellen, eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 100.000 EUR (2.094,64 EUR) erstatten zu müssen. Ob insb. der Ansatz dieses Gegenstandswerts durchsetzbar gewesen wäre, ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig erheblich, wie der Umstand, dass die Schutzrechtsinhaberin sich letztlich mit Zahlung von 500 EUR begnügt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerade auch zu prüfen hatten, ob dieser Gegenstandswert und die Gebühr angemessen waren.
Rz. 15
bb) Die bei Bewertung des Interesse des Schutzrechtsverletzers zu berücksichtigenden Nachteile entsprechen zum anderen regelmäßig dem korrespondierenden Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche. Denn die wirtschaftliche Bedeutung der gegenüber dem Schuldner erhobenen Ansprüche spiegelt den wirtschaftlichen Wert derjenigen des Gläubigers wider (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2013 - I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rz. 12 - Beschwer des Unterlassungsschuldners).
Rz. 16
Der Wert des dazu in erster Linie gehörenden Unterlassungsanspruchs kann regelmäßig nur pauschalierend auf der Grundlage der im Einzelfall bekannten Indiztatsachen prognostiziert werden. Die Prognose gilt zum einen dem Wert des Schutzrechts unter Berücksichtigung der Bedeutung seines Gegenstands und der noch verbleibenden Laufzeit, zum anderen der Einschätzung, inwieweit die Realisierung dieses Werts durch den Verletzer in Zukunft gefährdet werden könnte. Dafür bietet der Umfang der bereits begangenen Verletzungen regelmäßig den greifbarsten Anhaltspunkt. Daneben können allgemein Art und Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit, vorhandene betriebliche Einrichtungen und Handelsbeziehungen, personelle Ausstattung sowie Finanzkraft sowohl des Schutzrechtsinhabers als auch des Verletzers Anhaltspunkte dafür bieten, welche Benutzungshandlungen künftig zu erwarten sind. Auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers, wie etwa der Verschuldensgrad, können schließlich Rückschlüsse auf die vom Verletzer ausgehende Gefährdung der Rechte des Schutzrechtsinhabers zulassen (vgl. BGH GRUR 2013, 1067 Rz. 12 - Beschwer des Unterlassungsschuldners; Beschl. v. 24.2.2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 261 Rz. 2).
Rz. 17
cc) Hiernach hat das Berufungsgericht die Bemessung des Gegenstandswerts durch die Vertreter der Klägerin auf zuletzt 95.000 EUR zu Recht für unbillig erachtet, wohingegen die rechtliche Nachprüfung seiner Festsetzung des Wertes auf 10.000 EUR, die als Ausübung tatrichterlichen Ermessens revisionsrechtlich nur darauf hin zu überprüfen ist, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Umstände beachtet worden sind (BGH, Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rz. 22 - Resellervertrag; Urt. v. 29.7.2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 Rz. 51 - BTK; Urt. v. 12.7.2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rz. 56 - Solarinitiative), keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin aufdeckt.
Rz. 18
(1) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen, dass es sich nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, bei dem die Klägerin eine einzige, von der Beklagten erworbene schutzrechtsverletzende Tasche zum Verkauf angeboten hat. Es hat zu Recht angenommen, dass dieser vereinzelte Verletzungsfall nicht nur für sich genommen von sehr geringer wirtschaftlicher Bedeutung für die Verwertung der Ausschließlichkeitsrechte des Schutzrechtsinhabers war, sondern auch keine Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, diesen Rechten drohe künftig nennenswerte weitere Beeinträchtigung vonseiten der Klägerin. Schließlich hat das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - keine Feststellungen getroffen, die aus anderen Gründen, insb. nach der bisherigen Betätigung der Klägerin und ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, auf die Gefahr nennenswerter zukünftiger Beeinträchtigungen der Rechte des Schutzrechtsinhabers hindeuteten.
Rz. 19
Das Berufungsgericht hat, indem es auf die Einmaligkeit der Rechtsverletzung abgestellt hat, entgegen den Rügen der Revision nicht verkannt, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist und auch nicht den Vortrag der Klägerin übergangen, bei einem erfolglosen Angebot über eine Internetauktionsplattform sei die erneute Einstellung des angebotenen Produkts nicht unüblich. Das Berufungsgericht hat den Umstand, dass das Angebot über die Internetauktionsplattform eBay erfolgte, die dem Nutzer die einfache Möglichkeit bietet, einen Artikel erneut anzubieten, berücksichtigt, hieraus jedoch rechtsfehlerfrei nicht abgeleitet, dass dem Unterlassungsbegehren des Schutzrechtsinhabers nach den Umständen des Streitfalls ein erheblicher wirtschaftlicher Wert zukam.
Rz. 20
(2) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch nicht den vom Schutzrechtsinhaber mit der Abmahnung geltend gemachten Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Vernichtungsansprüchen jede Bedeutung für die Wertbemessung abgesprochen. Die Formulierung im Berufungsurteil, diese Ansprüche beträfen die Klägerin "nicht einmal im Ansatz", ist zwar missverständlich, weil die Beklagte bereits aufgrund des einzigen, den Anlass der Abmahnung bildenden Verletzungsfalls sowohl zur Rechnungslegung und zum Schadensersatz als auch zur Auskunft und zur Vernichtung des schutzrechtsverletzenden Erzeugnisses verpflichtet war, sofern sich dieses noch in ihrem Besitz befand. Das Berufungsgericht hat damit ersichtlich aber lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass angesichts der Einmaligkeit und Geringfügigkeit des Verletzungsfalles nicht nur der Unterlassungsanspruch, sondern auch und erst recht die weiteren geltend gemachten Ansprüche von geringer wirtschaftlicher Bedeutung seien.
Rz. 21
Soweit das Berufungsgericht die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von Schadensersatz in diesem Zusammenhang als "wirtschaftlich gesehen minimal" bezeichnet hat, deutet dies auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands auf eine ermessensfehlerhafte Wertbemessung hin, dass dabei von der Beklagten zunächst verlangte Abmahnkosten von mehr als 2.000 EUR (oben II 3b aa) zu berücksichtigen waren. Ersichtlich hatte das Berufungsgericht bei dieser Einschätzung weniger die absolute Höhe des der Klägerin möglicherweise zur Last fallenden Schadensbetrages im Auge, als vielmehr den daraus zu schätzenden Gegenstandswert für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten, auf den es im Prozess ankam und der mit insgesamt 10.000 EUR auch unter Berücksichtigung jener 2.094,64 EUR immer noch ausreichend bemessen erscheint.
Rz. 22
4. Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Gebühr nicht auf den 1,5-fachen Satz bemessen werden kann, sondern nur der 1,3-fache Satz angemessen ist.
Rz. 23
a) Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über den 1,3-fachen Regelsatz hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, wohingegen die Schwellengebühr von 1,3 die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle ist (BGH, Urt. v. 31.10.2006 - VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 Rz. 8; Urt. v. 13.1.2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603 Rz. 16; Urt. v. 11.7.2012 - VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rz. 8).
Rz. 24
b) Die Forderung einer 1,5-fachen Gebühr war nicht nach der Toleranzrechtsprechung von vornherein der Nachprüfung entzogen. Danach ist die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % zwar nicht unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Diese Toleranzrechtsprechung ist aber nicht in dem Sinne anwendbar, dass für eine weder umfangreiche noch schwierige, mithin nur durchschnittliche Sache eine den 1,3-fachen Gebührensatz übersteigende Vergütung verlangt werden kann, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nach RVG VV Nr. 2300 vorlägen (BGH NJW 2012, 2813 Rz. 8 ff.). Der IX. Zivilsenat hält an seiner anderslautenden Rechtsprechung nicht fest (BGH NJW 2012, 2813 Rz. 12). Entsprechendes gilt für den VI. Zivilsenat (Urt. v. 5.2.2013 - VI ZR 195/12, NJW-RR 2013, 1020 Rz. 8).
Rz. 25
c) Gebrauchsmuster- oder Gemeinschaftsgeschmacksmusterschutzsachen können nicht allein wegen ihres Gegenstands pauschal als überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig bewertet werden. Dies gilt insb., wenn, wie hier, weder die Schutzfähigkeit in Ansehung des Standes der Technik bzw. vorbekannter Gestaltungen zu beurteilen ist noch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung aufwendige oder komplexe Prüfungen erforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 Rz. 22 - Rettungsdienstleistungen II).
Rz. 26
Die Nachprüfung der auch insoweit dem Tatrichter obliegenden und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung (oben II 3b bb) deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf. Das Berufungsgericht hat die Ansetzung eines 1,5-fachen Gebührensatzes rechtsfehlerfrei als unbillig erachtet, nachdem sich die Sache als Angelegenheit von nur durchschnittlichem Umfang und Schwierigkeitsgrad erwiesen hat.
Rz. 27
d) Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Ansicht der Klägerin, auf den Streitfall sei § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG anzuwenden und danach trage, was das Berufungsgericht verkannt habe, die Beklagte als Dritte i.S.d. Vorschrift die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit, geht fehl. Als Beweislastregel hat der V. Zivilsenat des BGH diese Norm auf einen prozessualen, auf eine gerichtliche Kostengrundentscheidung gestützten Erstattungsanspruch angewendet (BGH, Beschl. v. 20.1.2011 - V ZB 216/10 Rz. 10). Im Streitfall gelten dagegen die allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln, denen zufolge die Klägerin dartun muss, dass die geltend gemachte Forderung nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in voller Höhe gerechtfertigt ist. Dieses Verständnis der Norm liegt auch dem Urteil des VIII. Zivilsenats vom 11.7.2012 (BGH NJW 2012, 2813) zugrunde.
Rz. 28
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 6355501 |
BB 2014, 65 |