Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßführungsbefugnis eines Berufsverbands. irreführende Werbung mit der Berufsbezeichnung Bilanzbuchhalter
Leitsatz (amtlich)
Bilanzbuchhalter
- Zur Frage der Prozeßführungsbefugnis eines Berufsverbandes (hier eines Verbandes der Buchführungshelfer, Datenerfasser, Kaufmannsgehilfen und verwandter Berufe) nach UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2.
- Wirbt ein Selbständiger, der nur im Rahmen des StBerG § 6 Nr. 4 zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, unter blickfangmäßiger Herausstellung der Bezeichnung „Bilanz- und Lohnbuchhalter” für seine Leistungen, ist seine Werbung auch dann irreführend im Sinne des UWG § 3, wenn er vor einer Industrie- und Handelskammer eine Prüfung zum Bilanzbuchhalter abgelegt hat.
Normenkette
StBerG § 6 Nr. 4; UWG §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 15.02.1989; Aktenzeichen 3 U 187/88) |
LG Bamberg (Urteil vom 01.06.1988; Aktenzeichen 1 HK O 7/88) |
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verband, der – wie es in seiner Satzung heißt – die beruflichen Belange der „Buchführungshelfer, Datenerfasser, Kaufmannsgehilfen und der verwandten Berufe” wahrnimmt.
Der Beklagte hat vor der Industrie- und Handelskammer Nürnberg eine „Prüfung zum Bilanzbuchhalter” abgelegt und an einem Lehrgang der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken Bayreuth „Aktuelle Lohnbuchhaltung” zur „Aus- und Fortbildung von Lohnbuchhaltern” teilgenommen. Am 17. Oktober 1987 warb er in der Tageszeitung „Fränkischer Tag” in der Rubrik „Geschäftsverbindungen” mit folgender Anzeige:
Bilanz- und Lohnbuchhalter verbucht die laufenden Geschäftsvorfälle
Ihrer Finanzbuchführung und Lohnbuchführung anhand Ihrer täglich anfallenden Geschäftsbelege undübernimmt Ihre monatliche Datenverarbeitung und Betriebsberatung pünktlich, preiswert, ordnungsgemäß.
Rufen Sie doch mal an!
Telefon …
Der Kläger beanstandet diese Anzeige als irreführend, weil sie den falschen Eindruck erwecke, der Beklagte sei auch befugt, Bilanzen zu erstellen. Er dürfe jedoch als Selbständiger nur die laufenden Geschäftsvorfälle der Finanz- und Lohnbuchführung verbuchen und die zugrundeliegenden Belege mit dem Buchungssatz versehen. Der in der Anzeige blickfangartig hervorgehobene Begriff „Bilanzbuchhalter” sei keine geschützte Berufsbezeichnung, sondern bezeichne nur eine berufliche Qualifikation.
Der Kläger hat beantragt, dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie in der beanstandeten Anzeige zu werben.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, dem Kläger fehle die Prozeßführungsbefugnis. Die beanstandete Anzeige sei zudem wahr. Aufgrund seiner Zeugnisse dürfe er sich als Bilanz- und Lohnbuchhalter bezeichnen; er sei berechtigt, die von ihm angebotenen Leistungen zu erbringen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die Prozeßführungsbefugnis aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG abgesprochen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen zur Erlangung der Prozeßführungsbefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die im Gesetz genannten Voraussetzungen nicht nur der Form und dem Wortlaut der Satzung nach, sondern auch durch seine Tätigkeit erfüllen muß, indem er tatsächlich gewerbliche Interessen verfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.1989 – I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 = WRP 1990, 255, 257 – Wettbewerbsverein IV, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Kläger jedoch, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, gerecht. Der Senat kann dies selbst feststellen, weil die Prozeßführungsbefugnis – entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht – eine Prozeßvoraussetzung ist, deren Vorliegen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1986 – I ZR 27/84, GRUR 1986, 678 – Wettbewerbsverein II). Der Kläger ist ein Berufsverband, der nach § 2 seiner Satzung die beruflichen Belange der „Buchführungshelfer, Datenerfasser, Kaufmannsgehilfen und der verwandten Berufe” wahrzunehmen hat. Er hat derzeit 1.100 Mitglieder, die jeweils einen Jahresbeitrag von 240,– DM zu zahlen haben. Eine Geschäftsstelle ist in Wuppertal eingerichtet. Der Kläger gibt zwei Mitgliederzeitschriften heraus, die insgesamt achtmal im Jahr erscheinen, sowie die Zeitschrift Bfh-Telegramm mit einem Abonnementspreis von 160,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer; er entwickelt ferner Werbeblätter für seine Mitglieder. Im übrigen verfolgt er auch Wettbewerbsverstöße durch Abmahnungen und Führung von Rechtsstreitigkeiten.
Dieses unbestritten gebliebene Vorbringen ist ausreichend, um eine eigene tatsächliche Tätigkeit des Klägers zur Förderung gewerblicher Interessen darzutun und genügt daher auch, um seine Prozeßführungsbefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu begründen.
II. 1. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, weil die beanstandete Anzeige nicht irreführend sei. Es hat dabei offengelassen, ob die Überschrift der Anzeige als Blickfang gewertet werden könne. Denn die Überschrift sei auch für sich genommen nicht unwahr, weil der Beklagte die Prüfung zum Bilanzbuchhalter bestanden und sich zum Lohnbuchhalter fortgebildet habe. Aus der Bezeichnung „Bilanzbuchhalter” könne ein möglicher Auftraggeber allenfalls dann den Eindruck gewinnen, der Beklagte dürfe als Selbständiger Bilanzen erstellen, wenn diese Bezeichnung ohne nähere Erläuterung verwendet werde. Hier sei aber im Anzeigentext selbst unmißverständlich ausgeführt, zu welchen – unstreitig erlaubten – Tätigkeiten sich der Beklagte erbiete.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach dem Erlaß des Berufungsurteils wurden die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) über die Hilfeleistung in Steuersachen durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 9. Juni 1989 (BGBl. I S. 1062) geändert. Nach wie vor ist jedoch gemäß § 5 StBerG anderen als den in den §§ 3 und 4 genannten Personen die geschäftsmäßige Ausübung der Hilfe in Steuersachen einschließlich der Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG) grundsätzlich verboten. Nach der neu in das Steuerberatungsgesetz eingefügten Vorschrift des § 6 Nr. 4 gilt dieses Verbot nicht für das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen von Lohnsteueranmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach Bestehen der Abschlußprüfung in einem steuer- und wirtschaftsberatenden oder einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens tätig gewesen sind. Auch wenn der Beklagte diese Voraussetzung erfüllt, bleibt es ihm aber untersagt, über die in § 6 Nr. 4 StBerG aufgeführten Tätigkeiten hinaus bei der Führung von Büchern geschäftsmäßig Hilfe zu leisten, insbesondere eine Buchführung einzurichten, den betrieblichen Kontenplan zu erstellen oder den Jahresabschluß (einschließlich der vorbereitenden Abschlußbuchungen) aufzustellen.
b) Entgegen dieser Rechtslage ist jedoch die Überschrift der beanstandeten Anzeige „Bilanz- u. Lohnbuchhalter” geeignet, größeren Teilen der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu vermitteln, der Beklagte biete auch Hilfeleistungen in Steuersachen an, deren selbständige Wahrnehmung ihm nach dem Steuerberatungsgesetz verschlossen ist, wie insbesondere die Erstellung des Jahresabschlusses eines Unternehmens und der Steuerbilanz.
Die Bezeichnung „Bilanzbuchhalter” ist in der Anzeige durch Fettdruck und Druckanordnung als Blickfang herausgestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe für sich genommen nicht unrichtig bzw. für den Verkehr mißverständlich sein; darauf, ob ihr richtiger Sinn sich aus anderen, ihrerseits nicht blickfangmäßig hervortretenden Angaben derselben Werbung bei näherer Befassung mit dieser entnehmen läßt, kommt es nicht an; denn eine im Sinne des § 3 UWG relevante Irreführung des angesprochenen Publikums liegt schon dann vor, wenn dieses durch den – den falschen Anschein erweckenden – Blickfang veranlaßt wird, sich mit dem damit beworbenen Angebot näher zu befassen (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.1989 – I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 286 = WRP 1990, 255, 260 – Wettbewerbsverein IV m.w.N.). Es ist daher im vorliegenden Fall unerheblich, ob eine etwaige mit der Überschrift verbundene Irreführungsgefahr durch den folgenden Anzeigentext beseitigt wird, oder ob der Verkehr die in der Anzeige aufgeführten Tätigkeiten nicht lediglich als einen besonders beworbenen Ausschnitt eines insgesamt weiteren Tätigkeitsbereichs versteht.
Mit seiner Werbung wendet sich der Beklagte nicht an die Allgemeinheit, sondern an Gewerbetreibende, insbesondere Inhaber kleinerer Betriebe ohne eigene Buchhaltungskräfte (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 12.2.1987 – I ZR 54/85, GRUR 1987, 444, 446 = WRP 1987, 463, 465 – Laufende Buchführung; Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 182/88, NJW-RR 1990, 678 – Buchführungshelfer). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist anzunehmen, daß jedenfalls ein größerer Teil dieser angesprochenen Gewerbetreibenden bei einer eigenen Werbung eines „Bilanzbuchhalters” für seine Leistungen dem Sprachsinn der Bezeichnung entnimmt, daß der Betreffende auch zur selbständigen Erstellung von Bilanzen befugt sei. Diese Annahme ist jedoch – wie dargelegt – unzutreffend. Der Beklagte hat selbst nicht behauptet, daß Gewerbetreibende, wie er sie mit seiner Anzeige angesprochen hat, regelmäßig über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügten, welche die von dem Sprachsinn der Bezeichnung „Bilanzbuchhalter” ausgehende Irreführungsgefahr ausschließen könnten.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Begriff „Bilanzbuchhalter” als Berufsbezeichnung Eingang in den behördlichen und jetzt auch den gesetzgeberischen Sprachgebrauch gefunden hat (vgl. das von dem Beklagten vorgelegte Zeugnis sowie die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluß Geprüfter Bilanzbuchhalter/Geprüfte Bilanzbuchhalterin vom 29. März 1990, BGBl. I S. 707). Denn zum einen muß eine Irreführungsgefahr nicht allein deshalb hingenommen werden, weil eine Bezeichnung als solche auch Eingang in den behördlichen oder sogar den gesetzgeberischen Sprachgebrauch gefunden hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.11.1982 – I ZR 145/80, GRUR 1983, 245, 247 – naturrot; Urt. v. 5.5.1983 – I ZR 47/81, GRUR 1983, 651, 653 – Feingoldgehalt; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 36 Rdn. 15; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., § 3 Rdn. 100; Gloy/Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 48 Rdn. 64ff.), zum anderen soll die Berufsbezeichnung „Bilanzbuchhalter” auch im behördlichen und gesetzgeberischen Sprachgebrauch nicht besagen, daß der Betreffende die Tätigkeiten eines Bilanzbuchhalters nicht nur im Angestelltenverhältnis, sondern auch als Selbständiger ausüben darf. Das ausgesprochene Unterlassungsgebot richtet sich auch nur gegen die besondere, zur Irreführung geeignete Art der Verwendung der Bezeichnung „Bilanzbuchhalter”; an einer den Verkehr nicht täuschenden Führung dieser Berufsbezeichnung ist der Beklagte nicht gehindert.
Auch der Freiheitsgehalt des hier berührten Rechts der freien Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) steht dem Verbot der angegriffenen Werbung schon im Hinblick auf das Maß der bestehenden Irreführungsgefahr nicht entgegen (vgl. BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteine; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 182/88, NJW-RR 1990, 678, 679 – Buchführungshelfer). Dies gilt um so mehr, als der Beklagte wie seine Berufskollegen – anders als die Angehörigen der steuerberatenden Berufe – für seine Inanspruchnahme werben darf (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StBerG i.d.F. des Art. 1 Nr. 6 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 9.6.1989, BGBl. I S. 1062, 1063) und daher in der Lage ist, gegenüber möglichen Kunden den zulässigen Umfang seiner Tätigkeiten klarzustellen.
III. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben und der Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts entsprechend dem Klageantrag zu verurteilen.
Fundstellen
BB 1991, 801 |
GRUR 1991, 554 |