Leitsatz (amtlich)
Hat das Berufungsurteil über einen Teil des Streitgegenstandes eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO getroffen, weil es von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung ausgegangen ist, während in Wirklichkeit der Kläger die Hauptsache einseitig für erledigt erklärt hatte, ist auch dieser Teil des Urteils nach allgemeinen Regeln mit der Revision anfechtbar.
Ist eine Vertragsurkunde dem Wortlaut nach mehrdeutig und hat der Richter zur Frage des übereinstimmenden Geschäftswillens der Parteien Zeugenbeweis erhoben, gelten die allgemeinen Beweislastregeln. Für die Anwendung des Grundsatzes, daß die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat und denjenigen die Beweislast trifft, der außerhalb der Urkunde liegende Umstände behauptet, ist dann kein Raum.
Normenkette
ZPO §§ 91a, 546, 567 Abs. 4; BGB § 157
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. Juni 2000, berichtigt durch Beschluß vom 23. November 2000, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu deren Nachteil erkannt ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger gründete zusammen mit dem Kaufmann S. die P. Entwicklungsgesellschaft für Grundbesitz mbH & Co. Immobilien KG (nachfolgend: P. KG). Die Rechtsvorgängerin der beklagten Bank gewährte der P. KG zur Realisierung des Objekts B. 144 in B. Ende des Jahres 1992 zwei Darlehen in Höhe von 24,5 Mio. und 3 Mio. DM. Am 16. Februar 1993 übernahm der Kläger für zwei von der P. KG zur Sicherung der Kredite bestellte Grundschulden in Höhe von 25 Mio. und 2,5 Mio. DM die persönliche Haftung und unterwarf sich gleichzeitig der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Am 13. April 1993 erteilte er außerdem die selbstschuldnerische Bürgschaft für die vorbezeichneten Darlehensforderungen. Zur Sicherung eines am 30. November 1995 gewährten dritten Darlehens über 1,2 Mio. DM bestellte die P. KG eine weitere Grundschuld. Der Kläger übernahm wiederum die persönliche Haftung mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.
Im Jahre 1996 verhandelten die Parteien über ergänzende Sicherheiten für die genannten Darlehen sowie die ein weiteres Projekt des Klägers betreffenden Kredite, weil infolge der Wertentwicklung auf dem Grundstücksmarkt die Kredite, bezogen auf die dinglichen Sicherungen, ausfallgefährdet waren. Am 20. Dezember 1996 schlossen die Parteien deshalb eine „Sicherungszweckvereinbarung”, die auszugsweise wie folgt lautet:
„Wirtschaftlicher Zweck dieser Vereinbarung ist es, die Fortführung der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch Stellung ausreichender werthaltiger Sicherheiten bei gleichzeitiger Begrenzung der persönlichen Inanspruchnahme des Bürgen (Kläger), zu ermöglichen.
1. Den nachstehenden Gesellschaften
- E. Center für B. Projektentwicklungs-GmbH & Co. KG (Darlehen insgesamt DM 41.000.000,– auf dem Grundstück 28 – 30 in B.)
- P. Entwicklungsgesellschaft für Grundbesitz mbH & Co. Immobilien KG (Darlehen insgesamt 28.700.000 DM auf dem Grundstück B. 144 in B.)
sind von der Be. Darlehen von insgesamt 69.700.000,– DM zugesagt sowie größtenteils ausgezahlt worden.
2. Als Sicherheit für die Darlehensforderung dienen Grundschulden auf den jeweiligen Objekten, persönliche Schuldanerkenntnisse der Gesellschafter, des (Kläger) und weiterer Personen, sowie weitere jeweils vertraglich vereinbarte Sicherheiten.
3. Nunmehr stellt (Kläger) für alle Forderungen der Be. aus Darlehensverträgen mit den genannten Gesellschaften folgende Zusatzsicherheiten zur Verfügung:
ein Kontoguthaben in Höhe von DM 21.000.000,– auf einem im Hause der Be. einzurichtenden Konto.
…
5. Jede dieser Sicherheiten dient allen Ansprüchen aus den Darlehensverträgen mit den in Ziff. 1 genannten Gesellschaften. Aus welcher Sicherheit die Be. ggf. vorgehen oder welche sie jeweils freigeben wird, bleibt der Bestimmung durch die Be. vorbehalten, soweit nicht im Einzelfall andere Vereinbarungen getroffen werden oder getroffen sind. Jedoch kann die Be. die oben genannten Sicherheiten erst nach Ablauf einer Nachfrist von 12 Monaten, nachdem fällige Leistungen nicht erbracht wurden, verwerten, wenn (Kläger) dies binnen 3 Monaten, nach denen fällige Leistungen nicht erbracht wurden, beantragt.
…
Sofern es zu einer Verwertung der Zusatzsicherheiten kommt, steht ein Erlös, der den Betrag von DM 21.000.000,– übersteigt, dem Sicherungsgeber zu.
6. Nach Stellung der Sicherheiten gem. Ziffer 3 dieser Vereinbarung kann die Be. für die bisher gegebenen Darlehen an die genannten Gesellschaften eine weitere Verstärkung von Sicherheiten nicht mehr fordern.
7. Nach einer Verwertung aller bisher gestellten und nunmehr zu stellenden Sicherheiten, soweit sie nicht in Forderungen gegen (Kläger) (insbesondere die von ihm gegebenen Bürgschaften über die hier durch Zusatzsicherheit unterlegten Beträge hinaus) persönlich oder die in diesem Absatz genannten Gesellschaften bestehen und demzufolge nicht verwertet werden können, kann die Be. keine Forderungen gegen (Kläger) und Unternehmen seiner Unternehmensgruppe (…) mehr stellen und keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn und die genannten Unternehmen vornehmen.
Ebenso werden Ansprüche auf ausstehende Kommanditeinlagen bei den Grundstücksgesellschaften zu Ziff. 1 a) und b) dieser Vereinbarung durch die Be. gegenüber (Kläger) nicht – auch nicht mittelbar – geltend gemacht.
Sicherheiten, die in Forderungen gegen (Kläger) oder die in diesem Absatz genannten Gesellschaften bestehen, können nur soweit geltend gemacht werden, wie dies zur Geltendmachung einer Forderung gegen andere Gesellschaften erforderlich ist; Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden dabei nicht durchgeführt.
…
8. …
Verlangt (Kläger) eine dieser Sicherheiten zurück, so entfällt der Verzicht der Be. auf die persönliche Inanspruchnahme von (Kläger) und seiner o.g. Unternehmen entspr. Ziff. 7 (sog. „Deckelung”). Sofern die Regelung nach Ziff. 7 erhalten bleiben soll, kann (Kläger) die Freigabe der Sicherheiten maximal zur Hälfte des betreffenden Teils verlangen.
Sofern Zusatzsicherheiten noch nicht vollständig gestellt sind, wird die Freigabe durch den Verzicht auf den Anspruch zur Stellung weiterer Sicherheiten ersetzt.
In keinem Falle dienen die in dieser Vereinbarung in Ziff. 3 genannten geregelten Zusatzsicherheiten für andere Darlehen als die in Ziff. 1 a) und b) genannten Darlehen an die dort genannten Gesellschaften.”
Die P. KG wurde insolvent. Über ihr Vermögen wurde das Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagte hat die Darlehen gekündigt. Der Kläger hat die vereinbarte Zusatzsicherheit von 21 Mio. DM geleistet. Er wurde außerdem rechtskräftig verurteilt, an den Konkursverwalter eine noch ausstehende Kommanditeinlage von 7.046.260,65 DM zu zahlen, und hat die Forderung im Laufe dieses Rechtsstreits erfüllt.
Der Kläger ist der Ansicht, durch die Sicherungszweckvereinbarung sei seine persönliche Haftung für alle dort genannten Forderungen gegenüber der Beklagten abschließend auf 21 Mio. DM begrenzt worden. Er hat deshalb erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, ihn in seiner Eigenschaft als Kommanditist der P. KG für die Forderungen gegen diese Gesellschaft aus den genannten drei Krediten in Anspruch zu nehmen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Bürgschaftsurkunde vom 13. April 1993 herauszugeben,
- die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden über die persönliche Haftung für unzulässig zu erklären,
- die Beklagte zu verurteilen, den Konkursverwalter anzuweisen, den Betrag, der aus der Konkursmasse an die Beklagte fließen würde, bis zur maximalen Höhe von 7.046.260,65 DM an den Kläger auszuzahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, den zu 4 genannten Betrag zu zahlen Zug um Zug gegen Nachweis seiner Zahlung an den Konkursverwalter.
Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, durch die Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 sei ihr lediglich eine zusätzliche Sicherheit gewährt worden. Diese Vereinbarung habe sich zudem nicht auf den Fall der Kündigung des Kredits oder des Konkurses der Darlehensnehmerin bezogen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Anträge zu 2 bis 4 weiterverfolgt und die Hauptsache im übrigen für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat der Klage mit Ausnahme des den ursprünglichen Antrag zu 5 betreffenden Erledigungsantrags stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Die Revision ist auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die wegen angeblich übereinstimmender Erledigungserklärung des Feststellungsantrags nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung wendet.
Zwar endet der Rechtszug gegen eine nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung entsprechend dem Grundsatz des § 567 Abs. 4 ZPO grundsätzlich selbst dann beim Oberlandesgericht, wenn es sich um eine Teilerledigung handelt und die diesen Teil betreffende Kostenentscheidung im Rahmen eines der Revision zugänglichen Urteils erfolgt ist (BGHZ 107, 315, 318). Im Streitfall macht die Beklagte jedoch geltend, eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO hätte nicht ergehen dürfen, weil die Klägerin den betreffenden Antrag nur einseitig für erledigt erklärt habe. Diese Rüge ist berechtigt; das Berufungsgericht hat auf Antrag der Beklagten den Urteilstatbestand entsprechend berichtigt. Das Berufungsgericht hätte also in diesem Punkt ebenfalls eine streitige Entscheidung durch Urteil fällen müssen, die die Beklagte dann mit der Revision hätte angreifen können.
Der Beklagten stand nicht die Möglichkeit zur Verfügung, Urteilsergänzung nach § 321 Abs. 1 ZPO zu beantragen. Das Verfahren nach § 321 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn das Urteil unvollständig ist, das Gericht also lediglich eine Teilentscheidung getroffen hat, weil es einen geltend gemachten Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen hat (allgem. Meinung: vgl. Musielak, ZPO 2. Aufl. § 321 Rdn. 10). Im Streitfall hat das Berufungsgericht dagegen eine inhaltlich unrichtige Entscheidung gefällt. Es hat aufgrund eines Irrtums über den Inhalt der von der Partei abgegebenen Prozeßerklärung zu Unrecht angenommen, es sei an einer streitigen Entscheidung über den Erledigungsantrag des Klägers gehindert und dürfe nur noch eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO treffen. Mit dieser auf einer Fehlbeurteilung des Streitstoffs beruhenden Verfahrensweise hat das Berufungsgericht nicht einen Klageantrag übergangen, sondern ihn in prozeßrechtlich verfehlter Form im Wege einer Kostenentscheidung statt eines Ausspruchs zur Frage der Begründetheit des Antrags beschieden (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 321 Rdn. 6; RG JW 1893, 14).
Ein solcher Fehler kann nur im allgemeinen Rechtsmittelzug korrigiert werden. Hier gelangt der sogenannte Meistbegünstigungsgrundsatz zur Anwendung, mit der Folge, daß dem Betroffenen auch das Rechtsmittel zusteht, welches das Gesetz gegen eine in der richtigen Form getroffene Entscheidung vorsieht (vgl. BGHZ 98, 362, 364 f; 140, 208, 217 f).
Die Auffassung des Senats steht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht in Widerspruch zum Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 1994 (I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364), der sich mit der außerordentlichen Beschwerde gegen ein im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangenes Berufungsurteil befaßt, das von Gesetzes wegen (§ 545 Abs. 2 ZPO) generell mit einem Rechtsmittel nicht angegriffen werden kann.
II.
Das Berufungsgericht meint, der Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde sei begründet, weil die Beklagte im Zusammenhang mit der Sicherungszweckvereinbarung vom 20. Dezember 1996 den Kläger aus seiner Bürgschaftsverpflichtung entlassen habe. Diese Auffassung beruht auf einer Auslegung, die rechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht standhält.
Nach ständiger Rechtsprechung überprüft das Revisionsgericht die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung nur darauf, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGH, Urt. v. 16. Dezember 1998 – VIII ZR 197/97, NJW 1999, 1022, 1023; v. 15. März 2001 – IX ZR 273/98, WM 2001, 950, 952). Die Auslegung der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 durch das Berufungsgericht ist in diesem Sinne fehlerhaft.
1. Die Sicherungszweckvereinbarung dient nach dem Wortlaut ihres Eingangssatzes zwei wirtschaftlichen Zwecken, der Fortführung der in Ziffer 1 genannten Darlehensverträge im Gesamtbetrag von 69.700.000 DM durch Stellung ausreichender werthaltiger Sicherheiten einerseits und der Begrenzung der persönlichen Inanspruchnahme des Klägers andererseits.
a) Das Berufungsgericht befaßt sich zunächst mit dem zweiten Ziel und meint, dieses sei durch den Abschluß der Vereinbarung nur erreichbar gewesen, wenn der Kläger über die Stellung eines Bardepots von 21 Mio. DM hinaus aus den geleisteten Sicherheiten nicht mehr habe in Anspruch genommen werden können.
Das trifft schon deshalb nicht zu, weil der Begriff der Haftungsbegrenzung mehrdeutig ist. Er kann – anders als das Berufungsgericht ihn verstanden hat – auch besagen, daß lediglich der Umfang der persönlichen Haftung des Klägers für die Zukunft endgültig festgelegt werden sollte. Eine Haftungsbegrenzung des Klägers enthält die Sicherungszweckvereinbarung daher auch dann, wenn die Parteien, wie die Beklagte behauptet, lediglich eine über den Betrag von 21 Mio. DM hinausgehende Nachschußpflicht bei weiterem Wertverfall der Objekte ausschließen und die Verwertung der übrigen vom Kläger geleisteten Sicherheiten aussetzen wollten, solange an der Realisierung der in Ziffer 1 genannten Objekte gearbeitet wurde und die Darlehensverträge Bestand hatten. Ziffer 6 der Vereinbarung, wonach die Beklagte für die Darlehen eine weitere Verstärkung von Sicherheiten nicht mehr fordern kann, deutet möglicherweise darauf hin, daß die Parteien die Haftungsbegrenzung in diesem Sinne verstanden und damit gleichzeitig das gemäß Ziffer 20.2.2 der Darlehensverträge bei einer Wertminderung der Grundstücke und ungenügender dinglicher Sicherheit in Betracht kommende Kündigungsrecht ausschließen wollten.
b) Wegen dieses falschen Ansatzes vermag das Berufungsgericht in Ziffer 7 Abs. 1 eine sinnvolle Regelung nur dann zu erkennen, wenn man sie als Entlassung des Klägers aus den in der Bürgschaft und den notariellen Urkunden übernommenen Verpflichtungen deutet. Dabei beachtet es insbesondere nicht, daß schon dem Wortlaut nach von einem Bestehenbleiben der Rechte und lediglich einem Ausschluß der Verwertung die Rede ist, was nach der Darstellung der Beklagten gerade dem Geschäftswillen der Parteien entsprach.
c) Gemäß Ziffer 5 Abs. 4 steht bei einer Verwertung der Zusatzsicherheiten der über 21 Mio. DM hinausgehende Erlös dem Sicherungsgeber zu. Das Berufungsgericht meint, auch diese Bestimmung belege die Entlassung des Klägers aus den übrigen Haftungsverpflichtungen. Dabei übersieht der Tatrichter, daß die Regelung auch dann einen vernünftigen Sinn ergibt, wenn die Inanspruchnahme des Klägers aus den sonstigen Haftungsverpflichtungen lediglich unter der Voraussetzung der Fortführung der Darlehensverträge unzulässig sein sollte. Blieben die bisherigen Verpflichtungen des Klägers bestehen und wurde zugleich seine Zusatzhaftung aus dem Kontoguthaben auf 21 Mio. DM abschließend begrenzt, war es nur konsequent, ihm den Anspruch auf einen eventuellen Mehrerlös, insbesondere aus dem Zinsertrag, zu belassen.
d) Der Wortlaut der Vereinbarung spricht in mehrfacher Hinsicht für die Behauptung der Beklagten, die Haftung des Klägers aus der Bürgschaft und den notariellen Urkunden habe fortbestehen sollen und die getroffene Vereinbarung habe, soweit sie die Durchsetzung dieser Rechte ausgeschlossen habe, nicht im Falle des Konkurses der in Ziffer 1 genannten Projektgesellschaften gegolten.
aa) Die Sicherungszweckvereinbarung verwendet für das vom Kläger zur Verfügung zu stellende Kontoguthaben durchgängig den Begriff derZusatzsicherheit. Nach allgemeinem Sprachverständnis bedeutet dies, daß die schon vorhandenen Sicherheiten um eine weitere vermehrt, die Pflichten des Sicherungsgebers also erweitert werden. Sollte die neue Sicherheit, wie der Kläger behauptet, an die Stelle der bisherigen Verpflichtungen treten, hätte es sich um eineErsatzsicherheit gehandelt. Außerdem hätte es dann nahe gelegen, das Erlöschen der alten Verpflichtungen und die Rückgabe der Schuldurkunden ausdrücklich in die Vereinbarung aufzunehmen. Von beidem findet sich dort jedoch kein Wort. Darüber hinaus war es unnötig, eine Vereinbarung mit einer so komplizierten und umfangreichen Regelung, wie sie hier getroffen wurde, abzuschließen, wenn die Parteien das beabsichtigten, was der Kläger behauptet. Es hätte dann genügt, schlicht zu bestimmen, daß der Kläger die neue Sicherheit von 21 Mio. DM zu leisten hat und dafür aus seinen bisherigen Haftungsverpflichtungen entlassen wird.
bb) Mit allen diesen Umständen setzt sich das Berufungsgericht nicht in dem gebotenen Maße auseinander.
Das Berufungsgericht erklärt den Begriff der Zusatzsicherheit damit, daß der Beklagten erstrangige Grundschulden an den Grundstücken der Entwicklungsgesellschaft eingeräumt worden seien, die unstreitig bestehenblieben. Eine solche Deutung liegt indes fern, weil die Vereinbarung ausschließlich mit dem Kläger getroffen wurde und nur dessen persönliche Verpflichtungen behandelt.
Das Berufungsgericht räumt ein, die Entlassung des Klägers aus der Bürgschaft und den Haftungsübernahmen wäre „deutlicher zu formulieren gewesen”. Es erklärt die gewählte Fassung damit, die Beklagte habe ersichtlich befürchtet, daß es dann zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestehens der Haftung Dritter gekommen wäre. Der vorgetragene Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte, die eine solche Überlegung stützen. Die Bestimmung der Nr. 7 Abs. 3, auf die das Berufungsgericht verweist, deutet nicht auf solche Erwägungen hin. Abgesehen davon, daß ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlaß gemäß § 423 BGB im Zweifel nur Einzelwirkung hat (BGH, Urt. v. 21. März 2000 – IX ZR 39/99, WM 2000, 1003, 1004), übersieht das Berufungsgericht, daß für die Beklagte schon im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 außer dem Kläger kein solventer Haftungsschuldner für das an die P. KG geleistete Darlehen zur Verfügung stand. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hatte der andere Gesellschafter und Mitbürge S. schon damals den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen gestellt. Die P. selbst besaß ebenfalls nicht die Mittel zur Erfüllung der Darlehensverträge. Daher ist bisher kein plausibler Grund dafür erkennbar, die Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 in der vorliegenden Form zu schließen, wenn es nur darum ging, die umfassende Haftung des Klägers durch die Verpflichtung zu ersetzen, der Beklagten ein Kontoguthaben von 21 Mio. DM zur Verfügung zu stellen.
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt weiter den Grundsatz, daß die Auslegung von Vertragserklärungen in Zweifelsfällen den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck und die beiderseitige Interessenlage zu berücksichtigen und dabei grundsätzlich davon auszugehen hat, daß beide Parteien mit der vereinbarten Regelung ihre Interessen wahren wollen (vgl. BGHZ 109, 19, 22; BGH, Urt. v. 9. Juli 1999 – V ZR 72/96, WM 1999, 1887, 1888; v. 9. Juli 2001 – II ZR 228/99, WM 2001, 1525, 1526).
a) Der Anstoß zum Abschluß der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 war von der Beklagten ausgegangen. Diese hatte aus einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten erfahren, daß der aktuelle Verkehrswert des von der P. KG zu entwickelnden Objekts auf 21.250.000 DM gesunken war. Die Beklagte darf als Hypothekenbank Grundstücke nur in Höhe von 3/5 des aufgrund sorgfältiger Ermittlung angenommenen Verkehrswerts beleihen (§§ 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 HypothekenbankG). In Ziffer 20.2.2. der Darlehensverträge hatte sich die Beklagte ein Kündigungsrecht für den Fall vorbehalten, daß das Grundstück eine Wertminderung erfährt und infolgedessen die erforderliche dingliche Sicherheit für die Bank nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben ist. Die Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes waren danach erfüllt, als die Parteien in Verhandlungen über die Gewährung einer Zusatzsicherheit eintraten. Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Beklagte ohne weiteres davon ausgehen, sie werde im Falle der Kündigung aus den vom Kläger gewährten Sicherheiten volle Befriedigung erhalten. Die von ihm zum 1. Januar 1996 erstellte Vermögensübersicht endete mit einem Betrag von 141.786.999 DM. Die Parteien hatten schon jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet, so daß die Beklagte keine Veranlassung hatte, an der Seriosität der Angaben des Klägers sowie seiner Liquidität zu zweifeln.
Trifft das zu, was der Kläger behauptet, so hat die Beklagte den Kläger am 20. Dezember 1996 für eine Gegenleistung von 21 Mio. DM aus der vollen – nach damaliger Beurteilung uneingeschränkt realisierbaren – Haftung für Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 69.700.000 DM zuzüglich Zinsen entlassen und dies in einer Situation, in der die Preise auf dem Grundstücksmarkt deutlich gefallen waren und sich die weitere Preisentwicklung noch nicht abschließend beurteilen ließ. Ein solcher Inhalt der Vereinbarung stände im Gegensatz zu dem, was die Beklagte durch die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Kläger erstrebt hatte, nämlich eine Erweiterung der bereits vorhandenen Sicherheiten zu erlangen. Das Berufungsurteil zeigt keine Tatsachen auf, die geeignet sein konnten, die Bank bei vernünftiger Betrachtungsweise zu veranlassen, auf die bisherigen Haftungsverpflichtungen des Klägers zu verzichten. Daher steht das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis in Widerspruch zu dem Erfahrungssatz, daß ein Kreditinstitut in der Regel nicht bereit ist, vorhandene werthaltige Sicherheiten aufzugeben, wenn es daraus keine Vorteile erwarten kann, sondern vielmehr das eigene Risiko erhöht.
b) Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 bestand ein gemeinsames Interesse beider Parteien daran, die Fortführung der Darlehensverträge zu sichern, von denen die Realisierung der in Ziffer 1 der Sicherungszweckvereinbarung genannten Projekte abhing. Stellte diese Vereinbarung den Kläger von allen Verpflichtungen der Beklagten gegenüber – mit Ausnahme der Sicherheit von 21 Mio. DM – frei, brauchte er nicht einmal die noch fehlende Kommanditeinlage zu leisten. Dann fehlte es an jeder wirtschaftlichen Grundlage für die Durchführung des Vertrages. Allein der Kläger war finanziell in der Lage, die Darlehensraten aufzubringen, nicht die P. KG.
c) Schließlich rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt, die vollständige Einzahlung der Kommanditeinlage des Klägers an der P. KG sei nach der für den Kläger erkennbaren Vorstellung der Beklagten Grundlage für die Unterzeichnung der Sicherungszweckvereinbarung gewesen, also zu deren Geschäftsgrundlage geworden.
3. Der Kläger hat nach allgemeinen Regeln zu beweisen, daß die Parteien eine Aufhebung seiner persönlichen Haftung aus der Bürgschaft und den notariellen Urkunden vereinbart haben. Das gilt für die Feststellung aller Tatsachen, die den vom Kläger behaupteten Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 1996 belegen sollen (vgl. BGHZ 20, 109, 111 f). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsurkunde ergebe nach Wortlaut, Inhalt und Zweck eindeutig die Entlassung des Klägers aus seinen bisherigen Verpflichtungen, ist aus den dargestellten Gründen rechtlich nicht haltbar. Die Vernehmung der Zeugen dazu, ob die Parteien sich bei Abschluß der Sicherungszweckvereinbarung einig waren, daß diese nur bei Fortführung des Darlehens gelten und die Bürgschaft weiterhin bestehenbleiben sollte, betrifft daher nicht außerhalb der Urkunde liegende Umstände, sondern Tatsachen, die geeignet sind, zur Aufklärung des Inhalts der Urkunde, insbesondere des von den Parteien verstandenen Sinns der gewählten Rechtsbegriffe, beizutragen. Damit ist kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daß derjenige, der außerhalb der Urkunde liegende Umstände behauptet, diese beweisen muß, weil die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 1999 – V ZR 353/97, NJW 1999, 1702, 1703; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht 2. Aufl. § 133 Rn. 2). Einen entsprechend eindeutigen, die Rechtsauffassung des Klägers stützenden Urkundeninhalt vermag der Tatrichter nicht aufzuzeigen. Daher hätte er bei Würdigung der Zeugenaussagen die Beweislast nicht zum Nachteil der Beklagten umkehren dürfen.
III.
Aufgrund der dem Berufungsgericht unterlaufenen Auslegungsfehler bildet das angefochtene Urteil auch keine tragfähige Grundlage für die Verurteilung der Beklagten in den übrigen Punkten (Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung; Anweisung des Konkursverwalters). Dasselbe trifft für den vom Kläger einseitig für erledigt erklärten Feststellungsantrag zu.
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil dazu eine umfassende Würdigung aller Umstände einschließlich der Zeugenaussagen notwendig ist, die allein dem Tatrichter obliegt. Dieser wird zudem die Beweisangebote des Klägers auf ihre Erheblichkeit zu prüfen haben.
Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Fischer, Ganter, Kayser
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.12.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 671585 |
NJW 2002, 1500 |
BGHR 2002, 268 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 377 |
WuB 2002, 469 |
WuB 2002, 533 |
ZAP 2002, 381 |
ZfIR 2002, 415 |
MDR 2002, 534 |
ZBB 2002, 118 |
KammerForum 2002, 297 |