Leitsatz (amtlich)
1. Aktien werden nur dann für Rechnung des Bieters gehalten, wenn dieser die Möglichkeit hat, auf die Stimmrechtsausübung des Eigentümers der Aktien Einfluss zu nehmen (Festhaltung an BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 50). Für die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung genügt es, dass der Inhaber der Stimmrechte bei ihrer Ausübung die Interessen des Bieters wahren muss.
2. Kann der Bieter das Erwerbsrecht erst in Zukunft ausüben, findet die Zurechnung erst statt, wenn der für die Ausübung maßgebliche Zeitpunkt erreicht wurde.
3. Eine Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kann im Fall einer im Kaufvertrag über ein Aktienpaket als Interessenschutzklausel vereinbarten Regelung über die Stimmrechtsausübung durch den Verkäufer auch dann vorliegen, wenn diese darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug des Kaufvertrags aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht.
4. Ein Zusammenwirken in sonstiger Weise kann auch außerhalb der Hauptversammlung vorliegen und erfordert die koordinierte, auf einer gemeinsamen Absprache und Strategie beruhende Ausübung gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses auf den Emittenten, wobei eine tatsächliche Einflussnahme nicht erforderlich ist, sondern bereits die bloße Absicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 13 zu § 22 Abs. 2 WpHG aF).
5. Der Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Gegenleistung, der ihnen im Fall eines unterlassenen Pflichtangebots wegen einer Vorverlegung des Referenzzeitraums nach § 4 WpÜG-AngVO gegen den Bieter zusteht, unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB.
Normenkette
WpÜG § 30 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2, 5, Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Alt. 1, S. 1 Hs. 1 Alt. 2, S. 2 Alt. 1, S. 2 Alt. 2, § 31 Abs. 1 S. 1; WpÜG-AngebotsVO § 4; BGB §§ 195, 199
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Dezember aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die damalige Mehrheitsgesellschafterin der Deutschen Postbank AG (im Folgenden: Postbank), die Deutsche Post AG (im Folgenden: Post), schloss am 12. September 2008 mit der beklagten Aktiengesellschaft, der Deutschen Bank AG, zunächst unter Beteiligung einer weiteren Gesellschaft einen als "Sale and Purchase Agreement" bezeichneten Vertrag in englischer Sprache (im Folgenden: Ursprungsvereinbarung), nach dem die Beklagte Aktien im Umfang von 29,75 % des Grundkapitals der Postbank zum Preis von 57,25 € je Aktie erwerben sollte. Für die Dividendenberechtigung der Aktien und etwaiger zusätzlicher aus einer Kapitalerhöhung herrührender Aktien im Geschäftsjahr 2008 wurde dabei in § 3.1.1 der Ursprungsvereinbarung eine Zahlung in Höhe von 110.000.000 € vereinbart. Daneben erhielt die Beklagte die Option, im Zeitraum zwischen 12 und 36 Monaten nach Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung Aktien in Höhe von weiteren 18 % des Grundkapitals für 55 € je Aktie zu erwerben (Erwerbsoption). Die Post erhielt die Option, im Zeitraum zwischen 21 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung eine Beteiligung in Höhe von 20,25 % des Grundkapitals plus einer Aktie für 42,80 € je Aktie an die Beklagte zu veräußern (Veräußerungsoption). Die Ursprungsvereinbarung enthielt u.a. folgende Regelungen zur Ausübung der Stimmrechte durch die Post (nachstehend auch als "Zustimmungsvorbehalte" bezeichnet):
Rz. 2
Die Vertragsparteien erwarteten den Eintritt des Vollzugsdatums (Closing Date) im ersten Quartal 2009 und die Durchführung einer Hauptversammlung bei der Postbank im zweiten Quartal 2009. Im vierten Quartal 2008 führte die Postbank eine Kapitalerhöhung durch. Die Aktien aus der Kapitalerhöhung wurden überwiegend von der Post gezeichnet. Deren Anteil an der Postbank erhöhte sich dadurch auf 62,35 % der Aktien. Bereits am 11. September 2008 schloss die Beklagte mit der Postbank eine als Heads of Terms for Cooperation bezeichnete Kooperationsvereinbarung.
Rz. 3
Am 22. Dezember 2008 vereinbarten die Beklagte und die Post, den Vollzug der Ursprungsvereinbarung zu verschieben. Infolge der Verschiebung trafen die Parteien Sicherungsvereinbarungen. Die Beklagte zahlte zur Besicherung ihrer ursprünglichen Zahlungsverpflichtung oder eines Zahlungsanspruchs aus einer noch abzuschließenden Nachtragsvereinbarung als Sicherheit rund 3,1 Mrd. €. Am 30. Dezember 2008 verpfändete die Post im Gegenzug 65.093.000 Aktien der Postbank an die Beklagte zur Sicherung der Rechte aus den Vereinbarungen vom 12. September 2008 und 22. Dezember 2008. Die Verpfändungsvereinbarung enthielt u.a. folgende Regelungen:
Rz. 4
Am 14. Januar 2009 schloss die Beklagte mit der Post eine als "Amendment Agreement regarding the Acquisition of Shares in Deutsche Postbank AG" bezeichnete Vereinbarung (im Folgenden: Nachtragsvereinbarung), nach der die Beklagte in Abänderung der Ursprungsvereinbarung zunächst 50.000.000 Postbankaktien (22,9 % des Grundkapitals) zu je 23,92 € von der Post erwerben sollte. Weitere 60.000.000 Postbankaktien (27,4 % des Grundkapitals) sollte die Beklagte im ersten Quartal 2009 für je 45,45 € über eine Pflichtumtauschanleihe mit Fälligkeit am 25. Februar 2012 erwerben. Hinsichtlich weiterer 26.417.432 Postbankaktien (12,1 % des Grundkapitals) wurden Erwerbs- und Veräußerungsoptionen zum Preis von 48,85 € je Aktie für die Erwerbsoption und 49,42 € je Aktie für die Veräußerungsoption eingeräumt. Die Optionen sollten im Zeitraum zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 ausgeübt werden können. Die Nachtragsvereinbarung enthielt in § 10.1 eine dem Wortlaut von § 9.1 der Ursprungsvereinbarung entsprechende Regelung.
Rz. 5
Am 25. Februar 2009 verpfändete die Post Aktien der Postbank an die Beklagte, einerseits 60.000.000 Aktien zur Sicherung der Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen der Beklagten aus der Pflichtumtauschanleihe und andererseits 26.417.432 Aktien zur Sicherung der Erfüllung der Ansprüche der Beklagten auf Übereignung der verpfändeten Aktien im Zuge der Ausübung der Erwerbsoption und auf Rückzahlung der Barsicherheit. Die hierzu geschlossenen Verpfändungsvereinbarungen enthielten u.a. folgende Regelungen:
Rz. 6
Ende Februar 2009 erwarb die Beklagte über eine Tochtergesellschaft Aktien im Umfang von 22,9 % des Grundkapitals der Postbank und zeichnete die Pflichtumtauschanleihe.
Rz. 7
Die Beklagte veröffentlichte am 7. Oktober 2010 ein freiwilliges Übernahmeangebot in Bezug auf die Aktien der Postbank zum Preis von 25 € je Aktie. Die im Revisionsverfahren noch beteiligten Kläger und zur Gruppe des Klägers zu 15 gehörende Unternehmen nahmen das Angebot in unterschiedlichem Umfang an. Der Beklagten wurden am 3. Dezember 2010 insgesamt 48.194.431 Postbankaktien gegen Zahlung von 25 € je Aktie übertragen.
Rz. 8
Die Kläger sind der Meinung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bereits im Jahr 2008 ein Pflichtangebot zu veröffentlichen. Sie verlangen zuletzt unter Anrechnung der Gegenleistung von 25 € je Aktie im Wesentlichen die Berücksichtigung des am 12. September 2008 in der Ursprungsvereinbarung vereinbarten Erwerbspreises von 57,25 € nebst Zinsen.
Rz. 9
Das Landgericht (LG Köln, Urteil vom 20. Oktober 2017 - 82 O 11/15, juris) hat der Klage hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch beteiligten Kläger überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die auf den Zinsausspruch bezogenen Anschlussberufungen der Kläger zu 1, 2, 10 bis 12 und 15 sowie auf einen weiteren Differenzbetrag von 8,40 € je Aktie und den Zinsausspruch gerichtete Anschlussberufung des Klägers zu 9 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger. Die Kläger zu 1, 2, 9 bis 12 und 15 haben vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision der Kläger hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Rz. 11
Die Revision ist entgegen der Sicht der Revisionserwiderung insgesamt zulässig. Sie ist unbeschränkt zugelassen. Die von den Klägern zu 1, 2, 9 bis 12 und 15 vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 12 mwN; Beschluss vom 16. Dezember 2021 - I ZR 186/20, juris Rn. 23).
Rz. 12
I. Die Zulassung der Revision kann auf einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Die Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung kann sich bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Zulassung nur wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird. Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Entscheidung grundsätzlich so auszulegen, dass die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen worden ist. Demgegenüber ist eine Beschränkung der Zulassung auf Anspruchselemente oder einzelne von mehreren miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen nicht zulässig (BGH, Urteil vom 15. April 2021 - III ZR 139/20, BGHZ 229, 299 Rn. 20; Urteil vom 27. Juli 2021 - II ZR 164/20, ZIP 2021, 1856 Rn. 15 jeweils mwN).
Rz. 13
II. Die Revision ist danach unbeschränkt zugelassen. Das Berufungsgericht hat die Rechtsfrage, auf die sich die Revisionszulassung bezieht, schon nicht konkret bezeichnet. Entsprechend ergibt sich aus der Zulassungsentscheidung nicht klar, auf welchen tatsächlich und rechtlich selbstständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs es die Nachprüfung seiner Entscheidung eröffnen wollte. Die "Rechtsfragen zur Auslegung der Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 2 WpÜG" betreffen keinen abtrennbaren Teil des Streitstoffs. Anders als bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, bei der der Streitgegenstand durch den jeweils geltend gemachten Anfechtungsgrund bestimmt wird (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 3; Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 26), werden die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche von ihrem Zahlungsbegehren wegen der Unterlassung eines Pflichtangebots geprägt, das sich auf unterschiedliche Vereinbarungen und Maßnahmen sowie die Zurechnung der Stimmrechte aus den von ihnen betroffenen Aktien der Zielgesellschaft stützt. Die Zulassungsentscheidung lässt mit ihrer pauschalen Bezugnahme auf § 30 Abs. 2 WpÜG nicht erkennen, dass nur ein abtrennbarer Teil dieses Streitstoffs betroffen sein soll. Soweit eine Vereinbarung oder Maßnahme Anknüpfungspunkte für verschiedene Zurechnungstatbestände bietet, sind lediglich unterschiedliche rechtliche Gesichtspunkte und Anspruchselemente des Streitstoffs betroffen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - EnZR 81/13, NVwZ-RR 2015, 331 Rn. 9 f.).
B.
Rz. 14
Die Revision ist begründet.
Rz. 15
I. Das Berufungsgericht (OLG Köln, WM 2021, 1745) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 16
Den Klägern stehe ein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrags nicht zu. Sie hätten nicht nachgewiesen, dass die Beklagte vor ihrem Übernahmeangebot vom 7. Oktober 2010 die Kontrolle über die Postbank im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG durch Zurechnung nach § 30 WpÜG erlangt habe, so dass für die Bemessung der Gegenleistung die im Gesetz vorgesehenen Referenzzeiträume maßgeblich seien.
Rz. 17
1. Die Kontrollschwelle des § 29 WpÜG sei nicht ohne eine Zurechnung nach § 30 WpÜG erreicht. Der bloß schuldrechtliche Anspruch auf Erwerb der Minderheitsbeteiligung von 29,75 % habe außer Betracht zu bleiben. Der Schwellenwert von 30 % der Stimmrechte sei daher auch unter Berücksichtigung eines Eigen- bzw. Handelsbestands im Konzern der Beklagten nicht erreicht.
Rz. 18
2. Aus den von der Beklagten vorgelegten Vertragsunterlagen ergebe sich keine Zurechnung nach § 30 Abs. 2 WpÜG. Dies gelte auch in ihrer Zusammenschau und in Gesamtschau mit den Aussagen der vernommenen Zeugen. Durch die Aussagen sei auch der Nachweis einer zurechnungsrelevanten Vereinbarung außerhalb der Vertragsurkunden nicht erbracht.
Rz. 19
a) Eine Interessenschutzklausel sei keine Vereinbarung im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG, wenn es lediglich um die Aufrechterhaltung des Status quo für den Zeitraum bis zum tatsächlichen Übergang des Unternehmens an den Käufer (Closing) gehe, also keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprachen oder tatsächliche Einflussnahmen festzustellen seien. Regelungen, die sich darin erschöpften, die sich bereits aus § 242 BGB ergebende Verpflichtung abzubilden, den Vertragszweck nicht zu gefährden, seien weder als Unterordnung unter die Ziele des Bieters noch als eine kontrollbegründende Interessenberücksichtigung zu qualifizieren und führten nicht zu einer Zurechnung.
Rz. 20
b) Die für den Zeitraum zwischen dem Vertragsabschluss (Signing) und dem Vollzug (Closing) nach § 9.1 Buchst. a) der Ursprungsvereinbarung bzw. § 10.1 Buchst. a) der Nachtragsvereinbarung vereinbarten Zustimmungsvorbehalte seien danach kontrollrechtlich unbedenklich, ohne dass es darauf ankomme, ob eine Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 WpÜG eine auf eine nachhaltige Beeinflussung der Unternehmenspolitik der Zielgesellschaft gerichtete Abrede erfordere oder ob die Einzelfallausnahmeregelung einer Stimmrechtszurechnung entgegenstehe.
Rz. 21
Die Geltungsdauer der Zustimmungsvorbehalte sei auf den Zeitraum bis zum Vollzugsdatum beschränkt gewesen, dessen Eintritt die Parteien in der Ursprungsvereinbarung und auch bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung im ersten Quartal 2008 und vor der nächsten Hauptversammlung erwartet hätten. Die theoretische Möglichkeit einer erst späteren kartellrechtlichen Freigabe sei unerheblich. Auch unter Berücksichtigung des kartellrechtlichen Genehmigungsverfahrens sei das Closing im ersten Quartal 2009 zu erwarten gewesen.
Rz. 22
c) Andere Regelungen der vorgelegten Verträge seien weder in Bezug auf einzelne Bestimmungen noch in der Gesamtschau kontrollrechtlich relevant. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach dem übereinstimmenden und für das Verständnis des Vertragswerks maßgeblichen Willen der Parteien eine (frühere) Kontrollübernahme nicht habe erfolgen sollen, da diese bei der Beklagten einen zu hohen Kapitalbedarf ausgelöst hätte.
Rz. 23
Die Regelungen in den Verpfändungsvereinbarungen zum Erhalt der Pfandrechte und des wesentlichen Werts der Aktien seien ebenfalls auf den Erhalt des Status quo gerichtet. Sie entsprächen den Verhaltenspflichten, die sich für den Pfandgeber nach Treu und Glauben aus dem Gesetz ergäben. Zwar seien die Regelungen nicht auf einzelne Beschlussgegenstände und nicht lediglich als Zustimmungsvorbehalt formuliert. Dies ändere aber nichts daran, dass der Inhalt der Vereinbarung keine Grundlage für eine Absprache zur Ausübung der Stimmrechte im Interesse der Beklagten, die Unterordnung der Post unter die Interessen der Beklagten oder gar die Vorstellung böten, die Beklagte habe wirtschaftlich die Stellung einer Gesellschafterin erhalten. Da die Gesellschafterrechte nach der Regelung bei der Post verlieben seien, sei auch nicht anzunehmen, dass der Post nur das Recht zum Empfang von Dividendenzahlungen (§ 4.2 der Verpfändungsvereinbarungen), nicht aber das Recht, hinsichtlich dieser Zahlungen ihre Stimmrechte auszuüben, habe zustehen sollen.
Rz. 24
d) Die Beweisaufnahme habe keinerlei belastbare Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Beklagte und die Post über den Inhalt der Verträge hinaus kontrollrechtlich relevante Vereinbarungen getroffen hätten. Keiner der Zeugen habe die Behauptung zu formellen oder informellen Absprachen zwischen der Post und der Beklagten über Stimmrechte oder sonstige Einflussnahmen der Beklagten auf die Postbank bestätigt. Eine Kapitalerhöhung habe danach zwar schon vor dem 12. September 2008 im Raum gestanden, sei aber nicht Gegenstand einer Vereinbarung gewesen. Die Zeugenaussagen hätten auch keine Erkenntnisse zu Absprachen über die Befugnis der Post zur Beschlussfassung über eine Dividendenauszahlung vor dem Closing erbracht, die über die Beachtung der allgemeinen Leistungstreuepflicht hinausgegangen seien. Die Regelung über die Dividendenabgeltung sei unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen nur für das Jahr 2008 und nicht, wie die Klägerin behauptet, auch für die Folgejahre 2009 und 2010 vereinbart worden und auch die tatsächliche Handhabung spreche nicht für eine solche Vereinbarung. Die Klägerin sei auch für eine Abstimmung mit dem Ziel einer Einwirkung auf die Postbank zur Einstellung von Geschäftsbereichen sowie der Konzentration auf das Privatkundengeschäft und das standardisierte Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen beweisfällig geblieben.
Rz. 25
e) Eine kontrollrechtlich relevante Vereinbarung ergebe sich nicht aus der Verständigung zwischen der Beklagten und der Postbank über eine Kooperation im September 2008 (Heads of Terms for Cooperation) oder aus Ziffer 10 des Letter of Intent. Es habe auch keine Vereinbarung zu personellen Veränderungen im Aufsichtsrat gegeben. Gespräche hierüber seien erst nach dem Closing geführt worden und der Zeuge Dr. A. sei insoweit in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Postbank und nicht als Vorstandsvorsitzender der Post tätig geworden. Im Übrigen falle eine etwaige Abstimmung über die Besetzung des Aufsichtsrats unter die Einzelfallausnahme des § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpÜG.
Rz. 26
3. Die Voraussetzungen einer Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG, die nach Vorlage des Vertragswerks umfassend zu prüfen gewesen seien, lägen ebenfalls nicht vor.
Rz. 27
Ob die Beklagte im Hinblick auf die vereinbarten Preise für die übernommenen Aktien bereits vor Vollzug der Ursprungsvereinbarung das Börsenkursrisiko und das Insolvenzrisiko der Zielgesellschaft hätte tragen sollen oder ob dies nach den Vereinbarungen nicht der Fall gewesen sei, könne offenbleiben. Denn der Bieter sei nur dann tatsächlich als (wirtschaftlicher) Inhaber der Aktien anzusehen, wenn ihm die Chancen bzw. Vorteile der Aktien zustünden. Dies sei aber im Hinblick auf die Dividendenzahlungen nicht der Fall, weil aus dem Vortrag der Kläger, nach dem das Dividendenrecht der Post nur noch formal bestanden habe, weiterhin nicht hervorgehe, dass einem gemeinsamen Verständnis der Parteien rechtliche Bindungswirkung zugekommen sei. Eine abweichende Beurteilung rechtfertige sich nicht aus dem vorgelegten Vertragswerk oder der im Zuge der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse.
Rz. 28
Weder nach der Ursprungsvereinbarung noch nach der Nachtragsvereinbarung sei der Beklagten die Dividendenchance ausdrücklich zugewiesen. Die Ursprungsvereinbarung regele nicht, dass Dividenden der Post an die Beklagte abzuführen oder der Optionspreis nach einer Dividendenausschüttung anzupassen gewesen seien. Die Rechte aus den Erwerbs- bzw. Veräußerungsoptionen und der Pflichtumtauschanleihe genügten nicht für einen Übergang der Dividendenchance bereits bei Abschluss dieser Vereinbarungen. Daran änderten auch die vereinbarten Zustimmungsvorbehalte nichts, weil die Beklagte allenfalls innerhalb des kurzen Geltungszeitraums der Regelungen einen treuwidrigen, vertragsgefährdenden Dividendenbeschluss habe verhindern, aber keinen aktiven gestalterischen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte durch die Post habe ausüben können. Die Post habe auf der nächsten regulären Hauptversammlung unter den entsprechenden Voraussetzungen für eine Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr 2008 stimmen können. Aus § 2.1 der Ursprungsvereinbarung folge nichts Anderes, da es dort nur um die schuldrechtliche Verpflichtung der Post gehe, nicht um die Übertragung der Aktien. Die Zuweisung der Dividendenchance folge auch nicht aus den Verpfändungsvereinbarungen. Die Gesellschafterrechte aus den verpfändeten Aktien seien bei der Post verblieben, die ihre Stimmrechte auch bezüglich der Dividenden habe ausüben können. Dass die Gesellschafterrechte einschließlich der Stimmrechte nach Treu und Glauben auszuüben gewesen seien, ändere daran nichts, weil damit lediglich eine vertragliche Nebenpflicht formuliert werde.
Rz. 29
Die Regelungen in den "Heads of Terms for Cooperation" seien für § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG ohne Bedeutung, da es sich nicht um eine Vereinbarung zwischen der Post und der Beklagten gehandelt habe. Der im Kaufpreis enthaltene Anteil zum Ausgleich der Dividendenchance habe nur das Geschäftsjahr 2008 betroffen, nicht auch die Folgejahre 2009 und 2010. § 2.1 der Ursprungsvereinbarung stelle nur klar, dass der Dividendenanspruch nicht durch eine Abtretung abgespalten worden, sondern bei der Aktie verblieben sei.
Rz. 30
4. Die Voraussetzungen einer Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG hinsichtlich der Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe und den Optionsvereinbarungen lägen ebenfalls nicht vor. Eine gesicherte jederzeitige Erwerbsmöglichkeit verschaffe nur eine dingliche Anwartschaft, die sich weder aus der Ursprungsvereinbarung oder der Nachtragsvereinbarung noch aus der Pflichtumtauschanleihe ergebe. Ein dingliches Anwartschaftsrecht ergebe sich auch aus den Verpfändungsvereinbarungen nicht. Nach dem hier anwendbaren deutschen Recht sichere das Pfandrecht nicht den Eigentumserwerb, sondern nur die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Vermögensinteressen. Dass zu Gunsten des Pfandgläubigers der Eigentumsübergang bei Fälligkeit der Forderung vereinbart werden könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Verpfändungsvereinbarung vom 25. Februar 2009 über 26.417.432 Aktien habe nur einen Geldanspruch gesichert, nämlich mögliche Zahlungsansprüche aus der Verkaufsoption. Die in den beiden anderen Verpfändungsvereinbarungen eingeräumte Befugnis "das Eigentum zu verlangen", begründe kein Aneignungsrecht. Unabhängig davon scheitere eine Zurechnung auch daran, dass der Anspruch auf Übereignung der Postbankaktien nicht fällig gewesen sei, weshalb der Eigentumserwerb erst mit Pfandreife im Jahr 2012 habe erfolgen können. Die vorher bestehende Rechtsposition genüge für eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG nicht. Die Gleichsetzung des dinglichen Anwartschaftsrechts mit dem Aktieneigentum sei nur wegen des Einflusses auf die Stimmrechtsausübung gerechtfertigt, den das erst künftig ausübbare Pfandverwertungsrecht und die weiteren Regelungen der Verpfändungsvereinbarungen nicht vermittelten.
Rz. 31
Soweit die Kläger zu 10 bis 12 aus einer von ihnen angenommenen Sicherheitenunterdeckung ableiteten, die Transaktionsstruktur sei nur vorgeschoben und die dingliche Annahme der Aktien von Anfang an unumkehrbar sichergestellt worden, werde der Regelungsgehalt der Vereinbarung verkannt. Das Pfandrecht habe die Verpflichtungen aus der Pflichtumtauschanleihe besichert, die auf Lieferung von insgesamt 60 Mio. Postbankaktien gerichtet gewesen sei. Die Besicherung sei damit jederzeit kongruent zu der gesicherten Forderung gewesen.
Rz. 32
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Beurteilung, dass der Beklagten Stimmrechte der Post nicht gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG aufgrund der in der Ursprungsvereinbarung und der Nachtragsvereinbarung vereinbarten Zustimmungsvorbehalte oder die Vereinbarung der "Heads of Terms for Cooperation" am 11. September 2008 zuzurechnen sind, ist rechtlich im Ergebnis ebenso wenig zu beanstanden wie die Feststellung, dass es keine belastbaren Anhaltspunkte für über den Inhalt der schriftlichen Verträge hinausgehende kontrollrechtlich relevante Vereinbarungen gibt. Gleiches gilt für die Annahme, dass die Voraussetzungen einer Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG nicht vorliegen. Soweit das Berufungsgericht dagegen eine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge sowie eine Zurechnung von Stimmrechten der Post nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG verneint hat, hält dies einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Rz. 33
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Kläger aus dem (freiwilligen) Übernahmeangebot der Beklagten vom 7. Oktober 2010 einen Anspruch auf weitere Zahlung haben, wenn die angebotene Gegenleistung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vorerwerbe nach § 31 Abs. 1, Abs. 7 Satz 1 WpÜG, § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO nicht angemessen war (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 20; Urteil vom 23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 19).
Rz. 34
a) Die Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft muss bei einem Übernahmeangebot gemäß § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG entsprechen.
Rz. 35
b) Der Senat hat ausgesprochen, dass sich die Referenzzeiträume nach §§ 4, 5 WpÜG-AngVO verlängern, wenn der Bieter bereits vor der Veröffentlichung seines Übernahmeangebots 30 % oder mehr der Stimmrechte der Zielgesellschaft und damit die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG erwirbt und es dennoch unterlässt, ein Pflichtangebot, oder ein als freiwilliges Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 WpÜG bezeichnetes Angebot, innerhalb der Frist des § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Durchschnittskurs in der Zeit zwischen dem Kontrollerwerb und der (verspäteten) Veröffentlichung des Übernahmeangebots sinkt oder wenn Vorerwerbe in der Zeit vor dem Kontrollerwerb stattgefunden haben, die bei einer rechtzeitigen Veröffentlichung eines Übernahmeangebots zu einer höheren Gegenleistung geführt hätten, aufgrund der Verspätung aber an sich nicht zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 34 f.). Dies führt zu einer Vorverlegung des Referenzzeitraums mit der Folge, dass die auf den Zeitpunkt einer rechtzeitigen Veröffentlichung bezogenen Vorerwerbe entsprechend § 4 WpÜG-AngVO zu berücksichtigen sind, wenn diese zu einem höheren Angebotspreis führen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 61; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 31 Rn. 13, 25; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 84; Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 4 WpÜG-AngVO Rn. 13b; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 4 WpÜG-AngVO Rn. 11; von Falkenhausen, NZG 2014, 1368, 1370 f.; Krause, AG 2014, 833, 837 f.; Scheibenpflug/Tönningsen, BKR 2015, 140, 143; Verse, Der Konzern 2015, 1, 5).
Rz. 36
c) Im Hinblick auf die von der Revision nicht beanstandete Feststellung, dass der Beklagten vor ihrem Übernahmeangebot vom 7. Oktober 2010 nicht mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gehörten, kommt es darauf an, ob diese Schwelle aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten gemäß § 30 WpÜG überschritten wurde. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist für das Revisionsverfahren entsprechend der Behauptung der Kläger davon auszugehen, dass die Beklagte zwischen dem 12. September 2008 und dem19. Dezember 2008 über eine Tochtergesellschaft einen Anteil von 0,16 % der Postbankaktien hielt und einen Handelsbestand von täglich weiteren 0,25 % bis 3 %, für die keine Befreiung nach § 20 WpÜG vorlag.
Rz. 37
2. Das Berufungsgericht hat eine Zurechnung von Stimmrechten der Post an die Beklagte gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG unter dem Gesichtspunkt der in der Ursprungsvereinbarung in § 9.1 und in der Nachtragsvereinbarung in § 10.1 vereinbarten Zustimmungsvorbehalte im Ergebnis zutreffend verneint.
Rz. 38
a) Für die Annahme einer zurechnungsbegründenden Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kommt es entgegen der Sicht des Berufungsgerichts allerdings nicht darauf an, ob eine im Kaufvertrag über ein Aktienpaket als Interessenschutzklausel vereinbarte Regelung über die Stimmrechtsausübung durch den Verkäufer darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug eines Kaufvertrags über Aktien der Zielgesellschaft aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht, sondern sich darin erschöpft, die sich bereits aus § 242 BGB ergebende Verpflichtung abzubilden, den Vertragszweck nicht zu gefährden.
Rz. 39
aa) Die Zurechnungsrelevanz von Interessenschutzklauseln bei Paketverkäufen ist umstritten.
Rz. 40
(1) Teilweise wird die durch eine Interessenschutzklausel vermittelte Stimmherrschaft des Schutzadressaten nicht an § 30 Abs. 2 WpÜG, sondern(allein) an § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG gemessen. Für § 30 Abs. 2 WpÜG müsse sich die Bündelung stets auf zwei Stimmrechtspakete beziehen, so dass Interessenschutz zu Gunsten des Erwerbers für sich genommen nicht genüge (Ekkenga, ZGR 2015, 485, 503; Witt, DStR 2014, 2132, 2136; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 324).
Rz. 41
(2) Andere sehen die aus der Leistungstreuepflicht des Verkäufers folgende Rücksichtnahmeverpflichtung nicht als tauglichen Gegenstand einer Abstimmung an, weil sie zu allgemein und wenig konkret sei (von Falkenhausen, NZG 2014, 1368, 1371 f.; Tassius, BKR 2021, 212, 217; von Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 699; wohl auch MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 68; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 345, 347). Unschädlich sei jedenfalls die bloße Wiedergabe der allgemeinen Nebenpflicht, die Erreichung des Vertragszwecks, mithin den Paketerwerb, nicht zu gefährden (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 31; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 324; Hasselbach/Stepper, BB 2021, 771, 777). Die weisungsunabhängige, nur durch eine Interessenbindung eingeschränkte Eigenverwaltung des Stimmrechts begründe keine Stimmherrschaft des Schutzadressaten (Ekkenga, ZGR 2015, 485, 502 [für § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG]; Hasselbach/Stepper, BB 2021, 771, 777; Krause/Uwase/Lasar, BB 2021, 1730, 1736; von Falkenhausen, NZG 2014, 1368, 1371).
Rz. 42
(3) Demgegenüber wird teilweise schon im Erwerbsvorgang ein Indiz für eine Abstimmung gesehen, wenn dieser Rückschlüsse auf die spätere Abstimmung des Stimmrechtsverhaltens zulasse, wobei das Interesse des beteiligten Käufers am Werterhalt der Kaufsache entscheidend sei. Kein Käufer investiere sehenden Auges in eine Außenseiterstellung, so dass er sich durch Stimmrechtskonzertierung absichere, wenn die mit ihm kontrahierende Partei die Schwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG erreichen könne (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 161; aA Frankfurter Kommentar zum WpÜG/Schüppen/Walz, 2. Aufl., § 30 Rn. 60; vgl. auch OLG Stuttgart, ZIP 2004, 2232, 2237).
Rz. 43
(4) Andere lassen bereits eine allgemein gehaltene Interessenschutzklausel genügen, solange sie nicht nur den Gesetzeswortlaut wiederhole (MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 68) oder bejahen eine Zurechnung, wenn eine ausdrückliche Abrede den Veräußerer dazu verpflichte, die Ausübung seiner Aktionärsrechte vorrangig am hypothetischen oder tatsächlichen Willen des potenziellen Bieters auszurichten, er also faktisch als Treuhänder des zukünftigen Erwerbers fungiere (Löhdefink/Jaspers, ZIP 2014, 2261, 2264).
Rz. 44
(5) Überwiegend wird dagegen danach differenziert, ob mit der Interessenschutzklausel nur der "Status quo" gewahrt oder "überschießende Rechtspositionen" gewährt werden sollen. So wird darauf hingewiesen, es fehle schon nach allgemeinen Grundsätzen an einer zurechnungsbegründenden Verhaltenskoordination, wenn der Verkäufer lediglich verpflichtet sei, im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten auf die Aufrechterhaltung des (grundsätzlichen) "Status quo" im Zeitraum bis zum Closing hinzuwirken (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 324). Es müsse um die Durchsetzung weitreichender, konkret gefasster unternehmerischer Absichten gehen, die auf eine längerfristige (aktive) Einflussnahme auf die Zielgesellschaft bzw. eine Änderung ihrer unternehmerischen Ausrichtung ausgelegt seien (Diekmann in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 84a f.; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 216, 219; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 36; Krause, AG 2014, 833, 840; Verse, Der Konzern 2015, 1, 8; Ekkenga, ZGR 2015, 485, 502). Entsprechend soll erst eine über den Zeitpunkt des Vollzugs der Transaktion hinausgehende Vereinbarung über eine Interessenkoordination eine Zurechnung ermöglichen (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 326). Wenn sich die dem Bieter eingeräumte Rechtsposition auf ein bloßes Abwehrrecht beschränke, bestehe ein schützenswertes Interesse an der Verhinderung von Maßnahmen, die die Vertragsdurchführung erheblich beeinträchtigen oder gar vereiteln könnten (Meyer/von Laer, EWiR 2021, 135, 136).
Rz. 45
(6) Demgegenüber wird eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten zum Teil bereits bejaht, wenn sich die Abstimmung auf einzelne Aspekte beschränkt und ihre Grundlage auch in einer Verpflichtung zur gesteigerten Rücksichtnahme auf die Interessen eines Dritten bei der Stimmrechtsausübung hat. Eine Rücksichtnahmepflicht könne dann als Verhaltensabstimmung angesehen werden, wenn sich entweder aus der vertraglichen Regelung hinreichend konkret ergebe, wie das Stimmrecht bei bestimmten Beschlussgegenständen auszuüben oder der Begünstigte vor der Stimmrechtsausübung zu konsultieren sei und ein Mitspracherecht habe (Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 347). Wiederum andere bejahen eine Zurechnung, wenn Zustimmungsvorbehalte zu Satzungsänderungen oder Dividendenausschüttungen vereinbart würden(Müller-Michaels in Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 10. Aufl., Börsennotierte Unternehmen, Rn. 12.116; von Falkenhausen, NZG 2014, 1368, 1371 f.; Tassius, BKR 2021, 212, 218 f.; Wentz, WuB 2021, 540, 543 f.).
Rz. 46
bb) Eine Beschränkung des Zurechnungstatbestands auf eine wechselseitige Zurechnung durch Bündelung von Stimmrechten ist abzulehnen. Sie mag den Hauptanwendungsfall eines Acting in Concert im Blick haben (Verse, Der Konzern 2015, 1, 7), findet aber schon im Wortlaut von § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 WpÜG keine hinreichende Stütze, weil es dort heißt "sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen" und nicht "sich über die Ausübung ihrer Stimmrechte verständigen". Jedenfalls würde der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 WpÜG entgegen seinem Sinn und Zweck verkürzt (Verse, Der Konzern 2015, 1, 7). Für die Einflussnahme des Bieters auf die Stimmrechtsausübung des Dritten ist es nicht maßgeblich, ob er selbst noch Stimmrechte innehat und in gleicher Richtung ausübt (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 32). Es würden wertungswidersprüchliche Zurechnungsergebnisse erzielt, wenn eine Zurechnung bei einem noch so kleinen eigenen Aktienpaket des Bieters stattfinden könnte, ohne eigene Aktien des Bieters bei einem noch so großen Aktienpaket des Dritten aber nicht.
Rz. 47
cc) Die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG ist entgegen der Sicht des Berufungsgerichts auch nicht davon abhängig, ob sich die aus einer sog. Interessenschutzklausel ergebende Verpflichtung des Verkäufers, seine Stimmrechte im Interesse des Bieters in bestimmter Weise auszuüben, bereits aus seiner allgemeinen Verpflichtung zur Leistungstreue (§ 242 BGB) ergibt.
Rz. 48
(1) Eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kann auch darin liegen, dass der Inhaber der Stimmrechte als Folge seiner Leistungstreuepflicht aus einem auf die Aktien bezogenen Kaufvertrag von diesen nur noch unter Berücksichtigung der Interessen des Käufers Gebrauch machen kann(Foerster, ZIP 2021, 1677, 1685; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 159; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 345; einschränkend aber in Rn. 347).
Rz. 49
(a) Eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten setzt keine ausdrückliche auf das Stimmrecht bezogene Abrede zwischen dem Bieter und dem Inhaber der Stimmrechte voraus (OLG Frankfurt, BKR 2004, 284, 287). Eine Verhaltensabstimmung kann nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG durch eine Vereinbarung oder in sonstiger Weise erfolgen. Der Wortlaut des Gesetzes ist hinsichtlich des einer Verständigung zu Grunde liegenden Verhaltens weit gefasst (dazu kritisch Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 46).
Rz. 50
(b) Für eine auf einer Vereinbarung basierende Verständigung genügt es, dass eine konkrete auf die Stimmrechtsausübung bezogene Verhaltenspflicht des Stimmrechtsinhabers mittelbar begründet wird (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 235; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 327; aA wohl von Falkenhausen, NZG 2014, 1368, 1371). Damit kann auch die mittelbar aus dem Erwerbsgeschäft folgende Stimmrechtsbindung des Paketverkäufers gegenüber dem Käufer zurechnungsrelevant sein, ohne dass es einer ausdrücklichen auf die Stimmrechtsausübung bezogenen Abrede bedarf.
Rz. 51
Dafür spricht zum einem die Funktion des § 30 Abs. 2 WpÜG, Zurechnungslücken zu schließen (BT-Drucks. 14/7034, S. 53; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 144; Steinmeyer/Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 30 Rn. 50) und zum anderen der Sinn und Zweck der Zurechnungstatbestände, den Stimmrechtseinfluss des Bieters zu erfassen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 50; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 15; speziell für § 30 Abs. 2 WpÜG: Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 94), um den Aktionären der Zielgesellschaft im Hinblick auf einen drohenden oder bereits eingetretenen Kontrollwechsel den Austritt aus der Gesellschaft zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 24; Urteil vom23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 52; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 2). Für die Einflussnahme des Bieters auf die Stimmrechtsausübung und das hieraus folgende Interesse der Aktionäre, aus der Gesellschaft auszutreten, ist es ohne Belang, ob die von einem Kaufvertrag über Aktien der Zielgesellschaft ausgehende Verhaltenskoordination auf einer ausdrücklichen Abrede über die Stimmrechtsausübung beruht oder diese Folge der vom Inhaber der Stimmrechte übernommenen Verpflichtung ist, dem Bieter die Aktien in dem vertraglich vereinbarten Zustand zu verschaffen.
Rz. 52
(c) Die Zurechnung der Stimmrechte des Paketverkäufers ist auch nicht davon abhängig, ob sich die Stimmrechtsbindung aus seiner allgemeinen Verpflichtung zur Leistungstreue (§ 242 BGB) ergibt. Entscheidend ist allein, ob die sich aus dem Paketkaufvertrag für den Verkäufer ergebende Bindung bei der Stimmrechtsausübung die für eine Zurechnung erforderliche Schwelle erreicht (dazu nachstehend unter ee).
Rz. 53
Die Leistungstreuepflicht ist als Maßstab für den Umfang einer zurechnungsfreien Interessen- und Stimmrechtsbindung schon deswegen ungeeignet, weil sich ihre Reichweite aus den konkret vereinbarten Regelungen über die Beschaffenheit des Vertragsgegenstands ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 60). Die Vertragspartner sind im Rahmen der Leistungstreuepflicht zum einen verpflichtet, an der Erreichung und Verwirklichung von Ziel und Zweck des Vertrags mitzuwirken und sich, soweit sich dies mit den eigenen Interessen vernünftigerweise vereinbaren lässt, gegenseitig zu unterstützen. Der Schuldner ist verpflichtet alles zu tun, damit der Eintritt des Leistungserfolgs und die Verwirklichung des Vertragszwecks nicht gefährdet oder beeinträchtigt wird (BGH, Urteil vom 19. Januar 2018 - V ZR 273/16,MDR 2018, 589 Rn. 19 mwN).
Rz. 54
Die Vertragsparteien hätten es danach in der Hand, durch die Ausgestaltung der vertraglichen Pflichten des Stimmrechtsinhabers auch ohne ausdrückliche Regelung eine weitgehende Bindung der Stimmrechtsausübung an die Interessen des Bieters zu etablieren und auf diese Weise den Zurechnungstatbestand zu umgehen (Foerster, ZIP 2021, 1677, 1685; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 159). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Bieter ein schützenswertes Interesse an der Verhinderung von Maßnahmen hat, die die Vertragsdurchführung erheblich beeinträchtigen oder gar vereiteln könnten (aA Meyer/von Laer, EWiR 2021, 135, 136). Schützenswerte Interessen des Bieters können insoweit nur im Rahmen einer Entscheidung über die Befreiung von der Veröffentlichungs- und Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 WpÜG berücksichtigt werden.
Rz. 55
(2) Ist danach eine Zurechnung von Stimmrechten an den Bieter bereits allein auf Grund der sich aus der allgemeinen Leistungstreuepflicht ergebenden Bindungen möglich, kann es für die Zurechnung nicht darauf ankommen, ob die im Paketkaufvertrag vereinbarten Regelungen über den Interessenschutz des Bieters sich darin erschöpfen, diese abzubilden.
Rz. 56
dd) Es ist entgegen der Sicht des Berufungsgerichts für die Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG auch nicht maßgeblich, ob der Verkäufer sein Stimmrecht nach einer getroffenen Abrede oder im Hinblick auf seine Verpflichtung zur Leistungstreue so ausüben muss, dass eine Veränderung der Verhältnisse bei der Zielgesellschaft vermieden wird (Beibehaltung des "Status quo") und die Befugnisse des Bieters aus der Interessenschutzklausel darauf zugeschnitten sind, solche Veränderungen zu verhindern.
Rz. 57
(1) Die Wertung des § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpÜG, nach dem die Zurechnung vom Ziel einer "dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft" abhängig ist, wird allerdings teilweise auch auf Fall 1 der Vorschrift übertragen (Anders/Filgut, ZIP 2010, 1115, 1117; Verse, Der Konzern 2015, 1, 8; Scheibenpflug/Tönningsen, BKR 2015, 140, 141 f.; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 84a; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 36; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 216; aA Uwe H. Schneider in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 182; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 333). Zur Begründung wird die Wertungsstimmigkeit beider Tatbestandsvarianten und der Schutzzweck des Pflichtangebots angeführt, der erst berührt sei, wenn durch wesentliche Veränderungen die Geschäftsgrundlage der Investitionsentscheidung der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft erschüttert sei (Verse, Der Konzern 2015, 1, 8). Andere sehen in der Verständigung über die Stimmrechtsausübung den Spezialfall eines abgestimmten sonstigen Verhaltens, der nur unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen zur Zurechnung führe(Anders/Filgut, ZIP 2010, 1115, 1117; wohl auch Scheibenpflug/Tönningsen,BKR 2015, 140, 142).
Rz. 58
(2) Dem kann, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zugestimmt werden. Die Zurechnung von Stimmrechten auf Grund einer Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten ist nicht von der Voraussetzung abhängig, dass das Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft verfolgt wird.
Rz. 59
(a) Der Wortlaut von § 30 Abs. 2 Satz 2 WpÜG unterscheidet zwischen der Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (Fall 1) und einem Zusammenwirken in sonstiger Weise (Fall 2). Beide Tatbestandsalternativen sind mit dem Wort "oder" verbunden und nur die zweite Alternative enthält eine zusätzliche inhaltliche Einschränkung hinsichtlich der Zielrichtung der Verhaltensabstimmung. Der Wortlaut des Gesetzes lässt auch nicht erkennen, dass die Verhaltensabstimmung durch ein Zusammenwirken in sonstiger Weise allgemeiner Zurechnungstatbestand und die Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten ein darauf aufbauender Spezialfall sein soll. Die Worte "in sonstiger Weise" deuten eher darauf hin, dass Fall 2 den Charakter eines Auffangtatbestands haben soll.
Rz. 60
(b) Weder die Systematik der Zurechnungstatbestände noch Sinn und Zweck der Norm sprechen für ein anderes Ergebnis. Der Kontrolltatbestand des § 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG und die Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 WpÜG knüpfen maßgeblich an den Stimmrechtseinfluss des Bieters an (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 34 - Wertpapierdarlehen; Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 32 jeweils zu § 22 WpHG aF). Das Ziel einer erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft ist demgegenüber nicht relevant. Im Unterschied dazu geht es bei § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpÜG nicht um die durch den Stimmrechtseinfluss vermittelte Kontrolle über die Zielgesellschaft, sondern um diejenige durch ein Zusammenwirken in sonstiger Weise. Dies legt es nahe, dass der Gesetzgeber allein für diesen Zurechnungstatbestand eine besondere Voraussetzung vorsehen wollte (Tassius, BKR 2021, 212, 215). Dem liegt auch eine nachvollziehbare Wertung zu Grunde, weil § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpÜG gegenüber Fall 1 der Vorschrift eine Voraussetzung für eine kontrollbegründende Einflussnahme außerhalb der durch das Stimmrecht vermittelten Einflussmöglichkeiten formuliert.
Rz. 61
(c) Diese Sicht entspricht auch dem aus den Gesetzesmaterialien deutlich werdenden Willen des Gesetzgebers (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 116; zweifelnd Tassius, BKR 2021, 212, 215). Nach dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber letztlich bewusst von einer übergreifenden, eine Abstimmung innerhalb oder außerhalb der Hauptversammlung eingrenzenden Tatbestandsvoraussetzung Abstand genommen und diese Fallgestaltungen unterschiedlich geregelt. Zwar sah der Regierungsentwurf noch vor, unter Streichung der Einzelfallausnahme in § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpÜG einen einheitlichen, nicht an ein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung anknüpfenden Zurechnungstatbestand zu schaffen, der auf die Wirkungen des in Frage stehenden Verhaltens abstellt (RegE eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken [Risikobegrenzungsgesetz], BT-Drucks. 16/7438, S. 11, 13). Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber aber dafür entschieden, den Geltungsbereich der bisherigen Regelung, die die Abstimmung über die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung betrifft, beizubehalten und künftig auch ein Verhalten außerhalb der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung zu erfassen, das unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 2 zu einer Zurechnung führen kann (Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 11).
Rz. 62
ee) Erforderlich ist aber, dass die Verständigung des Bieters mit einem Dritten über die Ausübung von Stimmrechten auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet ist.
Rz. 63
(1) Es entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass eine allgemein gehaltene Absprache zur Durchsetzung allgemeiner Ziele eine Zurechnung nicht begründen kann, sondern dass eine konkrete bzw. tatsächliche Einflussnahme beabsichtigt sein muss (OLG Frankfurt, ZIP 2004, 1309, 1312; LG Hamburg, ZIP 2007, 427, 429; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1008; Seibt, ZIP 2004, 1829, 1832 f.; Casper, ZIP 2003, 1469, 1472; wohl auch Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 173, 176; Pentz, ZIP 2003, 1478, 1481; aA Berger/Filgut, AG 2004, 592, 599 f.; wohl auch von Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669, 698; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 246; vgl. zur Konkretisierung der Einflussnahme im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpHG: BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 13).
Rz. 64
(2) Dem ist schon mit Blick auf die Einzelfallausnahme des § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpÜG zuzustimmen (vgl. Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 116; Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., Rn. 62.207; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 32). Es wäre widersprüchlich, wenn die Vereinbarung über die Stimmrechtsausübung in einem Einzelfall nicht zurechnungsbegründend wäre, eine allgemein gehaltene Absprache zwischen dem Bieter und einem Dritten demgegenüber auch dann, wenn die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass es nicht zu einer durch die Ausübung der Stimmrechte bewirkten Einflussnahme auf die Zielgesellschaft kommen wird. Von einer Verständigung könnte in solchen Fällen erst dann ausgegangen werden, wenn die Beteiligten erkennen, dass sich ihre ursprüngliche Erwartung als unrichtig herausstellt und sie an ihrer Absprache festhalten. Daraus folgt indes nicht, dass es tatsächlich zu einer Ausübung der Stimmrechte kommen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 13 für § 22 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpHG aF; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 47; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 32). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die den Zustimmungsvorbehalten unterliegenden Gegenstände jede denkbare Abstimmung in einer Hauptversammlung erfassen. Nach Sinn und Zweck der Einzelfallausnahme sind solche Vereinbarungen von einer Stimmrechtszurechnung auszunehmen, denen es an einer Kontinuität des abgestimmten Verhaltens fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 36 für § 22 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpHG aF), weil nur eine punktuelle Einflussnahme angestrebt ist (vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 12). An der Kontinuität des abgestimmten Verhaltens kann es aber auch bei einer weiter gefassten Verhaltensabstimmung fehlen, wenn die Absprache der Beteiligten auf eine einmalige gemeinsame Stimmrechtsausübung gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 30 für § 22 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpHG aF). Dementsprechend kann eine nur vorsorgliche Abstimmung über die Ausübung von Stimmrechten keine Zurechnung begründen, wenn die an der Abstimmung Beteiligten davon ausgehen, dass es gar nicht zu einer Einflussnahme auf die Zielgesellschaft kommen wird.
Rz. 65
(3) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem der Norm zu Grunde liegenden Kontrollbegriff. Mit der Verständigung über die Stimmrechtsausübung wird ein auf die Einflussnahme auf die Zielgesellschaft gerichtetes Verhalten beschrieben und somit auf materielle Zurechnungskriterien abgestellt. Insoweit werden der auf das Halten von Stimmrechten abstellende formale Kontrollbegriff des § 29 Abs. 2 WpÜG und die jedenfalls weitgehend auf formale Kriterien abstellenden Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 WpÜG systematisch um einen Auffangtatbestand ergänzt (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 94). Der darin enthaltene Zweck, Umgehungen zu verhindern, rechtfertigt im Hinblick auf die einschneidenden Folgen der Angebotspflicht und die Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs keine an eine abstrakt bleibende Einflussmöglichkeit orientierte Auslegung (OLG Frankfurt, ZIP 2004, 1309, 1312; aA Berger/Filgut, AG 2004, 592, 599).
Rz. 66
b) Nach diesem Verständnis von einer Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts in diesem Punkt im Ergebnis als richtig. Die Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG liegen nicht vor, weil nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angenommen werden kann, dass die Vereinbarung der Zustimmungsvorbehalte in § 9.1 der Ursprungsvereinbarung und § 10.1 der Nachtragsvereinbarung auf Seiten der Beklagten auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet war.
Rz. 67
aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Geltungsdauer der Zustimmungsvorbehalte in § 9.1 der Ursprungsvereinbarung und in § 10.1 der Nachtragsvereinbarung auf den Zeitraum bis zum Vollzugsdatum beschränkt waren, dessen Eintritt die Parteien in der Ursprungsvereinbarung und auch bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung im ersten Quartal 2009 und vor der nächsten Hauptversammlung erwartet haben.
Rz. 68
bb) Diese tatsächlichen Feststellungen greift die Revision nicht an. Gegen die auf diesen Feststellungen beruhende Auslegung der Vereinbarungen durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen hat (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 46; Urteil vom 14. November 2018 - VIII ZR 109/18, MDR 2019, 154 Rn. 18; Urteil vom 28. Juni 2022 - XIII ZR 4/21, juris Rn. 24). Ein Rechtsfehler liegt danach nicht vor. Die Revision meint, die Zustimmungsvorbehalte würden ihrem Wortlaut entsprechend jeweils für den vollständigen Vollzug sämtlicher Aktientransaktionen gelten. Dabei lässt sie außer Acht, dass das Berufungsgericht seine Auslegung rechtsfehlerfrei am Wortlaut orientiert, nach dem die Regelungen für die Zeit bis zum Vollzugsdatum vereinbart wurden ("Until the Closing Date…"), wie es im Übrigen auch in der Überschrift der Regelungen zum Ausdruck kommt ("Period between Signing Date and Closing Date"). Auch ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Regelungen für den so begrenzten Zeitraum sämtliche von der Post gehaltenen Aktien betrafen, mithin die Aktien aller Transaktionen erfasst waren. Der Einwand, diese zeitliche Begrenzung sei im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelungen sinnlos, greift ebenfalls nicht durch. Zum einen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte eine Zurechnung der Stimmrechte aus den Aktienpaketen habe vermeiden wollen. Zum anderen erscheint es denkbar, dass die Beklagte meinte, ihre Interessen nach dem Erwerb der ersten Tranche auf andere Weise hinreichend schützen zu können.
Rz. 69
Soweit die Revision hervorhebt, es sei für die Parteien bei Abschluss der Vereinbarungen nicht absehbar gewesen, wann der Vollzug tatsächlich stattfinden würde, oder es habe im Hinblick auf die damalige Finanzkrise die Möglichkeit einer zuvor stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung gegeben, rechtfertigen diese Gesichtspunkte kein anderes Ergebnis. Für die Zurechnung allein entscheidend ist, ob die Parteien bei Abschluss der Vereinbarungen davon ausgingen, dass es tatsächlich zu einer Stimmrechtsausübung der Post unter Berücksichtigung der vereinbarten Bindungen kommen würde.
Rz. 70
cc) Etwaige Fernziele der Beklagten nach dem Erwerb der Aktien der Post sind für die Zurechnung entgegen der Ansicht des Landgerichts ebenfalls nicht maßgeblich. Eine solche Einflussnahme hätte nicht mehr auf den vereinbarten Interessenbindungen beruht, sondern auf der Ausübung eigener Stimmrechte der Beklagten.
Rz. 71
c) Ob eine Verständigung auch nach der Neufassung von § 30 Abs. 2 WpÜG durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12. August 2008 (BGBl. I S. 1666) entgegen der Ansicht des Landgerichts auf eine nachhaltige Beeinflussung der Unternehmenspolitik gerichtet sein muss (vgl. zur alten Gesetzesfassung BGH, Urteil vom 18. September 2006 - II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 Rn. 26 - WMF), bedarf danach im Streitfall keiner Entscheidung (bejahend: KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 249 f.; Uwe H. Schneider/ Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 167 [weitergehend in Rn. 216]; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 116; Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., Rn. 62.207; Gätsch/Schäfer, NZG 2008, 846, 850 jeweils unter Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/9821, S. 11 f.; Tassius, BKR 2021, 212, 216; verneinend: Uwe H. Schneider in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 182).
Rz. 72
3. Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, es gebe keine belastbaren Anhaltspunkte für über den Inhalt der angesprochenen Verträge hinausgehende kontrollrechtlich relevante Vereinbarungen. Der Senat hat die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend befunden. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
Rz. 73
4. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen einer Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG im Hinblick auf den Abschluss der Verpfändungsvereinbarungen vom 30. Dezember 2008 und vom 25. Februar 2009 verneint.
Rz. 74
a) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG sind Stimmrechte aus Aktien zuzurechnen, für die der Bieter die Möglichkeit hat, durch einseitige Willenserklärung ohne Mitwirkung des Vertragspartners oder eines Dritten das Eigentum zu erwerben. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Aktien reicht dagegen für eine Zurechnung nicht aus. Erforderlich ist eine dem Eigentum gleichkommende gesicherte Erwerbsmöglichkeit (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 40). Kann der Bieter das Erwerbsrecht in Zukunft ausüben, findet die Zurechnung erst statt, wenn der für die Ausübung maßgebliche Zeitpunkt erreicht wurde (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 181; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 266; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 57; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 118; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 15), weil der Zurechnungsgrund den jederzeit möglichen Zugriff auf die Stimmrechte erfordert (Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 262 f.; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 15; kritisch zu diesem Zurechnungsgrund KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 169; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 55; Steinmeyer/Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 30 Rn. 41). Entsprechend erfolgt eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG auch dann nicht, wenn der Erwerb mit Wirkung für die Zukunft vereinbart wird (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 177).
Rz. 75
b) Die Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG liegen danach nicht vor. Auf die Frage, ob die Parteien nach der Auslegungsregel in § 1.2 (a) der Verpfändungsvereinbarungen gemäß § 1259 Satz 1 Fall 3 BGB vereinbart haben, dass der Beklagten das Eigentum an verpfändeten Aktien zufallen soll, kommt es nicht an. Der Verfall träte ungeachtet dessen erst mit der Fälligkeit der gesicherten Forderungen ein. Nach § 8.1 der Verpfändungsvereinbarungen war das Verwertungsrecht des Pfandgläubigers von der Fälligkeit und Zahlbarkeit einer "Besicherten Forderung" abhängig, die nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht eingetreten war. Ein Bedürfnis, die Vorschrift im Hinblick auf die sich aus den Verpfändungsvereinbarungen ergebenden Beschränkungen für die Ausübung der Stimmrechte durch die Post entsprechend anzuwenden, besteht nicht. Anders als die Kläger zu 1, 2 sowie 9 bis 12 meinen, hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht angenommen, eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG setze eine Einflussmöglichkeit des Bieters auf die Unternehmenspolitik der Zielgesellschaft voraus. Auch ihr Hinweis auf ein behauptetes "AGB-Pfandrecht" der Beklagten an den von ihr verwahrten Postbankaktien der Post vermag eine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG nicht zu begründen, weil sich aus den Darlegungen nicht ergibt, dass ein solches Pfandrecht eine jederzeitige Erwerbsmöglichkeit der Beklagten begründet hat.
Rz. 76
5. Eine Zurechnung von Stimmrechten der Post an die Beklagte gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 2, Satz 2 Fall 2 WpÜG durch die Vereinbarung der "Heads of Terms for Cooperation" am 11. September 2008 zwischen der Beklagten und der Postbank hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint.
Rz. 77
a) Dies gilt zunächst für ein zurechnungsrelevantes Zusammenwirken der Beklagten mit der Post in sonstiger Weise.
Rz. 78
aa) Ein Zusammenwirken in sonstiger Weise kann auch außerhalb der Hauptversammlung vorliegen und erfordert die koordinierte, auf einer gemeinsamen Absprache und Strategie beruhende Ausübung gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses auf den Emittenten, wobei eine tatsächliche Einflussnahme nicht erforderlich ist, sondern bereits die bloße Absicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 13 zu § 22 Abs. 2 WpHG aF; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 236, 240;Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 180).
Rz. 79
bb) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Der auf der mit der Postbank abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung beruhende Einfluss der Beklagten ist nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt. Gegenteiliges macht die Revision nicht geltend. Mit der von der Revision unter Hinweis auf eine richtlinienkonforme Auslegung geltend gemachten Zurechnung der Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin an die Tochtergesellschaft als Dritter, die nach dem Wortlaut von § 30 Abs. 2 Satz 3, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG nicht vorgesehen ist, kann eine Zurechnung ebenfalls nicht begründet werden, weil die Postbank als Zielgesellschaft nicht als Dritte im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG anzusehen ist (Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 83; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 233). Eine kontrollrechtlich relevante Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Post, nach der die Postbank gezielt die Rolle eines Mittelsmanns habe einnehmen sollen, hat das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung von § 10 des Letter of Intent nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat diese Bestimmung rechtsfehlerfrei als einseitige Absichtserklärung der Beklagten gewürdigt. Die von der Revision angeführten zeitlichen Abläufe und das Verständnis der Vertragsparteien in der Präambel der Kooperationsvereinbarung, diese solle nicht so ausgelegt werden, dass sie einer Partei erlaube, über die andere Kontrolle auszuüben, mögen eine hiervon abweichende tatrichterliche Würdigung ermöglichen. Ein Rechtsfehler ergibt sich daraus nicht.
Rz. 80
b) Überdies würde eine Absprache über die Kooperation für sich genommen nicht das Ziel einer Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft haben.
Rz. 81
aa) Das Zusammenwirken muss darauf gerichtet sein, eine bereits konkretisierte, dauerhafte und erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 13 zu § 22 Abs. 2 WpHG aF; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 260). Die unternehmerische Ausrichtung der Zielgesellschaft umfasst die grundlegenden Weichenstellungen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie das verfolgte Geschäftsmodell, die Ausrichtung der Geschäftsbereiche oder die Finanzierungsstruktur. Sie ist mit dem in der Satzung festgelegten Gegenstand des Unternehmens nicht gleichzusetzen, weil sie auch die Unternehmenspolitik, die Formulierung und Durchsetzung von Zielen und Maßnahmen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen und das Unternehmensgeschehen für die Zukunft festlegen, einschließt. Die Festlegung der Unternehmenspolitik ist aufgrund seiner Leitungsfunktion grundsätzlich Sache des Vorstands der Aktiengesellschaft, § 76 Abs. 1 AktG. Bei der Unternehmensleitung und der Bestimmung der Geschäftspolitik ist der Vorstand an den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand und etwaige Beschränkungen gebunden, die sich aus Zustimmungsvorbehalten zugunsten des Aufsichtsrats oder Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung ergeben. Die vom Vorstand in diesen Grenzen definierte Unternehmenspolitik ist als unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft zu verstehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 17 zu § 22 Abs. 2 WpHG aF; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 183; weitergehend Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 119).
Rz. 82
bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Ziel einer Änderung der unternehmerischen Ausrichtung zu verneinen, weil die Vereinbarung lediglich dazu diente, auf definierten Gebieten die Möglichkeiten einer weitergehenden Kooperation auszuloten. Die Revision behauptet hierzu, die in der Vereinbarung enthaltenen Regelungen über einen von der Beklagten beherrschten Kooperationsausschuss hätten Änderungen der Unternehmensausrichtung eingeschlossen. Dies lässt sich Ziffer 5.1 (a) der Vereinbarung nicht entnehmen, weil der Kooperationsausschuss nach dieser Regelung lediglich ermächtigt war, strategische Entscheidungen hinsichtlich der Zusammenarbeit zu treffen. Aus dem von der Revision ergänzend in Bezug genommenen Vorbringen der Kläger zu 3 bis 8 und 16 ergibt sich zudem nicht, dass eine bereits konkretisierte Änderung der unternehmerischen Ausrichtung herbeigeführt werden sollte und die Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat, verfahrensfehlerhaft getroffen wurden, weil das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Kläger unberücksichtigt gelassen hat. Die Kläger beschreiben zwar einzelne Geschäftsfelder, auf die sich die Zusammenarbeit habe erstrecken sollen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass eine konkrete Änderung der vom Vorstand der Postbank verfolgten Unternehmenspolitik angestrebt war. Soweit die Kläger auf die Absicht verweisen, das Kreditersatzgeschäft der Postbank abzubauen, haben sie ebenfalls nicht dargelegt, dass diese Zielsetzung eine Änderung der seinerzeit aktuellen Unternehmenspolitik des Vorstands der Postbank darstellte. Das Berufungsgericht hat im Übrigen in anderem Zusammenhang festgestellt, es habe in den Verhandlungen keine Abstimmung über die Einstellung von Geschäftsbereichen gegeben.
Rz. 83
c) Soweit der Kläger zu 15 in diesem Zusammenhang geltend macht, das Berufungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, zum Austausch des Vorstandsvorsitzenden der Postbank zwei von ihr benannte Zeugen zu vernehmen, hat der Senat die Rüge geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
Rz. 84
6. Soweit das Berufungsgericht eine Zurechnung von Stimmrechten der Post an die Beklagte gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge verneint hat, hält seine Würdigung rechtlicher Prüfung demgegenüber nicht in jeder Hinsicht stand. Es hat eine Zurechnung unter Berücksichtigung der Verpfändungsvereinbarungen vom 30. Dezember 2008 und 25. Februar 2009 rechtsfehlerhaft unter Hinweis darauf verneint, dass die in § 5.1 der Verpfändungsvereinbarungen enthaltene Interessenschutzklausel keine über den Erhalt des Status quo hinausgehende Regelung enthalte.
Rz. 85
a) Nach den vorstehend unter 2. a) aufgezeigten Maßstäben kommt es für die Beurteilung, ob die Verpfändungsvereinbarungen eine Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer Verständigung über die Ausübung der Stimmrechte aus den verpfändeten Aktien bewirken, nicht darauf an, ob die Verpflichtungen aus § 5.1 der Verpfändungsvereinbarungen über Regelungen zum Erhalt des Status quo bei der Postbank hinausgehen.
Rz. 86
b) Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen, ob die Vereinbarung der Interessenschutzklausel in § 5.1 der Verpfändungsvereinbarungen der Beklagten einen tatsächlichen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte aus den verpfändeten Aktien verschaffen sollte.
Rz. 87
aa) Zwar sprechen die allgemein gehaltenen, auf die Wahrung der Sicherungsinteressen gerichteten Regelungen in den Verpfändungsvereinbarungen und die ausdrückliche Zuweisung der Stimmrechte aus den verpfändeten Aktien an die Post als objektive Umstände gegen eine Zurechnung auf der Grundlage des vereinbarten Interessenschutzes (vgl. allgemein KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 160; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 105; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 252 ff.).
Rz. 88
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Post nach den Verpfändungsvereinbarungen weiterhin das Recht zum Dividendenbezug zustehen sollte und dies auch eine entsprechende Ausübung ihrer Stimmrechte einschloss. Hiergegen wendet sich die Revision mit der Behauptung, die Post habe Dividendenzahlungen bis zur Vollendung des Erwerbs der Aktien nicht zustimmen dürfen. Das Berufungsgericht hat seine Würdigung unter Hinweis auf § 5.1 der jeweiligen Verpfändungsvereinbarungen maßgeblich darauf gestützt, dass die Post zwar wesentliche Wertminderungen der Aktien zu verhindern hatte, das nach § 4.2 ausdrücklich eingeräumte Recht zum Dividendenbezug danach aber nicht ausgeschlossen war. Diese Würdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten im Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen für sich betrachtet zurechnungsrelevant wäre (dazu KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 251; Drinkuth inMarsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., Rn. 62.210b unter Hinweis auf die sog. White List der ESMA [https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma-2014-677-revpublicstatementconcerningshareholdercooperationandactinginconcert.pdf]), muss daher vorliegend nicht entschieden werden.
Rz. 89
bb) Für die Frage der Zurechnung kommt es aber maßgeblich darauf an, ob die Verpflichtungen der Post aus den Verpfändungsvereinbarungen nach den Vorstellungen der Vertragsparteien auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet waren (oben Rn. 62). Dies hängt davon ab, ob nach den Vorstellungen der Parteien Entscheidungen durch die Hauptversammlung während der voraussichtlichen Laufzeit der Verpfändungsvereinbarungen zu treffen waren und ob die Verpflichtungen der Post aus § 5.1 der jeweiligen Verpfändungsvereinbarung gegenüber der Beklagten ihr im Hinblick darauf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten abverlangten. Das Berufungsgericht hat hierzu, von seinem rechtlichen Standpunkt aus betrachtet folgerichtig, keine Feststellungen getroffen.
Rz. 90
c) Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht im Ergebnis als zutreffend, weil es sich um eine Vereinbarung in einem Einzelfall gehandelt hat, § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpÜG. Der Norm liegt ein formales Begriffsverständnis zu Grunde (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 30 zu § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG aF; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 51; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 265 f.; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 189; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 342 f.; für eine Kombination mit materiellen Kriterien Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 110; wohl auch MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 45). Ob danach ein Einzelfall vorliegt, ist stets bezogen auf die konkreten, von der Verständigung ausgehenden Folgen für die Stimmrechtsausübung zu beurteilen. Das schließt es jedenfalls bei einer wie hier für einen längeren Zeitraum geltenden Vereinbarung aus, einen Einzelfall schon im Hinblick darauf anzunehmen, dass sich die Verständigung nur auf die Vertragsabwicklung bzw. punktuelle Nebenpflichten bezieht (Ekkenga, ZGR 2015, 485, 502; Löhdefink/Jaspers, ZIP 2014, 2261, 2264; aA KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 324; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 219, 191).
Rz. 91
7. Soweit das Berufungsgericht eine Zurechnung von Stimmrechten der Post nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG verneint hat, hält die rechtliche Beurteilung einer Überprüfung nicht stand.
Rz. 92
a) Aus dem Merkmal "für Rechnung" in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG ergibt sich, dass der Bieter die wesentlichen Risiken und Chancen aus den betreffenden Aktien tragen muss. Dazu gehören etwa die Risiken und Chancen einer Veränderung des Börsenkurses, die Chancen einer Dividendenzahlung und das Insolvenzrisiko der Zielgesellschaft (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 49), wenn sie wesentlich sind. Maßgeblich ist die Zuordnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 22; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 11; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 31; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 93; Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 6; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 69; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 219).
Rz. 93
Die Entscheidung über die wirtschaftliche Zuordnung der wesentlichen Chancen und Risiken unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle. Im Revisionsverfahren ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht seiner Beurteilung ein zutreffendes Verständnis der maßgeblichen Begriffe zu Grunde gelegt hat. Soweit die Zuordnung vom Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen abhängig ist, gelten die allgemeinen Grundsätze. Die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter ist nach diesen nur darauf zu überprüfen, ob gesetzliche oder anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 141/20, WRP 2022, 1125 Rn. 57 mwN). Die hiernach gebotene Tatsachenfeststellung und Auslegung darf sich nicht nur auf die rechtliche Bestimmung des Vertragsinhalts richten (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88), sondern muss auch die wirtschaftlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall würdigen und gewichten (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1990 - XI ZR 231/89, BGHZ 111, 287, 289; Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125 Rn. 31).
Rz. 94
b) Die Beurteilung, dass die Dividendenchance durch den Verkauf der Aktien der ersten Tranche (betrifft Aktien in Höhe von 29,75 % des Grundkapitals der Postbank, nachstehend auch als Verkaufsaktien bezeichnet) nach den Regelungen der Ursprungsvereinbarung bei der Post verblieb, hält danach rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 95
aa) Das Berufungsgericht legt seiner Beurteilung ein rechtlich fehlerhaftes Verständnis von einer Zuordnung der Dividendenchance nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu Grunde. Aus der Entscheidung des Senats vom 29. Juli 2014 (II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 52) folgt nicht allgemein, dass ein gemeinsames Verständnis der Parteien von bestimmten Umständen nur dann kontrollrelevant sein kann, wenn ihm eine rechtliche Bindungswirkung zukommt. Abgesehen davon, dass eine sich aus der Interessenlage der Parteien ergebende Verpflichtung des Rechteinhabers, die Vorteile aus den Aktien nicht mehr in Anspruch zu nehmen, rechtliche Bindungswirkung hätte, kann die wirtschaftliche Zuordnung der Chancen und Risiken auch auf tatsächlichen Umständen beruhen, etwa darauf, dass die Inanspruchnahme der Dividendenchance dem Rechtsinhaber zwar rechtlich möglich, aufgrund anderweitig eingeräumter Rechte oder eingegangener Verpflichtungen aber wirtschaftlich ineffizient wäre (LG Hannover, ZIP 1992, 1236, 1239 f.; Holzborn in Bürger/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 134 Rn. 8).
Rz. 96
bb) Anknüpfend an dieses Fehlverständnis lässt das Berufungsgericht maßgebliche Umstände für die Auslegung der Ursprungsvereinbarung außer Acht, weil es die gebotene Gesamtbetrachtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vorgenommen hat. Seine Feststellungen zu den Vereinbarungen der Parteien sprechen nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance bereits bei Abschluss der Ursprungsvereinbarung. Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht mit der Erwägung als richtig, dass die Vertragsparteien davon ausgegangen sind, der Vollzug des Kaufvertrags hinsichtlich der ersten Tranche werde bereits im ersten Quartal 2009 stattfinden.
Rz. 97
(1) Das Berufungsgericht hat die nach den festgestellten Tatsachen gebotene Bewertung, ob die Dividendenchance als ein für die wirtschaftliche Zuordnung der Aktien wesentlicher Gesichtspunkt anzusehen war (vgl. dazu auch Marsch-Barner, WuB, II A. § 20 AktG 1.92) nicht vorgenommen. Die Dividendenchance beruht auf der Möglichkeit, über einen Gewinnverwendungsbeschluss am Bilanzgewinn der Gesellschaft über Ausschüttungen teilzuhaben (§ 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG). Die Vertragsparteien haben in der Ursprungsvereinbarung am 12. September 2008 für die Dividendenberechtigung der Aktien und etwaiger zusätzlicher aus einer Kapitalerhöhung herrührender Aktien im Geschäftsjahr 2008 in § 3.1.1 der Ursprungsvereinbarung eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 110.000.000 € vereinbart und sie gingen davon aus, dass die Übertragung der Aktien an die Beklagte im ersten Quartal 2009 stattfinden würde. Das Berufungsgericht hat hierzu in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass der Betrag zunächst auf 50.000.000 € festgesetzt und möglicherweise im Hinblick auf ein von dritter Seite geäußertes Interesse an den Postbankaktien um 60.000.000 € erhöht worden sei. Nach der Abgeltung im Kaufvertrag bestand die mit der Dividendenberechtigung verbundene Chance der Post darin, ungeachtet der über das nach den Vorstellungen der Vertragsparteien mit dem Kaufpreis abgegoltene Dividendenrecht eine Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 2008 in Anspruch zu nehmen. Ob es angesichts der wirtschaftlichen Situation der Postbank bei Vertragsschluss realistisch war, dass die Postbank im Geschäftsjahr 2008 ausschüttungsfähige Gewinne erzielt und im Hinblick auf die Transaktionsplanung noch in Anspruch nehmen kann, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Hinblick auf den für die Aktien der ersten Tranche vereinbarten Gesamtkaufpreis in Höhe von knapp 2,7 Mrd. € und der hieraus folgenden Wertveränderungsrisiken ist die nicht näher begründete Annahme des Berufungsgerichts, die bei der Post verbliebene Dividendenchance sei wesentlich gewesen, nicht gerechtfertigt.
Rz. 98
(2) Die Zuweisung der Dividendenchance an die Beklagte ist zudem entgegen der Sicht des Berufungsgerichts nicht von einer ausdrücklichen Abrede darüber abhängig, ob der Beklagten eine vor der Übertragung der Aktien ausgeschüttete Dividende abzuführen war. Selbst wenn eine solche Abrede nicht getroffen wurde, steht dies einer wirtschaftlichen Zuordnung der Dividendenchance an die Beklagte nicht entgegen. Der Übergang der Dividendenchance kann auch dadurch herbeigeführt werden, dass der noch dividendenberechtigte Verkäufer einen Gewinnausschüttungsbeschluss tatsächlich verhindern kann und er seine Stimmrechte nach einer mit dem Bieter getroffenen Abrede bis zur Übertragung der Aktien entsprechend ausüben muss.
Rz. 99
(3) Die Feststellungen des Berufungsgerichts sprechen nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte.
Rz. 100
(a) Der Abschluss eines Kaufvertrags über Aktien der Zielgesellschaft führt vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Parteien nicht zum Übergang der Dividendenchance, weil dem Käufer die Nutzungen und Lasten der verkauften Sache nach § 453 Abs. 1 Satz 1, § 446 Satz 2 BGB erst von der Übertragung der Aktie an zustehen (BGH, Urteil vom 12. November 1969 - V ZR 104/66, WM 1970, 126; Meyer-Sparenberg in Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, 2. Aufl., § 44 Rn. 27; BeckOGK BGB/Wilhelmi, Stand: 1.8.2022, § 453 Rn. 87). Etwas hiervon Abweichendes muss allerdings nicht ausdrücklich vereinbart werden (BGH, Urteil vom 12. November 1969 - V ZR 104/66, WM 1970, 126). Der Übergang der wirtschaftlichen Vorteile und die zeitbezogene Risikoabgrenzung kann sich bei einem Vertrag über den Verkauf von Gesellschaftsanteilen auch aus den Bestimmungen über den Kaufpreis und dem wirtschaftlichen Übertragungsstichtag sowie den sonstigen Regelungen des Kaufvertrags ergeben, die diese Vereinbarungen absichern(Meyer-Sparenberg in Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, 2. Aufl., § 44 Rn. 27; Neuhaus in Kiem, Kaufpreisregelungen beim Unternehmenskauf, 2. Aufl., § 5 Rn. 5). Für die Beurteilung, ob die Dividendenchance bereits vor der Übertragung der Aktien auf den Käufer übergegangen ist, bedarf es einer Gesamtbetrachtung dieser Regelungen. Eine Festpreisabrede in Verbindung mit einem in der Vergangenheit liegenden wirtschaftlichen Stichtag führt regelmäßig dazu, dass der Verkäufer seine Anteile bis zum Vollzug faktisch im wirtschaftlichen Interesse des Erwerbers hält (Füger/Rieger/Schell, DStZ 2015, 404, 416; Kiem in Kiem, Kaufpreisregelungen beim Unternehmenskauf, 2. Aufl., § 6 Rn. 1; Foerster, ZIP 2021, 1677, 1684). Dies beruht darauf, dass künftige Wertveränderungen sich allein im Vermögen des Käufers auswirken.
Rz. 101
(b) Die Parteien der Ursprungsvereinbarung haben für die Aktien der ersten Tranche ("Intitial Sales Shares") in § 3.1.1 einen festen Kaufpreis in Höhe von 2.683.450.000 € sowie die bereits erwähnte zusätzliche Zahlung für die Dividendenberechtigung im Geschäftsjahr 2008 in Höhe von 110.000.000 € vereinbart. Schon diese Vereinbarung spricht dafür, dass die Vertragsparteien bereits die für das Jahr 2008 anfallende Dividendenchance durch den Kaufpreis insgesamt abgelten und mithin die Vorteile aus einer nach Vertragsschluss möglichen Dividendenausschüttung bei der Postbank der Beklagten zugutekommen sollten. Dies bestätigt auch die Regelung in § 2.1 der Ursprungsvereinbarung, nach der die Aktien der ersten Tranche einschließlich des Rechts auf Erhalt von Gewinnausschüttungen in Bezug auf alle Geschäftsjahre der Gesellschaft mit Beginn nach dem 31. Dezember 2007 verkauft wurden. Dem entspricht es, dass nach den Vorstellungen der Parteien die nächste Hauptversammlung, auf der die Ausschüttung von Dividenden für das Jahr 2008 hätte beschlossen werden können, erst nach dem Vollzug der Übertragung der Aktien der ersten Tranche stattfinden sollte. Dem Interesse der Beklagten, eine von diesen Vereinbarungen abweichende Ausschüttung von Dividenden an die Post zu vermeiden (vgl. Neuhaus in Kiem, Kaufpreisregelungen beim Unternehmenskauf, 2. Aufl., § 5 Rn. 9), haben die Parteien durch die Regelung in § 9.1 der Ursprungsvereinbarung Rechnung getragen, nach der die Post mit ihren Stimmrechten eine Dividendenausschüttung vor dem Vollzugsdatum verhindern musste. Dass ein Dividendenanspruch nach den Vorstellungen der Parteien erst nach dem Vollzug des Kaufvertrags hinsichtlich der ersten Tranche entstehen sollte, steht diesem Ergebnis entgegen der Sicht der Revisionserwiderung nicht entgegen, weil es nur auf die wirtschaftliche Zuordnung der Dividendenchance ankommt.
Rz. 102
(c) Die zeitliche Geltung der Zustimmungsvorbehalte nur bis zum Eintritt des Vollzugsdatums, das von den Parteien der Ursprungsvereinbarung im ersten Quartal 2009 erwartet wurde, steht einer Zuordnung der Dividendenchance an die Beklagte nicht entgegen. Die Regelungen waren für die Zeit vor der Übertragung der Aktien einschließlich des Rechts zum Dividendenbezug vorgesehen und haben die Wirkungen der Übertragung bei wirtschaftlicher Betrachtung vorverlagert.
Rz. 103
c) Soweit nach der Ursprungsvereinbarung eine Erwerbs- und Veräußerungsoption eingeräumt wurde, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht sämtliche für die Beurteilung maßgeblichen Umstände in den Blick genommen.
Rz. 104
aa) Dass das Berufungsgericht auch insoweit keine Gewichtung der Chancen und Risiken vorgenommen hat, sondern ohne weitere Begründung von der Wesentlichkeit der bei der Post verbliebenen Dividendenchance ausgegangen ist, mag angesichts der vereinbarten Ausübungsfristen revisionsrechtlich noch hingenommen werden, zumal die Revision insoweit nichts erinnert.
Rz. 105
bb) Der Verweis des Berufungsgerichts auf die ausschließlich schuldrechtliche Verpflichtung der Post aus § 2.1 der Ursprungsvereinbarung, aus der sich ergebe, dass der Dividendenanspruch bei der Aktie geblieben sei, lässt außer Betracht, dass es allein auf die wirtschaftliche Zuordnung der Dividendenchance ankommt. Die Revision meint allerdings zu Unrecht, nach § 2.1 der Ursprungsvereinbarung sei der Verkauf sämtlicher Aktien der Post einschließlich des Rechts auf Erhalt aller für nach dem 31. Dezember 2007 beginnenden Geschäftsjahre anfallenden Dividenden erfolgt. Die Regelung bezieht sich ausdrücklich nur auf die Aktien der ersten Tranche ("Intitial Sales Shares"). Vielmehr sah § 13.3.4 der Ursprungsvereinbarung den Verkauf der Optionsaktien mit wirtschaftlicher Wirkung nach der Optionsmitteilung einschließlich des Rechts auf Erhalt von Gewinnausschüttungen für das Geschäftsjahr der Optionsausübung vor.
Rz. 106
cc) Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht im Ergebnis als richtig, weil nach den Feststellungen über die Ausgestaltung der Optionsrechte die Chance auf Teilhabe an Gewinnausschüttungen bei der Post verblieben ist.
Rz. 107
(1) Die der Beklagten eingeräumte Möglichkeit, von der Erwerbsoption Gebrauch zu machen, hat allerdings den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte nicht bewirkt. Der Abschluss bzw. das Inkrafttreten des Kaufvertrags hinsichtlich der Optionsaktien war nach § 13.3.4 der Ursprungsvereinbarung von der Ausübung der Option abhängig, so dass die Vertragsparteien den Regelungen erst mit der wirksamen Ausübung einer Option unterlagen, wenngleich zu diesem Zeitpunkt möglicherweise teilweise mit wirtschaftlicher Wirkung in die Vergangenheit. Es entspricht dem Wesen des Optionsrechts, dass der Berechtigte mit der Optionsausübung entscheiden kann, wirtschaftliche Chancen in Anspruch zu nehmen oder Nachteile abzuwehren, so dass sich Chancen und Risiken bezogen auf den Zeitpunkt der Optionsvereinbarung typischerweise nicht bei einer Partei verorten lassen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass nach den Regelungen der Erwerbsoption das Recht der Post auf die Inanspruchnahme von Gewinnausschüttungen eingeschränkt war.
Rz. 108
(2) Nach den für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Feststellungen hat auch die Vereinbarung wechselseitiger Optionsrechte nicht dazu geführt, dass die Dividendenchance aus den einer Option unterliegenden Aktien wirtschaftlich bereits der Beklagten zugeordnet werden musste. Allerdings wird die Einräumung wechselseitiger, sich auf denselben Aktienbestand beziehender Optionen im Schrifttum als Beispiel für die Übertragung der Chancen und Risiken angeführt (vgl. MünchKommAktG/Arnold, 5. Aufl., § 134 Rn. 17; Holzborn in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 134 Rn. 8; KK-AktG/Tröger, 4. Aufl., § 134 Rn. 104). Dies beruht darauf, dass der aus der Erwerbsoption Berechtigte mit der Ausübung der Option Chancen aus einer ihm günstigen Wertveränderung in Anspruch nehmen und der aus der Veräußerungsoption Berechtigte dem Verpflichteten Nachteile aus einer zwischenzeitlich eingetretenen Wertminderung zuweisen kann (vgl. zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977: BFHE 214, 326 Rn. 27; zum Verlustrisiko auch Holzborn in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 134 Rn. 8). Die mit den wechselseitigen Optionen vorgenommene Verteilung der Chancen und Risiken aus einer Wertveränderung der Aktien führt aber für sich genommen nicht dazu, dass die Dividendenchance bereits zum Zeitpunkt der Optionsvereinbarung vom Inhaber der Aktien auf den Bieter als Inhaber der Erwerbsoption übergeht (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 120 f.; für Aktienderivate: Baums/Sauter, ZHR 173 [2009], 454, 465; aA Foerster, ZIP 2021, 1677, 1686; für § 34 WpHG: Habersack, AG 2008, 817, 818; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., § 34 WpHG Rn. 51; vgl. zu Swap-Geschäften Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 41). Im Übrigen wurde der Kaufpreis bei Ausübung der Veräußerungsoption um 12,80 € je Aktie niedriger als derjenige bei Ausübung der Erwerbsoption angesetzt, so dass die aus einer Wertveränderung folgenden Risiken zumindest teilweise bei der Post verblieben. Dass dies im Hinblick auf die Festlegung der Optionspreise nicht der Fall war (vgl. MünchKommAktG/Arnold, 5. Aufl., § 134 Rn. 17), ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.
Rz. 109
(3) Soweit die Revision auf die Verpflichtungen der Beklagten aus § 9.1 Buchst. a) der Ursprungsvereinbarung verweist, folgt daraus nichts Anderes. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bezog sich der Zustimmungsvorbehalt auf sämtliche von der Post gehaltenen Aktien, allerdings zeitlich begrenzt auf den Eintritt des Vollzugsdatums. Auch wenn dessen Eintritt bei Abschluss der Ursprungsvereinbarung noch offen gewesen sein mag, kann angesichts der vereinbarten Optionsfristen und der Vorstellungen der Parteien über den zeitlichen Ablauf der Transaktion nicht von einem Übergang der Dividendenchance die Rede sein. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Post nach der Ursprungsvereinbarung bis zur Ausübung der Optionen die Dividendenchance aus den Optionsaktien in Anspruch nehmen konnte. Nach den für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts gab es auch keine Abrede zwischen den Parteien zu Dividendenausschüttungen während der Optionsfristen außerhalb der schriftlichen Vereinbarungen.
Rz. 110
(4) Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Dividendenchance wirtschaftlich noch der Post zuzuordnen war, weil diese auch aufgrund anderweitig eingeräumter Rechte oder eingegangener Verpflichtungen auf die Beklagte übergegangen sein könnte. Das könnte der Fall sein, wenn es der Post aufgrund der mit der Verpfändung der Aktien am 30. Dezember 2008 übernommenen Verpflichtungen nicht mehr möglich gewesen sein sollte, Dividendenausschüttungen aus den von ihr gehaltenen Aktien in Anspruch zu nehmen.
Rz. 111
(a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht zu den Verpfändungsvereinbarungen zwar an, dass der Post nach deren § 5.1 die Gesellschafterrechte aus den verpfändeten Aktien verblieben und sie jedenfalls nach dem Vollzug des Kaufvertrags über den Erwerb der ersten Tranche auch die Stimmrechte bezüglich der Dividenden ausüben konnte (vgl. oben Rn. 87).
Rz. 112
(b) Ob sich die Bindung der Stimmrechtsausübung an Treu und Glauben lediglich in der Wahrung der Interessen der Beklagten im Rahmen der allgemeinen, sich aus § 242 BGB ergebenden Nebenpflichten erschöpfte, ist dagegen für die Zuordnung der Dividendenchance unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht relevant. Entscheidend ist vielmehr, ob es der Post im Hinblick auf diese Interessenbindung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände verwehrt war, die Dividendenchance aus den von ihr gehaltenen Aktien noch tatsächlich in Anspruch zu nehmen.
Rz. 113
d) Soweit es um den Übergang der Dividendenchance auf der Grundlage der in der Nachtragsvereinbarung getroffenen Regelungen geht, hält die Beurteilung des Berufungsgerichts ebenfalls einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Rz. 114
aa) Für den Verkauf eines Aktienpakets im Umfang von 22,9 % des Grundkapitals nach der Nachtragsvereinbarung gilt im Ergebnis das zur Ursprungsvereinbarung Ausgeführte entsprechend (oben Rn. 86). Zwar war insoweit kein besonderer Kaufpreisanteil für die im Geschäftsjahr 2008 angefallenen Dividenden vereinbart und die Nachtragsvereinbarung enthält in § 2a.1 auch keine gesonderte Regelung über die Zuweisung des Rechts auf Gewinnausschüttungen für bereits begonnene Geschäftsjahre. Die Vereinbarung eines festen Kaufpreises in Verbindung mit der Verpflichtung der Post nach § 10.1 der Nachtragsvereinbarung, eine Dividendenausschüttung bis zum Vollzug der Übertragung der Aktien der ersten Tranche zu verhindern, spricht aber ungeachtet dessen dafür, dass die Dividendenchance insoweit bereits mit dem Abschluss der Nachtragsvereinbarung auf die Beklagte überging und der Post wirtschaftlich noch zustehende Dividenden mit dem vereinbarten Kaufpreis abgegolten sein sollten.
Rz. 115
bb) Soweit die Zeichnung einer Pflichtumtauschanleihe vereinbart wurde, hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf seine Ausführungen zu den wechselseitigen Optionen angenommen, die Dividendenchance sei der Beklagten nicht zugewiesen gewesen. Diese Ausführungen greifen zu kurz. Wie bereits ausgeführt, ist der Übergang der Dividendenchance nicht von einer ausdrücklichen Abrede darüber abhängig, ob eine vor der Übertragung der Aktien ausgeschüttete Dividende an die Beklagte abzuführen war (oben Rn. 89). Auch mit den zu den wechselseitig eingeräumten Optionsrechten angestellten Erwägungen lässt sich der Verbleib der Dividendenchance bei der Post nicht begründen. Die Übertragung der Pflichtumtauschaktien wird zwischen den Parteien regelmäßig schuldrechtlich bindend vereinbart (vgl. Wackerbarth, ZIP 2012, 253, 255 f.), so dass der Inhaber der Anleihe bei Vereinbarung eines festen Umtauschpreises grundsätzlich das Risiko einer negativen Wertveränderung der dem Pflichtumtausch unterliegenden Aktien zu tragen und umgekehrt die Chance einer positiven Wertentwicklung innehat (vgl. Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729, 739). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Beklagten bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chance auf Dividendenausschüttungen zugewiesen war. Das Berufungsgericht hat zur näheren Ausgestaltung der Pflichtumtauschanleihe keine Feststellungen getroffen und auch die Auswirkungen aus der Verpfändung der Aktien am 25. Februar 2009 nicht in den Blick genommen (vgl. oben Rn. 110). Soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang darauf abstellt, die Besicherung der Ansprüche aus der Pflichtumtauschanleihe sei jederzeit kongruent gewesen, berücksichtigt es nicht sämtliche für die Beurteilung maßgeblichen Umstände. Dass mit dem Pfandrecht nicht lediglich die von dem Wert der Aktien unabhängige Pflicht zur Lieferung der Aktien besichert war, ergibt sich aus § 5.1 der Verpfändungsvereinbarung.
Rz. 116
cc) Hinsichtlich der Vereinbarung einer Erwerbs- bzw. Veräußerungsoption gelten die Ausführungen unter vorstehend c) cc) (2) entsprechend. Zwar haben die Parteien in der Nachtragsvereinbarung für die wechselseitigen Optionen einen nur geringfügig abweichenden Preis vereinbart. Diese Vereinbarung ändert aber zunächst nichts daran, dass die Post im eigenen Interesse Vorteile aus Dividendenausschüttungen bis zur Ausübung einer Option in Anspruch nehmen konnte. Auch insoweit hat das Berufungsgericht allerdings die Auswirkungen der Verpfändung der Aktien am 25. Februar 2009 nicht rechtsfehlerfrei in seine Beurteilung einbezogen (vgl. oben Rn. 110).
Rz. 117
e) Rechtsfehlerfrei ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich aus einem AGB-Pfandrecht der Beklagten an Postbankaktien der Post für sich genommen nichts zur wirtschaftlichen Zuordnung der Dividendenchance ergeben würde. Seine Auslegung, wonach der Regelung über den Ausschluss des Herausgabeanspruchs im Hinblick auf die zu den Wertpapieren gehörenden Zins- und Gewinnanteilscheine nichts über die materielle Zuweisung eines Gewinnbezugsrechts entnommen werden kann, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Regelung macht allenfalls von der in § 1296 Satz 2 BGB eröffneten Möglichkeit zum Zurückbehalt der Wertpapiere Gebrauch, indem sie den Herausgabeanspruch des Kunden vor Pfandreife ausschließt (vgl. zu Nr. 14 Abs. 4 AGB-Banken: Bunte in Bunte/Zahrte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 5. Aufl., AGB-Banken Rn. 309; gegen einen Ausschluss des Herausgabeanspruchs vor Pfandreife: Fuchs/Zimmermann in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., (8) AGB-Banken Rn. 61).
Rz. 118
f) Soweit das Berufungsgericht danach rechtsfehlerhaft den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte verneint hat, erweist sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO.
Rz. 119
aa) Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass hinsichtlich der von der Post gehaltenen Aktien ein Übergang der wesentlichen Chancen und Risiken auf die Beklagte zu verneinen ist. Die hierfür erforderliche tatrichterliche Würdigung der einzelfallbezogenen Umstände kann der Senat auch unter Berücksichtigung der bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht selbst vornehmen. Die von der Revisionserwiderung erhobenen Einwände gegen einen Übergang der Risiken, die Verkaufsaktien betreffend, greifen allerdings nicht durch.
Rz. 120
(1) Der Umstand, dass zwischen den Parteien in Bezug auf die Verkaufsaktien ein fester Erwerbspreis vereinbart wurde, spricht für den Übergang des Börsenkurs- und Insolvenzrisikos der Zielgesellschaft auf die Beklagte, weil diese zur Abnahme der Aktien gegen Zahlung des Kaufpreises auch bei einer nachteiligen Kursentwicklung und bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Zielgesellschaft verpflichtet war. Ob das Risiko der Unmöglichkeit der Übertragung der Aktien bei der Verkäuferin verblieben ist (dazu Foerster, ZIP 2021, 1677, 1684 f.), bedarf keiner näheren Betrachtung, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss darauf erlauben, dass es sich insoweit um ein wesentliches Risiko gehandelt hat.
Rz. 121
(2) Der Einwand der Revisionserwiderung, von einem Übergang des Insolvenzrisikos der Zielgesellschaft könne im Hinblick auf die Schadensersatzhaftung der Post aus § 5.2.1 Buchst. b) und § 6.1 der Ursprungsvereinbarung nicht ausgegangen werden, greift nicht durch. Die Post garantiert in § 5.2.1 Buchst. b) der Ursprungsvereinbarung, dass in Bezug auf die "Wesentlichen Gesellschaften" und die "Regulierten Gesellschaften" keine Konkurs- oder gerichtlichen Vergleichsverfahren anhängig oder beantragt wurden und § 6.1 regelt die Folgen einer Verletzung der Garantien der Verkäuferin. Daraus folgt nichts für eine Übernahme des Insolvenzrisikos der Zielgesellschaft oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft oder dessen Absicherung durch die Verkäuferin. Zwar weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass diese Garantieerklärung nach § 5.1 der Ursprungsvereinbarung nicht nur bezogen auf das Datum des Vertragsschlusses, sondern auch bezogen auf das Vollzugsdatum abgegeben wurde. Damit lässt sich der Verbleib des Insolvenzrisikos bei der Post im Ergebnis aber nicht begründen, weil es dafür maßgeblich auf die gemäß § 6 der Ursprungsvereinbarung vereinbarten Rechtsfolgen einer Garantieverletzung ankommt. Nach § 6.4.1 der Ursprungsvereinbarung war eine Rückabwicklung des Vertrags wegen der Verletzung der Garantie ausgeschlossen. Zum Umfang einer möglichen Schadensersatzpflicht gemäß § 6.1.3 der Ursprungsvereinbarung, der in der von der Beklagten vorgelegten Fassung in wesentlichen Teilen geschwärzt ist, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Rz. 122
bb) Eine Zurechnung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG scheidet auch nicht deswegen aus, weil sich die Verpflichtung der Post nicht auf die Lieferung bestimmter Aktien bezogen hat. Hierzu wird teilweise angenommen, eine schuldrechtliche Verpflichtung, Aktien der Zielgesellschaft an den Bieter zu liefern, könne die Zurechnung nicht begründen, solange die Verpflichtung sich nicht auf die Lieferung bestimmter Aktien konkretisiert habe (Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 11, 43 f.; Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 242). Dem vermag der Senat aber nicht zu folgen. Für diese Ansicht kann angeführt werden, dass gegebenenfalls wesentliche Chancen und Risiken aus den Aktien beim Inhaber verbleiben, solange der zur Lieferung Verpflichtete grundsätzlich berechtigt ist, vor der Lieferung auf eigene Rechnung und eigenes Risiko über die Aktien zu verfügen und dass Gegenstand der Zurechnung jeweils bestimmte Stimmrechte sind. Diese Gesichtspunkte schließen eine Zurechnung vor der Konkretisierung der Lieferpflicht auf bestimmte Aktien allerdings nicht aus. Auch bei einer Gattungsschuld kann durch andere vertragliche Regelungen oder durch andere Umstände eine Verfügung über die Aktien rechtlich oder tatsächlich ausgeschlossen werden. So garantierte die Post in § 5.1, § 5.2.1 Buchst. c) der Ursprungsvereinbarung auch bezogen auf das Vollzugsdatum, über einen den Verkaufsaktien entsprechenden Teil ihrer Aktien nicht verfügt zu haben. Die rein theoretisch bleibende Möglichkeit, über die Aktien zwischenzeitlich zu verfügen, begründet im Übrigen keine wesentliche Chance oder ein wesentliches Risiko. Eine Konkretisierung ist auch nicht für die Bestimmung des Zurechnungsgegenstands geboten. Gegenstand der Zurechnung sind nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG Stimmrechte aus einem Dritten gehörenden Aktien. Für die Zurechnung kommt es danach auf den Bestand der Aktien und die mit ihnen verbundenen Stimmrechte an, nicht aber auf eine dingliche Zuordnung an den Zurechnungsempfänger (im Ergebnis auch Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 46; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 111; Bachmann, ZHR 173 [2009], 596, 627 f. zu § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF). Im Übrigen lag eine für die Zurechnung ausreichende Bestimmtheit jedenfalls nach der Verpfändung der Aktien vor. Der Post war es auf Grund der Verpfändungsvereinbarung auch nicht erlaubt, auf eigene Rechnung und eigenes Risiko über diese zu verfügen.
Rz. 123
cc) Die Voraussetzungen einer Zurechnung sind auch nicht deswegen zu verneinen, weil die Beklagte auf die Ausübung der Stimmrechte durch die Post keinen Einfluss nehmen konnte.
Rz. 124
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein bloß wirtschaftliches Verständnis des Begriffs "für Rechnung" dem Zweck des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG, Stimmrechtsmacht zu erfassen, nicht gerecht, so dass die Möglichkeit hinzukommen muss, auf die Stimmrechtsausübung des Eigentümers der Aktien Einfluss zu nehmen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 50; ebenso für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF: BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 34 - Wertpapierdarlehen). Diese Sicht wird im Schrifttum überwiegend geteilt (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 95; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 71; Steinmeyer/ Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 30 Rn. 12; Heidel/Sohbi, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 4; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 22; Noack/Zetsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 Rn. 11; Oppenhoff in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl., § 23 Rn. 157; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 32; Ekkenga, ZGR 2015, 485, 495; Verse, Der Konzern 2015, 1, 7; für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF: Emittentenleitfaden Modul B, Stand: 30. Oktober 2018, S. 22; Brellochs, ZIP 2011, 2225, 2227; vgl. auch Anzinger, VGR 2010, 187, 200 f.).
Rz. 125
Dem wird entgegengehalten, der Begriff des "Für Rechnung Haltens" sei dahin zu verstehen, dass der Bieter die Chancen und Risiken aus der Mitgliedschaft trage und nicht derjenige, dem die Mitgliedschaft formell zugeordnet sei (Foerster, ZIP 2021, 1677, 1683 f.). Die Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG verzichteten auf die positive Feststellung eines rechtlichen oder tatsächlichen Stimmrechtseinflusses als materielle Zurechnungsvoraussetzung, sondern begründeten allein aufgrund einer formalen Anknüpfung die Zurechnung der Stimmrechte (Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 152 ff.; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 28; Schanz, DB 2008, 1899, 1902 f. zu § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF).
Rz. 126
(2) Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der von seiner Rechtsprechung abweichenden Stimmen im Schrifttum an seiner Rechtsauffassung fest.
Rz. 127
(a) Aus dem Begriff des "Für Rechnung Haltens" in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG lässt sich das Erfordernis der Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung allerdings nicht ableiten. Er kennzeichnet, bezogen auf einen Gegenstand, ein Recht oder ein Rechtsgeschäft, die wirtschaftliche Zuordnung von Chancen und Risiken (BGH, Urteil vom 11. Januar 1962 - VII ZR 188/60, BGHZ 36, 273, 279 f.; Vedder, Zum Begriff "für Rechnung" im AktG und im WpHG, 1999, S. 7). Die Zuordnung ist nach dem Wortlaut der Norm abweichend von der Rechtsinhaberschaft ("einem Dritten gehören") unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen, wobei hierfür stets ein zwischen den Beteiligten bestehendes Rechtsverhältnis maßgeblich ist (Vedder, Zum Begriff "für Rechnung" im AktG und im WpHG, 1999, S. 10), über dessen Beschaffenheit der Begriff allerdings selbst keine Auskunft gibt. Im allgemeinen zivilrechtlichen Sprachgebrauch werden mit dem Begriff des Haltens oder Handelns für fremde Rechnung typischerweise Treuhandverhältnisse (BGH, Urteil vom17. September 1996 - XI ZR 164/95, BGHZ 133, 254, 262; Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 27; Urteil vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 Rn. 22; Urteil vom 25. Juni 2021 - V ZR 218/19, MDR 2021, 1259 Rn. 21), jedenfalls aber fremdnützige (BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - III ZR 282/14, WM 2017, 1569 Rn. 24; Urteil vom 21. Juli 2020 - II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 27), auf die Wahrnehmung fremder Interessen (BGH, Urteil vom 16. November 1967 - II ZR 253/64, NJW 1968, 352; Urteil vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 35) gerichtete Rechtsverhältnisse beschrieben (Vedder, Zum Begriff "für Rechnung" im AktG und im WpHG, 1999, S. 13 ff.). Eine Verlagerung von Chancen und Risiken kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch auch durch andere Vereinbarungen und diese begleitende tatsächliche Umstände herbeigeführt werden (vgl. Vedder, Zum Begriff "für Rechnung" im AktG und im WpHG, 1999, S. 23 ff.; Anzinger, VGR 2010, 187, 200). Das Aktiengesetz verwendet den Begriff in verschiedenen Normen, insbesondere zum Schutz vor Umgehung und zu Offenlegungszwecken (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4, § 20 Abs. 2, Abs. 7 Satz 1, § 32 Abs. 3, § 33 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 5, § 47, § 56 Abs. 3, § 71a Abs. 2, § 71d Satz 1 und 2, § 88, § 89 Abs. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2, § 134 Abs. 1 Satz 3, § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 2, § 214 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3, § 226 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 284, § 286 Abs. 2 Satz 4, § 291 Abs. 1 Satz 2, § 320 Abs. 1 Satz 2 AktG), ebenso das Handelsgesetzbuch (vgl. § 61 Abs. 1, § 113 Abs. 1, § 285 Nr. 11, § 290 Abs. 3 und 4, § 313 Abs. 2 Nr. 1-5, § 314 Abs. 1 Nr. 7, § 341 Abs. 4 Satz 2, § 383 Abs. 1, § 391 Satz 2, § 394 Abs. 1, § 399, § 405 Abs. 1, § 406 Abs. 1 Satz 1, § 419 Abs. 3 Satz 2, § 457, § 492 Abs. 3 Satz 2 HGB) und andere Gesetze (z.B. § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GWB). Dem liegt nicht zwingend ein einheitliches, natürliches Begriffsverständnis zugrunde (offen dazu MünchKommAktG/Arnold, 5. Aufl., § 134 Rn. 17), sondern dieses kann im Wege der Auslegung insbesondere unter Berücksichtigung der Reichweite des jeweiligen Normzwecks gewonnen werden (Burgard, BB 1995, 2069, 2072; Marsch-Barner, WuB II A. § 20 AktG 1.92). Entsprechend ist auch die Reichweite der hier in Rede stehenden übernahmerechtlichen Zurechnungsvorschrift zu bestimmen. Das schließt es aus, der Zurechnungsnorm im Hinblick auf ein nach rechtsformabhängigen Kriterien gewonnenes Verständnis vom materiellen Gehalt der Mitgliedschaft nur eine klarstellende Funktion zuzusprechen (aA Foerster, Die Zuordnung der Mitgliedschaft, 2018, S. 432 f., 434), weil der Gesetzgeber es grundsätzlich in der Hand hat, die Reichweite der Zurechnung hiervon abweichend zu regeln.
Rz. 128
(b) Die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG ist danach davon abhängig, dass der Bieter auf die Ausübung der Stimmrechte durch den Dritten Einfluss nehmen kann.
Rz. 129
(aa) Die Erfassung von Stimmrechtsmacht beim Bieter ist auch in Bezug auf die Zurechnung von Stimmrechten, die von einem Dritten gehalten werden, die maßgebliche Größe und zugleich Sinn und Zweck der Zurechnungstatbestände (BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 50). Die Zurechnungstatbestände in § 30 WpÜG wirken nach § 29 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 WpÜG auf den übernahmerechtlichen Kontrolltatbestand, der sich im Ausgangspunkt daran orientiert, ob mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gehalten werden. Die vom Gesetzgeber gewählte Größe richtet sich allerdings nach allgemeinen, vom Einzelfall losgelösten, auf Präsenzen in den Hauptversammlungen börsennotierter deutscher Unternehmen basierenden und damit typisierenden Betrachtungen über das Vorliegen einer Hauptversammlungsmehrheit. Dies soll zu klaren, für den Markt erkennbaren Vorgaben führen und die Ermittlung der Beteiligungsverhältnisse erleichtern (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 53).
Rz. 130
Soweit im Hinblick darauf geltend gemacht wird, die Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG verzichteten auf die positive Feststellung eines rechtlichen oder tatsächlichen Stimmrechtseinflusses als materielle Zurechnungsvoraussetzung, sondern begründeten allein aufgrund einer formalen Anknüpfung die Zurechnung der Stimmrechte (Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 152 f.; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 28; wohl auch Foerster, ZIP 2021, 1677, 1683 f.), ist dieser Kritik einzuräumen, dass nach dem dargestellten Regelungskonzept auch hinsichtlich der Tatbestände des § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG eine formale, an die jeweilige Rechtsstellung anknüpfende Zurechnung naheliegt, um das Ziel leicht erkennbarer Vorgaben für die Feststellung eines Kontrollerwerbs zu erreichen (KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 30, 37; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 11; Düchting, Acting in Concert, 2009, S. 61 f.; Löhdefink, Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007, S. 251). Daraus folgt allerdings nicht zwingend ein ausschließlich an der wirtschaftlichen Zuordnung orientiertes Begriffsverständnis.
Rz. 131
(bb) Der Gesetzgeber hat als Hauptanwendungsfall des Zurechnungstatbestands eine treuhänderische, auf die Wahrung fremder Interessen gerichtete Bindung des Stimmrechtsinhabers in den Blick genommen (Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 72; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 34; für § 34 WpHG: Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., § 34 WpHG Rn. 47).
Rz. 132
Bei den Zurechnungstatbeständen hat er sich an § 22 WpHG aF (nunmehr § 34 WpHG) orientiert, um durch unterschiedliche Zurechnungsmethoden auftretende Irritationen am Kapitalmarkt zu vermeiden (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 53). Mit § 22 WpHG wurde die Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (88/627/EWG) umgesetzt, die in Art. 7 den gehaltenen Stimmrechten u.a. solche gleichgestellt hat, die von anderen Personen in ihrem eigenen Namen für Rechnung der betreffenden Person gehalten werden. Diese Regelung wurde in § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF übernommen, um die Beteiligungstransparenz auf solche Fälle zu erstrecken, in denen die Aktien treuhänderisch gehalten werden (RegE eines Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften [Zweites Finanzmarktförderungsgesetz], BT-Drucks. 12/6679, S. 53).
Rz. 133
(cc) Die Orientierung an einem auf die Wahrung von Fremdinteressen gerichteten Rechtsverhältnis legt auch die systematische Betrachtung der Zurechnungstatbestände nahe, weil die Sicherungsübereignung als eigennütziges Treuhandverhältnis eine besondere Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpÜG erfahren hat. Nach dieser Vorschrift scheidet eine Zurechnung an den Bieter als Sicherungsgeber aus, wenn der Sicherungsnehmer zur Ausübung der Stimmrechte aus den als Sicherheit übertragenen Aktien befugt ist und die Absicht bekundet, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Bieters auszuüben. Die typische Verwaltungstreuhand soll nach dieser Wertung die Zurechnung an den Treugeber stets auslösen, ein auf einer Sicherungsübertragung der Aktien bezogenes Treuhandverhältnis dagegen nur abhängig von der Befugnis des Treunehmers zur weisungsfreien Stimmrechtsausübung. Mit dieser Unterscheidung wird der auf die Sicherungsfunktion der Übereignung hin zugeschnittenen Rechtsstellung des Treunehmers Rechnung getragen, die zwar an der grundsätzlich fortbestehenden wirtschaftlichen Beteiligung des Treugebers nichts ändert (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125 Rn. 35 f.), aber unter den dort genannten, auf die Stimmrechtsausübung bezogenen Voraussetzungen eine Zurechnung ausschließen kann. Daraus folgt zugleich, dass es die Parteien bei der Begründung des Treuhandverhältnisses in der Hand haben, die Reichweite der Zurechnung ungeachtet der wirtschaftlichen Zuordnung der Aktie zu beeinflussen.
Rz. 134
Von der auf die Erfassung einer treuhänderischen Stimmrechtsbindung gerichteten Zweckbestimmung ausgehend hätte § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG eine überschießende Wirkung, wenn ungeachtet der Zuordnung der Chancen und Risiken der Inhaber der Stimmrechte diese frei und unabhängig vom Willen und den Interessen des Bieters ausüben kann. Die Rechtsnatur eines (uneigennützigen) Treuhandverhältnisses ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treuhänder nach außen Gesellschafter, im Innenverhältnis aber gebunden ist und die ihm formal zustehenden Gesellschafterrechte nur im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers ausüben darf (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1976 - II ZR 119/75, WM 1976, 1247; Baums/Sauter, ZHR 173 [2009], 454, 464).
Rz. 135
(dd) Das Ziel einer rechtssicheren Bestimmung der Zurechnungsvoraussetzungen spricht ebenfalls dafür, dass die Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG von der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung abhängig ist. Im Hinblick darauf, dass die Zurechnung zum Schutz vor Umgehungen richtigerweise nur den Übergang der wesentlichen Chancen und Risiken voraussetzt, verbleibt zwangsläufig ein Bereich, in dem die Grenzen der Zurechnung von den Beteiligten nicht rechtssicher vorausbestimmt werden können. Im Hinblick auf die einschneidenden Folgen einer Fehleinschätzung über das Vorliegen der Zurechnungsvoraussetzungen sollten es die Beteiligten ungeachtet der nach § 37 Abs. 1 WpÜG bestehenden Möglichkeit zur Befreiung von der Angebotspflicht in der Hand haben, durch entsprechende Regelungen in dem Rechtsverhältnis, das zur Verlagerung wirtschaftlicher Chancen und Risiken führt, klarzustellen, dass der Bieter keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung hat (von Bülow/Petersen, NZG 2009, 1373, 1374). Darin liegt keine unzulässige Umgehung der Norm, wie auch die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 6 und 8 WpÜG zum Ausdruck kommenden Wertungen zeigen.
Rz. 136
(ee) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die weitere Rechtsentwicklung nahegelegt (Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 104). Der Gesetzgeber hat mit § 25a WpHG aF (nunmehr § 38 WpHG) die Mitteilungspflichten des Gesetzes über den Wertpapierhandel auf Finanzinstrumente und sonstige Instrumente erweitert, die es ihrem Inhaber faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben (RegE eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts [Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz], BT-Drucks. 17/3628, S. 19). Dem war eine Diskussion im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vorausgegangen, die die Reichweite von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF und § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG in Bezug auf Rechtsverhältnisse betraf, die dem Bieter die Chancen und Risiken aus Aktien mit der Möglichkeit zuwiesen, auf die Stimmrechtsausübung zumindest faktisch Einfluss zu nehmen und auch das Verhältnis zwischen melderechtlichen und übernahmerechtlichen Vorschriften einschloss (Habersack, AG 2008, 817, 818; Schneider/ Anzinger, ZIP 2009, 1, 7 f.; Seibt, ZGR 2010, 795, 820 f., 828 ff.; Noack/Zetzsche, Festschrift Schwark, 2009, S. 569, 575 ff.; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 407; Anzinger, VGR 2010, 187, 199, 211 ff.). Der Gesetzgeber hat sich ungeachtet der aus dieser Diskussion folgenden Ungewissheiten über die Reichweite der seinerzeit bestehenden Zurechnungsnormen entschieden, lediglich die Reichweite melderechtlicher Pflichten zu erweitern.
Rz. 137
(ff) Der Auslegung steht schließlich nicht das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG entgegen (aA Rothenfußer in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 11 Rn. 158, 160 ff.). Der Senat hat zwar ausgesprochen, dass für die Auslegung der Zurechnungsbestimmungen in § 30 Abs. 1 und 2 WpÜG bereits aus der Bußgeldvorschrift des § 60 WpÜG i.V.m. Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG folgt, dass diese Zurechnungsvorschriften wortlautgemäß zu verstehen und daher Analogien zu Lasten des Betroffenen ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 18. September 2006 - II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 Rn. 17; Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 33; Urteil vom 25. September 2018 - II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 39; weitergehend BVerwGE 122, 29, 46 f.; BVerfG, ZIP 2006, 1484, 1485; dazu auch Gegler, NZG 2020, 931, 936). Die sich aus dem möglichen Wortsinn ergebende äußerste Grenze einer zulässigen Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - II ZR 152/20, BGHZ 230, 288 Rn. 16; BVerfGE 92, 1, 12) ist hier aber nicht überschritten. Der Wortlaut der Regelung eröffnet es, die Anforderungen an das den Übergang der Chancen und Risiken bewirkenden Rechtsverhältnisses durch Auslegung näher zu bestimmen.
Rz. 138
(3) Die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung setzt kein Weisungsrecht des Bieters oder eine aktive rechtliche Einflussmöglichkeit voraus. Es genügt, dass der Inhaber der Stimmrechte bei ihrer Ausübung das Interesse des Bieters hinsichtlich der von diesem übernommenen wirtschaftlichen Chancen und Risiken wahren muss. Die rein tatsächliche Möglichkeit einer Einflussnahme rechtfertigt die Zurechnung dagegen nicht.
Rz. 139
(a) Der Senat hat bereits für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF entschieden, dass der Bieter nach der vertraglichen Regelung auf die Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers Einfluss nehmen können muss (BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 34 - Wertpapierdarlehen). Wie die Möglichkeit des Bieters zur Einflussnahme beschaffen sein muss, ist streitig. Teilweise wird angenommen, nur die rechtlich vermittelte aktive Einflussmöglichkeit auf die Stimmrechtsausübung könne die Zurechnung begründen(KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 130; Ekkenga, ZGR 2015, 485, 495 f.; Niemeyer, EWiR 2014, 541, 542; Hippeli, AG 2017, 771, 774). Andere halten es dagegen für ausreichend, dass der Dritte verpflichtet ist, die Interessen des Bieters zu wahren (Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 30 Rn. 6; Walz/Riehmer in Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 26; Bachmann, ZHR 173 [2009], 596, 629 f., 636; Meilicke/Meilicke, ZIP 2010, 558, 562; vgl. für § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG: Emittentenleitfaden Modul B, Stand: 30. Oktober 2018, S. 23; wohl auch Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., § 34 WpHG Rn. 48 f.). Für wiederum andere genügt bereits die faktische Möglichkeit, auf die Ausübung der Stimmrechte Einfluss zu nehmen (Habersack, AG 2008, 817, 818; Noack/Zetzsche, Festschrift Schwark, 2009, S. 569, 576 f.; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 348 zu § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF; Verse, Der Konzern 2015, 1, 7; MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 Rn. 22; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 32; Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 11; Heidel/Sohbi, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 4; Steinmeyer/Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 30 Rn. 13; Oppenhoff in Drinhausen/Eckstein, Beck'sches Handbuch der AG, 3. Aufl., § 23 Rn. 156; für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF: VG Frankfurt, BKR 2007, 40, 43).
Rz. 140
(b) Die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Ausübung der Stimmrechte besteht dann, wenn der Inhaber der Stimmrechte diese unter Berücksichtigung der mit dem Bieter bestehenden Rechtsbeziehungen nur unter Wahrung der Interessen des Bieters ausüben darf. Der Übergang der wesentlichen Chancen und Risiken aus den Aktien auf den Bieter bewirkt typischerweise, dass der Inhaber der Stimmrechte kein eigenes Interesse mehr an der Ausübung der Stimmrechte hat (Bachmann, ZHR 173 [2009], 596, 629 f., 636; Noack/Zetzsche, Festschrift Schwark, 2009, S. 569, 576 f.; für § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF: Brellochs, ZIP 2011, 2225, 2226). Der Anwendungsbereich der Zurechnungsnorm würde unzulässig verkürzt und für Umgehungen geöffnet, wenn nur ein Weisungsrecht oder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte geeignet wäre, die Möglichkeit einer Einflussnahme zu vermitteln. Der Inhaber der Stimmrechte, der unter Berücksichtigung der rechtlichen Beziehungen zum Bieter dessen Interessen wahren muss, wird seine Stimmrechte entweder auf Grund einer tatsächlichen Abstimmung oder jedenfalls im angenommenen Interesse des Bieters ausüben, so dass bereits die Interessenwahrungspflicht in Verbindung mit der wirtschaftlichen Zuordnung der Aktie beim Bieter die Annahme der Stimmrechtsherrschaft rechtfertigt.
Rz. 141
Dem steht bezogen auf Kauf- und Optionsgeschäfte bzw. Rechte aus Wandelanleihen auch nicht die Wertung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG entgegen, nach der erst die dingliche Erwerbsmöglichkeit zur Zurechnung beim Bieter führen soll (aA Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 49b; KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 131; Beurskens/Oechsler in Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, 2. Aufl., § 30 Rn. 39; vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 40). Zwar wird in den Materialien zu § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG zum Ausdruck gebracht, schuldrechtliche Vereinbarungen, die einen Lieferanspruch begründeten, sollten keine Zurechnung zur Folge haben, weil die gravierende Folge eines Pflichtangebots nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Position des Bieters nicht mehr von Unwägbarkeiten abhängig sei, die die Parteien nicht beeinflussen könnten (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 54). Die Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG knüpft aber gerade nicht an die künftige Erwerbsmöglichkeit des Bieters an, sondern an die gegenwärtige Ausgestaltung seiner Rechtsposition im Verhältnis zum Inhaber der Stimmrechte. Abgesehen davon liegt es in den Händen der Vertragsparteien, ob es bereits beim Abschluss des jeweiligen Geschäfts zu einem Übergang der Chancen und Risiken auf den Käufer kommt und diesem die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Ausübung der Stimmrechte eröffnet wird.
Rz. 142
Nicht genügend ist dagegen eine nur auf tatsächlichen Umständen beruhende Einflussnahmemöglichkeit des Bieters. Die Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG beruht, wie oben unter Rn. 128 ausgeführt, auf einer treuhandähnlichen Rechtsbeziehung des Bieters zum Inhaber der Aktien, die durch eine rechtlich vermittelte Möglichkeit der Einflussnahme gekennzeichnet ist. Der Grund für die Zurechnung besteht daher nicht in der Fremdbestimmung des Stimmrechtsinhabers (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer,Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 11), wenn diese allein Folge eines wirtschaftlich opportunen Verhaltens ist.
Rz. 143
(4) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung nicht verneint werden.
Rz. 144
(a) In Bezug auf die Verkaufsaktien (29,75 % der Aktien nach der Ursprungsvereinbarung und 22,9 % der Aktien nach der Nachtragsvereinbarung) war der Beklagten die Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Stimmrecht schon durch die Verpflichtungen aus § 9.1 bzw. § 10.1 der Vereinbarungen und die sich aus den Verträgen ergebende Verpflichtung zur Rücksichtnahme der Post auf die Interessen der Beklagten eröffnet. Eine Zurechnung kann auch nicht deswegen verneint werden, weil der Post nur solche Bindungen auferlegt wurden, die ihren vertraglichen Nebenpflichten entsprochen hätten und der Beklagten keine in Bezug auf die Kontrolle der Zielgesellschaft relevante Stimmrechtsmacht zugekommen sei. Die Pflicht zur Wahrung der Interessen des Bieters begründet im Hinblick auf die wirtschaftliche Zuordnung der Chancen und Risiken eine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass dem Bieter eine relevante Stimmrechtsmacht zukommt.
Rz. 145
(b) Soweit die Zeichnung einer Pflichtumtauschanleihe vereinbart wurde bzw. wechselseitig eine Erwerbs- und Veräußerungsoption eingeräumt wurden, mögen diese Vereinbarungen für sich betrachtet der Beklagten nicht die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung eröffnet haben, weil diese keine hinreichende Verpflichtung der Post begründet haben, bei der Ausübung ihrer Stimmrechte die Interessen der Beklagten zu wahren (vgl. dazu KK-WpÜG/von Bülow/Schwarz, 3. Aufl., § 30 Rn. 125 f.; Diekmann in Baums/Thoma/Verse, WpÜG, Stand: 12. Lfg. 9/17, § 30 Rn. 48 f.). Dies beruht darauf, dass der Anleiheschuldner bzw. Optionsverpflichtete vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen keiner maßgeblichen auf die Aktien bezogenen Interessenwahrungspflicht unterliegt. Diese ist an den schutzwürdigen Erwartungen des Gläubigers ausgerichtet und wird typischerweise dadurch geprägt, das Zustandekommen des Hauptvertrags bzw. die Erfüllung der Umtauschpflicht zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 330; Renner, ZHR 2021, 840, 863 f.; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965, S. 271 f.; Weber, JuS 1990, 249, 255). Im vorliegenden Fall wären diese Vereinbarungen allerdings im Zusammenhang mit dem von der Beklagten angestrebten Erwerbsziel und der Verbindung der hierauf gerichteten Vereinbarungen, der Vorleistung der Beklagten und den mit den Verpfändungsvereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen zu betrachten. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Rz. 146
8. Die Entscheidung erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig, weil etwaigen Ansprüchen der Kläger die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht.
Rz. 147
a) Ein Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Gegenleistung gegen den Bieter (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 20 ff.) unterliegt, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB.
Rz. 148
aa) Allerdings wird teilweise eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 4 WpÜG auf den Anspruch des annehmenden Aktionärs auf die angemessene Gegenleistung für richtig gehalten. Zur Begründung wird maßgeblich auf das Interesse an zeitnaher Rechtssicherheit und die Begründung zu § 12 WpÜG verwiesen, nach der es demjenigen, der das Angebot angenommen habe, zumutbar sei, seine Ansprüche innerhalb der Dreijahresfrist durchzusetzen(Löhdefink/Jaspers, ZIP 2014, 2261, 2268 f.).
Rz. 149
bb) Dem wird zu Recht widersprochen (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 166e; Steinmeyer/Santelmann/Nestler, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 111; vgl. auch Verse, ZIP 2004, 199, 207), weil die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 4 WpÜG nicht vorliegen.
Rz. 150
(1) Es fehlt schon an hinreichenden Anknüpfungspunkten für einen Willen des Gesetzgebers, den Anspruch des annehmenden Aktionärs einer besonderen Verjährungsregelung zu unterstellen. Der Anspruch auf die angemessene Gegenleistung beruht auf der Annahme des Übernahmeangebots und ist daher ein auf Erfüllung gerichteter vertraglicher Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 25). Es trifft entgegen der Sicht der Revisionserwiderung nicht zu, dass der Gesetzgeber einen solchen Anspruch nicht in den Blick genommen hätte (vgl. RegE eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren, BT-Drucks. 15/5091, S. 20; BGH, Urteil vom 23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 26).
Rz. 151
(2) Der auf Erfüllung gerichtete Anspruch unterscheidet sich maßgeblich von dem Anspruch aus § 12 Abs. 1 WpÜG, der an das Vertrauen des annehmenden Aktionärs auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage anknüpft und damit neben seinen Erfüllungsanspruch tritt (KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 118). Die der kurzen Verjährungsfrist zugrundeliegenden Wertungen des Gesetzgebers sind auf den Erfüllungsanspruch nicht übertragbar. Die mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnende Höchstfrist von drei Jahren beruht darauf, dass mit ihr erstmalig ein unzutreffender Eindruck über den Inhalt des Angebots auf Grund der Angebotsunterlage erzeugt wurde und die Höchstfrist einheitlich für alle Aktionäre, die die Annahme des Angebots erklärt haben, bestimmt werden kann (RegE eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 43). Soweit der Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung darauf gestützt wird, dass ein Pflichtangebot zu einem früheren Zeitpunkt unterlassen wurde, mag die Angebotsunterlage unrichtig sein (KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 31 Rn. 118). Der Regelung kann aber nicht die Wertung entnommen werden, dass der die Gegenleistung für die eingelieferten Aktien betreffende Anspruch, sei es auch nur in Höhe der Differenz zum angebotenen Preis, einer für alle annehmenden Aktionäre von allgemeinen Grundsätzen abweichenden, einheitlichen Höchstfrist von drei Jahren unterliegen soll.
Rz. 152
b) Auch sind etwaige Ansprüche der Kläger zu 1, 2, 5 bis 11, 15 und 16 nach dem von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Vorbringen der Beklagten nicht verjährt. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Klageerhebung im Hinblick auf die rechtlichen Unsicherheiten über das Bestehen eines Anspruchs jedenfalls vor dem Jahr 2014 unzumutbar war.
Rz. 153
aa) Das Landgericht hat eine hinreichende Kenntnis der Kläger erst im Jahr 2014 angenommen, weil für die Minderheitsaktionäre im Hinblick auf die Unkenntnis der Vertragsunterlagen und sonstiger Absprachen der Post die Tatsachengrundlage des Anspruchs unbekannt gewesen und die Rechtslage zur Grundlage eines solchen Anspruchs streitig und höchstrichterlich bis zur Veröffentlichung des Senatsurteils vom 29. Juli 2014 (II ZR 353/12, BGHZ 202, 180) nicht geklärt gewesen sei. Die Revisionserwiderung macht dagegen unter Hinweis auf das Berufungsvorbringen der Beklagten geltend, mit Ausnahme der Kläger zu 3, 4 und 12 sei Verjährung eingetreten, weil in der juristischen Literatur bereits im Jahr 2010 die Angemessenheit der im Rahmen des Übernahmeangebots der Beklagten angebotenen Gegenleistung diskutiert und dabei auch erörtert worden sei, ob der Beklagten aufgrund der Nachtragsvereinbarung Stimmrechte aus Postbankaktien gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 WpÜG zuzurechnen seien. Ferner sei die Rechtslage auch nicht völlig unsicher gewesen, so dass eine geeignete Grundlage für die Klage nicht gefehlt habe. Es sei bereits geklärt gewesen, dass ein Kontrollerwerb Einfluss auf die Bemessung einer angemessenen Gegenleistung eines erst später vorgelegten Übernahmeangebots habe und hieraus Zahlungsansprüche resultieren könnten. Lediglich die dogmatische Grundlage dieser Ansprüche sei streitig gewesen.
Rz. 154
bb) Diesen Einwänden kann nicht gefolgt werden.
Rz. 155
(1) Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 35; Beschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 26; Urteil vom 16. Juni 2016 - I ZR 222/14, WRP 2016, 1517 Rn. 42; Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 233/16, ZIP 2017, 1654 Rn. 94; Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, ZIP 2017, 1610 Rn. 86; Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, WM 2018, 512 Rn. 15; Urteil vom 7. März 2019 - III ZR 117/18, BGHZ 221, 253 Rn. 19; Urteil vom 18. Mai 2021 - II ZR 41/20, BGHZ 230, 61 Rn. 11). Eine Rechtslage ist aber nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - IV ZR 208/09, WM 2010, 1708 Rn. 20; Urteil vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 348/09, ZIP 2011, 1046 Rn. 21 ["ernsthafter Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum erforderlich"]; Urteil vom 7. März 2019 - III ZR 117/18, BGHZ 221, 253 Rn. 20; Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, ZIP 2021, 197 Rn. 13; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21, ZIP 2022, 1158 Rn. 23).
Rz. 156
(2) Die Rechtslage über das Bestehen eines Anspruchs war bis zur Entscheidung des Senats vom 29. Juli 2014 in einer Weise unsicher und zweifelhaft, dass selbst ein rechtskundiger Dritter die Erfolgsaussichten einer Klage nicht zuverlässig einschätzen konnte. Der Anspruch, dem eine vom Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 2, Abs. 7 Satz 1 WpÜG, §§ 4, 5 WpÜG-AngVO abweichende Interpretation über die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung zu Grunde liegt, lässt sich aus den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes nicht ohne Weiteres ableiten und wurde erst durch das Senatsurteil vom 29. Juli 2014 rechtsfortbildend anerkannt (II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 35). Die bis zu diesem Zeitpunkt ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung sprach eher gegen Erfüllungsansprüche im Falle eines unterlassenen Pflichtangebots. Der erkennende Senat hatte zu einem Zinsanspruch als Folge eines Verstoßes gegen § 35 Abs. 2 WpÜG ausgeführt, es sei zweifelhaft, ob ein solcher Zinsanspruch "unabhängig von der selbst nicht individuell einklagbaren 'Gegenleistung'" bestehe (BGH, Urteil vom 18. September 2006 - II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 Rn. 9 - WMF) und später bestätigt, dass den Aktionären der Zielgesellschaft weder aus § 35 Abs. 2 WpÜG noch dem mitgliedschaftlichen Schuldverhältnis noch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 35 Abs. 2 WpÜG Zahlungsansprüche gegen den Kontrollerwerber zustünden, wenn dieser es pflichtwidrig unterlässt, ein Pflichtangebot zu veröffentlichen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 12 - BKN). Es trifft zwar zu, dass eine Veränderung des Vorerwerbszeitraums im Schrifttum mit unterschiedlichen Akzenten diskutiert wurde (vgl. die Nachweise bei BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 35), allerdings im Regelfall nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit einem unterlassenen Pflichtangebot (Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., WpÜG § 31 Rn. 13, 25; Marsch-Barner in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: 4. Lfg. 10/10, § 39 Rn. 37; Baums/Hecker in Baums/Thoma, WpÜG, Stand: Mai 2004, § 39 Rn. 37;Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 87; Häger/Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 19; Pötzsch/Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 39 Rn. 46; explizit für ein unterlassenes Pflichtangebot dagegen MünchKommAktG/Wackerbarth, 3. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 31). Dem wurde jedoch auch unter Hinweis auf die einem solchen Anspruch entgegenstehende Verwaltungspraxis der BaFin und die Möglichkeiten der Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG widersprochen (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 31 Rn. 76; Tyrolt/Cascante in Mülbert/Kiem/Wittig, 10 Jahre WpÜG, 2011, S. 110, 138). Daneben wurde zumindest für eine Begrenzung auf Fälle eines bewussten Missbrauchs der Regelungen des Pflichtangebotsverfahrens eingetreten (von Falkenhausen, NZG 2010, 1213, 1214 f.). Ein rechtskundiger Dritter hätte unter diesen Umständen auch unter Berücksichtigung hinzunehmender Prozessrisiken keine zuverlässige Einschätzung über das Bestehen eines Anspruchs abgeben können.
Rz. 157
cc) Dass den Klägern zu 1, 2, 5 bis 11, 15 und 16 die Klageerhebung schon eher zumutbar war, weil sie gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung ihren Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht und dadurch selbst zu erkennen gegeben haben, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, WM 2018, 512 Rn. 17), macht die Beklagte nicht geltend.
Rz. 158
dd) Abgesehen von diesen Erwägungen rechtfertigt der von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Sachvortrag auch nicht die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Kläger zu 1, 2, 5 bis 11, 15 und 16 von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Rz. 159
(1) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können. Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt. Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen hätte zugemutet werden können, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben.
Rz. 160
Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (BGH, Urteil vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, ZIP 2016, 1107 Rn. 34; Urteil vom 26. Mai 2020 - VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 19 ff.; Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 14 ff.).
Rz. 161
(2) Der pauschale Hinweis auf einen juristischen Fachaufsatz(Meilicke/Meilicke, ZIP 2010, 558), in dem erörtert wurde, ob die Beklagte aufgrund der Nachtragsvereinbarung Stimmrechte aus Postbankaktien gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 WpÜG zuzurechnen seien, rechtfertigt schon deswegen nicht die Schlussfolgerung auf eine grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger zu 1, 2, 5 bis 11, 15 und 16, weil diese eine Diskussion im juristischen Schrifttum, die die Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung anspricht, nicht verfolgen mussten. Entsprechend mussten ihnen auch nicht die in diesem Zusammenhang über die Transaktion offenbarten Umstände bekannt sein. Soweit die Beklagte auf die in der Angebotsunterlage vom 7. Oktober 2010 enthaltenen Informationen verweist, legt sie nicht dar, welche der dort mitgeteilten Informationen den Klägern die für eine aussichtsreiche Anspruchsverfolgung erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände vermitteln konnten.
Rz. 162
9. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht teilweise aus anderen Gründen als richtig, soweit ein Zinsanspruch der Kläger gemäß § 38 Nr. 1, 2 WpÜG aberkannt wurde. Nach den für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Feststellungen kann ein solcher Zinsanspruch nicht verneint werden.
Rz. 163
a) Zinsen nach § 38 Nr. 2 WpÜG werden nach der Rechtsprechung des Senats nur geschuldet, wenn und soweit ein Pflichtangebot - verspätet - veröffentlicht wird (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 25 - BKN). Das Landgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, dass es für den Zinsanspruch nicht darauf ankommt, ob es sich bei dem Angebot, das den Anspruch des Aktionärs auf eine angemessene Gegenleistung ausgelöst hat, um ein Übernahmeangebot handelt oder um ein Pflichtangebot. Entscheidend ist allein, dass das später tatsächlich abgegebene Angebot noch in einem inneren Zusammenhang mit dem geschuldeten Pflichtangebot gestanden hat.
Rz. 164
Ebenso wie bei der Bemessung der Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 WpÜG, §§ 4, 5 WpÜG-AngVO kann der Bieter, der seine Angebots- und Veröffentlichungspflicht verletzt, auch hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen keinen Vorteil daraus ziehen, dass er trotz objektiv fortbestehender Angebotspflicht kein Pflichtangebot, sondern ein Übernahmeangebot unterbreitet (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 35). Zwar hängt der Zinsanspruch von einem tatsächlich bestehenden Gegenleistungsanspruch ab (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 28 - BKN). Ein solcher kann nach den Grundsätzen der vorstehend angeführten Senatsentscheidung vom 29. Juli 2014 aber auch durch ein späteres Übernahmeangebot begründet werden. Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Bieter die Kontrollschwelle zwischenzeitlich wieder unterschritten hätte und das tatsächliche Angebot in keinem inneren Zusammenhang mit dem geschuldeten Pflichtangebot mehr stünde, weil dem Bieter hierdurch eine unverhältnismäßige Sanktion drohte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 80/12, ZIP 2013, 1565 Rn. 28 - BKN).
Rz. 165
b) Die Voraussetzungen eines Zinsanspruchs können auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat einen Kontrollerwerb der Beklagten, wie oben im Einzelnen ausgeführt, bislang nicht rechtsfehlerfrei verneint und zu den weiteren Voraussetzungen des Zinsanspruchs - von seinem Standpunkt aus betrachtet folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
C.
Rz. 166
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO), damit dieses nach den aufgezeigten Maßstäben ergänzende Feststellungen zu einer Zurechnung von Stimmrechten der Post an die Beklagte gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG (oben Rn. 84) und § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG (oben Rn. 91) sowie gegebenenfalls zu den Voraussetzungen eines Zinsanspruchs gemäß § 38 WpÜG treffen kann. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 167
I. Die Klage wäre in der Hauptsache begründet, wenn die Beklagte bis zum 12. März 2009 eine Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 oder § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG hätte vornehmen müssen.
Rz. 168
1. Die Kläger machen geltend, für die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung sei entsprechend § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO die in der Ursprungsvereinbarung vom 12. September 2008 vereinbarte Gegenleistung in Höhe von 57,25 €/Aktie preisbestimmend. Die Fristberechnung richtet sich gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG nach § 187 Abs. 1 und § 188 BGB entsprechend (Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 4 WpÜG-AngVO Rn. 13; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 187 Rn. 4). Die Veröffentlichung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt gemäß § 187 Abs. 1 BGB, so dass die Preisvereinbarung am 12. September 2008 nach § 4 Satz 1 WpÜG-AngVO, § 188 Abs. 2 BGB maßgeblich wäre, wenn die Veröffentlichung eines Kontrollerwerbs bis zum 12. März 2009 hätte bewirkt werden müssen.
Rz. 169
2. Für die Beurteilung, wann nach einem Kontrollerwerb gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen gewesen wäre, wären Feststellungen zur Kenntnis bzw. zum Kennenmüssen eines Kontrollerwerbs und die daran anknüpfenden Fristen zu treffen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 2; § 35 Abs. 2 Satz 1; § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG). Im Hinblick auf das Bestreben der Beklagten, die Preisrelevanz der Ursprungsvereinbarung zu vermeiden, kann davon ausgegangen werden, dass sie die ihr eröffneten Fristen vollständig ausgenutzt hätte.
Rz. 170
3. Nach diesen Grundsätzen wären die Klagen in der Hauptsache begründet, wenn eine zum Kontrollerwerb führende Zurechnung von Stimmrechten und Kenntnis bzw. Kennenmüssen bereits auf der Grundlage der Ursprungsvereinbarung, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Verpfändungsvereinbarung vom 30. Dezember 2008 anzunehmen wäre.
Rz. 171
4. Sollte das Berufungsgericht im weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen, dass der Beklagten gemäß § 30 WpÜG 29,75 % der Stimmrechte der Post zuzurechnen sind, käme es für einen Kontrollerwerb gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG darauf an, ob weitere Stimmrechte im Umfang von mindestens 0,25 % hinzuzurechnen sind.
Rz. 172
a) Das Berufungsgericht wird in diesem Fall weitere Feststellungen zur Behauptung der Kläger treffen müssen, die Beklagte habe zwischen dem 12. September 2008 und 19. Dezember 2008 über eine Tochtergesellschaft, D. S.a.r.l., weitere 265.000 Aktien gehalten, was einem Anteil der Stimmrechte von 0,16 % entsprochen habe, und zudem über einen Handelsbestand von täglich weiteren 0,25 % bis 3 %, verfügt für den eine Befreiung gemäß § 20 WpÜG nicht vorgelegen habe.
Rz. 173
b) Soweit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die D. S.a.r.l. zwischen dem 22. Januar 2009 und dem 6. März 2009 nach Abschluss der Nachtragsvereinbarung zu den bereits gehaltenen 0,16 % der Postbankaktien weitere 2,1 % hinzuerwarb, kommt eine Zurechnung aufgrund der Ursprungsvereinbarung nicht mehr in Betracht, weil diese durch die Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 2009 hinsichtlich des Verkaufs der Aktien der ersten Tranche vollständig aufgehoben und ersetzt wurde (§ 1.2 der Nachtragsvereinbarung).
Rz. 174
II. Die Berücksichtigung der am 14. Januar 2009 in der Nachtragsvereinbarung vereinbarten Preise, wie von den Klägern zu 10 bis 12 mit ihren Hilfsanträgen verlangt, käme entsprechend den unter I. dargelegten Grundsätzen in Betracht, wenn die Beklagte bis spätestens zum 14. Juli 2009 eine Veröffentlichung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG hätte vornehmen müssen.
Rz. 175
III. Ob es bei einer Verletzung der Angebotspflicht nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zeitlich unbegrenzt zu einer Vorverlegung des Referenzzeitraums entsprechend § 4 WpÜG-AngVO kommt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die einmal entstandene Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots entfällt nicht allein dadurch, dass der Bieter nicht mehr die Kontrolle über die Zielgesellschaft hat (KK-WpÜG/Hasselbach, 3. Aufl., § 35 Rn. 151, 297). Die Vorverlegung des Referenzzeitraums ist daher unabhängig davon, ob der Bieter durchgehend die Kontrolle gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG innehat, jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn das später tatsächlich unterbreitete Übernahmeangebot noch in einem inneren Zusammenhang mit dem die Angebotspflicht auslösenden Kontrollerwerb nach § 29 Abs. 2 WpÜG steht. Dies ist vorliegend der Fall, weil die zwischen der Post und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen den Erwerb von einem Aktienpaket von mehr als 30 % der Anteile an der Postbank vorsahen und die Transaktionen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Übernahmeangebots der Beklagten am 7. Oktober 2010 noch nicht abgeschlossen waren.
Rz. 176
IV. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls weitere Feststellungen zu einem Zinsanspruch der Kläger gemäß § 38 Nr. 1, 2 WpÜG zu treffen und sich mit dem Einwand der Beklagten aus ihrer Berufungsbegründung auseinanderzusetzen haben, sie habe einem Rechtsirrtum unterlegen. Der Zinsanspruch gemäß § 38 Nr. 1, 2 WpÜG setzt jedenfalls mittelbar ein Verschulden voraus (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 38 WpÜG Rn. 7; Meyer in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 38 Rn. 6; Heidel/Sohbi, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 38 WpÜG Rn. 2; Assmann/Stephan in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 38 Rn. 3; für ein allgemeines Verschuldenserfordernis: MünchKommAktG/Schlitt, 5. Aufl., § 38 WpÜG Rn. 23; KK-WpÜG/Kremer/Kulenkamp, 3. Aufl., § 38 Rn. 24; Steinmeyer/Bastian, WpÜG, 4. Aufl., § 38 Rn. 8).
D.
Rz. 177
Der Senat sieht im jetzigen Verfahrensstadium von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ab.
Rz. 178
I. Ein einzelstaatliches Gericht ist, soweit gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts stellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, von dieser Pflicht nur dann befreit werden, wenn es festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, wenn die Antwort auf diese Frage, wie auch immer sie ausfällt, keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben kann (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799 Rn. 33 ff. - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi mwN).
Rz. 179
Allerdings ist es allein Sache des nationalen Gerichts, darüber zu entscheiden, in welchem Verfahrensstadium es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof richten soll (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799 Rn. 56 - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi mwN).
Rz. 180
II. Der Senat sieht derzeit von einer Vorlage ab, weil im jetzigen Verfahrensstadium nicht abzusehen ist, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ankommen wird.
Rz. 181
1. Allerdings stellen sich unter Berücksichtigung der Auslegung des Senats zur Auslegung des Merkmals einer Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 WpÜG Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, namentlich der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. L 142, 12 - nachstehend: Übernahmerichtlinie).
Rz. 182
a) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Übernahmerichtlinie ist die Angebotspflicht davon abhängig, dass einer natürlichen oder juristischen Person ein die Kontrolle begründender Anteil an den Stimmrechten der Zielgesellschaft verschafft wird. Der kontrollbegründende Anteil kann unmittelbar oder mittelbar verschafft werden und der Erwerb und das Halten von Beteiligungen gemeinsam handelnder Personen ist hinzuzuzählen. Gemeinsam handelnde Personen sind nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d) der Übernahmerichtlinie natürliche oder juristische Personen, die mit dem Bieter oder der Zielgesellschaft auf der Grundlage einer ausdrücklichen oder stillschweigenden, mündlich oder schriftlich getroffenen Vereinbarung zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erhalten bzw. den Erfolg des Übernahmeangebots zu vereiteln. Der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Übernahmerichtlinie begründet und die Art der Berechnung dieses Anteils bestimmen sich gemäß Art. 5 Abs. 3 der Übernahmerichtlinie nach den Vorschriften des Mitgliedsstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.
Rz. 183
b) Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz knüpft die Angebotspflicht des Bieters im Grundsatz an das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft aus dem Bieter gehörenden oder nach § 30 WpÜG zugerechneten Aktien (§ 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG). Regelungen zur Berücksichtigung der Stimmrechtsanteile gemeinsam handelnder Personen oder einer mittelbaren Stimmrechtsverschaffung enthält das nationale Recht außerhalb der Bestimmungen über die Zurechnung fremder Stimmrechte zur Bestimmung des kontrollbegründenden Stimmrechtsanteils des Bieters nicht. Im Hinblick darauf ist im nationalen Schrifttum umstritten, welche Vorgaben sich aus der Übernahmerichtlinie für die Auslegung von § 30 Abs. 2 WpÜG ergeben. Teilweise wird vertreten, die Übernahmerichtlinie verstehe den Begriff der Kontrolle formell nach der vom jeweiligen Mitgliedsstaat bestimmten Kontrollschwelle, so dass die Zurechnung von Stimmrechten einer gemeinsam handelnden Person unabhängig von einer auf tatsächliche Kontrollausübung oder Einwirkung gerichteten Absicht erfolgen müsse (MünchKommAktG/Wackerbarth, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 32; Engert, ZIP 2006, 2105, 2111; Mülbert, NZG 2004, 633, 637; Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2026; Berger/Filgut, AG 2004, 592, 600; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., Rn. 28.41 f.; Adam, Acting in Concert: Die Zurechnung von Stimmrechten im Übernahmerecht, 2008, 248 f.; wohl auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 198 f.). Demgegenüber wird angenommen, solche Regelungen beträfen die Art der Berechnung des kontrollbegründenden Anteils und unterlägen daher nach Art. 5 Abs. 3 der Übernahmerichtlinie der Bestimmung durch die Mitgliedsstaaten (Noack/Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 37; von Bülow, Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 144; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 11 Rn. 20; wohl auch Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 2 Rn. 97; Schumann/Schockenhoff, ZGR 2005, 568, 577 bei Fn. 33; differenzierend Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 307 f.; Veil, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 1645, 1662 f.; ausführlich Düchting, Acting in Concert, 2009, S. 124 ff.).
Rz. 184
2. Die zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufgeworfenen Fragen sind im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht entscheidungserheblich. Es kommt für die Entscheidung des Senats nicht darauf an, ob sich die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG teilweise aus anderen Gründen als richtig erweist, weil die Absicht einer tatsächlichen und konkreten Einflussnahme auf die Zielgesellschaft nicht vorlag. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist jedenfalls deswegen aufzuheben, weil dieses rechtsfehlerhaft eine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG verneint hat. Der Senat sieht mit Blick auf die erhebliche Verfahrensdauer und der im jetzigen Verfahrensstadium im Vordergrund stehenden Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 WpÜG von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ab.
Born |
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Wöstmann |
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Bernau |
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V. Sander |
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Adams |
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Fundstellen
Haufe-Index 15547288 |
BGHZ 2023, 295 |
BB 2023, 257 |
EWiR 2023, 297 |
NZG 2023, 1318 |
DZWir 2023, 391 |
JZ 2023, 183 |
MDR 2023, 309 |