Leitsatz (amtlich)

›a) Zur Haftung eines Rechtsanwalts für die Folgen eines zweiten Versäumnisurteils.

b) Zur schlüssigen Darlegung eines Schadensersatzanspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluß und unerlaubter Handlung bei Abschluß des Kaufvertrages über ein Grundstück mit freiem Ausblick, wenn von Verkäuferseite die Frage nach sichtbehindernden Umbauplänen der Nachbarn wahrheitswidrig verneint wird.‹

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 6. Mai 1983 verkaufte die Klägerin zu 1) das ihr gehörende Hausgrundstück in O.-M.-L. unter Ausschluß jeglicher Mängelhaftung zu einem Preis von 350.000 DM an Frau E. B. In der notariellen Urkunde ist der Kläger zu 2) als ›zustimmender Ehemann‹ aufgeführt. Die Käuferin übertrug das Grundstück im Juni 1983 schenkweise an ihre Tochter M. B., später verheiratete S., und trat dieser ›alle ihr aus dem Kaufvertrag mit den Eheleuten I. und P. S. ... zustehenden Rechte‹ ab. Im Dezember 1984 nahm M. S. vor dem Landgericht G. beide Kläger als Verkäufer des Grundstücks in Anspruch und warf ihnen vor:

›Anläßlich der Protokollierung des Kaufvertrages zwischen Frau B. und den Beklagten teilten diese dem mitanwesenden Schwiegersohn, dem nachbenannten Zeugen S., auf dessen ausdrückliches Befragen hin mit, daß die derzeit bestehende Sicht in den Taunus nicht durch den Beklagten bekannte Baumaßnahmen der Grundstücksnachbarn in Zukunft beeinträchtigt werde. Auch sei ihres Wissens eine Grenzbebauung nicht geplant. ...

Die Beklagten gaben diese Auskünfte in dem Bewußtsein, daß die damaligen Sichtverhältnisse sowie die Bebauungsweise des Nachbargrundstücks wesentliche Ursache für den Kaufentschluß von Frau B. war. Tatsache ist jedoch, daß den Beklagten die von den Grundstücksnachbarn geplanten und zwischenzeitlich größtenteils durchgeführten Bauvorhaben bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt waren. So wurden dem Beklagten zu 2. von dem Grundstücksnachbarn Herrn Sch. bereits im April 1983 die Baupläne gezeigt.‹

Die Höhe der Schadensersatzforderung stellte Frau S. in das Ermessen des Gerichts und führte aus, nach ihrer vorsichtigen Schätzung sei die Schadenhöhe zwischen 50.000 DM und 80.000 DM festzulegen.

Die Kläger beauftragten den Beklagten zu 1) mit der Vertretung ihrer Interessen. Da dieser bei dem Landgericht G. nicht zugelassen war, zogen sie zur Wahrnehmung der Termine zusätzlich den Beklagten zu 2) heran. Dieser legte mit Schriftsatz vom 5. September 1985 sein Mandat nieder, weil die Kläger den angeforderten Kostenvorschuß nicht leisteten. Mit Versäumnisurteil vom 16. September 1985 wurden die Kläger verurteilt, an Frau S. 50.000 DM zu zahlen. Nach Eingang eines Kostenvorschusses legte der Beklagte zu 2) fristgerecht Einspruch ein. In dem auf den 11. November 1985, 9.00 Uhr, bestimmten Verhandlungstermin erging gegen die Kläger ein rechtskräftig gewordenes zweites Versäumnisurteil, weil der bei dem Beklagten zu 2) angestellte und mit der Wahrnehmung des Termins beauftragte Rechtsanwalt Be. nicht rechtzeitig erschienen war.

In dem vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger die Beklagten wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihnen durch Zahlungen auf die Verurteilungssumme sowie durch die Begleichung von Kosten des Vorprozesses und eines Teilzahlungsvergleichs entstanden ist. Ferner haben sie Freistellung von weiteren Ansprüchen aus dem Versäumnisurteil vom 16. September 1985 begehrt. Der Beklagte zu 1) ist rechtskräftig zur Freistellung und dazu verurteilt worden, an die Kläger 46.483,33 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) hat das Landgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihn unter Zurückweisung der Berufung im übrigen verurteilt, an die Kläger 50.741,98 DM nebst Zinsen - überwiegend als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) - zu zahlen und - ebenfalls als Gesamtschuldner - die Kläger von weiteren Ansprüchen aus dem Versäumnisurteil vom 16. September 1985 freizustellen. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte zu 2) volle Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte zu 2) habe seine anwaltlichen Pflichten verletzt. Er habe das zweite Versäumnisurteil zu verantworten, weil er säumig gewesen sei. Rechtsanwalt Be. sei erst um 9.25 Uhr bei Gericht erschienen und habe sich mehr als 15 Minuten, die übliche Wartezeit vor Erlaß eines Versäumnisurteils, verspätet. Die Standesrichtlinien der Rechtsanwälte, nach denen die Beantragung des Versäumnisurteils einem Kollegen vorher anzukündigen sei, hätten dem prozessualen Verlauf nicht entgegengestanden. Weder hätten sie den Prozeßbevollmächtigten der Gegenpartei daran hindern können, für seinen Mandanten den günstigsten Weg zu wählen, noch seien sie für das Gericht in irgendeiner Weise verbindlich gewesen. Aufgrund der Versäumnis des Beklagten zu 2) sei den Klägern ein Schaden in dem zugesprochenen Umfang entstanden. Die Kläger seien im Vorprozeß zu Unrecht verurteilt worden, weil die Klage unschlüssig gewesen sei. Es sei bereits zweifelhaft, ob die von den Nachbarn geplanten Baumaßnahmen einen Mangel des verkauften Grundstücks dargestellt hätten. Im übrigen sei die Gewährleistung für Mängel jeder Art ausgeschlossen gewesen. Daß die Kläger beim Verschweigen der Baupläne arglistig gehandelt hätten, sei dem Klagevorbringen nicht hinreichend zu entnehmen. Ebensowenig sei der Schaden genügend dargelegt worden. Die Klage habe keinerlei Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung enthalten. Die eingereichten Lichtbilder ließen eine Vergleichsmöglichkeit mit der Situation vor Beginn der Umbauarbeiten nicht zu. Auch seien die Grundstücks- und Häuserpreise in eng bebauten Ortslagen der gleichen Gemeinde nicht vorgetragen. Nur bei Kenntnis dieser Preise hätte festgestellt werden können, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Durch das aufgrund der Säumnis des Beklagten zu 2) ergangene zweite Versäumnisurteil sei eine Korrektur der landgerichtlichen Entscheidung unmöglich geworden.

II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Verletzung der den Klägern gegenüber bestehenden anwaltlichen Pflichten des Beklagten zu 2) wegen schuldhafter Versäumung des Termins vom 11. November 1985 bejaht. Zwar war es nach § 23 Abs. 1 der anwaltlichen Standesrichtlinien in der Fassung vom 21. Juni 1973 unzulässig, gegen eine von einem Kollegen desselben Landgerichtsbezirks vertretene Partei ein Versäumnisurteil zu erwirken, wenn das nicht vorher rechtzeitig angedroht worden war. Dieser Umstand allein vermag ein dem Beklagten zu 2) nach § 278 BGB zuzurechnendes Verschulden des bei ihm angestellten Rechtsanwalts Be., der den Termin am 11. November 1985 wahrzunehmen hatte, nicht auszuschließen. Vielmehr setzte nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 9. Oktober 1975 - VII ZR 242/73, NJW 1976, 196; zur Rechtslage nach Erlaß der Entscheidungen BVerfGE 76, 171 und 76, 196 v. 14. Juli 1987 vgl. BVerfG NJW 1993, 121 f sowie BGH, Urt. v. 27. September 1990 - VII ZR 135/90, WM 1991, 159, 160 und dazu Feuerich, BRAO 2. Aufl. § 43 Rdn. 120) bei einem unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 der Standesrichtlinien erwirkten Versäumnisurteil die darauf gestützte Annahme eines unabwendbaren Zufalls und damit die Verneinung eines Anwaltsverschuldens voraus, daß unter den bei einem Landgericht zugelassenen Rechtsanwälten eine bestimmte örtliche Übung bestand, durch welche die Bestimmung der Standesrichtlinien in der Praxis anerkannt wurde (vgl. auch Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. § 4 = S. 14 mit Fußn. 113; Hanna, Anwaltliches Standesrecht im Konflikt mit zivilrechtlichen Ansprüchen des Mandanten S. 79). Daß es beim Landgericht G. eine solche ständige örtliche Übung gab und welchen Inhalt sie hatte, hat der Beklagte zu 2) nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere läßt sich dem in der Klageerwiderung in Bezug genommenen Schreiben des Rechtsanwalts Be. vom 18. November 1985 an den Gegenanwalt (GA 94 ff)nicht entnehmen, daß Rechtsanwalt Be. nach dem beim Landgericht G. bestehenden Brauch im Streitfall mit der Erwirkung eines Versäumnisurteils nicht zu rechnen brauchte, obwohl er erst 25 Minuten nach dem auf 9.00 Uhr anberaumten Termin im Verhandlungssaal erschien. Das Berufungsgericht hat einen derartigen Brauch auch nicht festgestellt. Verfahrensrügen dagegen erhebt die Revision nicht.

2. Da der Beklagte zu 2) seine den Klägern gegenüber bestehenden vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt hat, ist er gehalten, ihnen einen aus der Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen (§§ 249 ff BGB). Das Berufungsgericht hat den Schaden darin gesehen, daß die Kläger wegen Unschlüssigkeit der Klage zu Unrecht verurteilt worden seien.

Der Ansicht des Berufungsgerichts, das Klagevorbringen der Frau S. habe zur Begründung eines Anspruchs gegen die Kläger nicht ausgereicht, ist jedoch nicht zu folgen.

a) Zwar scheidet eine Sachmängelhaftung der Kläger aus. Nach der Entscheidung RGZ 161, 330, 333 ff, die im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (Palandt/Putzo, BGB 52. Aufl. § 459 Rdn. 22, 24; Soergel/Huber, BGB 12. Aufl. § 459 Rdn. 26, 226, 234; auch MünchKomm/Westermann, BGB 2. Aufl. § 459 Rdn. 18), kann die aus der örtlichen Lage und den geltenden Bebauungsplänen sich ergebende Unbebaubarkeit eines Nachbargrundstücks eine Beschaffenheit oder Eigenschaft des Kaufgrundstücks sein, deren Fehlen eine Sachmängelhaftung auslösen kann. Im Streitfall war das Nachbargrundstück jedoch bereits bebaut, und die Baulichkeiten konnten nach den baurechtlichen Vorschriften jederzeit geändert und erweitert werden. Dies hing allein vom Willen des Eigentümers ab. Der Umstand, daß ein Nachbar zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, auf seinem Grundstück stehende Bauten entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu verändern oder zu erweitern, ist der Unbebaubarkeit nicht gleichzustellen und grundsätzlich nicht als Eigenschaft oder Beschaffenheit des Kaufgrundstücks zu werten (vgl. auch BGH, Urt. v. 10. Juli 1987 - V ZR 236/85, NJW-RR 1988, 10, 11; OLG Frankfurt am Main MDR 1982, 667 f; OLG Karlsruhe BB 1991, 1079 f; MünchKomm/Westermann aaO. § 459 Rdn. 32; Soergel/Huber aaO. § 459 Rdn. 39, 237 a.E.; ferner OLG Celle OLGZ 1980, 380). Deshalb liegt in der unrichtigen Antwort auf die Frage nach vorhandenen Bauplänen von Nachbarn weder die Täuschung über einen Fehler noch die Zusicherung einer nicht vorhandenen Eigenschaft des von Frau B. gekauften Grundstücks.

b) Indessen läßt der Klagevortrag im Vorprozeß den Schluß auf eine Haftung der Kläger aus Verschulden bei Vertragsschluß und/oder aus unerlaubter Handlung zu. Für den Kläger zu 2) kommt von vornherein nur eine Haftung aus unerlaubter Handlung in Betracht, weil er nicht Vertragspartner war und die Voraussetzungen für die Haftung eines Dritten aus Verschulden bei Vertragsschluß - insbesondere ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse und die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens (vgl. BGH, Urt. v. 20. März 1987 - V ZR 27/86, WM 1987, 1222, 1223; v. 29. Januar 1992 - VIII ZR 80/91, BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß - Vertreterhaftung 10; v. 7. Dezember 1992 - II ZR 179/91, z.V.b.) - nicht dargetan sind.

Das Vorbringen in der Klageschrift des Vorprozesses ist dahin zu verstehen, die jetzigen Kläger hätten in Kenntnis der damals bereits geplanten und später durchgeführten Baumaßnahmen eines Nachbarn auf ausdrückliches Befragen erklärt, ihnen sei nicht bekannt, daß es Bauabsichten von Grundstücksnachbarn gebe, durch deren Verwirklichung die bestehende Sicht in den Taunus beeinträchtigt werde. Die Kläger hätten diese Auskunft in dem Bewußtsein erteilt, daß die damaligen Sichtverhältnisse und die Bebauungsweise des Nachbargrundstücks wesentliche Ursache für den Kaufentschluß der Käuferin gewesen sei. Damit sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung der Käuferin und zugleich für ein Verschulden bei Vertragsschluß und eine vorsätzliche unerlaubte Handlung hinreichend dargetan. Die Kläger haben danach bewußt über Tatsachen, nämlich die ihnen bekannten Baupläne eines Grundstücksnachbarn, wahrheitswidrige Angaben gemacht und in der Käuferin einen für den Vertragsschluß entscheidenden Irrtum hervorgerufen. Dies genügt für die Annahme einer arglistigen Täuschung (vgl. BGH, Urt. v. 13. Mai 1957 - II ZR 56/56, LM BGB § 123 Nr. 14; BGHZ 49, 155, 156; BGB-RGRK/Krüger-Nieland, 12. Aufl. § 123 Rdn. 8 f, 10 f; Palandt/Heinrichs aaO. § 123 Rdn. 3, 11).

aa) Mit der arglistigen Täuschung hat die Klägerin zu 1) zugleich die Voraussetzungen für ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen erfüllt. Sie hat eine falsche Auskunft über einen für den Vertragsschluß wesentlichen Umstand erteilt, der nicht in den Anwendungsbereich der §§ 459 ff BGB fällt (vgl. BGHZ 114, 263, 266), und hat überdies vorsätzlich gehandelt (vgl. BGH, Urt. v. 3. Juli 1992 - V ZR 97/91, NJW 1992, 2564, 2565 f).

Der auf Verschulden bei Vertragsschluß beruhende Schadensersatzanspruch ist grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet. Der Geschädigte, der aufgrund des schadenstiftenden Verhaltens einen Vertrag geschlossen hat, kann daher verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das Zustandekommen des Vertrages stehen würde. Er hat somit einen Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag und auf Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen (BGHZ 69, 53, 57; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1988 - VII ZR 83/88, WM 1989, 416, 417). Will er jedoch an dem Vertrag festhalten, ist er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so zu behandeln, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch der andere Teil sich mit einem niedrigeren Kaufpreis einverstanden erklärt hätte. Entscheidend ist vielmehr, wie sich der geschädigte Vertragspartner bei Kenntnis der ihm verschwiegenen Umstände verhalten hätte. Als zu ersetzender Schaden ist daher der Betrag anzusetzen, um den der Käufer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers den Gegenstand zu teuer erworben hat. (BGHZ 69, 53, 58 f; 111, 75, 82 f mit kritischer Anmerkung Tiedtke in JZ 1990, 1077 ff; BGH, Urt. v. 20. März 1987 aaO.; v. 16. Oktober 1987 - V ZR 153/86, WM 1987, 1466 f; v. 5. Oktober 1988 - VIII ZR 222/87, WM 1988, 1700, 1702; v. 8. Dezember 1988 aaO.).

Die Höhe ihrer Schadensersatzforderung hat die Klägerin des Vorprozesses mit einem Betrag zwischen 50.000 DM und 80.000 DM angegeben und dazu ausgeführt, die im einzelnen beschriebenen und durch Lichtbilder belegten baulichen Veränderungen hätten zur Folge, daß die Sicht in den Taunus nunmehr beeinträchtigt beziehungsweise total verhindert sei; eine ausreichende Belichtung der dem Grundstück des Nachbarn zugewendeten Wohnräume sei dadurch ebenfalls ausgeschlossen. Das Landgericht G. hat Frau S. mit dem ersten Versäumnisurteil vom 16. September 1985 einen Betrag von 50.000 DM zugesprochen. Es sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Schlüssigkeit einer Schadensersatzforderung in dieser Höhe in Frage zu stellen vermochten. Insbesondere ist die Schlüssigkeit nicht deshalb zu verneinen, weil der Nachbar jederzeit in gleicher Weise hätte planen und bauen können, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine Bauabsichten bestanden hätten. Entscheidend ist darauf abzuheben, welchen Minderwert ein Grundstück mit Taunusblick, der demnächst aufgrund bereits bei Vertragsschluß bestehender Umbaupläne eines Nachbarn wesentlich beeinträchtigt beziehungsweise gänzlich verhindert werden soll, gegenüber einem Grundstück hat, für dessen Nachbargrundstücke konkrete Umbaupläne nicht bestehen. Daß dieser Minderwert sich bei dem Kaufpreis von 350.000 DM für das Grundstück ohne konkrete sichtbehindernde Umbaupläne der Nachbarn auf 300.000 DM belaufen, das heißt um ca. 14,3 % hinter dem Kaufpreis zurückbleiben kann, unterliegt keinen Bedenken. Der Wert von vergleichbaren Hausgrundstücken ist in diesem Zusammenhang ohne entscheidende Bedeutung.

bb) Der Kläger zu 2) haftet nach dem Klagevorbringen im Vorprozeß wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) auf denselben Betrag. Eine arglistige Täuschung verstößt gegen die guten Sitten (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1959 - VIII ZR 125/58, LM BGB § 123 Nr. 18; BGB-RGRK/Steffen aaO. § 826 Rdn. 54). Der Kläger zu 2) hat der Käuferin auch vorsätzlich Schaden zugefügt, denn er wußte, daß diese den Vertrag zumindest in der konkreten Form nur im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Auskunft abschließen würde. Daneben kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB in Betracht.

Der dadurch verursachte Schaden der Käuferin ist in gleicher Weise zu berechnen wie der Schaden, den diese durch das Verhalten der Klägerin zu 1) erlitten hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden auf die Haftung eines Vertreters aus einer unerlaubten Handlung, die den Käufer zum Abschluß des Vertrages bewogen hat, die gleichen Grundsätze Anwendung wie auf die Haftung des Vertragspartners aus Verschulden bei Vertragsschluß (BGH, Urt. v. 20. März 1987 und v. 16. Oktober 1987 jeweils aaO.). Dasselbe muß für den Kläger zu 2) gelten, der zwar nicht als Vertreter der vertragschließenden Klägerin zu 1), wohl aber im Zusammenwirken mit ihr die arglistige Täuschung verübt hat. Dann war die Klage in Höhe von 50.000 DM auch gegenüber dem Kläger zu 2) schlüssig.

3. War die Klage gegen die Kläger schlüssig, kann das dem Beklagten zu 2) anzulastende zweite Versäumnisurteil nur dann einen Schaden der Kläger begründet haben, wenn der Vorprozeß bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung des Termins einen günstigeren Ausgang für die Kläger genommen hätte. Dies hängt davon ab, wie der Rechtsstreit nach Ansicht des Gerichts, das mit dem gegen den Rechtsanwalt gerichteten Schadensersatzanspruch befaßt ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, WM 1987, 1344, 1345; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, WM 1988, 987, 991; v. 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, WM 1990, 1917, 1922; v. 8. November 1990 - III ZR 364/89, WM 1991, 336, 337; v. 8. Oktober 1992 - IX ZR 98/91, z.V.b.; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars 4. Aufl. Rdn. I 224 ff, 243 f, 312 ff; Vollkommer aaO. Rdn. 402 ff). Dazu fehlt es an ausreichenden Feststellungen.

III. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird - gegebenenfalls nach weiterem Vorbringen der Parteien - die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993174

NJW 1993, 1323

BGHR BGB § 123 Abs. 1 Kauf 6

BGHR BGB § 675 Anwaltshaftung 12

BGHR BGB § 826 Täuschung 1

BGHR BGB § 826 Vermögensschaden 3

BGHR BGB §§ 459 ff., Konkurrenzen 6

BGHR BGB vor § 1 Schaden 8

BGHR BRAO § 43 Versäumnisurteil 1

DRsp I(125)398a

FamRZ 1993, 668

WM 1993, 1194

JuS 1993, 866

MDR 1993, 691

VersR 1993, 1014

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