Leitsatz (amtlich)
›1. a) Der Auftraggeber gerät mit der Zahlung der Vergütung nicht in Verzug, soweit er wegen berechneter aber nicht erbrachter Leistungen ein Leistungsverweigerungsrecht hat.
b) Regelmäßig anfallende Finanzierungskosten eines zur Vermietung bestimmten Gebäudes, die in der Zeit des Verzuges des Auftragnehmers anfallen, sind nach § 6 Nr. 6 VOB/B ersatzfähiger Schaden; es gilt für sie nicht die Haftungsbeschränkung für entgangenen Gewinn (im Anschluß an Senatsurteil vom 29. Mai 1990 - VII ZR 324/88 = BauR 1990, 464, 465 = ZfBR 1990, 194, 195 = WM 1990, 1256, 1257).
c) Wirken Verzögerungsursachen zusammen, die Auftragnehmer und Auftraggeber zu vertreten haben, so ist ein nach § 6 Nr. 6 VOB/B zu erstattender Verzögerungsschaden nach dem Verschuldens- und Verursachungsbeitrag gemäß § 254 BGB zu teilen.
2. Der Verursachungsbeitrag von Auftragnehmer und Auftraggeber kann nach § 287 ZPO geschätzt werden.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte ließ in den Jahren 1985 und 1986 in Berlin auf teilweise vorhandenem Keller- und Erdgeschoß ein sechsgeschossiges Geschäftshaus errichten. Am 22. Mai 1985 schlossen die Parteien einen Bauvertrag, in dem der Beklagte die Klägerin mit der Lieferung und Ausführung der im Vergabeprotokoll vom 13. Mai 1985 beschriebenen Bauaufgaben zum Pauschalpreis von 7307400 DM beauftragte. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart. Als Termin für die Fertigstellung des konstruktiven Rohbaus war der 15. Dezember 1985 mit einer Karenzzeit bis 31. Dezember 1985 vorgesehen.
Die Klägerin erhielt die vom Beklagten zu beschaffenden Baugenehmigungen zum Teil verspätet ausgeliefert. Sie meldete deshalb mehrmals Behinderung an. Der Beklagte erteilte der Klägerin verschiedene Zusatzaufträge und nahm mehrere Umplanungen vor. Die Bauaufsichtsbehörde forderte für das 6. Obergeschoß in den Bauteilen III und IV zusätzliche Brandschutzmaßnahmen, zu deren Ausführung die Klägerin nur gegen zusätzliche Vergütung bereit war. Der Beklagte ließ daraufhin gegenüber der Klägerin insoweit die Teilkündigung erklären und die Arbeiten von einer anderen Firma ausführen. Ferner verweigerte die Klägerin im Frühjahr 1986 die Errichtung von Verbindungstreppen zum Altbau in den Bauteilen III und IV ohne zusätzliche Vergütung. Mit Schreiben vom 28. Mai 1986 erteilte der Architekt Zimmer der Klägerin im Namen des Beklagten den Auftrag u.a. zur Ausführung der Treppe im Bauteil III. Die Klägerin stellte die gesamten Treppenanlagen dann bis Ende September 1986 fertig. Einen weiteren Auftrag zur Erstellung der Verbindungstreppen im Bauteil IV erteilte der Architekt Zimmer der Klägerin im Namen des Beklagten mit Schreiben vom 1. Dezember 1986. Am 11. Dezember 1986 erfolgte die Abnahme der Leistungen der Klägerin.
Die Klägerin hat Restwerklohn und Schadensersatz in Höhe von zuletzt insgesamt 2543996, 07 DM nebst einem Zinsbetrag von 15000 DM sowie weitere Zinsen eingeklagt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 1856945, 55 DM nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 822192 DM zu zahlen und die Klage im übrigen bis auf einen Betrag von 140821, 05 DM und bis auf den gesamten Zinsanspruch abgewiesen. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Mit ihrer Revision hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 930939,71 DM erstrebt. Der Beklagte hat mit seiner Revision seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Der Senat hat die Revision der Klägerin nicht und die Revision des Beklagten nur hinsichtlich der Teilbeträge von 15000 DM (Zinsen für einbehaltene 300000 DM für die Zeit vom 26. April 1986 bis 26. Februar 1987), 18126 DM (Mehraufwand für runde Treppenhauswände im Bauteil III) und 436863, 99 DM (Finanzierungskosten) angenommen. Im Umfang der Annahme verfolgt der Beklagte seine Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg; sie führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Zinsen für einbehaltene 300000 DM für die Zeit vom 26. April 1986 bis 26. Februar 1987
1. Das Berufungsgericht hat hierzu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 15. 000 DM Verzugszinsen für die Zeit vom 26. April 1986 bis zum 26. Februar 1987 sei begründet. Die Klägerin habe Anspruch auf Bezahlung der 8. Zwischenrechnung vom 31. Januar 1986 über 1178571, 48 DM und der 9. Zwischenrechnung vom 12. Februar 1986 über 787266, 89 DM gehabt. Der Beklagte habe sich nach den Mahnungen vom 12. Februar 1986 und vom 17. April 1986 mit der Bezahlung in Verzug befunden. Zu Unrecht habe er wegen Vertragsstrafe und Baumängeln 300000 DM einbehalten. Die Klägerin habe keine Vertragsstrafe verwirkt. Ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Baumängeln habe der Beklagte nicht hinreichend dargetan. Der Klägerin stehe somit aus Verzug ein Zinsanspruch von 6 % auf die einbehaltenen 300000 DM für die Zeit vom 26. April 1986 bis 26. Februar 1987 zu.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Eine Vertragsstrafe hatte die Klägerin allerdings nicht verwirkt. Ist eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart, daß der Auftragnehmer eine für die Errichtung eines Bauwerks bestimmte Frist überschreitet, wird aber die Bauausführung durch vom Auftraggeber zu vertretende Umstände so erheblich verzögert, daß der ganze Zeitplan des Auftragnehmers umgeworfen und er zu einer durchgreifenden Neuordnung gezwungen wird, so wird die Vertragsstrafenzusage hinfällig (Senat, Urteil vom 13. Januar 1966 - VII ZR 262/63 = NJW 1966, 971). So liegt der Fall hier. Nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen de Berufungsgerichts wurden der Klägerin die Baugenehmigungen zum Teil verspätet ausgeliefert. Dadurch sowie durch Planungsänderungen und Zusatzaufträge kam es zu einer Bauzeitverzögerung bis Ende März 1986. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte die verspätete Beschaffung der Baugenehmigungen zu vertreten hat. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht habe Sachvortrag des Beklagten übergangen, hat der Senat die entsprechenden Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 565 a ZPO.
Die Vertragsstrafenzusage ist deshalb hinfällig geworden.
b) Auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Baumängeln nicht hinreichend dargetan, wendet sich die Revision ohne Erfolg. Zwar enthält das vom Beklagten vorgelegte Schreiben seiner Planungsgruppe vom 14. März 1986 neben Aufforderungen zur Erledigung ausstehender Arbeiten auch Mängelbeseitigungsaufforderungen. Der Beklagte hat jedoch zu den betreffenden Mängelerscheinungen ebensowenig Konkretes vorgetragen wie zu den entsprechenden Abhilfemaßnahmen, die in dem von beiden Parteien vorgelegten Antwortschreiben der Klägerin vom 17. April 1986 aufgeführt sind.
c) Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es einen Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen auch für einen Zeitraum zugebilligt hat, in dem die Klägerin ihre nach dem Bauvertrag vom 22. Mai 1985 geschuldeten und in Rechnung gestellten Leistungen teilweise noch nicht erbracht hatte.
aa) Der Verzug des Auftraggebers mit der Zahlung der Vergütung ist nicht nur insoweit ausgeschlossen, als ihm wegen Mängeln der vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB zusteht (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 1982 - VII ZR 96/81 = ZfBR 1982, 253, 254 = BauR 1982, 579, 580 = NJW 1982, 2494, 2495; Senat, Urteil vom 10. November 1983 - VII ZR 373/82 = ZfBR 1984, 35, 37 = BauR 1984, 166, 169 = NJW 1984, 725, 727). Der Auftraggeber gerät vielmehr mit der Zahlung der Vergütung auch dann nicht in Verzug, wenn der Auftragnehmer mit einer Abschlagsrechnung abgerechnete Leistungen tatsächlich noch nicht erbracht hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juli 1981 - VIII ZR 40/80 = ZfBR 1981, 265, 267 = BauR 1981, 577, 581 = NJW 1981, 2801; Werner/Pastor, Der Bauprozeß 6. Aufl. Rdn. 1064).
bb) Danach ist der Beklagte mit der Zahlung des einbehaltenen Vergütungsteils insoweit nicht in Verzug gekommen, als die Klägerin ihre mit der 8. und 9. Zwischenrechnung abgerechneten Leistungen zu Beginn des Zeitraums, für den sie Verzugszinsen geltend macht, nicht vollständig erbracht hatte und der Einbehalt im Hinblick auf den Umfang der ausstehenden Leistungen angemessen war. Mit der 8. Zwischenrechnung vom 31. Januar 1986 hat die Klägerin bereits die gesamte Pauschalsumme von 6410000 DM nebst Mehrwertsteuer und damit die Gegenleistung für sämtliche von ihr nach dem Bauvertrag vom 22. Mai 1985 geschuldeten Leistungen geltend gemacht. Zu diesen Leistungen gehörten nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts jedenfalls auch die Errichtung der Verbindungstreppen sowie die Durchführung der vom Bauaufsichtsamt für das 6. Obergeschoß geforderten Brandschutzmaßnahmen. Soweit der Umfang der ausstehenden Leistungen der Klägerin das rechtfertigte, stand dem Beklagten daher ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB mit der Folge zu, daß er insoweit nicht in Verzug geraten ist.
cc) Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte den Einbehalt bei der 8. und 9. Zwischenrechnung zunächst nur mit der verwirkten Vertragsstrafe sowie mit Mängeln der erbrachten Leistungen begründet hat. Bereits das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB hindert den Eintritt des Schuldnerverzugs; es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Schuldner ein solches Leistungsverweigerungsrecht geltend macht oder auch nur Kenntnis davon hat, sondern darauf, ob die Gegenleistung tatsächlich nicht, unvollständig oder mangelhaft bewirkt worden ist. Schon das schließt den Verzug ganz oder teilweise aus (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 1982 - VII ZR 96/81 = ZfBR 1982, 253, 254 = BauR 1982, 579, 580 = NJW 1982, 2494, 2495; BGH, Urteil vom 8. Mai 1987 - V ZR 6/86 = NJW-RR 1987, 1158, 1159; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 - V ZR 87/63 = NJW 1966, 200).
dd) Das Berufungsurteil kann daher insoweit nicht bestehenbleiben. Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage, da Feststellungen dazu fehlen, welchen Betrag der Beklagte im Hinblick auf den Umfang der ausstehenden Leistungen einbehalten durfte. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben, wobei es auch die Funktion des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB als Druckmittel zu berücksichtigen haben wird (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 1992 - VII ZR 85/90 = ZfBR 1992, 129, 130 = BauR 1992, 401, 402 = WM 1992, 761, 762). Des weiteren wird sich das Berufungsgericht damit befassen müssen, wie lange das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB den Eintritt des Verzugs hinderte (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1983 - I ZR 101/81 = WM 1983, 863, 864; BGH, Urteil vom 27. Februar 1974 - VIII ZR 206/72 = WM 1974, 369, 370 f). Schließlich wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch prüfen müssen, ob die Klägerin dem Beklagten wirksam eine Nachfrist bei Fälligkeit gesetzt hat (§ 16 Nr. 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VOB/B).
II. Mehraufwand für runde Treppenhauswände im Bauteil III
1. Das Berufungsgericht hat hierzu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf gesonderte Vergütung sei nach § 2 Nr. 5 VOB/B wegen einer Planungsänderung begründet. Gegenstand des Pauschalvertrags sei ursprünglich die Erstellung eines eckigen Treppenhauses in einem eckigen Vorbau in der Fassadenfront gewesen. Nach Vertragsschluß sei die Planung geändert worden. Das Treppenhaus sei bündig in die Front einbezogen worden; es sei rund mit einer Spindeltreppe auszuführen gewesen.
Dafür könne die Klägerin die von ihr berechneten Mehrkosten verlangen. Die konkrete Berechnung der Klägerin sei vom Beklagten nicht hinreichend substantiiert angegriffen worden. Es sei gerichtsbekannt, daß die Erstellung eines runden Treppenhauses kostenaufwendiger sei.
2. Dies hält den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht einen Anspruch auf gesonderte Vergütung wegen der Planungsänderung gemäß § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 2 Nr. 5 VOB/B dem Grunde nach bejaht hat. Zwar ist § 2 Nr. 5 VOB/B nicht anzuwenden, wenn eine Leistung bereits vom vertraglichen Leistungsumfang umfaßt ist (vgl. Senat, Urteil vom 9. April 1992 - VII ZR 129/91 = ZfBR 1992, 21l, 212 = BauR 1992, 759 = WM 1992, 1501, 1502). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, wonach der aufgrund nachträglicher Planungsänderung entstandene Mehraufwand für die runden Treppenhauswände nicht vom Risikorahmen des Bauvertrags vom 22. Mai 1985 umfaßt ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung einer einzelvertraglichen Regelung kann vom Revisionsgericht nur darauf nachgeprüft werden, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 = NJW 1992, 1967, 1968; BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90 = WM 1991, 495, 496). Solche Fehler sind nicht ersichtlich. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht habe Sachvortrag des Beklagten übergangen, hat der Senat die entsprechenden Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 565 a ZPO.
b) Zu Recht aber rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Höhe des Anspruchs verfahrensfehlerhaft festgestellt hat.
aa) Soweit das Berufungsgericht es als gerichtsbekannt angesehen hat, daß die Erstellung eines runden Treppenhauses kostenaufwendiger ist als die eines üblichen, ist das Revisionsgericht an diese Feststellung als an eine tatsächliche Feststellung allerdings grundsätzlich gebunden (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 291 Rdn. 9; Münch-Komm/Prütting, ZPO § 291 Rdn. 17). Die Revision kann nur auf die Verletzung der Rechtssätze über die Gerichtskundigkeit, nicht auf deren Annahme selbst, gestützt werden (vgl. Stein/Jonas/Leipold aaO). Die Revision kann jedoch mit der Verfahrensrüge beanstanden, daß das Berufungsgericht den Gegenbeweis abgeschnitten habe; die Möglichkeit, den Beweis für die Unrichtigkeit von gerichtskundigen Tatsachen zu führen, schließt § 291 ZPO nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 74/88 = GRUR 1990, 607, 608 = BB 1991, 1524 m. Anm. Lindacher ["Meister-Kaffee"]; MünchKomm/Prütting, ZPO § 291 Rdn. 19; Zöller/Stephan, ZPO 17. Aufl. § 291 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 51. Aufl. § 291 Anm. 2 B).
bb) Danach hätte das Berufungsgericht den unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag des Beklagten, die Ersparnis durch den Wegfall des Treppenhausvorbaus zehre die Mehrkosten bei einer Ausführung mit runden Treppenhauswänden auf, nicht übergehen dürfen. Der Beklagte hat damit einen mit den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Einklang stehenden Sachverhalt vorgetragen. Zu Recht rügt die Revision es als verfahrensfehlerhaft, daß das Berufungsgericht diesem unter Beweis gestellten Vorbringen nicht nachgegangen ist. Die Ablehnung des Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber auf Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmißbrauch darstellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89 = NJW 1991, 2707, 2709, Senat, Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 = ZfBR 1984, 289, 290 = BauR 1984, 667, 669 = WM 1984, 1380, 1381). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte sie rechtfertigen können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1991 aaO). Davon kann hier keine Rede sein. Das unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten, Folge der Planungsänderung sei eine erhebliche Vereinfachung der Bauausführung mit einer entsprechenden Kostenersparnis gewesen, war nicht aus der Luft gegriffen, sondern einleuchtend. Es war auch konkret genug, um eine Überprüfung zu ermöglichen.
dd) Die Sache ist daher auch insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zur Erhebung des angebotenen Sachverständigenbeweises zurückzuverweisen.
III. Finanzierungskosten
1. Das Berufungsgericht verneint einen vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch auf Ersatz der von ihm in der Zeit vom 1. August 1986 bis 30. November 1986 an seine Bank gezahlten Baukreditzinsen in Höhe von 436863, 99 DM.
Dieser Anspruch auf Ersatz von Verzugsschaden sei unbegründet. Zum einen mache der Beklagte auf diese Weise entgangenen Gewinn geltend, der nach § 6 Nr. 6 VOB/B nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ersatzfähig sei; die Klägerin habe die Bauverzögerung jedoch nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Zum andern könne der ersatzfähige Schaden nicht hinreichend abgegrenzt werden.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Bei den Finanzierungskosten, die der Beklagte ersetzt verlangt, handelt es sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um entgangenen Gewinn; deshalb greift die Haftungsbeschränkung des § 6 Nr. 6 letzter Halbsatz VOB/B nicht ein.
aa) Den durch die verspätete Fertigstellung eines Gebäudes entstehenden Verzugsschaden kann der Gläubiger nach der Senatsrechtsprechung in unterschiedlicher Weise berechnen (vgl. Senat, Urteil vom 29. März 1990 - VII ZR 324/88 = ZfBR 1990, 194, 195 = BauR 1990, 464, 465 = WM 1990, 1256, 1257). Er kann zum einen als entgangenen Gewinn einen etwaigen Mietausfall ersetzt verlangen, wobei entgangener Gewinn nur die entgangene Nettomiete ist. Er kann zum anderen statt dessen auch die regelmäßigen Finanzierungskosten in Gestalt des auf die Verzugszeit entfallenden gesamten Zinsaufwands ersetzt verlangen. Die regelmäßigen Finanzierungskosten sind allerdings nur höchstens bis zum Betrag der entgangenen Nettomiete ersatzfähig. Entgangener Gewinn ist nur das, was vom Rohmietertrag nach Abzug der Kosten der Regelfinanzierung sowie weiterer Kosten verbleibt. Die in der Zeit des Verzugs anfallenden Finanzierungskosten sind demnach kein entgangener Gewinn. Diese im Rahmen des § 286 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze gelten bei § 6 Nr. 6 VOB/B entsprechend. Aus dem Senatsurteil vom 15. Dezember 1969 - VII ZR 148/67 = BauR 1970, 54, 55, insoweit in BGHZ 53, 122 nicht abgedruckt, ergibt sich nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft eine andere Fassung der VOB/B.
bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Finanzierungskosten (Zinsen des Baukredits für die Zeit vom 1. August 1986 bis zum 30. November 1986 in Höhe von 436863, 99 DM), die der Beklagte ersetzt verlangt, um einen nach § 6 Nr. 6 VOB/B ersatzfähigen Verzögerungsschaden, der nicht entgangener Gewinn ist und für den die im letzten Halbsatz dieser Vorschrift angeordnete Haftungsbeschränkung nicht gilt. Dieser Schaden ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch hinreichend abgrenzbar.
b) Auch die übrigen Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ein konkreter Haftungsgrund für die Haftung der Klägerin nach § 6 Nr. 6 VOB/B gegeben und im übrigen eine Schadensteilung zwischen den Parteien gemäß § 254 BGB geboten ist. Etwaigen Beweisschwierigkeiten ist durch Anwendung des § 287 ZPO Rechnung zu tragen.
aa) Gerät der Auftragnehmer mit der Vollendung der ihm obliegenden Leistung in Verzug, so kann der Auftraggeber bei Aufrechterhaltung des Vertrags Schadensersatz nach § 6 Nr. 6 VOB/B verlangen (§ 5 Nr. 4 VOB/B). Der Auftragnehmer haftet alsdann für den dem Auftraggeber durch den Verzug entstandenen Schaden, für entgangenen Gewinn allerdings nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz (§ 6 Nr. 6 VOB/B). Haben jedoch sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber je von ihnen zu vertretende Verzögerungsursachen gesetzt, die zusammen wirken, so ist ein hierdurch entstandener Verzögerungsschaden entsprechend dem jeweiligen Verschuldens- und Verursachungsbeitrag gemäß § 254 BGB zu teilen (vgl. Nicklisch/Weick, VOB 2. Aufl. § 6 Rdn. 65 und § 5 Rdn. 28; Vygen/Schubert/Lang, Bauverzögerung und Leistungsänderung Rdn. 201, 199; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 6. Aufl. B § 6 Rdn. 27 d). Die Frage, ob und inwieweit in solchen Fällen das Verhalten des Auftragnehmers einerseits und dasjenige des Auftraggebers andererseits den Schaden verursacht haben, ist dabei nach § 287 ZPO zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 = NJW-RR 1988, 1373).
bb) Das Berufungsgericht hätte somit auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen einen Anspruch des Beklagten nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach bejahen und unter Anwendung von § 287 ZPO eine Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge vornehmen müssen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß ab April 1986 der Verzug der Klägerin mit der Errichtung der erst Ende September 1986 fertiggestellten Treppen sowie mit der Vornahme der erhöhten Brandschutzmaßnahmen eingesetzt hat, während nach den ebenfalls rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der Beklagte die anfängliche Bauzeitverzögerung von Januar bis März 1986 insbesondere wegen der verspäteten Beschaffung der Baugenehmigungen zu vertreten hat. Damit steht nicht nur ein konkreter Haftungsgrund für die Haftung der Klägerin nach § 6 Nr. 6 VOB/B fest, nämlich die von ihr zu vertretende Verzögerung infolge ihrer vorübergehenden Weigerung, die Treppen zu errichten, und infolge ihrer Weigerung, die geforderten Brandschutzmaßnahmen auszuführen. Fest steht vielmehr auch das vorangegangene verzugsbegründende Verhalten des Beklagten. Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht die Frage, ob und inwieweit die Klägerin und der Beklagte durch ihr jeweiliges Verhalten den Schaden in Gestalt der Finanzierungskosten verursacht haben, unter Anwendung des § 287 ZPO entscheiden können und müssen.
cc) Auch insoweit kann das Berufungsurteil daher nicht bestehenbleiben. Um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, die erforderliche Abwägung vorzunehmen, ist die Sache auch insoweit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993175 |
BGHZ 121, 210 |
BGHZ, 210 |
DB 1993, 1921 |
NJW 1993, 2674 |
BauR 1993, 600 |
DRsp I(138)684I.3. |
CR 1994, 207 |
WM 1993, 1853 |
MDR 1993, 978 |
ZfBR 1993, 214 |
ZfBR 1995, 140 |