Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebskostenabrechnung. Formelle Wirksamkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung setzt voraus, dass dem Mieter auch dann die Gesamtkosten einer berechneten Kostenart mitgeteilt werden, wenn einzelne Kostenteile nicht umlagefähig sind; dem Mieter muss ersichtlich sein, ob und in welcher Höhe nicht umlagefähige Kosten vorab abgesetzt worden sind.
Normenkette
BGB § 556 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 25.11.2005; Aktenzeichen 9 S 54/05) |
AG Pinneberg (Entscheidung vom 08.04.2005; Aktenzeichen 63 C 420/04) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 25.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Beklagte ist Mieter einer in W. gelegenen Wohnung der Klägerin. Nach dem Mietvertrag vom 16./27.3.2000 hat der Mieter Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten zu leisten. Am 13.10.2003 rechnete die von der Klägerin beauftragte Grundstücksverwalterin über die Betriebs- und Heizkosten für den Abrechnungszeitraum 2002 ab. Zu Lasten des Beklagten ergab sich eine Nachzahlungsforderung von 129,33 EUR. Die Abrechnung enthält Betriebskosten, bei denen der Gesamtbetrag bereits vorab um nicht umlagefähige Anteile bereinigt worden ist. Die Vorwegabzüge sind in der Abrechnung zum Teil mitgeteilt und erläutert. Bei den Posten "Grundsteuer" und "Wassergeld/Entwässerung" ist dies unterblieben; ein Vorwegabzug bei der Position "Hauswart" ist unvollständig mitgeteilt.
[2] Das AG hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben, nachdem die Klägerin die Vorausabzüge durch Schriftsatz vom 3.2.2005 insgesamt erläutert hatte. Auf die vom AG zugelassene Berufung hat das LG die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
[3] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Nachzahlungsanspruch aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2002 zu. Die Abrechnung vom 13.10.2003 entspreche nicht den Anforderungen des § 259 BGB, wonach u.a. eine Zusammenstellung der Gesamtkosten zu verlangen sei. Der Begriff der Gesamtkosten erfasse sämtliche Kosten, die dem Vermieter im Hinblick auf den jeweiligen Nebenkostenansatz entstünden. Der Vermieter dürfe die entstandenen Gesamtkosten nicht vorab um nicht umlagefähige Kosten bereinigen, ohne dies dem Mieter offen zu legen. Dabei handele es sich nicht nur um einen inhaltlichen, durch Nachbesserung heilbaren, sondern um einen formellen, zur Unwirksamkeit der Abrechnung führenden Fehler. Nach der Rechtsprechung des BGH stelle die Verwendung eines falschen Umlageschlüssels zwar einen inhaltlichen und damit heilbaren Fehler dar, weil der Mieter dies selbst erkennen könne; diese Möglichkeit sei ihm jedoch bei nicht ausgewiesenen Gesamtkosten verwehrt. Eine Korrektur sei der Klägerin durch den Schriftsatz vom 3.2.2005 nicht mehr möglich gewesen, weil die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB bereits abgelaufen gewesen sei.
[4] Die Abrechnung sei zwar nur hinsichtlich der Einzelpositionen "Grundsteuer", "Wassergeld/Entwässerung" sowie "Hauswart" nicht fällig. Nach deren Abzug bestehe jedoch keine Nachzahlungsforderung mehr, so dass dahinstehen könne, ob die Abrechnung im Übrigen korrekt sei.
II.
[5] Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
[6] 1. Das Berufungsurteil ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Bezugnahme auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist ausreichend (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zu Unrecht vermisst die Revision die Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Solche haben sich hier nicht ergeben. Übergangenen Parteivortrag zeigt die Revision nicht auf.
[7] 2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Betriebskosten für das Jahr 2002. Ihre Nachforderung i.H.v. 129,33 EUR ist durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen.
[8] a) Die Fälligkeit einer Nachzahlung setzt den Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung voraus (BGH v. 19.12.1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 194 = MDR 1991, 524). Die Abrechungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB wird nur mit einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt; lediglich inhaltliche Fehler können auch nach Fristablauf korrigiert werden (Senat, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04, BGHReport 2005, 217 = MDR 2005, 263 = NJW 2005, 219 = WuM 2005, 61, unter II 1a, m.w.N.). Formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug seiner Vorauszahlungen (st.Rspr. des Senats; Urteil vom 17.11.2004, a.a.O.; Urt. v. 20.7.2005 - VIII ZR 371/04, MDR 2006, 196 = BGHReport 2005, 1508 = NJW 2005, 3135 = WuM 2005, 579, unter II 2; Urt. v. 27.11.2002 - VIII ZR 108/02, MDR 2003, 382 = BGHReport 2003, 267 = NJW-RR 2003, 442 = WuM 2003, 216, unter III 1; Urt. v. 23.11.1981 - VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573 = WuM 1982, 207, unter I 2a aa). Diesen Anforderungen wird die Abrechnung der Klägerin im Hinblick auf die Zusammenstellung der Gesamtkosten nicht in vollem Umfang gerecht.
[9] b) Die dem Beklagten erteilte Abrechnung war insofern fehlerhaft, als die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die ihr entstandenen Gesamtkosten zum Teil, nämlich im Hinblick auf die Posten "Grundsteuer", "Wassergeld/Entwässerung" sowie "Hauswart", vorab um nicht umlagefähige Kostenanteile bereinigt hat, ohne dies in der Abrechnung vollständig mitzuteilen.
[10] Die Gesamtkosten sind auch dann anzugeben, wenn einzelne Kostenteile nicht umlagefähig sind. Es genügt nicht, nur die insoweit schon bereinigten Kosten mitzuteilen. Dem Mieter muss auch ersichtlich sein, ob und in welcher Höhe nicht umlagefähige Kosten vorab abgesetzt worden sind, denn auch dies hat Einfluss auf die dem Mieter angelasteten Kosten (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 Rz. 337; Langenberg, WuM 2003, 670, 672 und NZM 2006, 641, 642 f.; Schneider in Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, Stand: November 2006, § 556 Rz. 338; MünchKomm/BGB/Schmid, 4. Aufl., § 556 Rz. 70; Beyerle in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 2006, Kap. 11 Rz. 127).
[11] c) Fehlt es an einer solchen Offenlegung, liegt ein formeller Mangel der Abrechnung vor, der zu ihrer Unwirksamkeit führt (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rz. 465; Langenberg, WuM 2003, 670, 672 und NZM 2006, 640, 643; Kinne, GE 2004, 1572, 1574; ders., in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Aufl., § 556 Rz. 76, 85; Schneider, a.a.O.; Beyerle, a.a.O.; a.A. Lützenkirchen, NZM 2005, 8, 9). Zieht sich der Fehler durchgängig durch die Abrechnung, ist sie insgesamt nicht formell ordnungsgemäß. Soweit ein gebotener Vorwegabzug nur im Hinblick auf einzelne Ansätze unterblieben ist, bleibt die Abrechnung im Übrigen zwar unberührt, wenn die jeweiligen Einzelpositionen - wie hier - unschwer herausgerechnet werden können (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rz. 467; Langenberg, NZM 2006, 640, 643; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rz. 3329; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2006), § 556 Rz. 121; Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer, Miete, 8. Aufl., § 556 Rz. 74; Schneider, a.a.O., § 556 Rz. 369; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rz. 806; vgl. auch LG Berlin, GE 1997, 687, 688; LG Köln, WuM 2001, 496). Das verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg. Denn das Berufungsgericht hat zutreffend und insoweit unangegriffen festgestellt, dass nach Abzug der betroffenen Ansätze für "Grundsteuer", "Wassergeld/Entwässerung" sowie "Hauswart" kein Nachzahlungsanspruch der Klägerin verbleibt, weil diese Positionen die Klageforderung übersteigen.
[12] d) Eine Fehlerkorrektur hätte sich nur innerhalb der - hier am 31.12.2003 abgelaufenen - Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB zugunsten des Vermieters auswirken können. Das gebieten Wortlaut und Zweck des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch dann, wenn erforderliche Vorwegabzüge nicht mitgeteilt worden sind. Die Abrechnungsfrist und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der Abrechnungssicherheit und sollen Streit vermeiden (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 14/4553, 37). Wie der Senat bereits entschieden hat, gewährleistet dies eine zeitnahe Abrechnung, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abrechnungszeitraum entweder über ein sich bei der Abrechnung zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewissheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit einer Nachforderung des Vermieters rechnen muss (zuletzt Urt. v. 5.7.2006 - VIII ZR 220/05, MDR 2007, 204 = BGHReport 2006, 1338 m. Anm. Bieber = NJW 2006, 3350 = WuM 2006, 516, unter II 2b aa, m.w.N.). Dieses Ziel wird verfehlt, wenn der Mieter nicht über einen Vorwegabzug informiert wird, weil auch diese Mitteilung den Mieter in die Lage versetzen soll, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen, also gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Mieter nach Fristablauf nicht mehr mit einer Nachforderung rechnen muss, wenn der Vermieter einen gebotenen Vorwegabzug nicht mitteilt. Der Mieter kann die Abrechnung nämlich auch nicht daraufhin überprüfen, ob ihm ein Guthaben zusteht, wenn ihm nicht mitgeteilt wird, ob und in welcher Höhe ein gebotener Vorwegabzug vorgenommen worden ist. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, haben der Schriftsatz der Klägerin vom 3.2.2005 ebenso wie das vorprozessuale Schreiben der Klägerin vom 21.5.2004, auf welches die Revision abstellen will, den Mangel nicht geheilt, weil die Abrechnungsfrist bereits verstrichen war. Dem Interesse des Vermieters wird nach § 556 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB nur dann der Vorrang eingeräumt, wenn er die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen; übergangenen Sachvortrag der Klägerin zeigt die Revision nicht auf.
Fundstellen