Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Der 1949 geborene Kläger ist geprüfter Masseur und medizinischer Bademeister. Er betrieb seit 1979 eine eigene Praxis für physikalische Therapie. Ab 1984, verstärkt ab 1986, suchte er bei verschiedenen Ärzten Hilfe wegen starker Schmerzen, die sich nach seiner Darstellung im Laufe der Zeit von den Händen über Schultern, Arme und Hüften bis zu den Unterschenkeln und Knien ausdehnten. 1987 wurde er dieserhalb krank geschrieben. Zum Jahresende 1988 gab er seine Praxis auf. Mit Schreiben vom 31. August 1987 übersandte er der Beklagten ein ärztliches Attest, in dem ihm Berufsunfähigkeit als Masseur bescheinigt wurde. Die Beklagte lehnte die Rentenzahlung ab.
Der Kläger trägt vor, er leide an einer nicht durch naturwissenschaftliche Untersuchungsbefunde beweisbaren, aber ärztlich festgestellten schweren und chronifizierten Form einer generalisierenden Tendomyopathie (GTM). Er sei zu körperlicher Arbeit nicht mehr imstande und somit zu 100% berufsunfähig. Er habe weder seine Praxis so umorganisieren können, daß er sie ohne körperliche Mitarbeit hätte weiterführen können, noch stünden ihm Vergleichsberufe offen, die keinen körperlichen Einsatz erforderten. Die Beklagte vertritt demgegenüber wegen des Fehlens objektiver medizinischer Befunde die Auffassung, daß es sich bei den subjektiv empfundenen Beschwerden des Klägers nicht um eine Erkrankung handele. Des weiteren bestreitet sie seine Berufsunfähigkeit unter Berufung auf seine Möglichkeiten zur Umorganisation seiner Praxis und zur Ausübung von Vergleichsberufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seinen Klageantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Von einer ärztlich nachgewiesenen Erkrankung des Klägers im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen (§ 2 Nr. 1 BBUZ), infolge derer er als körperlich arbeitender Masseur berufsunfähig geworden ist, ist auszugehen.
I. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Kläger sei der Nachweis einer Erkrankung nicht gelungen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es handelt sich zwar um eine Tatsachenfeststellung, die grundsätzlich für das Revisionsgericht bindend ist. Keine Bindung besteht jedoch, soweit in bezug auf die Feststellung ein begründeter Revisionsangriff erhoben ist (§ 561 Abs. 2 ZPO), was insbesondere der Fall ist, wenn die Tatsachenfeststellung auf Verfahrensfehlern beruht. So liegt es hier. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht das gerichtliche Geständnis der Beklagten, daß der Kläger an GMT erkrankt und infolgedessen zu einer Tätigkeit als Masseur nicht mehr fähig sei, außer acht gelassen hat.
1. Dieses Geständnis, dessen Wirkung war, daß das Gericht über die zugestandene Tatsache nicht mehr Beweis erheben durfte (§ 288 Abs. 1 ZPO), hat die Beklagte schon im ersten Rechtszug abgegeben.
Das Landgericht hat über das im Beweisbeschluß vom 15. Mai 1990 formulierte Beweisthema, ob der Kläger zu 100% berufsunfähig sei, und zwar sowohl für den erlernten Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister als auch für vergleichbare Tätigkeiten, zunächst durch Einholung eines fachinternistisch-rheumatologischen Gutachtens von Prof. Dr. Dr. M. Beweis erhoben. Dieser Gutachter kam zu dem Ergebnis, daß bei dem Kläger eine schwere und chronifizierte Form einer generalisierenden Tendomyopathie (schmerzhafte Störung der Muskel- und Sehnenansätze) mit Betonung der oberen Extremitäten bestehe, so daß er belastende manuelle Tätigkeiten und eine Arbeit in gebeugter Körperhaltung nicht mehr durchführen könne. Deshalb bestehe bei ihm zu 100% Berufsunfähigkeit, und zwar sowohl in seinem erlernten Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister als auch für vergleichbare Tätigkeiten. Zuzumuten seien ihm lediglich Tätigkeiten in einem körperlich nicht belastenden Bereich in aufsichtsführenden Positionen. Zu diesem Gutachten nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 1. November 1991 wie folgt Stellung:
- „Nach dem Gutachten der medizinischen Universitäts-Klinik liegt Berufsunfähigkeit für den zuletzt vom Kläger ausgeübten Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister mit körperlich belastenden, manuellen Tätigkeiten und Arbeiten in gebeugter Körperhaltung vor.
- Der Kläger ist dennoch nicht berufsunfähig im Sinne der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen. Er hat bislang nicht nachgewiesen, daß ihm eine Umstrukturierung nicht möglich ist, erst recht hat er nicht nachgewiesen, daß er gesundheitlich außerstande ist, in vergleichbaren Tätigkeiten eine 50% übersteigende Tätigkeit auszuüben.”
Auf den folgenden fünf Seiten des Schriftsatzes machte die Beklagte nur noch Ausführungen zu den in Frage kommenden Vergleichstätigkeiten. In der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 1991 stellten die Parteien ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge und verkündete das Gericht einen weiteren Beweisbeschluß, wonach ein berufskundliches Gutachten zur Frage der möglichen Umstrukturierung des Betriebes des Klägers und zur Verweisbarkeit auf die von der Beklagten genannten Berufe eingeholt werden sollte.
Die schriftsätzliche Stellungnahme der Beklagten vom 1. November 1991 ist nicht als bloßes Nichtbestreiten, sondern als Geständnis zu werten. Denn die Beklagte gab damit ihren Vortrag in der Klagerwiderung auf, daß sie wegen der ihrer Ansicht nach widersprüchlichen bisherigen ärztlichen Atteste eine Erkrankung des Klägers mit der Folge der Berufsunfähigkeit als Masseur bestreiten müsse, und beschränkte sich auf die Einwände der Umorganisationsmöglichkeit und der Vergleichsberufe. Das schriftsätzliche Geständnis hatte allerdings noch keine Wirkung. Jedoch nahm die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 1991 stillschweigend auf ihre vorbereitenden Schriftsätze und damit auf das darin enthaltene Geständnis Bezug (§ 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO), so daß es in dieser Verhandlung Wirksamkeit erlangte. Der Senat ist nicht daran gehindert, abweichend vom Landgericht und vom Berufungsgericht das Verhalten der Beklagten als Geständnis anzusehen. Die Auslegung und rechtliche Würdigung prozessualer Willenserklärungen der Parteien unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung des Revisionsgerichts (st. Rspr. des BGH; vgl. BGHZ 4, 328, 334 und Urteil vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 231/90 - NJW 1991, 2630 unter II. 3.).
2. Das Geständnis der Beklagten ist auch nicht im weiteren Verlauf des Prozesses durch Widerruf unwirksam geworden. Die schriftsätzliche Stellungnahme der Beklagten vom 15. Dezember 1993 zu dem orthopädischen Gutachten von Prof. R. ist zwar als konkludenter Widerruf auszulegen. In diesem Schriftsatz kehrte die Beklagte zu ihrem ursprünglichen Standpunkt zurück, daß keine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliege; sie begründete diese Ansicht nunmehr mit dem Fehlen objektiver Befunde. Die Beklagte war jedoch zum Widerruf nicht berechtigt, weil ihr Geständnis nicht durch einen Irrtum veranlaßt war (§ 290 ZPO). Sie beruft sich in ihrer Revisionserwiderung darauf, daß sie, wenn denn ein Geständnis anzunehmen wäre, dasselbe in der irrigen Annahme abgegeben habe, daß die Beweisaufnahme zur Berufsunfähigkeit im angestammten Beruf abgeschlossen sei, während in Wirklichkeit der Beweisbeschluß des Landgerichts, der außer dem internistischen noch ein orthopädisches und ein psychiatrisches Gutachten vorgesehen habe, noch nicht vollständig ausgeführt gewesen sei. Einen solchen Irrtum hat die Beklagte jedoch im Berufungsrechtszug weder ausdrücklich geltend gemacht, noch ist er aus dem Gang des Berufungsverfahrens ersichtlich. Das Landgericht, das anfänglich nicht wußte, welchem ärztlichen Fachgebiet das Krankheitsbild des Klägers zuzuordnen war, hatte die orthopädische und die psychiatrische Begutachtung ersichtlich nur hilfsweise für den Fall angeordnet, daß der internistische Sachverständige für sein Fachgebiet eine Erkrankung und/oder die Berufsunfähigkeit verneinen werde. Nachdem dieser aber eine Krankheit mitsamt daraus resultierender Berufsunfähigkeit diagnostiziert hatte, erübrigte sich aus der damaligen – zutreffenden – Sicht des Landgerichts die Einholung weiterer ärztlicher Gutachten; die Beweisaufnahme zu Krankheit und Berufsunfähigkeit war somit abgeschlossen. Deshalb befand sich die Beklagte bei ihrem Geständnis nicht in einem Irrtum.
3. An das Geständnis der Beklagten, daß der Kläger als körperlich arbeitender Masseur berufsunfähig geworden ist, war nicht nur das Landgericht, sondern auch das Berufungsgericht gebunden. Das im ersten Rechtszug abgelegte gerichtliche Geständnis behält seine Wirkung auch für die Berufungsinstanz (§ 532 ZPO). Deshalb hätte weder das Landgericht über diese Tatsache überhaupt noch weitere Beweise erheben geschweige denn seinem Urteil ein von dem Geständnis der Beklagten abweichendes Beweisergebnis zugrunde legen dürfen, noch hätte das Berufungsgericht diese Beweiswürdigung des Landgerichts überprüfen und bestätigen dürfen. Beide Gerichte hätten vielmehr die Krankheit und Unfähigkeit des Klägers zu einer Tätigkeit als Masseur als unstreitig behandeln müssen. Allein wegen dieses Verfahrensfehlers kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
II. Im übrigen beruht das Berufungsurteil auch auf einem materiell-rechtlichen Fehler bei der Auslegung des Begriffs des ärztlichen Nachweises einer Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 BBUZ. Der ärztliche Nachweis braucht nicht in Befunden der Apparatemedizin oder der sonstigen Zusatzdiagnostik zu bestehen. Der gegenteiligen, von der Beklagten, dem Landgericht und dem Berufungsgericht vertretenen Ansicht, daß nämlich ohne objektivierbare Befunde von einer Krankheit nicht gesprochen werden könne, ist nicht zu folgen. Die Verfasser des psychiatrischen Gutachtens haben bereits darauf hingewiesen, daß ansonsten auf psychiatrischem Fachgebiet wissenschaftlich nicht in Frage gestellte Erkrankungen wie alle affektiven Störungen (z.B. depressive Erkrankungen, außer sie seien Folge organischer Schädigungen) oder alle Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis nicht mehr zu diagnostizieren wären. Zutreffend ist deshalb die Ansicht der Revision, daß bei einer Krankheit wie GTM, die gerade durch das Fehlen naturwissenschaftlich gewonnener Untersuchungsbefunde charakterisiert wird, der ärztliche Nachweis der Erkrankung auch dadurch geführt werden kann, daß ein Arzt seine Diagnose auf die Beschwerdenschilderung des Patienten stützt.
III. Die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Auf der Grundlage des Geständnisses der Beklagten muß das Berufungsgericht nunmehr die von ihm bisher – von seinem Standpunkt aus zu Recht – ausdrücklich offengelassenen Fragen entscheiden, ob die Prozeßführungsermächtigung des Trägers der Sozialhilfe den Antrag des Klägers auf Zahlung an sich selbst deckt und ob der Berufsunfähigkeit des Klägers eine Möglichkeit zur Umstrukturierung seiner Praxis oder zur Ausübung einer Vergleichstätigkeit entgegensteht.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Römer, Terno, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.04.1999 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541275 |
NJW-RR 1999, 1113 |
NVersZ 1999, 418 |
VersR 1999, 838 |