Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Schadenersatzpflicht eines Rechtsanwalts, der als Rechtsberater von Anfechtungsklägern an dem Abschluß eines Vertrages über die Zahlung eines unzulässigen Abfindungsbetrages gegen Rücknahme einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage und den dazu geführten Verhandlungen mitgewirkt hat.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, die Leistung von Schadenersatz in Höhe von ca. 1,26 Mio. DM. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 13. November 1986 erwarb die Klägerin die Anteilsmehrheit an der Bank (B.) zum Preise von 1,9 Mrd. DM, zahlbar am 1. Juni 1987. Sie beabsichtigte, diesen Betrag aus Mitteln zu finanzieren, die über Eigenkapitalbeschaffungsmaßnahmen aufgebracht werden sollten. Nachdem die Klägerin die Einladung zu der Hauptversammlung vom 9. März 1987 veröffentlicht hatte, in der unter TOP 5 lit. b und c über eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen bzw. die Schaffung eines genehmigten Kapitals und unter TOP 6 lit. a, b und c über die entsprechende Änderung der Satzung beschlossen werden sollte, erwarben der dem Beklagten aus früheren – darunter auch aktienrechtlichen – Mandatsaufträgen bekannte K. W. F. und die Mutter der diesem bekannten K. D., Frau H. D., je drei Aktien der Klägerin. Herr F. und Frau K. D. – handelnd für ihre Mutter – erklärten u.a. gegen die mit der erforderlichen Mehrheit gefaßten, den Gegenständen der genannten Tagesordnungspunkte zustimmenden Beschlüsse der Hauptversammlung Widerspruch zu notariellem Protokoll. Unmittelbar nach Beendigung der Hauptversammlung wies der Beklagte im Auftrag von Herrn F. und Frau D. das zuständige Registergericht auf den zu notariellem Protokoll erklärten Widerspruch sowie die von ihnen gegen die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Beschlüsse gehegten Bedenken hin und kündigte die Erhebung einer Anfechtungsklage an. Das Registergericht nahm von der Eintragung der Beschlüsse in das Handelsregister Abstand.
Die D. Bank nahm diese Ereignisse als Führerin des von der Klägerin eingeschalteten Bankenkonsortiums zum Anlaß, die Zweitschrift des Zeichnungsscheins, in dem sich das Konsortium zur Übernahme und Plazierung der neuen Aktien sowie zur Zahlung des vereinbarten Betrages verpflichtet hatte, sowie die Einzahlungsquittung zurückzuverlangen. Die Klägerin, welche die Durchführung ihres Vorhabens gefährdet sah und die Entstehung erheblicher finanzieller Nachteile befürchtete, nahm Kontakt zu dem Beklagten auf. Nachdem Gespräche, die zwischen dem für die Klägerin handelnden Aktionär Fi. und dem Beklagten telefonisch geführt wurden, ergebnislos verlaufen waren, fanden in den Abend- und Nachtstunden des 12./13. März 1987 in der Kanzlei des Beklagten Verhandlungen statt, an denen auf seiten der Klägerin deren Vorstandsmitglied Fr. und Rechtsanwalt Dr. P., auf der Gegenseite Herr F., handelnd für sich, Frau D. und – nach seiner Darstellung – für eine nicht näher bezeichnete Aktionärsgruppe der Klägerin, und als dessen rechtlicher Berater und Vertreter der Beklagte teilnahmen. Es kam zu einer Vereinbarung, nach der Herr F. und Frau D. den von ihnen erhobenen Widerspruch zurücknehmen sowie auf ihr Anfechtungsrecht verzichten und die Klägerin sodann einen Betrag von 1,5 Mio. DM an den Beklagten als Treuhänder zahlen sollten. Dementsprechend ist auch verfahren worden.
Die Parteien streiten darüber, ob sich der Beklagte gegenüber der Klägerin einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat. Die Klägerin meint, der Beklagte hafte ihr sowohl unter dem Gesichtspunkt der gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung als auch wegen erpresserischen Verhaltens und Beihilfe zur Untreue.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Klage unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Klägerin abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Frage einer möglichen Zahlungsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin zutreffend auf den Gesichtspunkt des Schadenersatzes aus unerlaubter Handlung beschränkt. Die an F. und Frau D. vorgenommene Zahlung war nach den Vorschriften des Aktienrechts allerdings nicht zulässig. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach den Aktionären die Einlagen nicht zurückgezahlt werden dürfen, ist nach allgemeiner Meinung entgegen dem mißverständlichen Gesetzeswortlaut dahin auszulegen, daß die Gesellschaft dem Aktionär keine auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung erbringen darf, auf die ihm das Aktiengesetz keinen Anspruch gewährt (Barz in GroßKomm. z. AktG, 3. Aufl. § 57 Anm. 3; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 57 Rdn. 4 und 5; Lutter in KK z. AktG, 2. Aufl., § 57 Rdn. 5, 8). Anspruch hat ein Aktionär, sieht man von der hier nicht bedeutsamen Sonderregelung der §§ 59, 61 AktG ab, nur auf den ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4 und 5 AktG). Die Klägerin hat die Zahlung des Betrages von 1,5 Mio. DM im Hinblick auf die Gesellschafterstellung von F. und Frau D. erbracht, da diese, wozu sie nur als Aktionäre in der Lage waren, im Gegenzug ihren Widerspruch zurückgenommen und auf die Erhebung einer Anfechtungsklage verzichtet haben (vgl. zu diesem Zusammenhang Lutter aaO § 57 Rdn. 29; ders. in FS „40 Jahre Der Betrieb”, 1988, S. 193, 197 ff.; Martens, AG 1988, 118, 120; Hirte, BB 1988, 1496, 1473). Die Zahlung ist aber nicht zur Befriedigung eines anteiligen Anspruchs auf den ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn vorgenommen worden. Sie war daher nach dem Aktiengesetz unzulässig. F. und Frau D. haben somit nach § 62 Abs. 1 AktG der Klägern den ausgezahlten Betrag zurückzugewähren. Eine solche Verpflichtung trifft den Beklagten aber schon deswegen nicht, weil er nicht Aktionär der Klägerin war.
II.
Das Berufungsgericht hält einen Schadenersatzanspruch der Klägerin aus §§ 826, 830 BGB nicht für gegeben. Es unterstellt zwar, daß es F. und seiner Bekannten, Frau D., darum gegangen sei, eine aufgrund ihres zu notariellem Protokoll erklärten Widerspruchs für die Klägerin eintretende und von ihnen erwartete Zwangslage zur Erlangung einer ihnen rechtlich nicht zustehenden Geldsumme auszunutzen. Es geht ferner davon aus, daß F. nicht für eine Aktionärsgruppe gehandelt habe, sondern diese von ihm lediglich erdacht worden sei, um seine Position bei den Abfindungsverhandlungen glaubwürdiger darstellen und besonders nachdrücklich vertreten zu können.
Das Berufungsgericht meint aber, den Beklagten treffe deswegen keine Schadenersatzpflicht gemäß § 826 BGB, weil er im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit diese Einzelheiten weder gekannt noch billigend in Kauf genommen habe. Auch könne ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, sich entsprechenden Erkenntnissen, die sich ihm hätten aufdrängen müssen, verschlossen und damit leichtfertig und gewissenlos gehandelt zu haben. Die diesen Erwägungen zugrundeliegenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht frei von Rechtsirrtum und beruhen zum Teil auf verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen.
1. Das Berufungsgericht legt der Beurteilung des Verhaltens von F. und Frau D. den Sachvortrag der Klägerin zugrunde. Davon ist revisionsrechtlich auszugehen. Das Berufungsurteil enthält zwar keine Ausführungen darüber, ob dieses Verhalten rechtlich die Voraussetzungen einer gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlich begangenen Schädigung der Klägerin im Sinne des § 826 BGB erfüllt. Das Berufungsgericht nimmt das aber an, wie sich aus den Entscheidungsgründen zur Frage der Teilnahmehandlung des Beklagten ergibt. Dieser rechtlichen Bewertung ist entgegen der Revisionserwiderung zuzustimmen.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin haben F. und Frau D. mit dem Widerspruch, den sie gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse der Klägerin über die Eigenkapitalbeschaffungsmaßnahmen einschließlich der damit erforderlich gewordenen Satzungsänderung erhoben haben, und der gegenüber dem Registergericht vorgenommenen Ankündigung, gegen diese Beschlüsse werde Anfechtungsklage erhoben, von vornherein das Ziel verfolgt, die Klägerin gegen Rücknahme des Widerspruchs und Verzicht auf die Durchführung des Anfechtungsverfahrens zur Zahlung eines Betrages in Millionenhöhe zu veranlassen. Ihrem Plan habe die Erwartung zugrunde gelegen, die Klägerin werde sich bereitwillig auf ein solches Geschäft einlassen, weil durch die Erhebung des Widerspruchs und die Ankündigung der Anfechtungsklage die sofortige Eintragung der Beschlüsse in das Handelsregister verhindert, eine Eintragung bei Durchführung des Anfechtungsverfahrens bis zum Bundesgerichtshof auf lange Zeit nicht erreicht werden könne und die Klägerin unter diesen Umständen von dem Scheitern des Projektes und dem Eintritt eines erheblichen Ansehensverlustes und eines enormen materiellen Schadens ausgehen müsse. Der Aktionär F., der zugleich für Frau D. handelte, erwirkte im Zuge der Verhandlungen vom 12./13. März 1987 gegen Rücknahme des erklärten Widerspruchs und Verzicht auf die Durchführung eines Anfechtungsverfahrens die Zahlung eines Betrages von 1,5 Mio. DM. Dieses Verhalten erfüllt die Voraussetzungen des § 826 BGB.
b) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Handlung als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden kann, sind alle für den Einzelfall maßgebenden Umstände zu berücksichtigen. Das Verhalten kann insbesondere nach dem eingesetzten Mittel, dem verfolgten Ziel oder der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck sittenwidrig sein (RGRK/Steffen, BGB, 12. Aufl. § 826 Rdn. 24 ff.; Erman/Schiemann, BGB, 8. Aufl. § 826 Rdn. 9, jeweils m.w.N.).
aa) Als sittenwidrig ist nicht allein die Tatsache anzusehen, daß der Aktionär F. und Frau D. durch Erklärung des Widerspruchs zu notariellem Protokoll und die Ankündigung einer Anfechtungsklage gegenüber dem zuständigen Registergericht die sofortige Eintragung der angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse verhindert haben. Das Gesetz gewährt einem Aktionär das Recht, gegen gesetz- und satzungswidrige Beschlüsse der Hauptversammlung vorzugehen (§ 243 Abs. 1 AktG). Es verfolgt damit das Ziel, die Rechtmäßigkeitskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen zu gewährleisten. Nachteile, die der Gesellschaft insbesondere dadurch entstehen können, daß angefochtene Beschlüsse entweder kraft gesetzlicher Anordnung vor rechtskräftiger Abweisung der Klage grundsätzlich nicht in das Handelsregister eingetragen werden dürfen (vgl. dazu Sen.Urt. BGHZ 112, 9) oder ihre Eintragung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits ausgesetzt werden kann (§ 127 FGG), nimmt das Gesetz in Kauf. Die Ankündigung der Erhebung einer Anfechtungsklage, mit der die dem Aktionär vom Gesetz vorgegebenen Ziele verfolgt werden sollen, kann bereits aus diesen Gründen nicht als sittenwidrig angesehen werden.
bb) Die Sittenwidrigkeit des Handelns von F. und Frau D. folgt jedoch aus der Relation des verwendeten Mittels zu dem angestrebten Zweck unter gleichzeitigem Mißbrauch einer ihnen vom Gesetz eingeräumten formalen Position (BGH, Urt. v. 22. Mai 1962 – VI ZR 256/61, WM 1962, 929, 930 f.; RGRK/Steffen aaO § 826 Rdn. 27; Erman/Schiemann aaO § 826 Rdn. 9). Nach dem für die Revisionsinstanz zugrundezulegenden Vortrag der Klägerin haben sie – entsprechend einem von vornherein gefaßten Plan – das ihnen als Aktionären der Beklagten zustehende Kontrollrecht der Anfechtungsklage gesetzwidrig benutzt, die Klägerin zu veranlassen, ihnen das Anfechtungsrecht gegen eine hohe Geldsumme abzukaufen. Die Durchführung dieses Plans haben sie damit eingeleitet, daß sie Widerspruch gegen die maßgebenden Beschlüsse der Hauptversammlung erhoben und durch Ankündigung der Anfechtungsklage gegenüber dem zuständigen Registergericht deren sofortige Eintragung in das Handelsregister verhindert haben. Da die Klägerin, wie ihnen aus Presseveröffentlichungen bekannt war, für den Anteilserwerb bis zur Durchführung der Eigenkapitalbeschaffungsmaßnahmen eine hohe Zinslast traf und sie daher an der raschen Eintragung der Beschlüsse interessiert war, rechneten sie damit, daß diese ihnen für die Rücknahme des Widerspruchs und die Erklärung des Verzichts auf die Anfechtungsklage eine hohe Summe zu zahlen bereit war und auch sehr schnell zu ihnen Kontakt aufnehmen werde. Diese Erwartung wurde durch die im Auftrag der Klägerin telefonisch unterbreiteten Angebote des Aktionärs Fi. und den Besuch des Vorstandsmitgliedes Fr. und des Rechtsanwalts Dr. P. in der Kanzlei des Beklagten bestätigt. Im Rahmen der am 12./13. März 1987 geführten Verhandlungen trieb der zugleich für Frau D. handelnde F. die Abfindungssumme durch die mehrfache Ablehnung erhöhter Angebote der Klägerin bis zur Summe von 1,5 Mio. DM hoch. Er hat auf diese Weise nicht nur das Institut der Anfechtungsklage zu gesetzesfremden Zwecken mißbraucht, sondern in Kenntnis der die Klägerin treffenden hohen Zinslasten auf die Klägerin Druck ausgeübt. Ein derartiges Verhalten ist sittenwidrig.
c) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung zur Entscheidung der Frage, ob jeder einem Aktionär im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Durchführung eines Anfechtungsverfahrens oder der Rücknahme einer Anfechtungsklage gezahlte Betrag als unzulässig oder sittenwidrig anzusehen ist. In der Literatur wird erwogen, die Zahlung einer Abfindung an den Aktionär dann zuzulassen, wenn sie dem Ausgleich eines Schadens dient, der durch den angefochtenen Beschluß eingetreten ist (Zöllner in KK z. AktG, 1985, § 245 Rdn. 80; Teichmann, JUS 1990, 269, 272 f.). Von anderen Stimmen wird es als zulässig angesehen, daß die Gesellschaft die dem Anfechtungskläger entstandenen Prozeßkosten und seinen mit der Prozeßführung zusammenhängenden Aufwand ersetzt, soweit damit zumindest die Verpflichtung begründet wird, eine Entscheidung der Hauptversammlung zur Behebung des beanstandeten Mangels herbeizuführen (Hirte, BB 1988, 1469, 1474; Hommelhoff/Timm, AG 1989, 168, 169; eingrenzend Lutter, ZGR 1978, 347, 364). Der Aktionär F. und Frau D. haben als Inhaber von jeweils drei Aktien den von ihnen vereinnahmten Betrag nicht an einem möglichen, im Rahmen der Verhandlungen am 12./13. März 1987 angesprochenen, durch den angegriffenen Anteilserwerb eingetretenen Kursverlust ihrer Aktien orientiert. Prozeßkosten und sonstiger Aufwand waren noch nicht entstanden. Von einer Verpflichtung, den gerügten Mangel durch Hauptversammlungsbeschluß beheben zu lassen, ist in keiner Phase der Verhandlungen gesprochen worden.
d) Daß F. vorsätzlich in Kenntnis aller für die Sittenwidrigkeit maßgebenden Umstände gehandelt hat, ist nach dem Vortrag der Klägerin ebenso unzweifelhaft wie der bei ihr durch die Zahlung bedingte Eintritt eines Schadens.
2. Das Berufungsgericht sieht entsprechend dem Vortrag der Klägerin eine objektiv begangene Beihilfehandlung des Beklagten im Sinne der §§ 826, 830 Abs. 2 BGB in der zusammen mit F. und Frau D. getroffenen Vorbereitung des von diesen nur als Druckmittel zur Erlangung einer ungerechtfertigten Zahlung angestrebten Anfechtungsverfahrens und in der Beratung und Unterstützung seiner Mandanten in den mit Vertretern der Klägerin geführten Telefongesprächen sowie der Verhandlung vom 12./13. März 1987. Davon ist revisionsrechtlich auszugehen.
Es verneint jedoch eine Haftung des Beklagten mit der Begründung, er habe sich keines Sittenverstoßes schuldig gemacht, weil er die Motivation von F. und Frau D., denen es um die Erlangung eines ihnen nicht gebührenden Vermögensvorteils gegangen sei, weder gekannt noch billigend in Kauf genommen noch infolge grob fahrlässigen und gewissenlosen Verhaltens verkannt habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß nach der ständigen, auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB auch derjenige handelt, der seine Berufspflichten in einem Maße grob fahrlässig und leichtfertig verletzt, daß sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist (BGH, Urt. v. 13. Juli 1956 – VI ZR 132/55, WM 1956, 1229 m.w.N.; Urt. v. 18. Juni 1962 – VII ZR 237/60, WM 1962, 933, 935; Urt. v. 17. Mai 1990 – IX ZR 85/89, WM 1990, 1554, 1556; RG JW 1929, 3149; vgl. auch Mertens in MüKo aaO § 826 Rdn. 46; RGRK/Steffen aaO § 826 Rdn. 29; Staudinger/Schäfer, BGB 12. Aufl. § 826 Rdn. 45). Es meint aber, dem Beklagten könne ein solcher Vorwurf nicht gemacht werden, weil ihm nicht widerlegt werden könne, daß er an die Existenz einer hinter F. und Frau D. stehenden Aktionärsgruppe geglaubt habe. Offenbar geht es davon aus, daß der Beklagte unter diesen Umständen die Zahlung des Betrages von 1,5 Mio. DM durch die Klägerin entsprechend der Vereinbarung vom 13. März 1987 als unbedenklich ansehen durfte. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht.
a) In der Literatur wird allerdings – wie bereits ausgeführt – die Ansicht vertreten, die Zahlung einer Abfindung gegen Rücknahme der Anfechtungsklage müsse dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn sie dem Ausgleich eines Schadens diene, den der Aktionär durch den angefochtenen Beschluß erlitten habe (Zöllner in KK aaO § 245 Rdn. 80; Teichmann, JUS 1990, 269, 272 f.). Ob dem gefolgt werden kann, braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Zwar hat der Beklagte vorgetragen, die Anfechtung der die Kapitalbeschaffungsmaßnahmen betreffenden Hauptversammlungsbeschlüsse sei wirtschaftlich schon wegen der erheblichen Kurseinbußen sinnvoll gewesen, welche die Aktien der Klägerin infolge des Beteiligungserwerbs erlitten hätten. Auch wenn man einen solchen Kursverlust für ausgleichsfähig hält, trägt diese Erwägung die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung nicht. Denn weder nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen noch dem Vortrag des Beklagten sind diese Verluste in der Verhandlung vom 12./13. März 1987 zum Maßstab für die Höhe des von der Klägerin zu zahlenden Betrages erhoben worden.
Das Berufungsgericht führt ferner aus, für den Beklagten habe kein Grund zu der Annahme bestanden, daß F. nicht bereits seit längerer Zeit über einen nicht nur geringfügigen Aktienbestand verfügt habe. Auch diese Erwägung trägt nicht die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung, der Beklagte habe nicht leichtfertig gehandelt, weil der von der Klägerin gezahlte Betrag daran nicht ausgerichtet worden ist. Zudem rügt die Revision insoweit zu Recht, das Berufungsgericht habe die Behauptung der Klägerin übergangen, Fi. habe in einem mit dem Beklagten geführten Telefonat erklärt, F. sei in der Hauptversammlung mit vier Aktien aufgetreten.
b) Die weiteren Ausführungen im Berufungsurteil zur Frage der Aktionärsgruppe sind rechtlich ebenfalls nicht haltbar. Das Berufungsgericht meint zwar, dem Beklagten hätten sich Zweifel daran aufdrängen müssen, ob sich eine namhafte Gruppe in einer wirtschaftlich und wirtschaftspolitisch so bedeutenden Angelegenheit eines Mannes wie F. zur Interessenwahrung im Wege der Anfechtungsklage bedient hätte. Auch sei es sehr ungewöhnlich, daß die behauptete Honorarvereinbarung unter diesen Umständen nur mit F. getroffen worden sei. Ferner sei zu erwarten, daß ein Rechtsanwalt die Personen, deren Interessen er wahrnehme, kenne und kennen müsse, um beurteilen zu können, ob er die Verfolgung redlicher Ziele betreibe und unterstütze oder nur Intrigen fördere. Obwohl der Beklagte die Hintergründe um die angebliche Aktionärsgruppe nicht aufgeklärt habe, könne ihm jedoch nicht der Vorwurf grob fahrlässigen und leichtfertigen Handelns gemacht werden. Denn er habe sich, wenn auch vergeblich, um Aufklärung bemüht. Daß er dem nicht weiter nachgegangen sei, unterliege keinen durchgreifenden Bedenken, weil er F. in aktienrechtlichen Angelegenheiten langjährig beraten und dieser bei den Verhandlungen vom 12./13. März 1987 den Eindruck erweckt habe, tatsächlich mit der Gruppe Rücksprache zu nehmen.
Dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, der Beklagte habe sich über die Existenz der Aktionärsgruppe vergewissern und ihre Zielsetzung sowie Umfang und Inhalt seines Mandatsauftrages abklären müssen, um sicherzustellen, daß er eine mit seiner Stellung und seinen Aufgaben als Organ der Rechtspflege zu vereinbarende Vertretung und Verhandlungsführung durchführen konnte, ist zuzustimmen. Soweit das Berufungsgericht jedoch ausführt, dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, nicht entsprechend gehandelt zu haben, weil er sich um eine nähere Aufklärung der Hintergründe bemüht, damit jedoch keinen Erfolg gehabt habe, legt es seiner Beurteilung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde. Gerade der Umstand, daß F. gegenüber dem Beklagten als seiner zur Verschwiegenheit verpflichteten Vertrauensperson jegliche Angaben über die Gruppe verweigerte, mußte dem Beklagten in höchstem Maße bedenklich erscheinen. Soweit er dennoch für die Gruppe weiterhandelte, verhielt er sich wie ein Rechtsanwalt, der ohne Absicherung durch Rückfragen bei dem Mandanten und damit ungeprüft Behauptungen aufstellt, die er schlechterdings nicht zu rechtfertigen in der Lage ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17. September 1985 – VI ZR 73/84, NJW 1986, 180, 181; s. ferner Lingenberg/Hummel, Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl., § 1 Rz. 12). In einem derartigen Fall trifft ihn die Verpflichtung, sein Mandat niederzulegen (RG JW aaO S. 3150). Das Berufungsgericht meint allerdings, das Verhalten des Beklagten sei deswegen nicht so schwerwiegend, weil er F. in Aktionärsangelegenheiten langjährig vertreten und dieser zudem durch die Telefonate den Eindruck erweckt habe, er stehe tatsächlich mit der Gruppe in Verbindung. Letzterer Erwägung kann jedoch bereits deswegen nicht gefolgt werden, weil der durch die Telefonate erweckte Eindruck nicht, wovon das Berufungsgericht aber offensichtlich ausgeht, die dem Beklagten obliegende Aufklärung ersetzen kann. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht den Verlauf der Verhandlung vom 12./13. März 1987 nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Daraus ergibt sich nämlich, daß die Klägerin der Beteiligung der Aktionärsgruppe eine maßgebende Bedeutung insbesondere für die Höhe des Zahlungsbetrages beigemessen hat. Das hat sich letztlich auch im Vertrag vom 13. März 1987 niedergeschlagen, in dem die unbekannte Aktionärsgruppe ausdrücklich als Vertragsbeteiligter aufgeführt ist. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht bei Einbeziehung dieses Gesichtspunktes zu einer abweichenden Würdigung gelangt wäre.
III.
Das Berufungsgericht hat einen Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 253, 25, 27 StGB mit der Begründung abgelehnt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Beklagte auch in dem Zeitpunkt, in dem die Vertreter der Klägerin eine vergleichsweise Regelung angestrebt hätten, darauf vertraut habe, F. beabsichtige die Durchführung eines aus seiner Sicht erfolgversprechenden Anfechtungsverfahrens. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Es ist zwar richtig, daß das Angebot dazu, einen bestimmten Betrag gegen Rücknahme des zu notariellem Protokoll erklärten Widerspruchs und Verzicht auf Durchführung des angekündigten Anfechtungsverfahrens zu zahlen, von Vertretern der Klägerin ausgegangen ist. Aus der Erhebung des Widerspruchs und der Ankündigung der Verfahrensdurchführung allein kann noch nicht ohne weiteres auf die Absicht geschlossen werden, das Institut der Anfechtungsklage seinem gesetzlich vorgegebenen Zweck zu entfremden und es als Druckmittel zu benutzen, um von der Klägerin als Anfechtungsgegnerin eine bestimmte Geldsumme zu erlangen. Nach dem Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, daß F. und Frau D. von vornherein in einer solchen Absicht gehandelt haben, mag sie auch erst später nach außen in Erscheinung getreten sein. Dem steht auch nicht entgegen, daß beide nicht von sich aus mit der Geltendmachung von Ansprüchen an die Klägerin herangetreten sind, sondern in der Erwartung gehandelt haben, die Gesellschaft werde sich unter dem Druck der infolge dieses Vorgehens befürchteten wirtschaftlichen Nachteile an sie wenden und ihnen Zahlungsangebote unterbreiten. Im Rahmen der Prüfung, ob eine solche Feststellung getroffen werden kann, muß der Tatrichter alle von den Parteien zu diesem Vorwurf vorgetragenen Umstände einer umfassenden Würdigung unterziehen (vgl. Sen.Urt. v. 18. Dezember 1989 – II ZR 254/88, WM 1990, 140 = ZIP 1990, 168).
b) Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe von vornherein an dem Plan von F. und Frau D. mitgewirkt. Als wesentliches Indiz dafür sieht sie das von dem Beklagten verfaßte und an das Registergericht Aachen gesandte Schreiben vom 9. März 1987. Ob das ausreicht, mag hier dahingestellt bleiben. Eine solche Kenntnis des Beklagten kann sich aber schon aus den zwischen ihm und dem Aktionär Fi. geführten Telefongespräch, insbesondere der Antwort des Beklagten ergeben, dafür mache es F. wohl nicht, nachdem der Aktionär Fi. namens der Beklagten die Zahlung von 250.000,– DM angeboten hatte. Sie kann ferner aus der Erklärung in dem mit dem Vorstandsmitglied Fr. geführten Gespräch folgen, die Sache werde gegebenenfalls bis zum Bundesgerichtshof getrieben, seine – des Beklagten – Honorarvereinbarung von 50.000,– DM sei doch gering im Verhältnis zu der für die Finanzierung des Kaufpreises der Klägerin entstehenden täglichen Zinsbelastung von 250.000,– DM. F. und die Gruppe wüßten genau, daß die Sache für die Klägerin eilig sei.
Der Beklagte kann eine solche Kenntnis ferner aus dem Verlauf der Verhandlung vom 12./13. März 1987 und den verschiedenen, in diesem Rahmen abgegebenen Erklärungen F. erlangt haben. Dieser hat nicht nur pauschal von den Vertretern der Klägerin 2,5 Mio. DM gefordert, sondern die Zahlung von 500.000,– DM mit Rücksicht auf das „Volumen der Transaktion der Klägerin” abgelehnt. Der Beklagte soll es mit sportivem Ehrgeiz erklärt haben, wenn versucht werde, die Möglichkeiten, die das Aktiengesetz dem Einzelaktionär biete, auch voll zu nutzen. Dem Hinweis auf die fehlende gesetzliche Grundlage sei der Ruf- und Ansehensverlust entgegengehalten worden, der für die Klägerin mit dem Scheitern der Transaktion verbunden sei.
Die Revision rügt zu Recht, daß dieser Vortrag der Klägerin vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt worden ist.
c) Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht zu der Feststellung gelangt, F. und Frau D. seien erst in dem Zeitpunkt dazu übergegangen, die Zwangslage der Klägerin durch Mißbrauch der Institution der Anfechtungsklage zur Erlangung von Geldzahlungen auszunützen, als sich die Vertreter der Klägerin bereits an sie gewandt hatten. Dieses Verhalten kann in der Ablehnung von Angeboten der Klägerin und dem Verlangen nach höheren Zahlungen liegen. Insoweit kommen sinngemäß die Grundsätze zur Anwendung, die sich aus der Senatsentscheidung vom 14. Oktober 1991 (II ZR 249/90, AG 1992, 86 = WM 1991, 2061) ergeben.
Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Kenntnis oder Kenntniserlangung des Beklagten ankommt, ändert sich gegenüber den vorstehend unter b) gemachten Ausführungen nichts.
IV.
Mit der gleichen Erwägung, mit der das Berufungsgericht einen Schadenersatzanspruch wegen Beihilfe zur Erpressung abgelehnt hat, verneint es auch einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266, 27 StGB. Auch das ist rechtlich nicht haltbar. Es kann insoweit auf die Ausführungen unter II. Bezug genommen werden.
V.
Aus den vorstehenden Gründen konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache war an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht Gelegenheit hat, noch die zum Grunde – und gegebenenfalls auch zur Höhe – des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs erforderlichen Feststellungen zu treffen. Soweit der Senat auf Rügen der Revision nicht eingegangen ist, bleibt es der Klägerin unbenommen, ihren Vortrag erneut dem Berufungsgericht zu unterbreiten.
Fundstellen
Haufe-Index 649098 |
BB 1992, 1517 |
NJW 1992, 2821 |
ZIP 1992, 1081 |