Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 07.08.2001) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 7. August 2001 wird verworfen.
Die Kosten dieses Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und ihn im übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie macht geltend, das Landgericht habe gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG zu Unrecht verneint mit der Folge, daß die Gesamtfreiheitsstrafe zu niedrig sei; außerdem ist sie der Auffassung, daß die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB nicht vorgelegen hätten. Das – vom Generalbundesanwalt nicht vertretene – Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Dieser steht aber im Widerspruch zu dem Angriffsziel des Rechtsmittels, wie es sich aus der Revisionsrechtfertigungsschrift ergibt. Deren Auslegung läßt einen auf den Rechtsfolgenausspruch bezogenen Beschränkungswillen der Beschwerdeführerin erkennen (vgl. zur Auslegung in solchen Fällen BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Die Beschwerdeführerin erstrebt eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe als zwei Jahre oder zumindest den Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung.
Soweit die Beschwerdeführerin die Verneinung des Regelbeispiels des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG beanstandet, macht sie erkennbar nur einen Wertungsfehler geltend, so daß der Senat ausschließen kann, daß auch der Schuldspruch berührt ist.
Entscheidungsgründe
II.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen veräußerte der Angeklagte an den anderweitig verfolgten Zeugen H. in zehn Fällen jeweils mindestens 10 g und in weiteren vier Fällen jeweils 7 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 3 % zu einem Preis von 125 DM pro Gramm.
Das Landgericht hat der Strafbemessung den Normalstrafrahmen des Tatbestandes des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zugrundegelegt und für die Fälle mit 7 g Heroin eine Freiheitsstrafe von jeweils sieben Monaten sowie für die Fälle mit 10 g Heroin eine Freiheitsstrafe von jeweils zehn Monaten festgesetzt.
III.
Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs deckt keinen Rechtsfehler zu Gunsten – oder, was gemäß § 301 StPO ebenfalls zu beachten ist, zum Nachteil – des Angeklagten auf.
1. Die Verneinung des Regelbeispiels des gewerbsmäßigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Strafkammer hat nicht die Überzeugung gewinnen können, daß der Angeklagte vor oder bei der Abwicklung der einzelnen Rauschgiftgeschäfte die Absicht hatte, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Diese Bewertung wird insbesondere durch die Feststellung gestützt, daß der Angeklagte zu jedem einzelnen Rauschgiftgeschäft „gedrängt und überredet” werden mußte. Hinzu kommt, daß der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte in familiär und sozial geordneten Verhältnissen lebt und Umstände, die ein Motiv für die Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle durch Rauschgifthandel, sei es auch nur als Nebenerwerb, darstellen könnten, nicht erkennbar sind. Demgegenüber ist die – allerdings nicht geringe – Zahl der Taten, aus denen der Angeklagte jeweils Gewinn zog, kein hinreichendes Beweisanzeichen für einen solchen Willen des Angeklagten. Dies hat das Landgericht zwar denkbar knapp, aber ohne Rechtsfehler dargelegt.
2. Der Revision muß der Erfolg auch versagt bleiben, soweit sie sich gegen die Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung wendet. Die von der Strafkammer getroffene Entscheidung liegt innerhalb des ihr eingeräumten Ermessensspielraums und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, auch wenn eine zum umgekehrten Ergebnis führende Würdigung ebenfalls rechtlich möglich gewesen wäre (BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 4; Umstände, besondere 3). Die positive Kriminalprognose wie auch die Annahme besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StPO sind – wie der Generalbundesanwalt bereits in der Antragsschrift vom 8. Februar 2002 zutreffend dargelegt hat – aufgrund einer hinreichenden Gesamtwürdigung erfolgt, bei der die Kammer auch die gegen eine Strafaussetzung sprechenden Gesichtspunkte der Tat und der Täterpersönlichkeit offensichtlich nicht aus den Augen verloren hat. Die Beschwerdeführerin zeigt keine tatsächlichen Umstände auf, die die tatrichterliche Würdigung in Frage stellen.
Einer ausdrücklichen Erörterung, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Strafvollstreckung gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB) bedurfte es hier nicht. Veranlassung dazu besteht nur, wenn konkrete Umstände vorliegen, welche die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (BGH, Urt. vom 14. März 1995 – 1 StR 856/94 –; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9). Das ist hier nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen nicht der Fall.
Unterschriften
Schäfer, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Kolz
Fundstellen
Haufe-Index 2559405 |
StV 2003, 81 |