Leitsatz (amtlich)

Bei einem durch das Haftungsprivileg der §§ 636, 637 RVO eintretenden gestörten Innenausgleich sind die Schadensersatzansprüche des Verletzten dann nicht zu kürzen, wenn sein Arbeitgeber oder Arbeitskollege ohne diese Freistellung gegenüber dem in Anspruch genommenen Schädiger nicht ausgleichspflichtig wäre (Ergänzung zu BGHZ 61, 51).

 

Normenkette

BGB §§ 426, 254; RVO §§ 636-637

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.05.1974)

LG Kassel

 

Tenor

Die Region des Beklagten gegen das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 30. Mai 1974 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger führte am 1. Juli 1968 als Lehrling eines Elektro-Installateurs in dem Abwassersammelschacht einer Tierkörperbeseitigungsanstalt, deren Inhaber der Vater des Beklagten ist, Vorarbeiten für die Verlegung von Stromkabeln aus. Da er neben dem ohnehin dort herrschenden Gestank der den Schacht durchlaufenden Brüden einen benzinähnlichen Geruch wahrzunehmen meinte und sich auf der Schachtsohle eine braune Brühe angesammelt hatte, fürchteten er und der mit ihm an der Baustelle befindliche Geselle seines Arbeitgebers, daß sich gefährliche Gase gebildet haben könnten. Diese Bedenken trugen sie dem Inhaber der Tierkörperbeseitigungsanstalt vor, der sie an seinen Sohn, den Beklagten, verwies; dieser, der ebenfalls den Beruf des Elektro-Installateurs erlernt hatte, war als Betriebsleiter tätig. Er verfügte über ein einige Zeit zuvor für den Betrieb angeschafftes Gasmeßgerät (ein AUER-Ex-METER), womit er schon gelegentlich Gasmessungen vorgenommen hatte. Mit diesem Instrument führte er, auf der Arbeitsbohle sitzend, die der Kläger einen Meter über der Schachtsohle angebracht hatte, eine Messung durch. Da das Gerät bei geringfügigem Zeigerausschlag nur eine unbedenkliche Gasmenge anzeigte, äußerte er sich dahin, die Arbeiten können gefahrlos fortgesetzt werden. Wenig später, als der Kläger wei terhin mit einer elektrisch betriebenen Schlagbohrmaschine Löcher zur späteren Kabelbefestigung bohrte, kam es zu einer explosionsähnlichen Verpuffung brennbarer Gase, die sich in dem Schacht angesammelt hatten. Dabei erlitt der Kläger erhebliche Verbrennungen. Eine völlige Wiederherstellung ist nicht zu erwarten, da die zurückgebliebenen Narben ihn dauernd beeinträchtigen.

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst sowohl von dem Beklagten als auch von dem am Unfalltag an der Baustelle nicht anwesenden bauleitenden Architekten und von seinem Arbeitskollegen, dem Gesellen, Ersatz seines Schadens und ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, daß diese verpflichtet sind, ihm sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Kläger nur noch bezüglich des jetzigen Beklagten und des Architekten durchgeführte Berufung hat das Oberlandesgericht die gegen den Beklagten gerichtete Zahlungsklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und auch dem Feststellungsantrag entsprochen. Soweit der Kläger seine Ansprüche auch gegen den Architekten weiter verfolgt hat, hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen.

Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte müsse deshalb für den Schaden des Klägers nach § 823 Abs. 1 BGB einstehen, weil er diesen zur Fortsetzung der Arbeit veranlaßt habe, obwohl er sich nicht habe sicher sein dürfen, daß dies habe gefahrlos geschehen können. Bei der von ihm im Anschluß an seine Messung erteilten Auskunft habe es sich nicht um eine zu nichts verpflichtende Gefälligkeit gehandelt, die das Risiko allein bei dem Kläger und seinem Arbeitskollegen gelassen habe. Das Berufungsgericht bejaht auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und der Verletzung des Klägers, da es sowohl davon überzeugt war, daß dieser und sein Arbeitskollege ohne die Gasmessung und die Auskunft des Beklagten ihre Arbeit in dem Schacht nicht fortgesetzt, sondern sich mit ihrer Betriebsleitung in Verbindung gesetzt hätten, als auch davon, daß ihre Arbeitgeberin dann die erforderlichen Schutzvorkehrungen getroffen haben würde, so daß das Unglück vermieden worden wäre. Ein die Haftung des Beklagten minderndes Mitverschulden des Klägers schließt das Berufungsgericht aus.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

1. Aus zutreffenden Erwägungen bejaht das Berufungsgericht die Ersatzpflicht des Beklagten.

a) Mit Recht zieht das Berufungsgericht – auch von der Revision nicht beanstandet – § 823 BGB als Anspruchsgrundlage heran. Die Anwendung der Deliktsvorschriften ist nicht etwa schon deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, weil der Beklagte, wie er vorgetragen hat, dem Kläger und seinem Arbeitskollegen durch die Messung nur eine Gefälligkeit erweisen wollte. Unter bestimmten Voraussetzungen kann zwar ein Rat oder eine Auskunft, die lediglich aus Gefälligkeit erteilt wurde, nicht zu einer vertraglichen Haftung führen (vgl. BGHZ 21, 102, 107; Senatsurteil vom 31. Januar 1961 – VI ZR 52/60 = VersR 1961, 417, 418). Ist jedoch durch eine solche Handlung oder bei Gelegenheit ihrer Ausführung ein Delikt begangen, so ist die Gefälligkeit ebenso wie eine etwaige Unentgeltlichkeit ohne Einfluß auf die Haftung, es sei denn, es wäre gleichzeitig ein Haftungsverzicht vereinbart (vgl. RGZ 128, 229, 231; Senatsurteile vom 25. März 1958 – VI ZR 13/57 = VsrsR 1958, 377, 378 und vom 16. Dezember 1958 – VI ZR 3/58 = VersR 1959, 386, beide m.w.Nachw.).

b) Der Beklagte hat, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annimmt, ihm dem Kläger gegenüber obliegende Sicherungspflichten verletzt, die seine Haftung aus § 823 BGB begründen.

Dabei kann dahinstehen, ob bereits – wie das Berufungsgericht meint – allein ein vom Beklagten erzeugter Vertrauenstatbestand zu seiner Haftung führen kann. Vor allem braucht in diesem Zusammenhang nicht näher erörtert zu werden, ob Verkehrssicherungspflichten schon dadurch verletzt werden können, daß jemand in der Öffentlichkeit eine Tätigkeit ausübt, die eine besondere Sachkunde oder Fürsorge erfordern, ohne diese Sachkunde zu besitzen (so Esser, Schuldrecht, 4. Aufl., § 108 II c /S. 4147). Verkehrssicherungspflichtig an der Baustelle war – möglicherweise neben dem Bauunternehmer und dem Architekten – grundsätzlich der Vater des Beklagten als Betriebsinhaber und Bauherr, an den sich der Kläger und sein Arbeitskollege auch gewandt hatten, nachdem die benzinähnlichen Gerüche auftraten, und der sie dann an seinen Sohn, den Beklagten, der der Betriebsleiter war, verwies. Wenn der Beklagte auf dessen Bitte hin schließlich mit seinem Meßgerät Gasmessungen durchführte, dann übernahm er es, die dem Bauherrn obliegende Sicherung des Verkehrs auf der Baustelle zu erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1975 – VI ZR 131/73 = VersR 1975, 949 = BauR 1976, 69 und vom 26. November 1974 – VI ZR 164/73 – VersR 1975, 329, 331). Nur so konnte auch von dem Kläger und dessen Arbeitskollegen seine Tätigkeit aufgefaßt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, trug der Beklagte damit die Verantwortung für die gefahrenfreie Weiterarbeit im Schacht.

c) Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht überspanne die Sorgfaltspflichten des Beklagten.

Der Beklagte war – wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt – verpflichtet, eine sichere Überprüfung vorzunehmen und dem Kläger und seinem Arbeitskollegen verläßliche Angaben über die Gaskonzentration in der Baugrube zu machen oder, wenn ihm das nicht möglich war, dies klar darzulegen. Der Senat folgt dem Berufungsgericht darin, daß es nicht ausreichte, nur eine einzige Messung, noch dazu 1 m über der Schachtsohle, auszuführen, um diese Aufgabe zu erfüllen und hinreichend sicheren Aufschluß über etwaige Gefahren zu erhalten.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht dem Beklagten vorwirft, er habe fahrlässig gehandelt, indem er sich die erforderliche Sachkunde zugetraut und damit bei dem Kläger und dessen Kollegen falsche Vorstellungen über das Sicherheitsrisiko erweckt habe.

Da der Beklagte – wie oben ausgeführt – Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen hatte und damit nicht aus Gefälligkeit handelte, stellt sich im Streitfall nicht die Frage, ob das Gefälligkeitsmoment Einfluß auf das Haftungsmaß haben konnte (vgl. dazu Hoffmann AcP 167, 394 ff und Deutsch, Haftungsrecht, 1. Bd: Allgemeine Lehren, S. 333 i.Verb. mit S. 293 zur „gleitenden Fahrlässigkeit”). Das Berufungsgericht geht daher zutreffend von dem allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 BGB aus. Wenn es dabei das Vorbringen des Beklagten, er habe den Angaben in dem Prospekt für das von ihm verwendete Gasmeßgerät vertraut und sei damit selbst schuldlos Opfer eines vom Hersteller dieses Instruments geschaffenen Vertrauenstatbestandes geworden, nicht als entlastend berücksichtigt, dann ist auch darin kein Rechtsfehler zu erkennen. Es konnte ohne Bedenken zu dem Ergebnis gelangen, aus diesem Prospekt lasse sich gerade nicht entnehmen, daß das Gerät zur Erfassung aller gefährlichen Gasgemische geeignet sei, die Beschreibung deute sogar auf gewisse Einschränkungen in seiner Anwendbarkeit hin.

Das Berufungsgericht stellt ferner mit Recht darauf ab, daß in dem Prospekt jegliche Angaben darüber fehlen, in welchem räumlichen und zeitlichen Abstand die Messungen erfolgen müssen, um die Gaskonzentration und -entwicklung sicher feststellen zu können. Es schließt daraus zutreffend, daß das Vertrauen des Beklagten darauf, es könne bereits eine einzige Messung 1 m über der Schachtsohle hinreichend Aufschluß über etwaige Gefahren geben, nicht auf den Prospektangaben, sondern auf der Überschätzung der eigenen Kenntnisse des Beklagten beruht. Entgegen der Annahme der Revision konnte der Beklagte wegen des Fehlens jeder Angabe im Prospekt über Art und Zeit der erforderlichen Messungen nicht davon ausgehen, er dürfe eine einzige Messung als ausreichend ansehen. Dabei kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob ihm die Unvollkommenheit des Prospekts bewußt werden mußte. Das Berufungsgericht rechnet ihm deshalb auch nicht die fehlende Erkenntnis von den Lücken im Prospekt, sondern die Überschätzung seiner eigenen Kenntnis über die Meßtechnik als Verschulden an.

Die Verfahrensrügen, mit denen sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht aus den Prospektangaben gezogenen Feststellungen wendet, greifen nicht durch. Dem Berufungsgericht kann nicht vorgeworfen werden, es habe insoweit den sonstigen Inhalt des Prospekts außer acht gelassen. Daraus allein, daß in dem Prospekt die Einfachheit der Bedienung herausgestellt wurde, ergibt sich noch nicht, daß man keine bestimmten Kenntnisse haben oder Überlegungen anstellen müsse, wo und wie oft zu messen ist.

Unbegründet ist auch der Vorwurf, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß das Gerät bei der einen vom Beklagten vorgenommenen Messung bei „nur geringfügigem Zeigerausschlag” eine „unbedenkliche Gasmenge” angezeigt habe. Das Vertrauen auf diesen bloßen Zeigerausschlag gereicht dem Beklagten gerade zum Verschulden, zumal es jedem, der ein solches Gerät bedient, auch ohne besondere Anleitung klar sein muß, daß man die Gefährlichkeit nicht nur 1 m über der als gefährlich vermuteten Flüssigkeit auf einer Bohle messen darf, sondern zumindest auch unmittelbar über der Flüssigkeit und etwa auch am oberen Rand des Schachtes, da dort den etwaigen brennbaren Gasen der meiste Sauerstoff zugänglich wird.

2. Die Revision wendet sich weder gegen die Ausführungen des angefochtenen Urteils über die Ursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten für den Schaden des Klägers noch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, ein Mitverschulden des Klägers sei infolge des vom Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestandes nicht gegeben. Die diesbezüglichen Ausführungen enthalten auch keinen von Amts wegen zu berücksichtigenden Rechtsfehler.

3. Die Revision weist jedoch mit Recht darauf hin, daß das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob sich der Kläger wegen eines etwaigen Mitverschuldens seines Arbeitgebers die ihm zustehenden Schadensersatzansprüche kürzen lassen muß. Dazu und zu der Frage, ob ein etwaiges Mitverschulden des ihm beigegebenen Gesellen zu einer Anspruchsminderung führt, hätte im Hinblick darauf Veranlassung bestanden, daß der erkennende Senat seit der (längere. Zeit vor Erlaß des Berufungsurteils ergangenen) Entscheidung in BGHZ 61, 51, 55 davon ausgeht, daß sich ein Verletzter dann, wenn wegen des durch die §§ 636, 637 RVO begründeten Haftungsprivilegs seines Arbeitgebers oder seines Arbeitskollegen ein Fall des sog. „gestörten Innenausgleichs” gegeben ist, seine Ersatzansprüche gegen den Mitschädiger mindern lassen muß.

Obwohl das Berufungsgericht nicht darüber befunden hat, ob (und gegebenenfalls mit welcher Beteiligung) der Arbeitgeber des Klägers oder der mit ihm an der Baustelle tätige Geselle im Innenverhältnis ohne die in § 636 RVO bestimmte Freistellung dem Beklagten ausgleichspflichtig sein würden, führt dies nicht zu einer Zurückverweisung, da der Senat diese Frage selbst entscheiden kann (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

a) Das Berufungsgericht geht worauf die Revision an sich zutreffend hinweist, im Rahmen seiner Ausführungen über die Haftung des früheren Zweitbeklagten zwar davon aus, daß die Arbeitgeberin des Klägers gehalten war, die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik zu beachten und damit den Gefahren, die an den einzelnen Arbeitsstellen auftreten, zu begegnen. Jedoch befand sich in der zur Unfallzeit geltenden Unfallverhütungsvorschrift „Montage und Installation elektrischer Anlagen” (VBG 89) noch nicht die in der jetzt in Kraft befindlichen Unfallverhütungsvorschrift „Arbeiten an elektrischen Freileitungs-, Mast- und Kabelanlagen” (ebenfalls VBG 89) enthaltene Bestimmung, Gruben, Kanäle und Schächte dürften nur betreten werden, wenn sichergestellt ist, daß sich in ihnen keine Gase oder Dämpfe befinden, die brennbar, explosionsgefährlich, giftig … sind. Auch die Allgemeinen Vorschriften (VBG 1) enthielten eine solche Anweisung nicht. In ihrem § 38 wurde lediglich verboten, in Räumen, in denen sich explosible Gase oder Dämpfe usw. in gefahrdrohender Menge entwickeln, ansammeln oder ausbreiten konnten, mit Maschinen zu arbeiten, die zur Funkenbildung Anlaß geben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Arbeitgeberin im Streitfall Veranlassung zu der Sorga hatte, daß sich in dem Schacht, in dem der Kläger arbeitete, explosible Gase sammeln konnten, so daß sie auch nicht verpflichtet sein konnte, vor Beginn der Arbeiten die Baustelle in der Tierkörperbeseitigungsanstalt auf solche Gase untersuchen und etwa ständig weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen. Sie konnte sich darauf verlassen, daß der Vorplanung am frühen Morgen des Unfalltages vor Beginn der Installationsarbeiten entsprechend der Schacht durch den Bauherrn geleert und gespült wurde, um so einer von den stehenden Abwässern etwa noch ausgehenden Vergiftungsgefahr zu begegnen. Da im übrigen vor dem Einsatz des Klägers Arbeiter eines anderen Unternehmers in dem Schacht tätig waren, war ohnehin die Gefahr für ihre Arbeitnehmer geringer. Sie konnte deshalb zunächst abwarten, ob – wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Prüfung der Ursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten ausführt – ihre Arbeitnehmer, falls sie verdächtige Gerüche wahrnehmen sollten und selbst an Ort und Stelle keine Klärung herbeiführen konnten, sich mit der Betriebsleitung in Verbindung setzten, um die von dort einzuleitenden weiteren Maßnahmen abzuwarten. Damit scheidet aber eine Mithaftung des Arbeitgebers des Klägers, das zu einer Kürzung des Klageanspruches führen könnte, aus.

b) Ob den Gesellen, der sich mit dem Kläger an der Baustelle befand, ein Verschulden trifft, kann dahinstehen. Der Berücksichtigung eines solchen Mitverschuldens steht zwar nicht der Umstand entgegen, daß die Klage des Klägers gegen ihn rechtskräftig abgewiesen worden ist, und zwar schon deshalb nicht, weil die Abweisung allein auf § 637 RVO gestützt ist.

Wenn sich aber gegen den Arbeitskollegen des Klägers ein Schuldvorwurf begründen ließe, könnte sich der Beklagte hierauf nicht berufen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 2. April 1974 (VI ZR 193/73 = VersR 1974, 888) ausgeführt hat, findet für diesen Ausgleich die Hilfsregel des § 426 BGB über die Haftung nach Kopfteilen dann keine Anwendung, wenn durch vertragliche Vereinbarung oder Gesetz, vor allem durch § 254 BGB, etwas anderes bestimmt ist. Im Streitfall führt die Heranziehung der Gedanken des § 254 BGB im Verhältnis des Beklagten zum Arbeitskollegen des Klägers zu dem Ergebnis, daß der Beklagte ohne die Freistellung nach § 637 RVO allein haften würde, weil er es gerade übernommen hatte, anstelle des Arbeitgebers des Klägers – wahrscheinlich sogar im eigenen Interesse, um eine sonst notwendig gewordene Arbeitsunterbrechung in seinem Betrieb zu vermeiden – die erforderlichen Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen, nachdem die mit dem Arbeitgeber des Klägers vereinbarte Durchspülung des Schachtes möglicherweise nicht ausgereicht hat.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1742384

NJW 1976, 1975

Nachschlagewerk BGH

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