Leitsatz (amtlich)
›Wird bei einem Grundstückskaufvertrag ein Vertragseintritt auf der Verkäuferseite erklärt, um den Rangrücktritt der Auflassungsvormerkung des Käufers zu erreichen, kann der Berufung auf den Formmangel dieser Abrede der Arglisteinwand entgegenstehen, wenn sich der Verkäufer, nachdem der Rangrücktritt vollzogen ist, ohne Grund von dieser Vereinbarung lösen will.‹
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Wiesbaden |
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 31. März 1988 kaufte die Klägerin von der W Baubetreuungsgesellschaft mbH (im folgenden: WBG) eine noch zu errichtende Eigentumswohnung mit Tiefgaragenplatz zum Festpreis von 306.405 DM. Zugunsten der Klägerin wurde eine entsprechende Auflassungsvormerkung eingetragen. Die Durchführung des Bauvorhabens verzögerte sich. Die Anlage wurde erst 1993 und mit Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Ausführung fertiggestellt. Mit notariellem Vertrag vom 11. Juni 1990 erwarb die Beklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin damals die WBG war, das Objekt. In diesem Zusammenhang wurde auch die Übernahme bereits abgeschlossener Verträge geregelt. Mit Schreiben vom 3. September 1990 gab die Beklagte die schriftliche Erklärung ab, "in alle Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag vom 31.3.1988... als Verkäuferin gegenüber der Käuferin einzutreten ".
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erfüllung des Vertrages vom 31. März 1988, weil diese in den Vertrag eingetreten sei. Sie beantragt die entsprechende Feststellung und verlangt, die von ihr erworbene Wohnung so auszugestalten, wie es dem Vertrag mit der WBG entspreche. Die Beklagte bestreitet, Vertragspartnerin der Klägerin geworden zu sein. An ihren eigenen Erklärungen vom 3. September 1990 und 25. Januar 1991 könne sie schon deshalb nicht festgehalten werden, weil es insoweit an der erforderlichen notariellen Beurkundung fehle.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht nach Beweiserhebung diese Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Vertrag der Klägerin mit der WBG sei durch deren Vereinbarung mit der Beklagten nicht übernommen worden. Deren Vertragseintritt durch das Schreiben vom 3. September 1990 hätte zur Wirksamkeit der notariellen Form bedurft. Die Beklagte handle weder treuwidrig, wenn sie sich auf diesen Formmangel berufe, noch lägen Anhaltspunkte für ein Zusammenwirken der Beklagten mit der WBG dahingehend vor, daß die Veräußerung an die Beklagte mit dem Ziel erfolgte, die Rechte der Käufer aus den nicht mehr gewinnbringenden Verträgen mit der WBG ins Leere laufen zu lassen.
Dies hält der Revision nicht stand.
II. 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Vereinbarung der Beklagten mit der WBG vom 11. Juni 1990 über die bestehenden Verträge den Vertrag der Klägerin nicht erfaßt. Dieses im Wege der Vertragsauslegung und nach den Aussagen der Zeugen gefundene Ergebnis steht mit dem ausdrücklichen Wortlaut der vertraglichen Urkunde sowie den vorgelegten Vertragsunterlagen in Einklang und entspricht der Interessenlage der damaligen Vertragsparteien, die das Vorhaben durchführen wollten, aber die neuen planerischen und finanziellen Gegebenheiten berücksichtigen mußten. Der Vertrag mit der Klägerin blieb danach Sache der WBG. Dies nimmt die Revision hin.
2. Der vom Berufungsgericht unterstellte Vertragseintritt der Beklagten in dem Schreiben vom 3. September 1990 genügt nicht der Form des § 313 S. 1 BGB.
a) Der Hinweis der Revision auf einen formlos wirksamen Vertragseintritt der Beklagten geht fehl. Dieser bedarf zwar als solcher keiner besonderen Form. Er unterliegt aber als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen, die allgemein mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand aufgestellt sind (vgl. BGHZ 121, 1, 3; BGH, Urt. v. 31. Januar 1991, III ZR 150/88, NJW 1991, 3095, 3098 m.w.N.). Um eine solche Formvorschrift handelt es sich auch bei § 313 S. 1 BGB. Nach der Erklärung der Beklagten vom 3. September 1990 wurden ausdrücklich "alle " Verpflichtungen der WBG übernommen, mithin auch deren Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums aus dem Vertrag vom 31. März 1988. Sie bedurfte daher der Form des § 313 S. 1 BGB (RGZ 103, 154, 156; vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1988, IVa ZR 305/86, NJW-RR 1988, 1196, 1197; Urt. v. 4. März 1994, V ZR 241/92, NJW 1994, 1347, 1348). Mit dem Schreiben vom 3. September 1990 sollte zwar die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung nicht als solche neu, aber erstmals bei einem neuen Schuldner begründet werden (vgl. Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 313 Rdn. 44; MünchKomm-BGB/Kanzleiter, 2. Aufl. § 313 Rdn. 29; Palandt/Heinrichs, BGB 55. Aufl. § 313 Rdn. 14).
b) Daran ändert auch der Hinweis der Revision nichts, daß zugunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung eingetragen war und wegen der Zustimmungspflicht des Erwerbers (§ 888 BGB) "jedenfalls im rechtlichen Ergebnis " durch das Schreiben vom 3. September 1990 durch die Beklagte nur noch die Herstellungsverpflichtung übernommen worden sei. Insoweit ist davon auszugehen, daß die Vormerkung nur der Sicherung des Anspruchs auf Einräumung eines Rechts an einem Grundstück dient und die daraus sich ergebende dingliche Gebundenheit des Grundstücks sich darin erschöpft, daß jede nach Eintragung der Vormerkung getroffene Verfügung insoweit unwirksam ist, als sie den gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. An dem gesicherten Anspruch selbst wird dadurch jedoch nichts geändert. Zu dessen Erfüllung bleibt nach wie vor der Schuldner verpflichtet (BGHZ 49, 263, 266).
3. Die Berufung der Beklagten auf die Formunwirksamkeit verstößt jedoch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
a) Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt werden (BGHZ 26, 142, 151; 121, 224, 233). Treuwidrig kann allerdings das Verhalten einer Partei sein, die über längere Zeit aus einem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein an sich nichtiger Grundstückskaufvertrag in besonderen Ausnahmefällen als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. Dies ist insbesondere in zwei Fallgruppen anerkannt worden: in den Fällen einer Existenzgefährdung des einen Teils und den Fällen einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils. Dabei darf eine auf der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften beruhende Nichtigkeit eines Vertrages im Interesse der Rechtssicherheit in aller Regel nicht aufgrund von Billigkeitserwägungen außer acht gelassen werden. Eine Ausnahme kann nur in ganz besonders gelagerten Fällen gemacht werden, in denen nach den gesamten Umständen die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. An die Bejahung eines Ausnahmefalles sind strenge Anforderungen zu stellen; daß die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht aus (BGHZ 85, 315, 318 f; 92, 164, 171 f, jew. m.w.N.).
b) Diese strengen Kriterien für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben durch die Berufung auf die Formnichtigkeit sind hier erfüllt. Die Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe liegen vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich die Beklagte bereit erklärt, den Vertrag der Klägerin zu übernehmen, um deren Rangrücktritt zu erreichen. Den Kaufpreisanspruch wollte sie nach der Vertragsübernahme in die neue Finanzierung einbringen. Die Klägerin hat im Hinblick darauf der Beklagten das berechtigte Vertrauen entgegengebracht, daß ihr Kaufvertrag mit der WBG von der Beklagten nach den dort vorgesehenen Vereinbarungen abgewickelt werde. Auf dieser Vertrauensgrundlage hat sie den Rangrücktritt als Vorleistung erbracht und damit der Beklagten die Durchführung des Objekts und die Erfüllung der Verpflichtungen aus den anderen Kaufverträgen ermöglicht. Wenn die Beklagte sich nun grundlos von dieser schriftlichen Abmachung mit der Klägerin löst und sich weigert, die Vereinbarungen nach dem Vertrag von 1988 einzuhalten, so ist dieses Verhalten in hohem Maße widersprüchlich und verstößt derart grob gegen die Gebote von Treu und Glauben, daß der Beklagten die Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrages gemäß § 242 BGB verwehrt ist. Der Vertragseintritt der Beklagten ist daher nicht als ungültig nach § 125 S. 1 BGB anzusehen.
4. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Klage nach den getroffenen Feststellungen gerechtfertigt und insoweit zur Endentscheidung reif. Einer Zurückverweisung bedarf es nur hinsichtlich des Herstellungsantrags, zu dem das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, Feststellungen nicht getroffen hat. Die Beklagte hat insoweit im einzelnen unter Beweisantritt geltend gemacht, daß die Klägerin rechtlich oder tatsächlich Unmögliches verlange und Maßnahmen fordere, die im Vertrag mit der WBG keine Grundlage fänden. Unabhängig davon wird in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung sein, daß der Vertragsbeitritt der Beklagten nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach Treu und Glauben nicht als formnichtig anzusehen ist. Deshalb wird zu prüfen sein, ob die Klägerin unter den veränderten Umständen (zwischenzeitliche Fertigstellung des gesamten Bauvorhabens nach geänderten Plänen) ihrerseits auf buchstabengetreuer Erfüllung des Vertrages vom 31. März 1988 beharren darf oder sich Änderungen nach Maßgabe des inzwischen geschaffenen Bauzustands gefallen lassen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 2993421 |
DB 1996, 2222 |
NJW 1996, 2503 |
BGHR BGB § 242 Rechtsmißbrauch 17 |
BGHR BGB § 313 S. 1 Vertragseintritt 1 |
DRsp I(125)459c |
JR 1996, 194 |
WM 1996, 1732 |
DNotZ 1997, 307 |
MDR 1996, 1002 |