Leitsatz (amtlich)
Die im Prozeß vor dem staatlichen Gericht erhobene Schiedseinrede des Beklagten ist unbegründet, wenn das Gericht entsprechend dem Klägervortrag (hier: wegen Mittellosigkeit des Klägers) feststellt, die Schiedsvereinbarung sei undurchführbar; einer Kündigung der Vereinbarung bedarf es nicht.
Normenkette
ZPO § 1032 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 17 U 3897/98) |
LG Dresden (Aktenzeichen 13 O 6248/97) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juli 1999 und der 13. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 26. November 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelzüge, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit „VOB-BAUVERTRAG” vom 22. Februar 1996 beauftragte der Kläger die Beklagten mit Heizungs- und Sanitärinstallationen. Ferner schloß er mit den Beklagten am selben Tag eine Schiedsvereinbarung.
Nachdem die Beklagten Teilleistungen erbracht hatten, verlangten sie von dem Kläger gemäß § 648 a BGB Sicherheitsleistung, was dieser jedoch verweigerte. Die Beklagten regten daraufhin mit Schreiben vom 12. April 1996 an, auf die Schiedsvereinbarung zu verzichten und damit eine Auseinandersetzung vor den ordentlichen Gerichten zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 17. April 1996 lehnte der Kläger indes ab. Die Beklagten sahen aus Kostengründen davon ab, das Schiedsverfahren durchzuführen.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten auf Schadensersatz und auf Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Mängeln in Anspruch. Die Beklagten hätten den Spülkasten einer Toilette nicht ordnungsgemäß angeschlossen. Dadurch sei ein Wasserschaden entstanden. Ferner hätten die Beklagten veraltete Thermostate eingebaut und die Anschlüsse der Heizkörper falsch montiert. Unter Hinweis auf seine Zahlungsunfähigkeit hatte der Kläger die Schiedsvereinbarung mit Schreiben vom 10. September 1997 aus wichtigem Grund gekündigt; er wiederholte diese Kündigung mit Schriftsatz vom 4. Juni 1999.
Die Beklagten erheben gegenüber der Klage die Einrede der Schiedsvereinbarung. Die Kündigung des Klägers sei unzulässige Rechtsausübung. Die Beklagten rechnen hilfsweise mit Werklohnansprüchen auf.
Die Vorinstanzen haben die Klage für unzulässig erachtet. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei unzulässig, weil die Beklagten wirksam die Einrede des Schiedsvertrages erhoben hätten. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche unterfielen der Schiedsvereinbarung, die durch die Kündigungen des Klägers vom 10. September 1997 und vom 4. Juni 1999 nicht hinfällig geworden sei. Es sei schon zweifelhaft, ob ein wichtiger, zur Kündigung berechtigender Grund in dem Sinne vorgelegen habe, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nachträglich verschlechtert hätten. Der Kläger habe bereits bei Abschluß des Schiedsvertrages die Kosten eines Schiedsverfahrens nicht aufbringen können und es hätten nur vage Aussichten bestanden, daß sich daran etwas ändern könne. Entscheidend sei aber, daß sich der Kläger durch die Kündigung der Schiedsvereinbarung in treuwidriger Weise zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt habe. Während er sich wegen der eigenen Ansprüche die Vorteile des staatlichen Verfahrens nutzbar mache, habe er gegenüber der Werklohnforderung der Beklagten auf der Schiedsvereinbarung bestanden. Daran müsse er sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben festhalten lassen.
Der Kläger könne nicht einwenden, die Beklagten handelten ihrerseits arglistig; sie erhöben die Einrede des Schiedsvertrages, obwohl sie die zur Durchführung des Schiedsverfahrens notwendigen finanziellen Mittel nicht hätten. Die Beklagten hätten nachgewiesen, daß ihre Betriebshaftpflichtversicherung die auf sie entfallenden Kosten des Schiedsverfahrens übernehmen werde.
II.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten in einem entscheidenden Punkt der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Schiedsvereinbarung greift nicht durch. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem gerichtlichen Verfahren die §§ 1025 ff ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 3224) oder – gemäß Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG – das bisher geltende Recht anzuwenden ist.
1. Das Gericht hat gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO n.F. eine Klage, die in einer Angelegenheit erhoben wird, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, daß die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Hier ist die Einrede der Schiedsvereinbarung unbegründet, weil die Schiedsvereinbarung undurchführbar gewesen ist (§ 1032 Abs. 1 letzter Halbsatz dritte Alternative ZPO); einer Kündigung des Schiedsvertrages bedurfte es nicht.
Der Gesetzgeber des Schiedsverfahrens – Neuregelungsgesetzes hat das nach bisherigem Recht im Falle der Undurchführbarkeit des Schiedsvertrages bestehende Kündigungserfordernis (Senatsurteil BGHZ 102, 199, 202 m.w.N.) nicht übernommen. Auch den Gesetzgebungsmaterialien ist, soweit ersichtlich, nichts dafür zu entnehmen, daß die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung im Wege der Kündigung geltend gemacht werden müßte (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 37 f). Es ist deshalb davon auszugehen, daß im Prozeß die Schiedseinrede des Beklagten schon dadurch zu Fall gebracht werden kann, daß das Gericht entsprechend dem Klägervortrag feststellt, die Schiedsvereinbarung sei undurchführbar.
a) Im Streitfall ist die Schiedsvereinbarung undurchführbar gewesen, weil der Kläger die Kosten des Schiedsverfahrens nicht hat aufbringen können und auch nicht anderweit für Kostendeckung gesorgt gewesen ist.
Daß der Kläger aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse außerstande gewesen ist, den Kostenvorschuß für das Schiedsgericht und die Kosten einer im Streitfall erforderlichen anwaltlichen Vertretung im Schiedsverfahren zu bestreiten, ergibt sich bereits daraus, daß er die Kosten seiner Rechtsverfolgung vor dem staatlichen Gericht nicht hat aufbringen können. Der Kläger hat am 1. August 1996 die eidesstattliche Versicherung abgelegt. Auch die Beklagten gehen davon aus, daß der Kläger vermögenslos ist.
Es besteht kein Anhalt, daß die Beklagten die in der Mittellosigkeit des Klägers begründete Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens hätten beheben können und daß sie dazu bereit gewesen wären. Die Beklagten haben nicht behauptet, daß sie im Interesse der Durchführung des Schiedsverfahrens dem Kläger die auf ihn entfallenden Kosten des Schiedsverfahrens sowie seine notwendigen Anwaltskosten (vgl. hierzu BGHZ 51, 79, 82) vorgestreckt hätten (vgl. Senatsurteile BGHZ 77, 65, 69 und 102, 199, 202 f sowie vom 10. März 1994 – III ZR 60/93 – NJW-RR 1994, 1214, 1215; s. auch BGHZ 55, 344, 353). Sie dürften selbst vermögenslos gewesen sein. Denn sie haben am 6. Mai 1997 und am 6. Februar 1998 die eidesstattliche Versicherung abgelegt. Die Betriebshaftpflichtversicherung der Beklagten hätte nur die von ihnen aufzubringenden Kosten der Rechtsverteidigung im Schiedsverfahren beglichen; die auf den Kläger entfallenden Kosten wären ungedeckt geblieben.
b) Dem Kläger ist es nicht ausnahmsweise verwehrt, sich auf die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung zu berufen, weil er sich schikanös, treuwidrig oder sittenwidrig verhalten hätte (§§ 226, 242, 826 BGB – vgl. BGHZ 41, 104, 108 f). Zwar war es widersprüchlich, daß der Kläger gegenüber dem Werklohnanspruch der Beklagten die Einrede des Schiedsvertrages erhoben, seinen eigenen Schadensersatzanspruch aber vor dem staatlichen Gericht eingeklagt hat. In dieser bloßen Nutzung prozessualer Mittel lag aber noch kein gegen die vorgenannten Generalklauseln verstoßender Rechtsmißbrauch, der es rechtfertigen könnte, den Kläger an der – aus finanziellen Gründen undurchführbaren – Schiedsvereinbarung festzuhalten und damit praktisch rechtlos zu stellen. Die Beklagten andererseits werden durch den hiermit eröffneten Rechtsweg zum staatlichen Gericht nicht unbillig belastet (vgl. Senatsurteil BGHZ 77, 65, 69 f).
2. Auch nach dem Schiedsverfahrensrecht alter Fassung können sich die Beklagten nicht auf die Schiedsvereinbarung berufen, weil der Kläger diese mit Schreiben vom 10. September 1997 wirksam gekündigt hat.
Für das Schiedsverfahrensrecht alter Fassung ist anerkannt, daß die Parteien berechtigt sind, die Vereinbarung aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn sich die Durchführung des Schiedsverfahrens praktisch als unmöglich erweist, insbesondere, weil eine Partei die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens nicht aufbringen kann. Die Kündigungsbefugnis ist – mit Ausnahme schikanösen, treuwidrigen oder sittenwidrigen Verhaltens (§§ 226, 242, 826 BGB) – auch dann gegeben, wenn der Kündigende die Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens selbst verursacht oder gar verschuldet hat; denn ihm darf der Rechtsschutz nicht völlig abgeschnitten werden (BGHZ 41, 104, 108 f; Senatsurteile BGHZ 77, 65, 66 f und 102, 199, 202; vgl. auch Senatsurteil vom 11. Juli 1985 – III ZR 33/84 – NJW 1986, 2765, 2766; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 21. Aufl. 1994 § 1025 a.F. Rn. 43 unter Hinweis auf Art. 6 EMRK; Maier in MünchKomm, ZPO 1992 § 1025 a.F. Rn. 34; Musielak/Voit, ZPO 1999 § 1025 a.F. Rn. 9; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. 1999 § 1029 Rn. 82; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 8 Rn. 11). Das muß im Grundsatz auch dann gelten, wenn der Kündigende – wie im Streitfall der Kläger – bereits bei Abschluß des Schiedsvertrages die Kosten eines Schiedsverfahrens nicht aufbringen kann und nur ungewisse Aussichten auf ausreichende Einkünfte bestehen. Wie der Gesetzgeber in § 1032 Abs. 1 ZPO n.F. jetzt ausdrücklich festgelegt hat, müssen sich die Parteien im Falle der Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens – in den Grenzen der §§ 226, 242, 826 BGB – stets von der Schiedsvereinbarung lösen können, da sie sonst rechtsschutzlos stünden. Soweit der Senat in seinen früheren Entscheidungen das Kündigungsrecht an zusätzliche Erwägungen – insbesondere zur wirtschaftlichen Lage des Kündigenden – geknüpft hat, entsprach dies den damaligen Fallgestaltungen; das Erfordernis, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, sollte und darf dadurch nicht in Frage gestellt werden.
III.
Hiernach waren die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (§§ 565 Abs. 1, 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. BGHZ 16, 71, 82; BGH, Urteil vom 22. November 1994 – XI ZR 45/91 – NJW 1995, 1225, 1227; Urteil vom 11. Juli 1996 – IX ZR 304/95 – NJW 1996, 3008, 3009).
Unterschriften
Rinne, Wurm, Schlick, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510852 |
BGHZ |
BB 2000, 2330 |
BB 2001, 17 |
NJW 2000, 3720 |
BGHR |
BauR 2001, 849 |
IBR 2000, 625 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2397 |
ZAP 2000, 1444 |
JZ 2001, 258 |
JuS 2001, 188 |
MDR 2001, 106 |
NJ 2001, 311 |
VersR 2001, 1443 |
ZZP 2001, 97 |
MittRKKöln 2001, 61 |
ZKM 2001, 98 |