Leitsatz (amtlich)
Verlagsrechtliche Optionsvereinbarungen (Vorrechtsverträge), die einen Verfasser verpflichten, künftige Werke zuerst einem bestimmten Verleger zum Abschluß eines Verlagsvertrages anzubieten, sind wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig wenn sie ohne zeitliche oder gegenständliche Beschränkung für das gesamte künftige Schaffen des Verfassers gelten sollen und der Verleger für die Einräumung des Optionsrechtes keine angemessene Gegenleistung übernimmt (Abweichung von RGZ 79, 156 ff).
Normenkette
VerlG § 1; BGB § 138
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 05.04.1955) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. April 1955 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist seit etwa 20 Jahren alleiniger Gesellschafter der Ernst St. G.m.b.H., die vor dem Kriege hauptsächlich Jugendzeitschriften, seit 1950 vorzugsweise schöngeistige Literatur, insbesondere Romane, herausbrachte.
Der Beklagte war schon vor dem Kriege als Schriftsteller tätig und durch die Abfassung von Tatsachenberichten auf militärischem Gebiet bekannt geworden. Im Frühjahr 1950 lernten sich die Parteien kennen und schlossen, und zwar der Kläger persönlich als Verleger, am 2. Mai 1950 einen Verlagsvertrag über das Werk des Beklagten "Du im ew'gen Leben". In §16 dieses Vertrages war vereinbart, daß der Beklagte bei Abschluß des Vertrages einen Vorschuß von 500,- DM und bei Ablieferung des Manuskripts im Juli 1950 weitere 1.000,- DM erhalten sollte. Da sich die Parteien über die Abänderungen des Manuskripts nicht einig geworden waren, erschien das Werk im beiderseitigen Einverständnis später im Verlag K.-H..
Als der Beklagte im Juli 1950 die zweite Rate von 1.000,- DM erhielt, war von den Parteien die Verlegung weiterer Werke des Beklagten erörtert worden. Nachdem der Beklagte bis Dezember 1950 noch Vorschüsse von weiteren 2.500,- DM erhalten hatte, ist zwischen den Parteien zu dem erwähnten Verlagsvertrag am 22. Dezember 1950 folgende Zusatzvereinbarung getroffen worden:
"Anlage zum Verlagsvertrag zwischen Herrn St. und Herrn L..
Herr L. erhält auf die Manuskripte vereinbarungsgemäß einen Vorschuß von DM 4.500,-. DM 2.500,- davon sind bereits gezahlt. Der Rest von DM 2.000,- wird in 10 Monatsraten - beginnend ab Januar 1951 - überwiesen.
Es ist zwischen den Vertragsschließenden vereinbart, daß Herr L. neue Manuskripte zunächst dem St. Verlag anbietet.
gez. Clemens L.
gez. Ernst St.."
Die vereinbarten Vorschußzahlungen sind von dem Kläger geleistet worden. Zuvor war im Herbst 1950 das Werk des Beklagten "Meines Vaters Pferde" im Sp.-Verlag erschienen. Die Parteien haben in der Folgezeit, und zwar am 6. Februar 1951 zwei Verlagsverträge geschlossen, von denen sich der eine auf das Werk "Rongon", der andere auf die Werke "Der Fohlenhof" und "Die Curieuse Reiterfibel" bezogen. Die letzten beiden Manuskripte haben bei Abschluß des Vertrages vom 6. Februar 1951 noch nicht vorgelegen. Das Buch "Rongon" ist im Februar 1951 im Verlag des Klägers erschienen.
Als der Kläger im Sommer 1953 erfuhr, daß im Sp.-Verlag ein Vorroman zu dem Werk "Meines Vaters Pferde" unter dem Titel "Garde du Corps" im Herbst 1953 erscheinen werde, kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien. Der Kläger ist der Ansicht, daß der Beklagte nach dem Zusatzabkommen vom 22. Dezember 1950 zeitlich unbegrenzt verpflichtet sei, seine gesamte künftige schriftstellerische Produktion zuerst ihm, dem Kläger, zum Abschluß eines Verlagsvertrages anzubieten. Gegen diese Anbietungspflicht habe der Beklagte verstoßen. Da ihm nicht bekannt sei, über welche Werke der Beklagte nach dem 22. Dezember 1950 mit anderen Verlegern Verlagsverträge abgeschlossen habe, sei der Beklagte zur Auskunfterteilung und Rechnungslegung verpflichtet.
Ferner behauptet der Kläger, Gegenstand des am 6. Februar 1951 geschlossenen Verlagsvertrages über das von dem Beklagten erst zu schaffende Werk unter dem Titel "Der Fohlenhof" habe nach den getroffenen Vereinbarungen ein Anschlußroman zu "Meines Vaters Pferde" bilden sollen. Auch auf Grund dieses Verlagsvertrages sei der Beklagte deshalb verpflichtet gewesen, den Roman "Garde du Corps" zuerst dem Kläger zur Inverlagnahme anzubieten.
Der Kläger hat beantragt,
1.)
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger über seine nach dem 22. Dezember 1950 geschlossenen Verträge betr. die nach diesem Zeitpunkt fertiggestellten Manuskripte Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen,
2.)
an den Kläger wegen Verletzung des Vertrages vom 22. Dezember 1950 Schadensersatz durch Zahlung eines Geldbetrages zu leisten, den das Gericht gem. §287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung festsetzen mag.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, daß die Zusatzvereinbarung vom 22. Dezember 1950 sich nur auf drei dem Kläger zu liefernde Manuskripte, und zwar seine Werke "Du im ew'gen Leben", "Rongon" und "Die Curieuse Reiterfibel" bezogen habe. Dies ergäbe sich aus der vereinbarten Vorschußzahlung von 4.500 DM; denn er habe pro Buch 1.500 DM Vorschuß erhalten sollen. Da bei Abschluß der Vereinbarung vom 22. Dezember 1950 das Manuskript "Die Curieuse Reiterfibel" noch nicht vorgelegen habe, habe der Kläger zur Sicherung des hierfür zu leistenden Vorschußes mit Recht Wert auf eine Verpflichtung des Beklagten gelegt, neue Manuskripte zunächst dem Kläger anzubieten. Nachdem aber er, der Beklagte, dem Kläger das noch ausstehende Manuskript termingemäß abgeliefert habe, sei dieser Sicherungszweck und damit auch seine Anbietungspflicht aus der Zusatzvereinbarung vom 22. Dezember 1950 entfallen.
Vorsorglich wendet der Beklagte ein, die Vereinbarung vom 22. Dezember 1950 sei wegen Dissenses nicht zustande gekommen. Sollte aber aus ihr eine zeitlich unbegrenzte Verpflichtung, seine gesamte schriftstellerische Produktion zunächst dem Kläger anzubieten, zu entnehmen sein, so würde es sich um einen Knebelungsvertrag handeln, der wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sei. Im übrigen habe der Kläger etwaige Rechte aus dieser Vereinbarung verwirkt, da er bei der Auslieferung anderer Werke des Beklagten, nämlich der 1952 erschienenen "Kavalkade" Bd. I und II, "Solange es Pferde gibt", "Im Sattel gelebt, im Sattel gestorben" mit keinem Wort zu erkennen gegeben habe, daß ihm diese Werke hätten angeboten werden müssen. Auch auf den Verlagsvertrag vom 6. Februar 1951 über das Werk "Der Fohlenhof" könnten die Klageansprüche nicht gestützt werden. Es könne keine Rede davon sein, daß das Buch "Der Fohlenhof" als Fortsetzungsroman von "Meines Vaters Pferde" gedacht gewesen sei. Es sei zwischen den Parteien zwar verschiedentlich über die Frage gesprochen worden, ob ein Fortsetzungsroman möglich oder günstig wäre, jedoch nur in der unverbindlichen Form, wie zum gleichen Zeitpunkt über unzählige andere Stoffe gesprochen worden sei. Solche Gespräche und Erwägungen seien in der Zusammenarbeit zwischen Autor und Verleger durchaus üblich, ohne daß aus diesen Erwägungen sogleich eine rechtliche Verpflichtung entwickelt werden könne. In diesem Sinne sei es sogar zutreffend, daß das Buch "Der Fohlenhof" etwas ähnliches darstellen sollte wie "Meines Vaters Pferde", nämlich dahingehend, daß dieses Buch ungefähr im gleichen Milieu wie "Meines Vaters Pferde" spielen und auch im gleichen "geistigen Klima" sich erschöpfen sollte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Optionsklausel in der Vereinbarung vom 22. Dezember 1950 wegen sittenwidriger Knebelung des Beklagten für nichtig erachtet und eine Verletzung der Verpflichtungen des Beklagten aus dem Verlagsvertrag über das Werk "Der Fohlenhof" verneint. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, dem Auskunftsanspruch stattgegeben und den Rechtsstreit im übrigen zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat übereinstimmend mit dem Landgericht die zwischen den Parteien am 22. Dezember 1950 getroffene Zusatzvereinbarung dahin gewürdigt, daß sie eine zeitlich unbegrenzte Verpflichtung des Beklagten zum Gegenstand habe, seine künftigen Werke zunächst dem Kläger zum Abschluß eines Verlagsvertrages anzubieten. Hiergegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Für die Behauptung des Beklagten, die fragliche Optionsklausel habe sich nur auf drei dem Kläger inzwischen abgelieferte Manuskripte beziehen sollen, ergibt der Wortlaut dieses Abkommens keinerlei Anhaltspunkte. Zwar ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß die Vorschußzahlungen, über die im ersten Absatz dieses Abkommens eine Regelung getroffen worden ist, tatsächlich auf drei Werke des Beklagten verrechnet werden sollten. Ob der Gegenstand dieser Verrechnung, wie der Beklagte behauptet, auch sein mit Zustimmung des Klägers in einem anderen Verlag erschienenes Werk "Du im ew'gen Leben", oder, wie das Berufungsgericht meint, nur die in den Verlagsverträgen vom 6. Februar 1951 angeführten drei Werke bilden sollten, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist die eigentliche Optionsabrede in einem gesonderten Absatz ohne Bezugnahme auf diese Vorschußzahlungen getroffen worden und erfaßt nach ihrem eindeutigen Wortlaut schlechthin alle "neuen Manuskripte" des Beklagten ohne gegenständliche oder zeitliche Begrenzung. Da der Beklagte diese Optionsabrede in der vorliegenden Fassung unterzeichnet hat, stehen sich übereinstimmende Parteierklärungen gegenüber, so daß ein Einigungsmangel im Sinne des §155 BGB nicht in Betracht kommt (RGZ 165, 199). Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß der Beklagte, falls er sich abweichend von diesem Inhalt seiner Erklärung nur für seine nächsten drei Werke habe binden wollen, hieraus höchstens ein Recht zur Irrtumsanfechtung hätte herleiten können (RGZ 105, 211). Da der Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts eine Anfechtung nicht erklärt hat, kann jedoch die Frage, ob ein Anfechtungsgrund gegeben ist, auf sich beruhen.
Es ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß gegen die Zulässigkeit verlagsrechtlicher Optionsverträge, die auch Vorrechtsverträge genannt werden, durch die sich der Verleger die Möglichkeit sichern will, Verlagsrechte an künftigen Werken des Vertragsgegners zu erwerben, keine rechtsgrundsätzlichen Bedenken bestehen (BGHZ 9, 237). Dies gilt auch, wenn die Optionsvereinbarung keine Bestimmungen darüber enthält, zu welchen Bedingungen ein etwaiger künftiger Verlagsvertrag abzuschließen ist. Das durch solche Verträge begründete Vorrecht des Verlegers hat nur die Bedeutung, daß der Verfasser verpflichtet ist, ein künftiges Werk zuerst dem Verleger zur Inverlagnahme anzubieten. Der Verfasser genügt bei solcher Vertragslage seiner Anbietungspflicht auch dann, wenn er nicht zugleich die Bedingungen nennt, zu denen er zum Abschluß eines Verlagsvertrages bereit wäre, sondern insoweit das Angebot des Verlegers abwartet. Sind dem Verfasser die vom Verleger gebotenen Bedingungen nicht genehm, so ist er zu dem Abschluß eines Verlagsvertrages in der Regel nicht gezwungen. Er darf aber das Werk nur dann einem anderen Verlag zur Vervielfältigung und Verbreitung überlassen, wenn dieser ihm günstigere Vertragsbedingungen als der bevorrechtigte Verleger einräumt. Der bevorrechtigte Verleger ist dagegen völlig frei in seiner Entschliessung, ob er von seinem Optionsrecht Gebrauch machen will. Er muß aber seine Entscheidung innerhalb vereinbarter oder angemessener Frist treffen, wobei die Nichtausübung innerhalb dieser Frist im allgemeinen einer Ablehnung gleichsteht. Von einem Vorkaufsrecht unterscheiden sich derartige Vorrechtsverträge dadurch, daß sie nicht den vorherigen Abschluß eines Vertrages mit einem anderen Verleger voraussetzen. Sie gewähren dem Verleger kein dingliches, sondern nur ein obligatorisches Anwartschaftsrecht an den künftigen Werken des Verfassers. Schließt der aus einem solchen Vertrag verpflichtete Verfasser unter Verstoß gegen seine Anbietungspflicht mit einem anderen Verleger einen Verlagsvertrag ab, so kann dies vertragliche Schadensersatzansprüche des aus dem Optionsvertrag berechtigten Verlegers auslösen, vorausgesetzt, daß der bevorrechtigte Verleger bereit und in der Lage gewesen wäre, das fragliche Werk unter Einräumung der gleichen Vertragsbedingungen zu verlegen (RGZ 79, 156 ff; Schiedsspruch des Verbandsschiedsgerichts des deutschen Schrifttums Ufita 1930, 218 ff; Heymann, Verlagsrechtsfragen Rabel's Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1937, 2 [23 ff], Riezler; Gutachten für den Haager Kongreß 1937 S. 256 ff; Hillig-Greuner, Gutachten über urheberechtliche, verlagsrechtliche und verlegerische Fragen, Bd. I, Nr. 195, Bd. II Nr. 73, 126, 127; Voigtländer-Flster: Verlagsgesetz 3. Aufl. §1 Anm. 12 II).
Der Auffassung der Revision, die fragliche Optionsabrede sei schon deshalb unwirksam, weil der Vertragsgegenstand völlig unbestimmt sei, kann nicht beigepflichtet werden. Da nach der Fassung der Vereinbarung vom 22. Dezember 1950 die Anbietungspflicht des Beklagten sich auf seine gesamten künftigen Werke ohne Rücksicht auf ihr Thema oder sonstige Beschaffenheit beziehen soll, ist vielmehr der Vertragsgegenstand, der dem Optionsrecht des Klägers unterliegen soll, ausreichend bestimmt.
Dagegen ist der Revision zuzugeben, daß die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Nichtigkeit der Optionsabrede aus dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen Knebelung verneint hat, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten. Das Berufungsgericht meint, die wirtschaftliche und künstlerische Freiheit des Beklagten werde durch die fragliche Abrede nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise eingeengt, weil es sich nur um eine sehr lose Bindung handle; denn dem Beklagten stände es in den Grenzen von Treu und Glauben frei, Angebote des Klägers auf Abschluß eines Verlagsvertrags abzulehnen. Er müsse dem Angebot des Klägers nur dann den Vorzug geben, wenn nicht günstigere Angebote anderer Verlage vorlägen. Wenn es auch in Ziffer 11 der von dem Beklagten herangezogenen "Richtlinien für den Geschäftsverkehr zwischen erzählenden Schriftstellern und Verlegern" (BBl Nr. 45/32) heiße, daß es mit der Auffassung der vertragschließenden Parteien nicht vereinbar sei, in einem Verlagsvertrag Bestimmungen darüber aufzunehmen, daß der Verfasser für alle künftigen Werke an den Verleger gebunden sein soll, so berühre dies den Begriff der Sittenwidrigkeit nicht. Diese Richtlinien gäben als vertragliche Vereinbarungen bestimmter Verlegerverbände und Verfassergruppen nur die Auffassung eines Teiles der in Betracht kommenden Verkehrskreise wieder. Außerdem beträfe der in Ziffer 11 geregelte Fall nicht Verträge der streitigen Art. Es könne zwar nicht geleugnet werden, daß eine feste Bindung des Autors an einen Verleger für alle künftigen Werke nach den Umständen des Einzelfalles eine sittenwidrige Knebelung des Verfassers darstellen könne. Im Streifall läge aber keine solche feste Bindung, sondern nur ein recht loses Verhältnis vor, das im wesentlichen nur eine Anbietungspflicht zum Gegenstand habe. Es stehe nicht zu befürchten, daß dem Beklagten hierdurch die Verwertung seiner künftigen Werke erschwert werde. Da er seine Werke nach der Vorlage an den Kläger anderen Verlegern anbieten dürfe, brauche er nicht die Ablehnung eines Vertragsabschlußes durch den Kläger abzuwarten. Dadurch sei das Risiko, das in der Pflicht zur Anbietung der künftigen Werke und einer gewissen Abhängigkeit der Verwertungsmöglichkeit von der Stellungnahme des Klägers liegen könnte, auf ein erträgliches Minium beschränkt, zumal der Optionsvertrag als ein Dauerschuldverhältnis bei einer Veränderung der Verhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden könne.
Diese Begründung des angefochtenen Urteils wird der Tragweite der Bindung, die ein Verfasser durch den Abschluß eines Optionsvertrages über sein gesamtes künftiges schriftstellerisches Schaffen sowohl in persönlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht eingeht, nicht gerecht. Verlagsverträge setzen in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Verfasser und dem Verleger voraus, und zwar nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf geistiger und persönlicher Ebene. Schon aus diesem Grunde begegnet eine auf Lebenszeit für das gesamte Schaffensgebiet eingegangene Bindung eines Schriftstellers an einen bestimmten Verleger Bedenken. Denn die Entwicklung der Umstände, die für dieses Vertrauensverhältnis bedeutsam sein könnten, läßt sich während eines so unbestimmten Zeitraumes auch nicht annähernd übersehen. Es geht insoweit nicht nur um die nicht voraussehbare Entwicklung der Verlagsrichtung sowie des geschäftlichen Ansehens und des wirtschaftlichen Erfolges des Verlegers. Auch die schriftstellerische Entfaltung des Autors kann zu einer Entfremdung der Vertragsparteien führen, die auch dann, wenn sie nicht so tiefgreifend ist, daß sie nach den für die Kündigung lang dauernder Verträge entwickelten Rechtsgrundsätzen eine Lossagung vom Vertrag aus wichtigem Grund zu rechtfertigen vermöchte, sich lähmend auf die Schaffenskraft des Autors auswirken kann. Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, es handele sich für den Verfasser nur um eine "äußerst lose" Bindung, weil er nicht gehindert sei, sein Werk nach Vorlage an den bevorrechtigten Verleger bereits vor dessen Stellungnahme anderen Verlegern "anzubieten", so wird verkannt, daß der Verfasser vor der Ablehnung eines Vertragsabschlußes durch den bevorrechtigten Verleger sein Werk nicht in verbindlicher Form anderen Verlagen zur Vervielfältigung und Verbreitung anbieten darf, weil er bei gleichgünstigen Vertragsbedingungen dem optionsberechtigten Verleger den Vorzug geben muß. Er kann also vor Kenntnis der Stellungnahme des bevorrechtigten Verlegers andere Verlage höchstens in unverbindlicher Form auffordern, ihm ihrerseits Vertragsangebote zu machen. Die Freiheit eines Autors ist aber allein schon dadurch, daß er seine neuen Werke ohne Ausnahme stets einem bestimmten Verleger zuerst anbieten und mit diesem einen Verlagsvertrag abschließen muß, falls er das Werk nicht der Öffentlichkeit vorenthalten will und ihm günstigere Angebote anderer Verleger nicht zur Verfügung stehen, äußerst stark eingeengt. So ist ihm bei dieser Rechtslage praktisch verwehrt, sich von anderen Verlegern für sein künftiges Schaffen Vorschüsse gewähren zu lassen, weil er ohne Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem bevorrechtigten Verleger keine bindenden Verpflichtungen in Ansehung der Verlagsrechte an seinen künftigen Werken anderen Verlegern gegenüber einzugehen vermag. Die wirtschaftlichen Verhältnisse zwingen aber heute eine große Zahl von Schriftstellern, sich ihren Lebensunterhalt durch Entgegennahme von Vorschüssen auf künftige Werke zu sichern, eine Möglichkeit, die durch eine weder gegenständlich noch zeitlich begrenzte Optionsabrede, die nicht an eine Vorschußpflicht des Verlegers gebunden ist, abgeschnitten wird. Das Risiko des Verfassers wird durch derartige Optionsabreden noch dadurch verstärkt, daß der durch sie bevorrechtigte Verleger, anders als bei Verlagsverträgen über künftige Werke, in seiner Entschließung, ob er das angebotene Werk vervielfältigen und vertreiben will, völlig frei ist. Dies eröffnet dem bevorrechtigten Verleger die Möglichkeit, alle ihm weniger erfolgversprechend erscheinenden Manuskripte des Autors abzulehnen, ohne ihn aus der Anbietungspflicht hinsichtlich seiner künftigen Werke zu entlassen und nur diejenigen Werke in Verlag zu nehmen, bei denen ihm das verlegerische Risiko gering erscheint. Hierdurch aber wird es dem Autor verwehrt, zu solchen Verlagen, die sich seiner von dem bevorrechtigten Verleger abgelehnten Werke annehmen, in Vertragsbeziehungen von einer gewissen Dauer zu treten. Da viele Verleger mit einem Autor nur in der Hoffnung, aus seinen künftigen Werken Gewinn zu erzielen in Geschäftsverbindung treten und ihn durch Vorschußzahlungen unterstützen, entspricht es nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, der Autor sei durch eine zeitlich und gegenständlich unbegrenzte Optionsabrede nicht wesentlich beschwert. Die wirtschaftlichen und persönlichen Folgen einer derartigen Abrede sind vielmehr in der Regel für den Autor gar nicht zu übersehen und stellen für ihn bei Verhandlungen mit anderen Verlegern über die Inverlagnahme seiner künftigen Werke eine außerordentlich starke Behinderung dar, weil er stets auf das Recht des bevorrechtigten Verlegers hinweisen muß, jedes dieser Werke durch Ausübung des Optionsrechts an sich zu ziehen. Es verschlechtert aber nach der Lebenserfahrung die Verhandlungsposition des Autors wie auch seinen persönlichen Kontakt zu anderen Verlegern in erheblicher Weise, wenn er die Übertragung von Verlagsrechten nur an solchen Werken in Aussicht stellen kann, an deren Auswertung der bevorrechtigte Verleger kein Interesse zeigt.
Andererseits ist nicht zu verkennen, daß vom Standpunkt des Verlegers durchaus ein schutzwürdiges Interesse vorliegen kann, einen Autor auch hinsichtlich seiner künftigen Schaffensergebnisse an sich zu binden. Soweit dies durch Verlagsverträge über künftige Werke geschieht, vermindert sich das Verfasserrisiko durch die Übernahme der Vervielfältigungs- und Verbreitungspflicht durch den Verleger. Gleichwohl begegnen auch unbefristete Verlagsverträge über künftige Werke wegen der weitgehenden Bindung des Autors rechtlichen Bedenken, wenn sie alle noch zu schaffenden Werke des Autors erfassen sollen, ohne diese näher oder doch nur der Gattung nach zu bestimmen. Demgegenüber erfährt das Verfasserrisiko bei unbefristeten Optionsabreden über das gesamte künftige Schaffen eines Schriftstellers dadurch noch eine wesentliche Steigerung, daß ihm keine Verpflichtung des Verlegers gegenübersteht, die fraglichen Werke auch tatsächlich in Verlag zu nehmen. Es handelt sich somit um eine einseitige Belastung des Autors, die ihn in seiner wirtschaftlichen und persönlichen Freiheit über das erträgliche Maß hinaus einengt. Sie kann deshalb höchstens bei Übernahme einer angemessenen Gegenleistung durch den Verleger, beispielsweise in Form einer Optionspauschale, die bei Ablehnung eines Werkes dem Verfasser verbleibt, oder in Sonderfällen - wie etwa bei der Übernahme eines außergewöhnlichen verlegerischen Risikos - gerechtfertigt erscheinen.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, im Streitfall stelle die Vorschußzahlung in Höhe von insgesamt 4.500 DM ein angemessenes Entgelt für die Einräumung des Optionsrechtes dar. Dies steht im Widerspruch zu der Feststellung des Berufungsgerichts, wonach diese Vorschüsse nach dem erkennbaren Willen der Parteien auf 3 Werke verrechnet werden sollten, über die im Februar 1951 Verlagsverträge abgeschlossen worden sind. Für die Einräumung der Option an Werken, die nicht Gegenstand dieser Verlagsverträge sind, hat somit der Kläger überhaupt keine Gegenleistung übernommen. Es ist zwar richtig, daß die Übernahme einer Vorschußverpflichtung auf künftige Werke des Beklagten, die bei Abschluß der Vereinbarung vom 22. Dezember 1950 weder der Gattung nach noch in sonstiger Weise näher bestimmt waren, ein Entgegenkommen des Klägers darstellte. Dies hätte aber, da die Vorschüsse nach dem Willen der Parteien für drei Manuskripte des Beklagten gezahlt werden sollten, nur eine auf die Inverlagnahme von 3 Werken des Beklagten begrenzte Optionsvereinbarung gerechtfertigt. Keinesfalls aber kann in diesem Entgegenkommen des Klägers eine angemessene Gegenleistung für eine den Beklagten auf Lebenszeit bindende Optionsabrede, die sein gesamtes künftiges Schaffen erfassen soll, erblickt werden.
Das Reichsgericht hat zwar in einer Entscheidung vom 27. März 1912 (RGZ 79, 156 ff) eine zeitlich unbegrenzte und unentgeltlich übernommene Verpflichtung eines Operettenkomponisten, seinem Verleger seine künftigen Kompositionen zuerst zum Erwerb anzubieten, für rechtswirksam erachtet. Aber abgesehen davon, daß mit dem Verlag einer Operette wegen der beträchtlichen Unkosten, die für die Vervielfältigung und Werbung für ein solches Werk aufgewendet werden müssen, in der Regel ein größeres Verlegerrisiko verbunden ist, als es beim Abschluß eines üblichen Buchverlagsvertrages eingegangen wird, - was unter Umständen eine unterschiedliche Beurteilung der Rechtslage rechtfertigen könnte -, haben sich in der seither vergangenen Zeit nicht nur die wirtschaftlichen Gegebenheiten, sondern auch die Rechtsauffassungen über das Verleger-Autorenverhältnis weitgehend gewandelt. Es hat sich in den beteiligten Kreisen mehr und mehr die Überzeugung durchgesetzt, daß eine solche einseitige Bindung des Autors durch eine für alle Zeiten und seine gesamte künftige schriftstellerische Produktion getroffene Optionsabrede die künstlerische und gewerbliche Freiheit des Autors in unzumutbarer Weise beschränkt und deshalb in der Regel eine sittenwidrige Knebelung des Autors darstellt, wenn der Verleger für das ihm eingeräumte Vorrecht nicht eine angemessene Gegenleistung übernimmt. Im Schrifttum wird dementsprechend fast einhellig die Auffassung vertreten, daß unbefristete und unentgeltliche Optionsklauseln als nichtig anzusehen seien (Bappert-Maunz VerlG §1 Anm. 29; Allfeld 2. Aufl.; LitUrG §8 Anm. 9; Runge, Urheber- und Verlagsrecht S. 440; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht S. 242). Diese Rechtsauffassung hat auch in den Richtlinien für den Geschäftsverkehr zwischen erzählenden Schriftstellern und Verlegern (Ziff 11) wie in dem Abkommen über Vertragsnormen bei wissenschaftlichen Verlagswerken (Ziff 12 Abs. 1, abgedruckt bei Bappert-Maunz a.a.O. Anh S. 478) ihren Niederschlag gefunden, wonach es mit der Auffassung der vertragsschließenden Parteien nicht vereinbar ist, in einem Verlagsvertrag Bestimmungen darüber aufzunehmen, daß der Verfasser für alle seine künftigen Werke an den Verleger gebunden sein soll. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, daß hierunter nicht eine Optionsabrede der strittigen Art falle, weil sie keine "feste" Bindung des Verfassers an einen bestimmten Verleger zur Folge habe. Diese Ansicht verkennt, daß bei einer solchen Optionsabrede allein der Verleger in seiner Entschließung frei bleibt, ob er das ihm angebotene Werk in Verlag nehmen will, während der Verfasser gezwungen ist, alle seine künftigen Werke zunächst dem bevorrechtigten Verleger anzubieten, und sie nur dann einem anderen Verlag zur Auswertung überlassen darf, wenn der bevorrechtigte Verleger von seinem Optionsrecht keinen Gebrauch macht oder nur unter ungünstigeren Bedingungen als andere Verlage zum Vertragsabschluß bereit ist. In der Person des Verfassers liegt hiernach, entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, durchaus eine feste Bindung vor, die sogar besonders belastend ist, weil ihr keine entsprechende Bindung des Verlegers gegenübersteht.
Dem Berufungsgericht kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn es den fraglichen Richtlinien für den Abschluß von Verlagsverträgen deshalb für die Entscheidung des Streitfalles keine Bedeutung beimessen will, weil sie nur die Auffassung "eines Teiles" der in Betracht kommenden Verkehrskreise wiedergäben. Die Richtlinien sind zwischen dem Börsenverein deutscher Verleger- und Buchhändlerverbände e.V., dem die überwiegende Mehrzahl der deutschen Verleger angehört, und dem Schutzverband der deutschen Schriftsteller als der Spitzenorganisation der Autoren sowie dem Deutschen Hochschulverband vereinbart worden. Es handelt sich also um die Auffassung der maßgebenden Berufsorganisationen der beteiligten Verkehrskreise. In der Regel aber verstoßen Vereinbarungen, die von den Berufsorganisationen der vertragsschließenden Parteien als standeswidrig angesehen werden, nach dem Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden auch gegen die guten Sitten (RG Kom 10. Aufl. §138 BGB, Anm. 1; Soergel 8. Aufl. §138 BGB Anm. 1).
Die Optionsabrede in dem Zusatzabkommen vom 22. Dezember 1950 ist hiernach wegen Verstoßes gegen §138 BGB nichtig, weil sie weder zeitlich noch gegenständlich beschränkt ist und keine angemessene Gegenleistung des Klägers vorsieht. Damit aber entfällt die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftanspruch, ohne daß es einer Prüfung bedürfte, ob der weitere Einwand des Beklagten durchgreift, der Kläger habe seine etwaigen Rechte aus der Optionsabrede verwirkt.
II.
Zur Begründung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches hat sich der Kläger vorsorglich auch darauf berufen, der Beklagte habe durch den Abschluß eines Verlagsvertrages mit dem Sp.-Verlag über sein Werk "Garde du Corps" den Verlagsvertrag vom 6. Februar 1951 über das Werk "Der Fohlenhof" verletzt; denn Gegenstand dieses Verlagsvertrages sei nach den getroffenen Vereinbarungen ein Anschlußroman zu "Meines Vaters Pferde" gewesen. Aus dieser Vereinbarung aber hätte sich die Pflicht des Beklagten ergeben, den inzwischen von ihm fertiggestellten Vorroman "Garde du Corps" zu "Meines Vaters Pferde" dem Kläger zur Vervielfältigung und Verbreitung zu überlassen. Da der Beklagte die Erfüllung dieser Verpflichtung durch den Abschluß des Verlagsvertrages mit dem Sp.-Verlag unmöglich gemacht habe, sei er verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz zu leisten. Das Berufungsgericht hat zu diesem Klagvortrag keine Stellung genommen und brauchte sich mit ihm auch von seinem Rechtsstandpunkt aus, wonach sich bereits aus der Optionsabrede eine Anbietungspflicht des Beklagten ergab, nicht auseinanderzusetzen. Das Landgericht dagegen, das die Optionsabrede für nichtig erachtet hat, hat auch einen Schadensersatzanspruch auf dieser Rechtsgrundlage verneint, und zwar mit der Begründung, daß Gegenstand des Verlagsvertrages über den "Fohlenhof" nach der eigenen Sachdarstellung des Klägers allein ein "Anschlußroman" zu "Meines Vaters Pferde" gewesen sei. Selbst wenn also, so sagt das Landgericht, diese Behauptung des Klägers als richtig unterstellt würde, hätte der Beklagte die Rechte des Klägers aus diesem Verlagsvertrag nicht dadurch verletzt, daß er einem anderen Verlag die Verlagsrechte an einem "Vorroman" zu "Meines Vaters Pferde" übertragen habe. Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung des Landgerichts zu folgen ist. Jedenfalls ist der Kläger auf seine Behauptung, Gegenstand des Verlagsvertrages über den "Fohlenhof" sei ein Anschlußroman zu "Meines Vaters Pferde" gewesen, in der Berufungsinstanz nicht zurückgekommen und hat für sie, auch nachdem der Beklagte diese Sachdarstellung substantiiert bestritten hatte, keinen Beweis angetreten. Schon aus diesem Grunde mußte dem Klagbegehren, auch soweit es auf den Verlagsvertrag über den "Fohlenhof" gestützt wird, der Erfolg versagt bleiben.
Auf die Revision des Beklagten war somit das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018537 |
BGHZ 22, 347 - 357 |
BGHZ, 347 |
NJW 1957, 711 |
NJW 1957, 711-713 (Volltext mit amtl. LS) |