Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 1565 ff. BGB.

2. Wird im Scheidungsverbund die Zustimmung zu einer bestehenden Auseinandersetzung des Gesamtgutes ein zwischen den Eheleuten bestehende Gütergemeinschaft begehrt, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob vor der Auflösung der Ehe eine Entscheidung über dieses Begehren i. S. des § 628 I 1 Nr. 1 ZPO nicht möglich ist und demgegemäß dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über die Folgesache stattgegeben werden darf.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 13.07.1982)

AG Neuburg a.d. Donau

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats, zugleich Familiensenat, des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 13. Juli 1982 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der am ... geborene Ehemann (Antragsteller) und die am ... geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 31. August 1940 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die inzwischen erwachsen sind. Durch notariellen Vertrag vom 22. September 1961 haben die Parteien den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart. Zu dem Gesamtgut gehören Gegenstände im Wert von mehreren Millionen DM, darunter eine von dem Ehemann eingebrachte Verlagsdruckerei, mehrere bebaute und unbebaute Grundstücke sowie eine Eigentumswohnung.

Nachdem die Parteien spätestens seit 1965 getrennt gelebt hatten, ist der Ehefrau am 5. November 1977 der Scheidungsantrag des Ehemannes zugestellt worden. Die Ehefrau, die eine Scheidung ablehnt, hat u.a. begehrt, dem Scheidungsantrag nicht vor einer Entscheidung über folgende Anträge stattzugeben:

"Der Antragsteller wird verurteilt, zu folgendem Auseinandersetzungsplan seine Zustimmung zu erteilen:

I..

Der Antragsteller erhält aus dem Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft zu Alleineigentum:

1.

Das Unternehmen 'Verlags-Druckerei X' mit den dazugehörigen Gebäuden, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

2.

Das Grundstück Y, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

3.

Das Grundstück Z im Werte von 119.175,- DM, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

II.

Die Antragsgegnerin erhält aus dem Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft:

1.

Das Waldgrundstück, B zu 9130 qm, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

2.

Das Grundstück C zu 1156 qm im Wert von 121.380,- DM, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

3.

Das Grundstück D, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N.

III.

Die Eigentumswohnung E, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts G., wird gerichtlich versteigert. Der Erlös wird hälftig geteilt.

IV.

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin die unter Ziff. II 1-3 aufgeführten Grundstücke aufzulassen und in die Umschreibung auf die Antragsgegnerin einzuwilligen.

V.

Der Antragsteller hat an das Gesamtgut zu erstatten:

1.

Für die 'Verlags-Druckerei X' einschl. der '... Zeitung'

2.900.000,- DM.

2.

Für das Grundstück ...

580.000,- DM.

3.

Für die Grundstücke ...

735.000,- DM.

IV.

Die Antragsgegnerin hat an das Gesamtgut zu erstatten:

1.

Für das Waldgrundstück ...

24.000,- DM.

2.

Für das Anwesen ...

100.000,- DM.

VII.

Der Antragsteller wird verurteilt, der Verteilung des Gesamtguterlöses je zur Hälfte an die Parteien zuzustimmen.

VIII.

Der Antragsteller wird verurteilt, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen, über die Höhe und den Verbleib der mtl. vom D. Verlag bezahlten Pachtsummen für die '... Zeitung' und darüber Rechnung zu legen.

Weiterhin wird im Wege der Stufenklage der Antragsteller verurteilt, die gesamten Pachteinnahmen, die seit dem Jahre 1978 nicht dem Betrieb zugeführt sondern auf einem 'Sonderkonto' zurückgelegt wurden, dem Gesamtgut gutzuschreiben.

IX.

Der Antragsteller wird verurteilt, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen über sämtliche von ihm seit 1.1.1978 aus dem Gesamtgut entnommenen Geldbeträge und im Wege der Stufenklage den Differenzbetrag zwischen seinen Entnahmen zu den an die Antragsgegnerin ausbezahlten Beträgen an das Gesamtgut zu erstatten".

Der Ehemann hat sich einer Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft auf dieser Basis widersetzt und insoweit die Abtrennung des Verfahrens beantragt. Streitig zwischen den Parteien ist insbesondere die Bewertung des Druckereiunternehmens und der zu übernehmenden Grundstücke sowie die Frage, wer das zu II 3 aufgeführte Anwesen eingebracht hat. Im übrigen haben beide Parteien erklärt, hinsichtlich des von ihnen Eingebrachten von den Rechten aus §§ 1477 Abs. 2 Satz 2 und 1478 Abs. 1 BGB Gebrauch zu machen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß das Verfahren über die güterrechtlichen Ansprüche der Ehefrau gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO "abgetrennt". Durch gleichzeitig verkündetes Verbundurteil hat es die Ehe der Parteien geschieden, das Unterhaltsbegehren der Ehefrau abgewiesen und eine Regelung über die Benutzung der Ehewohnung, die Verteilung des Hausrats und den Versorgungsausgleich getroffen.

Mit der Berufung gegen das Verbundurteil hat die Ehefrau in erster Linie die Aufhebung des Scheidungsausspruchs erstrebt. Hilfsweise hat sie beantragt, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen mit der Anweisung, über den Scheidungsantrag nicht getrennt von den Folgesachen Ehegattenunterhalt und Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft zu entscheiden.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Ehefrau ihre Berufungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1.

Zum Scheidungsausspruch hat das Oberlandesgericht ausgeführt, das Scheitern der Ehe der Parteien werde gemäß § 1566 Abs. 2 BGB unwiderlegbar vermutet, weil sie spätestens seit 1965 getrennt gelebt hätten. Die Ehefrau habe nicht dargetan, daß die Scheidung für sie eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 1568 Abs. 1 BGB darstellen würde. Der Verlust des Status einer verheirateten Frau und die Beendigung der Gütergemeinschaft reichten hierfür nicht aus. Der Scheidungsantrag des Ehemannes sei daher nach § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet.

Die Revision bekämpft nicht die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß die Ehe der Parteien gescheitert ist. Sie erhebt auch keine spezifizierten Rügen zur Nichtanwendung der Härteklausel des § 1568 Abs. 1 (2. Alternative) BGB, deren Voraussetzungen nach § 616 Abs. 3 ZPO der die Scheidung ablehnende Ehegatte darzulegen hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. April 1981 - IVb ZR 539/80 - FamRZ 1981, 649, 650). Sie erhebt gegen die sachlich-rechtliche Beurteilung des Oberlandesgerichts ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken. Diese vermag der Senat nicht zu teilen.

a)

Soweit darauf verwiesen wird, daß nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Oktober 1980 (BVerfGE 55, 134 ff.) nicht einmal eine fünfjährige Trennung unter allen Umständen die Ehescheidung rechtfertigt, wirft die Revision eine Frage auf, die sich im vorliegenden Fall nicht stellt, nämlich diejenige der Verfassungsmäßigkeit des § 1568 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Härteklausel des § 1568 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden, wenn die Ehegatten länger als fünf Jahre getrennt leben. Diese Regelung ist nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts insoweit mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, als sie ausnahmslos verbietet, nach fünfjähriger Trennung der Ehegatten - ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1568 Abs. 1 BGB - von einer Scheidung abzusehen. Liegen aber - wie hier das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - schon die Voraussetzungen des § 1568 Abs. 1 BGB nicht vor, steht eine Anwendung des § 1568 Abs. 2 BGB nicht in Frage und kommt es auf die Grundsätze der ins Feld geführten verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht an.

b)

Die Ehefrau hat im übrigen auf eine Reihe von Bestimmungen des Grundgesetzes hingewiesen, aus denen sich ergeben soll, daß sie gegen ihren Willen nicht geschieden werden könne, insbesondere auch nicht ohne ihr Verschulden in Anwendung des durch das 1. EheRG eingeführten neuen Scheidungsrechts. Demgegenüber hat bereits das Oberlandesgericht zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, wonach der Verfassung das Bild der "verweltlichten" bürgerlichrechtlichen Ehe zugrundeliegt, zu dem es auch gehört, daß Ehegatten unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen geschieden werden können (BVerfGE 31, 58, 83 und mehrfach). Gegen den Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip durch das 1. EheRG und dessen Anwendung auf sogenannte Altehen bestehen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 224 ff.) keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar wird in den Gründen dieses Urteils nicht auf eine mögliche Verletzung des Art. 14 GG im Falle einer bestehenden Gütergemeinschaft eingegangen, wie sie die Ehefrau mit der Begründung geltend macht, sie habe nach dem vor dem 1. Juli 1977 geltenden Rechtszustand darauf vertrauen dürfen, zeitlebens an dem Gesamthandsvermögen der Gütergemeinschaft beteiligt zu bleiben, solange sie durch ihr Verhalten keine Veranlassung für eine Scheidung gebe. Auch insoweit ist aber nach der Auffassung des Senats ein Verfassungsverstoß nicht gegeben. Bereits nach dem Rechtszustand, der hier im Zeitpunkt der Vereinbarung der Gütergemeinschaft bestanden hat, war die Scheidung der Ehe ein Beendigungsgrund für diesen Güterstand. Zwar ist die Rechtsposition der Ehefrau durch das 1. EheRG insoweit verändert worden, als nunmehr die Scheidung, die zu einer Beendigung der Gesamthandsberechtigung am Gesamtgut führt, ausschließlich nach dem Zerrüttungsprinzip erfolgt. Im Zusammenhang mit der Reform eines Rechtsgebiets kann aber der Gesetzgeber auch in durch Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen eingreifen, wenn dies aus Gründen des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 36, 281, 293; 58, 81, 121).

Es würde zu einer unerträglichen Rechtsungleichheit führen, wenn vor dem 1. Juli 1977 geschlossene Ehen weiterhin nur nach früherem Recht geschieden werden könnten, sofern die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft leben. Die Vermeidung einer derartigen Rechtsungleichheit stellt ein wesentliches Allgemeininteresse dar, wie in BVerfGE 53, 224, 254 dargelegt ist. Dieses ist als ausreichende Rechtfertigung dafür anzusehen, daß die Scheidbarkeit von Altehen mit bestehender Gütergemeinschaft nach neuem Recht einen Eingriff in die wirtschaftliche Position der Gesamthandsberechtigung mit sich bringt. Ob der Gesetzgeber aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gehalten war, in diesen Fällen bei der Regelung der Scheidungsfolgen auf die wirtschaftlichen Belange der Ehegatten besondere Rücksicht zu nehmen, kann für die Frage der Scheidbarkeit der Ehe dahinstehen.

2.

Das Oberlandesgericht hat die Scheidung der Ehe vor einer Entscheidung über die von der Ehefrau begehrte Auseinandersetzung des Gesamtguts mit der Erwägung gebilligt, es sei derzeit nicht möglich, über die Verteilung des Überschusses nach den §§ 1476 ff. BGB zu entscheiden, weil sich der Stand des Vermögens im Zeitpunkt der Auflösung der Gütergemeinschaft, dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, nicht bestimmen lasse. Insbesondere sei eine gesicherte Vorausschau über Gewinn und Verlust des Druckereibetriebes auf den Ungewissen Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht möglich.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

a)

Wenn dem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben wird, schafft dies eine selbständige Beschwer, die mit Rechtsmitteln gegen das Scheidungsurteil gerügt werden kann (BGH, Urteil vom 30. Mai 1979 - IV ZR 160/78 - FamRZ 1979, 690 m.w.N.). Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 1982 entschieden (BGHZ 84, 333, 337), daß der unter § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO fallende Anspruch auf Zustimmung zu einer bestimmten Art der Auseinandersetzung des Gesamtguts der Gütergemeinschaft im Scheidungsverbund geltend gemacht werden kann, obwohl nach dem Gesetz die Gütergemeinschaft erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils endet. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall von dem Recht auf Ersatz des Wertes des Eingebrachten gemäß § 1478 Abs. 1 BGB Gebrauch gemacht wird. Der erkennende Senat tritt dieser Entscheidung bei. Der von der Ehefrau erhobene güterrechtliche Anspruch konnte also im Scheidungsverbund anhängig gemacht werden, der nur unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 ZPO gelöst werden durfte.

b)

§ 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt voraus, daß in einer Folgesache nach § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO, wie sie hier vorliegt, vor der Auflösung der Ehe eine Entscheidung nicht möglich ist. Dies haben die Vorinstanzen im vorliegenden Fall bejaht.

aa)

Die Unmöglichkeit einer Entscheidung vor der Auflösung der Ehe kann allerdings nicht darin gesehen werden, daß erst mit der Scheidung die Gütergemeinschaft beendet ist und erst danach Auseinandersetzungsansprüche materiell-rechtlich entstehen können; denn der durch das 1. EheRG eingeführte Scheidungsverbund, ein Kernstück der Reform, soll gerade Entscheidungen über Folgesachen unter dem Vorbehalt der Scheidung ermöglichen, die daher insoweit zu unterstellen ist (vgl. § 629 d ZPO; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 20. Aufl. § 628 Rdn. 2).

bb)

Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, daß auf den Vorschlag des Bundesrats der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Güterrechtssachen und Regelungen des Versorgungsausgleichs eingeschränkt worden ist. Sie betonen den Ausnahmecharakter der Vorschrift und verweisen auf den "nicht völlig auszuschließenden" Fall, daß die Regelung der Folgesache eine Änderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse voraussetzt, die erst nach der Eheauflösung eintreten kann. Ein praktisches Beispiel hierfür wird nicht genannt (vgl. BT-Drucks. VI/3453 S. 74; 7/650 S. 211 und 280; 7/4361 S. 69). Im Schrifttum wird als typischer Anwendungsfall der Vorschrift angesehen, daß sich eine güterrechtliche Folgesache auf die Gütergemeinschaft bezieht. Insoweit könnten bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils noch Vermögensbewegungen stattfinden, die berücksichtigt werden müßten (Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. Rdn. 4), die Ermittlung des Überschusses, der auf die Ehegatten gemäß § 1476 BGB zu verteilen sei, könne erst möglich sein, wenn der Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils feststehe (Zöller/Philippi ZPO 13. Aufl. § 628 Anm. II 1). Auch Rolland (1. EheRG 2. Aufl. § 628 ZPO Rdn. 6) bejaht die Anwendung der Vorschrift, wenn die Bewertung etwaiger Ausgleichsansprüche auf den Zeitpunkt der Scheidung bezogen ist, so daß ihre Höhe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht festgestellt werden könne.

cc)

Ob dem Scheidungsantrag gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor der Entscheidung über im Verbund erhobene Auseinandersetzungsansprüche aus einer Gütergemeinschaft stattgegeben werden darf, läßt sich nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls beantworten. So können die Parteien eine Entscheidung im Verbund dadurch ermöglichen, daß sie eine Vereinbarung über die Bewertung des Gesamtguts treffen, z.B. sich auf einen (zurückliegenden) Bewertungsstichtag einigen (vgl. dazu BGHZ 84, 333, 336). Auch ist denkbar, daß ein Ehegatte lediglich die Klärung einzelner Streitpunkte begehrt, z.B. die Zugehörigkeit eines bestimmten Gegenstandes zum Gesamtgut festgestellt wissen will, worüber auf der Grundlage des Sachstandes der letzten mündlichen Verhandlung entschieden werden kann (vgl. dazu BGB-RGRK/Finke 12. Aufl. § 1474 Rdn. 8; RG JW 1910, 655). Das OLG Karlsruhe (FamRZ 1982, 286) hat sich in einem Fall der vorliegenden Art zu einer Verbundentscheidung in der Lage gesehen, weil es in tatrichterlicher Würdigung der gegebenen Umstände eine wesentliche Wertänderung des zum Gesamtgut gehörigen Grundstücks zwischen dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und dem der Übernahme (§ 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB) verneinen konnte. Bei einer derartigen Prognose ist allerdings Zurückhaltung geboten, weil dann, wenn sie fehlgeht, die nachträgliche Korrektur einer rechtskräftigen Entscheidung nicht möglich ist - anders als bei anderen Folgesachen, bei denen z.B. auf dem Wege des § 323 ZPO (Unterhalt) oder des § 1696 BGB (Sorgerecht und Umgangsrecht) Abhilfe geschaffen werden kann.

dd)

Im vorliegenden Fall gehören gerade die Bewertungsfragen zu den wesentlichen Streitpunkten der Parteien im Rahmen der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft. Eine Einigung auf einen bestimmten Bewertungszeitpunkt ist nicht erfolgt. Was die zum Gesamtgut gehörigen Grundstücke betrifft, liegt einer der maßgebenden Bewertungsstichtage (neben dem Zeitpunkt der Einbringung nach § 1478 Abs. 3 BGB) noch nach der Rechtskraft der Scheidung; es kommt hier letztlich auf den Zeitpunkt der Eintragung des Übernehmers in das Grundbuch an (vgl. BGB-RGRK/Finke a.a.O. § 1477 Rdn. 16; Soergel/Gaul BGB 11. Aufl. § 1477 Rdn. 10 m.w.N.).

Besonderes gilt für die zum Gesamtgut gehörige Verlagsdruckeres ein werbendes Handelsunternehmen. Ein solches kann nicht durch einen Globalakt übernommen werden, sondern nur durch die Einzelübertragung aller zum Unternehmen gehörigen Gegenstände nach den für sie maßgebenden Vorschriften, die erfahrungsgemäß einige Zeit beansprucht (vgl. dazu im einzelnen - für den rechtsähnlichen Fall der Erbauseinandersetzung - BGH, Urteil vom 28. Juni 1965 - III ZR 10/64 - BB 1965, 1373). Erst damit wird die Gesamthandsberechtigung in eine Alleinberechtigung des Übernehmers übergeführt und ist die Auseinandersetzung insoweit beendet. Da für die Bewertung der Zeitpunkt der Übernahme maßgebend ist, kommt es insoweit auf den Zeitpunkt an, in dem sämtliche erforderlichen Übertragungsakte dinglich vollzogen sind (vgl. OLG Stuttgart NJW 1950, 70, 73 mit zustimmender Anmerkung von Boehmer; Soergel/Gaul aaO). Zwischenzeitlich kann sich das Gesamtgut im Liquidationsstadium - insbesondere durch Rechtsgeschäfte, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Nutzung und Verwaltung des Unternehmens stehen - nach dem Surrogationsprinzip des § 1473 Abs. 1 BGB erhöht haben (vgl. Boehmer a.a.O. S. 71). Es ist bei dieser Sachlage aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich hier die Vorinstanzen zu einer sachgerechten Bewertung des Gesamtguts, die für eine Beurteilung der zu V. und VI. erhobenen Ansprüche der Ehefrau erforderlich ist, außerstande gesehen haben. Damit ist die Lösung des Scheidungsverbundes bezüglich der von der Ehefrau anhängig gemachten Folgesache, die eine umfassende Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft zum Gegenstand hat, durch die Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO gedeckt.

c)

Die Revision gibt zu erwägen, ob nicht entsprechend § 1384 BGB die Bewertung des Gesamtguts auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorzuverlegen sei. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber verhindern wollen, daß im Güterstand der Zugewinngemeinschaft der ausgleichspflichtige Ehegatte den Zugewinn zum Nachteil des anderen zu verringern versuche. Auch im Güterstand der Gütergemeinschaft müsse der das Gesamtgut nicht verwaltende Ehegatte nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens vor einer Verschleuderung des Gesamtgutes durch den verwaltenden Ehegatten geschützt werden.

Dem kann der Senat nicht folgen. Schon bei der Schaffung des BGB hat der Gesetzgeber für den damaligen Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft im Falle der Scheidung eine Vorverlegung des Bewertungszeitpunktes entsprechend dem jetzigen § 1384 BGB in Betracht gezogen, aber von der Aufnahme einer derartigen Bestimmung in das Gesetz abgesehen (vgl. Motive Band 4 S. 437 f.; Heckelmann FamRZ 1968, 59, 60). Die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft nach deren Beendigung hat sich in der Regel in der Weise zu vollziehen, daß zunächst die Gesamtgutsverbindlichkeiten getilgt werden und hierfür das Gesamtgut, soweit erforderlich, in Geld umgesetzt wird, und daß der danach verbleibende Überschuß unter Berücksichtigung geltend gemachter Übernahmerechte hälftig geteilt wird (vgl. RGZ 85, 1, 9 f). Beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft, für den § 1384 BGB gilt, bedarf es hingegen nach der Scheidung keiner besonderen Liquidationshandlungen. Der vermögensrechtliche Ausgleich vollzieht sich grundsätzlich durch die Zubilligung eines Zahlungsanspruchs, ohne daß eine Auseinandersetzung gemeinschaftlichen Vermögens erforderlich ist. Diese Unterschiede bei der Abwicklung lassen eine analoge Anwendung des § 1384 BGB auf die Gütergemeinschaft nicht zu. Den von der Revision angesprochenen Schutzinteressen des nichtverwaltenden Ehegatten trägt das Gesetz in § 1472 Abs. 1 BGB Rechnung, wonach im Liquidationsstadium der Gütergemeinschaft die Alleinverwaltung eines Ehegatten durch die gemeinschaftliche Verwaltung beider Ehegatten abgelöst wird.

d)

Soweit die Revision rügt, nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 84, 333 hätte zumindest über die Übernahmeanträge der Ehefrau "aus § 1478 BGB" im Scheidungsverbund mitentschieden werden müssen, wird zunächst verkannt, daß der Anspruch aus § 1478 BGB auf Wertersatz gerichtet ist, während das Recht zur Übernahme eingebrachter Gegenstände aus § 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB folgt. Beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar, was sich i.d.R. dahin auswirkt, daß der Übernehmende den Wert des Gegenstandes im Zeitpunkt der Übernahme abzüglich des Wertes im Zeitpunkt der Einbringung an die Teilungsmasse zu erstatten hat (vgl. dazu BGB-RGRK/Finke a.a.O. § 1478 Rdn. 14; Stumpp Rpfl. 1979, 441, 442). Dementsprechend hat die Ehefrau hier die Übernahme von Grundstücken gegen bestimmte Erstattungsbeträge begehrt. Über deren Bemessung konnte nicht entschieden werden, weil, wie oben dargelegt, Wertveränderungen bis zum Zeitpunkt der Übernahme in Rechnung zu stellen waren.

3.

Über die von der Ehefrau anhängig gemachte Folgesache nach § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (nachehelicher Unterhalt) hat das Amtsgericht im Verbund entschieden. Insoweit ging bereits der entsprechende Berufungsangriff ins Leere, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018838

FamRZ 1984, 254

MDR 1984, 474-478 (Volltext mit amtl. LS)

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