Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine GmbH, die mit einer Schwestergesellschaft unter ähnlicher Firma im selben Markt tätig ist, eine Bestellung gegen sich gelten lassen muß, wenn nicht festgestellt werden kann, für welche der beiden Gesellschaften ihr gemeinsamer Geschäftsführer gehandelt hat, die Gesellschaft aber der an sie gerichteten Auftragsbestätigung nicht widersprochen hat.
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht noch um die Bezahlung einer Lieferung von 22,5 t Kunststoffgranulat zum Preis von 52.121,25 DM gemäß Rechnung vom 15. Dezember 1981. Die Klägerin ist eine österreichische Chemiefirma, die nach Deutschland Kunststoff-Rohprodukte liefert. Zur Förderung des Absatzes im norddeutschen Raum war für sie die Firma Le. GmbH (künftig: Firma Le.) tätig. Die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Beklagte, die sich zunächst G.-Rohstoffhandel nannte und jetzt als G.-Kunststoff-Handels-GmbH firmiert, hat eine Schwestergesellschaft, die G.-Maschinen-GmbH. Beide Gesellschaften handelten auch mit den Produkten der Klägerin. Bis Ende 1983 hatten sie denselben Geschäftsführer, nämlich W. L., der dann aus der Beklagten ausgeschieden ist. Zwischen den Parteien bestanden seit 1980 Geschäftsbeziehungen der Art, daß die Beklagte Erzeugnisse der Klägerin kaufte. Die Verhandlungen führte für die Klägerin der bei der Firma Le. tätige Dr. K., für die Beklagte Walter Linden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde eine Rechnung der Klägerin an die Beklagte vom 3. November 1980 von dieser mit Scheck vom 2. Januar 1981 über 27.408,15 DM bezahlt. Eine weitere von der Klägerin der Beklagten unter dem 8. Oktober 1981 erteilte Rechnung über 1.158,25 DM wurde auf Beanstandung der Beklagten von der Klägerin storniert und zugleich eine neue Rechnung über dieselbe Lieferung auf die G.-Maschinen-GmbH erteilt.
Ende 1981 verhandelten L. und Dr. K. wieder über die Lieferung von Kunststoff-Rohmaterial an eine G.-Firma. Im Zusammenhang damit richtete die Klägerin an die Firma Le. zu Händen von Dr. K. am 25. November 1981 ein Fernschreiben, das eine Probelieferung von 25 kg an die G.-Maschinen-GmbH zum Gegenstand hat. Am 30. November 1981 teilte die Firma Le. der Klägerin fernschriftlich mit, daß der „Kunde” („Betr.: Firma G.”) davon 22,5 t bestelle. Unter dem 1. Dezember 1981 erteilte die Klägerin der Beklagten eine Auftragsbestätigung mit darin enthaltenem Hinweis, daß der Kontrakt den „beiliegenden Verkaufs- und Lieferbedingungen” unterliege, und unter dem 15. Dezember 1981 die Rechnung. Nach Behauptung der Klägerin hat die Beklagte die Auftragsbestätigung unterschrieben zurückgeschickt und damit auch ihre Verkaufs- und Lieferbedingungen anerkannt. Diese Bedingungen enthalten unter anderem die Vereinbarung der Anwendung österreichischen Rechts, die Klausel, daß der Kauf erst durch die Auftragsbestätigung zustandekomme, und die Regelung, daß Waren, die nicht der Standardqualität der Klägerin entsprächen und ausdrücklich als solche bezeichnet seien, nicht reklamiert werden könnten; außerdem werden die Zurückhaltung von Zahlungen wegen nicht anerkannter Gegenansprüche und die Aufrechnung mit derartigen Gegenansprüchen ausgeschlossen.
Die Ware, bei der es sich – wie die Klägerin vorträgt – um einen Sonderposten und nicht um ihre Standardqualität handelte, wurde von ihr an eine Firma P. versandt und von der G.-Maschinen-GmbH weiterverkauft. Die Klägerin hat den von ihr der Beklagten in Rechnung gestellten Kaufpreis bisher nicht erhalten. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte oder die G.-Maschinen-GmbH Käuferin der von der Klägerin gelieferten Ware ist und ob – soweit es darauf ankommt – wegen Mängeln der Ware Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können. Nicht streitig ist, daß L. eine Bestellung über das Material aufgegeben hat.
Das Landgericht hat der Kaufpreisklage über 52.121,25 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin die Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht bewiesen, daß der Kaufvertrag über die gemäß Rechnung vom 15. Dezember 1981 gelieferte Ware mit der Beklagten abgeschlossen worden ist und ihr daher gegen sie ein Kaufpreisanspruch zustehe. Soweit es um die Zeit vor der Übersendung der Auftragsbestätigung vom 1. Dezember 1981 gehe, lasse sich nicht feststellen, daß der Geschäftsführer L. bei dem hier strittigen Geschäft namens der Beklagten tätig geworden sei. Ebensowenig erlaube die von der Buchhalterin S. der Klägerin bekundete Zahlungszusage L.'s nach vorangegangener mehrfacher Mahnung den Schluß darauf, daß er zuvor für die Beklagte rechtsgeschäftlich tätig geworden sei. Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Vertragsschluß namens der Beklagten lasse sich auch nicht nach den Grundsätzen über die Folgen von unwidersprochen gebliebenen kaufmännischen Bestätigungsschreiben feststellen, denn der Vertrag habe durch die Auftragsbestätigung vom 1. Dezember 1981 erst zustande kommen sollen, wie sich schon aus der entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ergebe. Auf die Behauptung der Beklagten, mit Schreiben vom 3. Dezember 1981 sei gebeten worden, die Auftragsbestätigung auf die G.-Maschinen-GmbH umzuschreiben, komme es nicht weiter an.
Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Das Berufungsgericht hat sich auf die Prüfung beschränkt, ob nach deutschem Recht kaufvertragliche Beziehungen zwischen den Parteien zustande gekommen sind. Das ist im Ansatz zutreffend, denn jedenfalls insoweit ist von einer durch das Prozeßverhalten der Parteien stillschweigend getroffenen Rechtswahl auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 1977 – VIII ZR 149/75, WM 1977, 478 unter A; Palandt/Heldrich, BGB, 45. Aufl., Anm. 4 a vor Art. 12 EGBGB). Für diese Rechtswahl spricht auf seiten der Klägerin bereits, daß sie vor einem deutschen Gericht Klage erhoben hat, obwohl ihre Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen folgende Klausel enthalten: „Gerichtsstand ist Linz/Donau, Österreich. Wir behalten uns jedoch vor, nach unserer Wahl den Käufer beim gesetzlichen Gerichtsstand seines Firmensitzes zu belangen.” Die Beklagte ist in der Berufungsbegründung ausdrücklich davon ausgegangen, daß nicht nach österreichischem Recht zu entscheiden sei, zumal die Klägerin schon rügelos zur Anwendung deutschen Rechts verhandelt habe. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung zwar geltend gemacht, daß der Vertrag nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem österreichischen Recht unterstehe, die Klage jedoch vorsorglich auch auf deutsches Recht gestützt. An Parteivortrag zu der Frage, ob nach österreichischem Recht ein Vertragsabschluß anzunehmen ist, fehlt es ganz. Dieser nicht weiter klärungsbedürftige Sachverhalt ergibt, daß die Parteien – die auch in der Revisionsinstanz keine abweichende Ansicht geäußert haben – mit der Beurteilung einverstanden waren und sind, ob nach deutschem Recht ein Kaufvertrag zwischen ihnen zustande gekommen ist. Das ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zu bejahen.
2. a) Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht folgende von ihm als richtig unterstellte Aussage der Zeugin S. und den zugrunde liegenden Vortrag der Klägerin nicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt habe: Nachdem auf die Rechnung hin drei Mahnungen an die Beklagte gegangen seien, habe sich L. telefonisch gemeldet und erklärt, daß er die Mahnungen übersehen habe und zahlen werde. L. habe, als die Zeugin wegen Ausbleibens der Zahlung eine Woche später ihrerseits angerufen habe, nochmals Zahlung zugesagt.
Das Berufungsgericht hat sich hiermit bei Prüfung der Frage auseinandergesetzt, ob die Klägerin den – wie es meint – ihr obliegenden Beweis für den Abschluß des Kaufvertrags mit der Beklagten geführt habe. Nach seiner Ansicht läßt sich aus den Zahlungszusagen nach den Umständen nicht schließen, seitens welcher der beiden „G.-Firmen” sie abgegeben wurde, da klar gewesen sei, daß eine der von L. als Geschäftsführer vertretenen Firmen zahlen mußte, falls die Forderung im übrigen – abgesehen von der Person des Schuldners – begründet war.
aa) Dabei verkennt das Berufungsgericht, daß nach dem hier allein maßgebenden Empfängerhorizont die Klägerin die telefonische Zahlungszusage L.'s als Erklärung der Beklagten verstehen konnte und durfte, nachdem zuvor nicht nur die Auftragsbestätigung, sondern auch die Rechnung und drei Mahnungen widerspruchslos an die Beklagte gerichtet worden waren (§§ 133, 157 BGB). Dann aber stellt sich die Beurteilung der Beweislast durch das Berufungsgericht als rechtsfehlerhaft dar. Zwar liegt sie grundsätzlich beim Verkäufer, wenn er den Kaufpreis verlangt. In der Erklärung L.'s lag aber zumindest die Bestätigung eines für berechtigt gehaltenen Anspruchs in dem Sinne, daß nunmehr die Beklagte beweisen müßte, daß sie nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1974 – VII ZR 65/72, WM 1974, 410, 411 unter II. 1 b). bb) Darüber hinaus konnte die Zahlungszusage L.'s den Schluß nahelegen, daß sie deshalb erfolgt war, weil auch nach seiner Beurteilung der Kaufvertrag mit der Beklagten geschlossen worden war.
b) Letztlich kommt es jedoch auf die rechtlich unzutreffende Beweiswürdigung nicht an, wenn die Beklagte – wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist – die Auftragsbestätigung widerspruchslos hingenommen hat. Dabei kann allerdings nicht zugrunde gelegt werden, bei der Auftragsbestätigung habe es sich in Wahrheit um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gehandelt. Es wird durch den Zweck gekennzeichnet, das Ergebnis vorangegangener Vertragsverhandlungen verbindlich festzulegen (BGHZ 54, 236, 239). Daß diese Ausgangssituation hier gegeben war, ist nicht festgestellt. Es liegt jedoch ein Fall vor, bei dem nach Treu und Glauben das Schweigen ohne Rückgriff auf die Rechtsfigur des kaufmännischen Bestätigungsschreibens als Zustimmung zu werten ist (vgl. MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., Rdn. 5 zu § 151). Die besonderen Umstände liegen im folgenden: Die beiden „G.-Gesellschaften” waren unter ähnlicher Bezeichnung im selben Markt tätig und wurden vom selben Geschäftsführer vertreten. Damit hatten sie einen Zustand geschaffen, der bei gemeinsamen Geschäftspartnern – wie der Klägerin – leicht zur Unklarheit darüber führen konnte, für welche Gesellschaft L. auftrat, und die deshalb eine Verwahrung der einen oder anderen Gesellschaft erwarten konnten, wenn sie der falsche Adressat war. Die Beklagte beruft sich selbst auf einen Fall, in dem die Rechnung (über den verhältnismäßig geringen Betrag von 1.158,25 DM) irrtümlich auf sie ausgestellt, aber auf ihren Widerspruch hin storniert worden sei. Um so eher hätte sie widersprechen müssen, wenn die hier streitige Bestellung über rd. 50.000,– DM ihre Schwesterfirma betraf. Das Schweigen auf die ihr zugegangene Auftragsbestätigung ist damit als Zustimmung zu werten, die Annahme der Bestellung durch die Klägerin für sich als Käuferin gelten zu lassen. Dem steht nicht entgegen, daß die Probelieferung möglicherweise von der G. Maschinen-GmbH veranlaßt worden war. Hierdurch war keine ausreichende Klarheit darüber geschaffen worden, daß auch die spätere Bestellung sie betraf.
Nach dem zuvor Ausgeführten trägt das angefochtene Urteil nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, daß zwischen den Parteien kein Kaufvertrag über die strittige Lieferung zustande gekommen ist. Da das Urteil auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden kann, ist es auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Andererseits ist die Sache nicht entscheidungsreif und muß daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Parteien werden bei der anderweiten Verhandlung Gelegenheit haben, auf die bisher vom Berufungsgericht nicht behandelten Fragen zurückzukommen, ob die Ware mangelhaft war und ob gegebenenfalls Gewährleistungsansprüche durch die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin ausgeschlossen sind oder der Kaufpreisklage nicht entgegengehalten werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 650374 |
ZIP 1986, 366 |