Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Frage, auf welche Forderungen sich das Vermieterpfandrecht bei einem Mieterwechsel erstreckt.
2. Verstöße gegen gesetzliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (§ 1243 Abs. 1 BGB) und Ordnungsvorschriften (§ 1243 Abs. 2 BGB) bei der Pfandverwertung werden geheilt, wenn der Eigentümer des Pfandes die Handlungsweise des verkaufsberechtigten Pfandgläubigers nachträglich genehmigt. Es tritt dann die gleiche Rechtslage ein, wie sie bei ordnungsgemäßer Pfandverwertung bestehen würde.‹
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wem der Verkaufserlös zweier im April 1991 veräußerter Maschinen zusteht, der Klägerin aufgrund Sicherungseigentums oder der Beklagten aufgrund Vermieterpfandrechts.
Die O.-GmbH (im folgenden GmbH) erwarb die Maschinen Ende 1983 zum Gesamtpreis von 673.798 DM unter Eigentumsvorbehalt des Lieferanten und brachte sie in von der Beklagten am 24. Oktober 1983 angemietete Geschäftsräume in D. ein. Ihr Anwartschaftsrecht als Vorbehaltskäuferin übertrug sie am 6. Mai 1987 auf die klagende Sparkasse als Sicherheit für deren Ansprüche aus der Geschäftsverbindung. Der Restkaufpreis wurde kurze Zeit später bezahlt.
Die Beklagte kündigte das mit der GmbH bestehende Mietverhältnis zum 31. Dezember 1990 und bot zugleich eine Vertragsverlängerung an. Der Geschäftsführer v.d.H. der GmbH bat mit Schreiben vom 14. Februar 1990, den Mietvertrag mit der O.-KG (im folgenden KG) abzuschließen, die die gleichnamige GmbH mit Aktiven und Passiven übernommen habe. V.d.H. war auch alleiniger Komplementär der am 18. Juli 1989 in das Handelsregister eingetragenen KG.
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 20. Februar 1990 u.a. wie folgt:
Ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens vom 14.02.90 und bin bereit, unseren Mietvertrag auf diese Gesellschaft zu übertragen, jedoch unter der Voraussetzung, daß der bisherige Vertragspartner, nämlich die O. GmbH, weiterhin für die Einhaltung des Mietvertrages haftet. Insbesondere gilt dies für in das Mietobjekt eingebrachte Gegenstände, die der GmbH gehören, daß diese weiterhin vom Vermieterpfandrecht erfaßt bleiben.
Dies wird Ihr Verständnis finden, weil ich meine Rechtsposition durch die gesellschaftsrechtliche Veränderung nicht verschlechtern möchte.
Nachdem eine zusätzlich von der Beklagten geforderte Bankbürgschaft beigebracht worden war, kam am 18. April 1990 eine mit "5. Ergänzung zum Mietvertrag vom 24.10.1983" überschriebene Vereinbarung zustande, die den "Mietvertrag bis zum 31.12.1992" verlängerte und als Mieterin die KG ausweist.
Die Beklagte und die KG einigten sich in der Folge auf die Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. November 1990. Bis zur Räumung, die spätestens zum 31. Mai 1991 erfolgen sollte, wurde eine monatliche Nutzungsentschädigung von 12.936,46 DM vereinbart (Verträge vom 8. November und 19. Dezember 1990).
Eine beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde durch Beschluß vom 5. April 1991 mangels Masse abgelehnt.
Im April 1991 verhandelten die Parteien über eine Verwertung der Maschinen, ohne daß es zu einer einvernehmlichen Lösung kam. Ein in Aussicht genommener freihändiger Verkauf durch v.d.H. scheiterte. Am 30. April 1991 veräußerte die Beklagte ohne Benachrichtigung der Klägerin die Maschinen an eine N.-GmbH in Gründung für insgesamt 91.200 DM, wobei der Kaufpreis durch eine Anzahlung von 9.120 DM und fortlaufende Monatsraten von je 1.710 DM beglichen werden sollte.
Die Klägerin genehmigte nachfolgend diese Veräußerung und nahm die Beklagte auf Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Käuferin sowie auf Rechnungslegung über die bereits erhaltenen Beträge und Zahlung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Betrages nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte vertrat die Auffassung, daß ihr wegen erheblicher offener Forderungen aus dem Mietverhältnis (insgesamt 199.919,92 DM) der Verkaufserlös allein zustehe.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte durch Teilurteil antragsgemäß zur Abtretung und insoweit zur Rechnungslegung, als diese den über 3.746,38 DM hinausgehenden Kaufpreis betrifft. Bezüglich der 3.746,38 DM, resultierend aus mietvertraglichen Nebenkosten aus dem Jahre 1989, wies es die Klage auf Rechnungslegung ab, weil sich insoweit das Vermieterpfandrecht der Beklagten gegenüber dem Sicherungseigentum der Klägerin durchsetze.
Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgte. Die Klägerin schloß sich dem Rechtsmittel an mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von 29.313,62 DM nebst Zinsen zu verurteilen. In der Berufungsverhandlung erklärten beide Parteien den Anspruch auf Rechnungslegung für erledigt, weil die Beklagte zwischenzeitlich Auskunft dahin erteilt hatte, von der Käuferin der Maschinen die Anzahlung von 9.120 DM sowie Ratenzahlungen von insgesamt 23.940 DM erhalten zu haben. Weiterhin erklärten sich beide Parteien damit einverstanden, daß über den noch in erster Instanz anhängigen Teil der Klage vom Berufungsgericht entschieden wird.
Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und gab der Anschlußberufung der Klägerin - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - statt. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Verfahrensrechtlich begegnet es keinen Bedenken, daß das Berufungsgericht sich für befugt gehalten hat, auch über den Teil des Streitgegenstandes zu entscheiden, der nach Erlaß des landgerichtlichen Teilurteils im ersten Rechtszug anhängig geblieben war. Nach Erledigung des Rechnungslegungsanspruchs (§ 91a ZPO) haben beide Parteien ihr Einverständnis damit erklärt, daß im Hinblick auf die Anschlußberufung der Klägerin über den Zahlungsanspruch vom Berufungsgericht entschieden werde. Da § 537 ZPO keine starre Regel aufstellt, sondern den Belangen der Parteien dienen will, war es aufgrund dieses Einverständnisses zulässig, daß das Berufungsgericht die Entscheidung über den Zahlungsanspruch an sich gezogen hat (vgl. BGHZ 97, 280, 282 m.w.N.).
2. Die Klägerin erwarb im Jahre 1987 Sicherungseigentum an den Maschinen nur belastet mit dem zuvor begründeten Vermieterpfandrecht (§ 559 BGB) der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1965 - VIII ZR 302/63 - NJW 1965, 1475). Wie bereits das Landgericht zutreffend und von der Klägerin unangefochten ausgeführt hat, bestand im Zeitpunkt der Veräußerung der Maschinen am 30. April 1991 eine Verkaufsberechtigung der Beklagten aufgrund des Vermieterpfandrechts jedenfalls in Höhe einer Forderung von 3.746,38 DM, die aus von der GmbH mietvertraglich geschuldeten Nebenkosten resultierte. Allerdings hat die Beklagte die Pfandverwertung, für die gemäß § 1257 BGB die Vorschriften über rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrechte gelten, nicht im Wege öffentlicher Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB) durchgeführt und der Klägerin nicht, wie es § 1234 Abs. 1 BGB vorschreibt, den Verkauf vorher angedroht und dabei den Geldbetrag bezeichnet, wegen dessen der Verkauf stattfinden sollte. Dies ist jedoch letztlich deswegen unerheblich, weil die Klägerin den Verkauf nachträglich genehmigt hat. Nach der herrschenden Meinung im Schrifttum, der sich der Senat anschließt, hat eine solche Genehmigung ähnliche Rechtsfolgen wie etwa die vorherige Vereinbarung einer abweichenden Art des Pfandverkaufs zwischen Eigentümer und Pfandgläubiger gemäß § 1245 Abs. 1 BGB: Verstöße gegen gesetzliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (hier § 1235 BGB) und Ordnungsvorschriften (hier § 1234 Abs. 1 BGB) werden geheilt; es tritt die gleiche Rechtslage ein, wie sie bei ordnungsgemäßer Pfandveräußerung bestehen würde (vgl. MünchKomm/Damrau 2. Aufl. § 1243 Rdn. 5; BGB-RGRK/Kregel 12. Aufl. § 1244 Rdn. 8; Soergel/Mühl BGB 12. Aufl. § 1245 Rdn. 6; Staudinger/Wiegand BGB 12. Aufl. § 1245 Rdn. 9; Palandt/Bassenge BGB 54. Aufl. § 1244 Rdn. 4). Aus der Schranke des § 1245 Abs. 2 BGB ergeben sich im vorliegenden Fall keine Bedenken, da eine Verkaufsberechtigung der Beklagten, wie ausgeführt, in Höhe einer Forderung von 3.746,38 DM unstreitig gegeben war. Soweit die Revisionserwiderung den Zahlungsanspruch der Klägerin hilfsweise auf eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten gemäß § 1243 Abs. 2 i.V. mit § 1234 Abs. 1 BGB stützen will, ist einer derartigen Verpflichtung schon durch die erteilte Genehmigung die Grundlage entzogen. Die Frage, wem der den Betrag von 3.746,38 DM übersteigende Verkaufserlös zusteht, beurteilt sich wie bei einer ordnungsmäßigen Pfandverwertung nach § 1247 BGB, d.h. er gebührt der Beklagten, soweit offene Forderungen aus dem Mietverhältnis bestanden und die veräußerten Maschinen hierfür hafteten, im übrigen der Klägerin als deren Sicherungseigentümerin.
3. Wenn das im Jahre 1983 zwischen der GmbH und der Beklagten begründete Mietverhältnis durch den Vertrag vom 18. April 1990 unter Entlassung der GmbH auf die KG übertragen worden wäre, hätte sich das Vermieterpfandrecht der Beklagten an den Maschinen mangels Eigentums der neuen Mieterin auf künftig entstehende mietvertragliche Forderungen nicht erstrecken können (vgl. Staudinger/Emmerich aaO. § 559 Rdn. 15a). Davon geht das Berufungsgericht zutreffend aus. Seine Beurteilung, daß dies anzunehmen sei, hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand.
Nach den getroffenen Feststellungen wollte der in die Vertragsverhandlungen eingeschaltete Ehemann der Beklagten den Mietvertrag nur unter der Voraussetzung auf die KG übertragen, daß der bisherige Vertragspartner, die GmbH, weiter für die Einhaltung der Vertragspflichten haftet und daß insbesondere auch die Maschinen weiterhin vom Vermieterpfandrecht erfaßt bleiben. Das ist bereits in den Vorverhandlungen durch das Schreiben vom 20. Februar 1990 deutlich zum Ausdruck gekommen. Bei Vertragsschluß hatte sich daran nichts geändert; das Berufungsgericht meint lediglich, diesem Willen seien durch die dingliche Natur des Vermieterpfandrechts Grenzen gesetzt gewesen. Daß v.d.H., der sowohl die GmbH als auch die KG vertreten konnte, damit nicht einverstanden gewesen wäre, ist nicht vorgetragen und nicht festgestellt. Die danach vom beiderseitigen Vertragswillen getragene Neugestaltung des Mietverhältnisses ließ sich rechtlich dadurch verwirklichen, daß die KG durch dreiseitige Vereinbarung unter Wahrung der Identität des Vertragsverhältnisses als weitere Mieterin in dieses eintrat mit der Folge, daß für künftige mietvertragliche Forderungen der Beklagten GmbH und KG gesamtschuldnerisch hafteten (vgl. dazu BGHZ 65, 49, 54; 95, 88, 93 f; Bub/Treier/Heile Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 2. Aufl. Teil II 810). Die gesamtschuldnerische Haftung der GmbH, die trotz Aufgabe ihres Geschäftsbetriebs als Rechtsperson bis zum Sommer 1991 fortbestand, reichte aus, um auch künftig entstehende Forderungen durch das Vermieterpfandrecht an den Maschinen zu sichern.
Das Berufungsgericht hat dieses rechtliche Modell verworfen, weil die GmbH im "Rubrum" der schriftlichen Vereinbarung vom 18. April 1990 nicht aufgeführt wurde - ebenso wie in den späteren Abwicklungsvereinbarungen vom 8. November und 19. Dezember 1990 - und weil die GmbH nach Übernahme ihrer Aktiven und Passiven durch die KG keinen eigenen Geschäftsbetrieb mehr ausgeübt habe.
Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens braucht zu der Rüge der Revision, diese Auslegung beruhe auf einer unvollständigen Würdigung des Streitstoffs, insbesondere im Hinblick auf die Bezeichnung und inhaltliche Gestaltung der Vereinbarung, die wirtschaftliche Interessenlage und das Fehlen einer Entlassungserklärung bezüglich der GmbH, nicht abschließend Stellung genommen zu werden. Jedenfalls rügt die Revision weiter zu Recht die Übergehung des Beweisangebots der Beklagten in der Berufungsbegründung, wonach in das Wissen von zwei Zeugen gestellt worden ist, daß der für die GmbH und KG vertretungsbefugte v.d.H. bei der Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, eine Weiterhaftung der GmbH als Mieterin sei sichergestellt; die KG werde nur deswegen in den Vertrag einbezogen, weil sie die tatsächliche Nutzerin der Räume und der Maschinen sei. Wenn das zutrifft, kommt die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Auslegungsregel zum Zuge, daß der übereinstimmende Wille von Vertragsparteien dem Vertragswortlaut und jeder anderweitigen Interpretation vorgeht; er ist auch dann allein maßgebend, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. etwa BGHZ 71, 243, 247; Senatsurteil vom 24. Juni 1987 - IVb ZR 48/86 - BGHR BGB § 133 Wille 2; BGH, Urteil vom 17. Oktober 1988 - II ZR 37/88 - BGHR BGB § 133 Wille 5). Hat v.d.H. bei der Vertragsunterzeichnung die unter Beweis gestellten Erklärungen abgegeben, die auch dem Willen des Vertreters der Beklagten entsprachen, ist schon deswegen von einem Vertragsbeitritt der KG unter Beibehaltung der Mieterstellung der GmbH auszugehen.
4. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Zur Nachholung der gebotenen Beweisaufnahme muß die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Der Senat weist darauf hin, daß der GmbH ursprünglich zum 31. Dezember 1990 gekündigt worden ist, ohne daß bisher zureichende Anhaltspunkte für eine Zurücknahme dieser Kündigung hervorgetreten sind. Sofern im weiteren Verfahren ein Beitritt der KG wiederum verneint werden sollte, wird daher zu prüfen sein, ob jedenfalls unter jenem Gesichtspunkt eine Haftung der GmbH für bis zum Jahresende 1990 begründete Forderungen der Beklagten in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 2993322 |
BB 1995, 846 |
NJW 1995, 1350 |
BGHR BGB § 1243 Genehmigung 1 |
BGHR BGB § 559 Vertragsbeitritt 1 |
WM 1995, 993 |
ZIP 1995, 572 |
JuS 1995, 740 |
MDR 1995, 570 |