Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatz restlichen Sachschadens aus Verkehrsunfall. Naturalrestitution Vorrang vor Kompensation. Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung. Bereicherungsverbot. Integritätsinteresse des Geschädigten. Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts. Fachgerechte Eigenreparatur auf Grundlage der Sachverständigenkostenschätzung
Leitsatz (amtlich)
Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Fortführung von BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 ff. = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048).
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 14.01.2004; Aktenzeichen 12 U 92/03) |
LG Halle (Saale) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 14.1.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagten als Unfallgegner und Haftpflichtversicherer in vollem Umfang einzustehen haben.
Die für die fachgerechte und vollständige Reparatur des klägerischen Fahrzeugs erforderlichen Kosten schätzte der Kfz-Sachverständige auf 18.427,37 DM inkl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Den Wiederbeschaffungswert schätzte er auf 13.800 DM und den Restwert auf 2.500 DM. Der Kläger reparierte das Fahrzeug in Eigenregie teilweise und nutzt es weiter. Die Beklagte zu 1) erstattete vorprozessual 11.300 DM.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass ihm die geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe von 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zu erstatten seien. Er hat u.a. weitere Reparaturkosten von 3.394,98 EUR (= 6.640 DM) eingeklagt. Das LG hat der Klage zuerst in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Umfangs der durchgeführten Reparatur hat das LG dem Kläger den von der Beklagten zu 1) in Abzug gebrachten Restwert i.H.v. 1.278,23 EUR (= 2.500 DM) zugesprochen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf den Anspruch auf Ersatz weiterer Reparaturkosten zugelassen. Der Kläger verfolgt mit seinem Rechtsmittel sein Klagebegehren hinsichtlich des Reparaturkostenersatzes weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Ersatz weiterer Reparaturkosten, weil dem Kläger nach den Umständen des Falles kein Integritätszuschlag von 30 % über dem Wiederbeschaffungswert zugebilligt werden könne. Für diesen Zuschlag sei erforderlich, dass das Fahrzeug fachgerecht und vollständig repariert werde, auch wenn eine Selbstreparatur vorgenommen werden dürfe. Hinsichtlich des Reparaturbedarfs habe sich der Geschädigte an den im Schadensgutachten enthaltenen fachhandwerklichen Vorgaben zu orientieren. Bei einer nur die Fahrbereitschaft wiederherstellenden Teilreparatur komme ein schutzwürdiges Integritätsinteresse des Geschädigten nicht zum Tragen. Allerdings sei in einem solchen Fall der für die Schadensbehebung erforderliche Geldbetrag bis zum Wiederbeschaffungswert, also ohne Abzug des Restwerts, zu erstatten.
II.
Die Revision bleibt erfolglos. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Geschädigte nicht Ersatz von den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten verlangen kann, wenn er den Schaden auf der Basis eines Sachverständigengutachtens abrechnet, die Reparatur jedoch nicht im entsprechenden Umfang und fachgerecht durchführt, erweist sich als zutreffend.
1. a) Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Geschädigte, der es nach einem Sachschaden selbst in die Hand nimmt, den früheren Zustand herzustellen, berechtigt, vom Schädiger den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Der Schädiger kann ihn auf eine Entschädigung in Geld für den erlittenen Wertverlust nur dann verweisen, wenn und soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung nicht genügend ist (§ 251 Abs. 1 BGB) oder unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB). Erst die Unverhältnismäßigkeit bildet also bei möglicher Naturalrestitution die Grenze, ab welcher der Ersatzanspruch des Geschädigten sich nicht mehr auf Herstellung (Naturalrestitution), sondern allein noch auf Wertausgleich des Verlustes in der Vermögensbilanz (Kompensation) richtet. Insoweit hat Naturalrestitution Vorrang vor Kompensation (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [367] = MDR 1992, 131).
b) Bei einem Schaden an einem Kraftfahrzeug kann der Geschädigte auf zweierlei Weise Naturalrestitution erreichen: Er kann die Kosten für die Reparatur oder für die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs verlangen. Auch die letztere Art der Schadensbeseitigung ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat und woran er weiter festhält, eine Form der Naturalrestitution (BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 [397] = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [368] = MDR 1992, 131; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BHGZ 115, 375 ff. = MDR 1992, 132). Denn das Ziel der Restitution beschränkt sich nicht auf eine (Wieder)Herstellung der beschädigten Sache; es besteht in umfassenderer Weise gem. § 249 Abs. 1 BGB darin, den Zustand herzustellen, der, wirtschaftlich gesehen, der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [368] = MDR 1992, 131, m.w.N.).
aa) Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Auch dieses Wirtschaftlichkeitspostulat hat der Senat mehrfach betont (BGH Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 398/01, BGHZ 155, 1 [3]; Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 [387], BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [373] = MDR 1992, 131; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 ff. = MDR 1992, 132; BGHZ 66, 239 [248 f.]; BGHZ 63, 182 [186 f.]; BGHZ 61, 346 [349 ff.]; Urt. v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = VersR 1985, 593 [594]). Es findet seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Denn die Einbuße des Geschädigten ist, auch unter Berücksichtigung des für § 249 BGB in Frage stehenden Interesses an dem Erhalt seines Vermögens in dessen gegenständlicher Zusammensetzung, nicht größer als das, was er aufwenden muss, um sein Vermögen auch hinsichtlich des beschädigten Bestandteils in zumutbarer Weise in einen dem früheren wirtschaftlich gleichwertigen Zustand zu versetzen.
bb) Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten allerdings nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 63, 295 [300]; BGH, Urt. v. 30.5.1961 - VI ZR 139/60, VersR 1961, 707 [708]; Urt. v. 4.3.1976 - VI ZR 14/75, VersR 1976, 732 [734]). Immerhin kann dem letzteren Gesichtspunkt Bedeutung für die Beurteilung der Frage zukommen, ob der Geschädigte den Aufwand in vernünftigen Grenzen gehalten hat (BGH, Urt. v. 20.6.1972 - VI ZR 61/71, VersR 1972, 1024 f.; Urt. v. 2.3.1982 - VI ZR 35/80, MDR 1982, 839 = VersR 1982, 548 [549]). Denn nur diejenigen Aufwendungen sind ihm nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger abzunehmen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 [378] = MDR 1992, 132; Urt. v. 2.3.1982 - VI ZR 35/80, MDR 1982, 839 = VersR 1982, 548 [549]; Urt. v. 20.6.1989 - VI ZR 334/88, MDR 1990, 41 = VersR 1989, 1056 f., m.w.N.). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte sich in diesem Rahmen gehalten hat, ist Rücksicht auf seine spezielle Situation, also insb. auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen; denn § 249 Abs. 2 S. 1 BGB stellt auf eine Restitution in Eigenregie des Geschädigten ab. Die Schadensersatzpflicht besteht aber von vornherein nur insoweit, als sich die Aufwendungen im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft halten (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 [378] = MDR 1992, 132; Urt. v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = VersR 1985, 593 [594]).
cc) Das Wahlrecht des Geschädigten findet seine Schranke außerdem an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll er an dem Schadensfall nicht "verdienen" (BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 [398] = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [368] = MDR 1992, 131; Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 [378] = MDR 1992, 132, jeweils m.w.N.; Urt. v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = VersR 1985, 593 [594]; Urt. v. 21.1.1992 - VI ZR 142/91, MDR 1992, 851 = VersR 1992, 457 [458]; Urt. v. 17.3.1992 - VI ZR 226/91, MDR 1993, 313 = VersR 1992, 710 [711]).
c) In den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Verbot der Bereicherung durch Schadensersatz gezogenen Grenzen ist der Geschädigte grundsätzlich frei in der Wahl und in der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung (BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 [397 f.] = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048; Urt. v. 20.6.1989 - VI ZR 334/88, MDR 1990, 41 = VersR 1989, 1056 f., m.w.N.; Weber, VersR 1990, 934 [938 ff.]; Steffen, NZV 1991, 1 [2]; Steffen, NJW 1995, 2057 [2059 f.]). Er ist weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren noch es zur Reparatur in eine Kundendienstwerkstatt zu geben, deren Preise i.d.R. Grundlage der Kostenschätzung sind. Es bleibt vielmehr ihm überlassen, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug wieder instand setzt (BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 398/01, BGHZ 155, 1 [3]; Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 [398] = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048; BGHZ 54, 82 [86]; Urt. v. 17.3.1992 - VI ZR 226/91, MDR 1993, 313 = VersR 1992, 710; Urt. v. 20.6.1989 - VI ZR 334/88, MDR 1990, 41 = VersR 1989, 1056 f., m.w.N.).
2. Mit diesen schadensrechtlichen Grundsätzen ist es vereinbar, dass dem Geschädigten, der sich zu einer Reparatur entschließt und diese auch nachweislich durchführt, Kosten der Instandsetzung zuerkannt werden, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30 % übersteigen (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [371] = MDR 1992, 131). Denn bei der Entscheidung, ob und ggf. welchen Aufwand der Geschädigte für die Reparatur seines Fahrzeugs ersetzt verlangen kann, ist zum einen die Verhältnismäßigkeit des Reparaturaufwands zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [367] = MDR 1992, 131); zum anderen ist auch zu bedenken, dass nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs regelmäßig sein Integritätsinteresse zu befriedigen vermag (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [371] = MDR 1992, 131; Urt. v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, MDR 1999, 293 = VersR 1999, 245 f.; Urt. v. 17.3.1992 - VI ZR 226/91, MDR 1993, 313 = VersR 1992, 710; OLG Hamm v. 29.4.1991 - 13 U 193/90, NZV 1991, 351 [352] = DAR 1991, 333 [334]; Medicus, Jus 1973, 211 [212]; Weber, DAR 1991, 11).
a) In diesem Zusammenhang weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass sich das Integritätsinteresse des Geschädigten nicht nur in dem Wunsch auf reine Herstellung der Mobilität mit einem gleichwertigen Pkw erschöpft. Ihm liegen durchaus wirtschaftliche Gesichtspunkte zu Grunde (BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 [371] = MDR 1992, 131, mit Anm. von Lipp, NZV 1992, 70 ff.; Urt. v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, MDR 1999, 293 = VersR 1999, 245 f.; Urt. v. 17.3.1992 - VI ZR 226/91, MDR 1993, 313 = VersR 1992, 710; Urt. v. 18.6.1985 - VI ZR 168/84, VersR 1985, 865 [866]; Urt. v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = VersR 1985, 593 [594]). Selbst wenn bei voller Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs "neu für alt" insb. bei älteren Fahrzeugen die Reparaturkosten die Kosten der Wiederbeschaffung in aller Regel deutlich übersteigen, ist eine Abrechnung von Reparaturkosten in solchen Fällen nicht generell ausgeschlossen. Denn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs weiß, wie dieses ein- und weitergefahren, gewartet und sonst behandelt worden ist, ob und welche Mängel dabei aufgetreten und auf welche Weise sie behoben worden sind. Demgegenüber sind dem Käufer eines Gebrauchtwagens diese Umstände, die dem Fahrzeug ein individuelles Gepräge geben (Jordan, VersR 1978, 688 [691]), zumeist unbekannt. Dass ihnen ein wirtschaftlicher Wert zukommt, zeigt sich auch darin, dass bei dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs aus "erster Hand" regelmäßig ein höherer Preis gezahlt wird (BGH, Urt. v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, MDR 1999, 293 = VersR 1999, 245 f.). Hierbei handelt es sich somit keineswegs um immaterielle Erwägungen, wie etwa die Anerkennung einer "eigentlich unsinnigen emotionalen Bindung des Geschädigten an einen technischen Gegenstand" (Freundorfer, VersR 1992, 1332 [1333]). Ein derartiges Affektionsinteresse könnte schadensrechtlich keine Anerkennung finden.
b) Sind es mithin die dargelegten wirtschaftlichen Aspekte, die den Zuschlag von bis zu 30 % zum Wiederbeschaffungswert aus schadensrechtlicher Sicht gerechtfertigt erscheinen lassen, sind diese auch von Bedeutung für die bisher vom Senat nicht ausdrücklich entschiedene Frage, welche Qualität und welchen Umfang die Reparatur haben muss, um im Rahmen des Schadensersatzes diesen Zuschlag zu rechtfertigen.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision können Umfang und Qualität der Reparatur nicht schon deshalb außer Betracht bleiben, weil der Geschädigte sein Fahrzeug selbst instand setzen darf, also nicht in einer anerkannten Fachwerkstatt reparieren lassen muss. Insoweit ist nicht maßgebend, ob dem Geschädigten der entsprechende finanzielle Aufwand tatsächlich entstanden ist. Auch eine Eigenreparatur kann eine Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts rechtfertigen, wenn der Geschädigte mit ihr sein Integritätsinteresse bekundet hat. Das aber ist nur dann der Fall, wenn er durch eine fachgerechte Reparatur zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzen will. Nur unter diesen Umständen hat der Schädiger Reparaturkostenersatz bis zur Grenze von 130 % des Wiederbeschaffungswerts zu leisten.
bb) Setzt jedoch der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht instand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unverhältnismäßig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Kraftfahrzeugs auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (BGH, Urt. v. 20.6.1972 - VI ZR 61/71, VersR 1972, 1024 f.; Urt. v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = VersR 1985, 593 [594]; Lipp, NJW 1990, 104 [105]; Medicus, Jus 1973, 211 [212]). Stellt der Geschädigte lediglich die Fahrbereitschaft, nicht aber den früheren Zustand des Fahrzeugs wieder her, so beweist er dadurch zwar ein Interesse an der Mobilität durch sein Fahrzeug, das jedoch in vergleichbarer Weise auch durch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte. Der für die Zubilligung der "Integritätsspitze" von 30 % ausschlaggebende weitere Gesichtspunkt, dass der Geschädigte besonderen Wert auf das ihm vertraute Fahrzeug lege (BGH, Urt. v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, MDR 1999, 293 = VersR 1999, 245 f.), verliert bei einer unvollständigen und vor allem nicht fachgerechten Reparatur eines total beschädigten Fahrzeugs in entscheidendem Maß an Bedeutung.
cc) Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt. Nur zu diesem Zweck wird die "Opfergrenze" des Schädigers erhöht. Anderenfalls wäre ein solcher erhöhter Schadensausgleich verfehlt. Er hätte eine ungerechtfertigte Aufblähung der Ersatzleistungen zur Folge, führte zu einer vom Zweck des Schadensausgleichs nicht gebotenen Belastung des Schädigers und jedenfalls in dem über den Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Betrag zur Bereicherung des Geschädigten.
c) Dem entspricht die Auffassung des Berufungsgerichts, die von anderen OLG und im Schrifttum geteilt wird (OLG Hamm NZV 2002, 272; OLG Dresden NZV 2001, 346; OLG Schleswig v. 14.5.1997 - 9 U 95/96, OLGReport Schleswig 1997, 274 = VersR 1999, 202; OLG Saarbrücken v. 4.6.1998 - 3 U 752/97, MDR 1998, 1346; OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 1998, 390; OLG Jena v. 10.9.1997 - 4 U 210/97 (23), OLGReport Jena 1998, 15; OLG Karlsruhe ZfS 1997, 53; OLG Koblenz v. 6.3.1995 - 12 U 671/94, NZV 1995, 355; Eggert, DAR 2001, 20 [21 f.]; Luckey, VersR 2004, 1525 f.). Ihr folgt auch der erk. Senat. Danach kann Ersatz von Reparaturkosten bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs dann verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
d) Im Streitfall hat der Geschädigte nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts das Fahrzeug weder vollständig noch fachgerecht repariert. Es sind Restunfallschäden vorhanden, die nur in einer Fachwerkstatt unter Einsatz einer Richtbank zu beheben wären. Insbesondere am Längsträger und am Radeinbau vorne rechts sowie an den Verbindungsstellen zum Frontblech befinden sich noch unfallbedingte Beschädigungen, deren Beseitigung einen Kostenaufwand von 3000 EUR erfordern würde. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich hierbei nicht um unmaßgebliche Restarbeiten. Da der Kläger sie nicht vorgenommen hat, hat er auch keinen Anspruch auf Ersatz von den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten. Die Beklagte zu 1) hat bereits Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs geleistet. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht weiteren Reparaturkostenersatz versagt.
e) Ob - wie das Berufungsgericht meint - ein Abzug des Restwerts nicht geboten war, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da die Beklagte zu 1) an den Kläger Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des Pkw ohne Berücksichtigung des Restwerts gezahlt hat (vgl. zum Abzug des Restwerts BGH, Urt. v. 15.2.2005 - VI ZR 172/04).
3. Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1331371 |
BGHZ 2005, 161 |
NJW 2005, 1108 |
BGHR 2005, 698 |
ZIP 2005, 663 |
DAR 2005, 266 |
MDR 2005, 748 |
NJ 2005, 273 |
VRS 2005, 326 |
ZfS 2005, 382 |
NJW-Spezial 2005, 160 |
RdW 2005, 275 |
SVR 2005, 228 |
ZGS 2005, 234 |
r+s 2005, 172 |
DS 2006, 193 |