Leitsatz (amtlich)
a) Gegen den Inhaber einer wasserrechtlichen Bewilligung kann der betroffene Dritte nach § 11 Abs. 1 WHG auch dann keinen Anspruch auf Unterlassung geltend machen, wenn nachteilige Wirkungen der bewilligten Gewässerbenutzung bei Erteilung der Bewilligung nicht voraussehbar waren. Dasselbe kann für vom Wasserhaushaltsgesetz aufrechterhaltene alte Wasserrechte gelten (hier: nach gemeinem Recht und nach preußischem Wasserrecht verliehene Staurechte).
b) Die Änderung des Zwecks einer Gewässerbenutzung (hier: Umwandlung einer früheren Wassermühle in ein Kleinstwasserkraftwerk) ist von einem nach dem Preußischen Wassergesetz verliehenen oder aufrechterhaltenen Staurecht nicht mehr gedeckt, wenn die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse oder Belange Dritter dadurch in wesentlichem Umfang nachteilig beeinflußt werden.
Normenkette
WHG §§ 11, 15; NdsWassG § 16; NdsWassG § 32; PrWassG §§ 46, 82, 379
Verfahrensgang
LG Osnabrück |
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 8. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der klagende Anglerverein ist Fischereipächter an einem Teil der Hase, zu dem auch der Flußlauf im Stadtgebiet von O. gehört. Dort liegt eine historische Wassermühle, die sogenannte „Neue Mühle”. Für sie sind im Wasserbuch für die Hase zugunsten der Stadt O. als Grundstückseigentümerin zwei unbefristete Staurechte eingetragen. Das erste Recht beruht auf einem zwischen der Stadt und der Königlichen Domänenkammer zu Hannover am 16. April 1850 abgeschlossenen Kaufvertrag und gewährt die Befugnis, das Wasser der Hase durch eine Stau- und Wehranlage bis zu einer bestimmten Höhe zu heben und es zu senken. Durch Verleihungsurkunde des Bezirksausschusses zu O. vom 11. Februar 1930 wurde der Stadt ferner gestattet, das angestaute Wasser anstelle der früheren Wasserräder mittels einer Turbine zu benutzen.
Der Beklagte erwarb gemäß Vertrag vom 11. März 1993 von der Stadt O. ein Erbbaurecht an den Mühlengrundstücken. Mit „öffentlich-rechtlichem Vertrag” vom 6./19. April 1993 überließ ihm die Stadt außerdem die Ausnutzung und Benutzung der Wasserkraft der Hase zum Zwecke der Stromerzeugung. In § 3 dieses Vertrags verpflichtete sich der Erbbauberechtigte, auf seine Kosten eine Sohlgleite zum stadtseitig noch zu erstellenden Fischdurchlaß einzubauen.
Seit dem März 1999 betreibt der Beklagte in der Mühle nach dem Einbau einer neuen Kaplanturbine mit einer Leistung von 40 kW ein Wasserkraftwerk und speist den gewonnenen Strom in das Netz der Stadtwerke O. ein. Eine Sohlgleite oder eine andere Fischaufstiegsanlage hat er bisher nicht errichtet.
Mit der Behauptung, durch die Schaufelräder der Turbine würden trotz des vorhandenen Einlaufrechens in erheblichem Umfang Fische verletzt und getötet („gehäckselt”), hat der Kläger den Beklagten auf Unterlassung des Turbinenbetriebs zum Zwecke der Stromerzeugung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage bedingt – solange keine Sohlgleite eingebaut sei, über die die Fische die Wasserturbine umgehen könnten – stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß auch der Einbau einer entsprechenden anderen Vorrichtung wie einer Fischtreppe die Unterlassungspflicht entfallen lasse. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht bejaht, sachverständig beraten, einen Unterlassungsanspruch des Klägers analog § 1004 Abs. 1 BGB. Das dem Kläger zustehende Fischereiausübungsrecht sei als absolutes Recht geschützt und werde im Streitfall durch den Betrieb der Wasserturbine ohne einen zusätzlichen Fischdurchlaß beeinträchtigt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei bei flußabwärts wandernden Aalen mit einer Schädigungsquote zwischen 25 % und 50 % und bei anderen Fischen (Barschen und Plötzen) von ca. 3 % bis 5 % zu rechnen. Ohne den Einbau einer Sohlgleite oder einer entsprechenden Vorrichtung wie einer Fischtreppe sei dieser Eingriff rechtswidrig. Zwar verfüge die Stadt O., wie die Eintragungen im Wasserbuch zeigten, über alte wasserrechtliche Bewilligungen. Diese berechtigten den Beklagten aber nicht, die Wasserturbine ohne einen Fischdurchlaß zu betreiben, wobei dahinstehen könne, ob er hierfür einer neuen wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe. Denn das Fischereiausübungsrecht sei gegenüber der Benutzung des Gewässers aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung auch dann geschützt, wenn nachträglich Nachteile aufträten, die in dem einer Bewilligung vorhergehenden förmlichen Verfahren nicht vorhersehbar gewesen seien und durch Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden könnten. So liege es hier. Die Bewilligung der Gewässernutzung im Jahre 1930 habe nach ihrem Inhalt eine Wasserturbine zum Betrieb einer Wassermühle betroffen. Die Gefahren, die durch die jetzt vom Beklagten verwendete, technisch völlig andersartige Wasserturbine zur Erzeugung von Strom für den Fischbestand ausgingen, seien seinerzeit nicht vorhersehbar gewesen. Sie könnten allerdings durch den Einbau einer Fischtreppe oder Sohlgleite wesentlich eingeschränkt werden.
Hinzu komme, daß der Beklagte in dem mit der Stadt O. abgeschlossenen Vertrag vom 6./19. April 1993 die Verpflichtung übernommen habe, die Entnahme von Wasser zur Speisung einer Fischtreppe zu dulden und auf seine Kosten eine Sohlgleite zum stadtseitig noch zu erstellenden Fischdurchlaß einzubauen. In den Schutzbereich dieses Vertrags sei auch der Kläger als Fischereiausübungsberechtigter eingebunden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Unterlassung des Turbinenbetriebs in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB nicht.
1. Zutreffend geht allerdings das Berufungsgericht davon aus, daß das dem Kläger im Pachtvertrag eingeräumte Fischereiausübungsrecht (§§ 1, 11 NdsFischG) wegen des damit verbundenen ausschließlichen Aneignungsrechts durch § 1004 BGB geschützt ist (vgl. dazu BGHZ 49, 231, 234 f.; 50, 73, 74; Senatsurteil vom 21./22. Juli 1969 – III ZR 215/66 – VersR 1969, 928, 929; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. Rn. 759). In dieses Recht greift der Beklagte mit dem Betrieb der Turbine ein, da dieser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ständig in nicht unerheblichem Umfang zu Verletzungen oder zum Tod der hineingeratenen Fische führt. Die dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger indes aufgrund der für die Stadt O. eingetragenen alten Wasserrechte zur Duldung dieser Beeinträchtigungen verpflichtet sein (§ 1004 Abs. 2 BGB).
a) Die beiden im Wasserbuch für die Hase zugunsten der Stadt eingetragenen Staurechte von 1850 und 1930 sind, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend annimmt, wirksam begründet und durch die Überleitungsbestimmungen der §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, 32 Abs. 1 Nr. 3 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) aufrechterhalten worden. Für das 1850 im damaligen Königreich Hannover (ehemals Fürstentum Osnabrück) der Stadt eingeräumte Mühlenrecht galt – neben dem hannoverschen Gesetz über Entwässerung und Bewässerung der Grundstücke sowie über Stauanlagen vom 22. August 1847 (GS I Abt. S. 263) – gemeines Recht (Linckelmann/Wiedemann, Das hannoversche Privatrecht, 2. Aufl., S. 10, 15, 105). Mühlenrechte zählten im allgemeinen zu den Regalien. Die deswegen erforderliche obrigkeitliche Verleihung (concessio; s. BGHZ 16, 234, 238) konnte auch im Rahmen eines privatrechtlichen Kaufvertrags – hier mit der Königlichen Domänenkammer – erfolgen (OVG Münster OVGE 32, 237, 238 ff.; LG Hildesheim NdsRpfl 1965, 275, 276; Heimbach in Weiske, Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten, Stichwort „Wasserrecht”, 14. Band 1860 S. 147; s. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1961 – V ZR 19/60 – MDR 1961, 924). Als auf einem besonderen Titel beruhend (OVG Münster aaO S. 242; LG Hildesheim aaO) blieb dieses Staurecht nach dem Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes vom 7. April 1913 (PrWG) gemäß dessen § 379 Abs. 1 Nr. 1 bestehen, was auch durch die Eintragung im alten Wasserbuch für die Hase im Jahre 1921 bestätigt wird. Das zweite, ergänzende Staurecht von 1930 beruht hingegen auf einer Verleihung nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Nr. 3, 91 PrWG. Für derartige, nach dem Preußischen Wassergesetz erteilte oder in einem von diesem geordneten Verfahren aufrechterhaltene Benutzungsrechte ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 NWG eine neue wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung aufgrund der §§ 7 und 8 WHG nicht erforderlich, vorausgesetzt, daß am 1. März 1960 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden waren. Letzteres hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, es ergibt sich jedoch aus dem Sachvortrag der Parteien. Ob darüber hinaus zu fordern ist, daß bei der Erteilung oder Aufrechterhaltung alter Benutzungsrechte eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hatte (so BVerwGE 37, 103, 105 ff.; BVerwG ZfW 1972, 165, 166 f.; ZfW 1975, 92, 93), hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen (Senatsurteil BGHZ 69, 1, 5; kritisch Czychowski, WHG, 7. Aufl., § 15 Rn. 4; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, AbwAG, § 15 WHG Rn. 5 a). Die Frage ist auch hier nicht zu entscheiden. Denn eine derartige Prüfung hat im Streitfall jedenfalls vor der Verleihung des ergänzenden Staurechts im Jahre 1930 stattgefunden.
b) Es besteht kein Anhalt dafür, daß diese beiden Benutzungsrechte nachträglich entfallen sein oder aus anderen Gründen heute nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Sie wurden unbefristet erteilt. Der Umstand, daß die Stadt O. nach dem Vortrag des Klägers die Stauanlage jahrzehntelang nicht mehr betrieben hat, hätte allenfalls die Wasserbehörde gemäß §§ 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 WHG, 33 Satz 2 Nr. 1 NWG zum Widerruf der Verleihung berechtigt (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1978 – III ZR 151/76 – LM § 15 WHG Nr. 5 = ZfW 1979, 159, 162; BVerwG NVwZ 1994, 783). Ein Widerruf ist jedoch nicht erfolgt. Angesichts dieser als abschließend zu verstehenden öffentlich-rechtlichen Regelung ist für eine zusätzliche Anwendung privatrechtlicher Grundsätze über die Verwirkung von Rechten, auf die der Kläger sich beruft, kein Raum.
c) Zur Ausübung der für die Stadt O. eingetragenen Staurechte ist nunmehr der Beklagte befugt. Ob sich dies daraus ergibt, daß ihm die Stadt die Benutzung der Wasserkraft durch den als „öffentlich-rechtlich” bezeichneten Vertrag vom 6./19. April 1993 ausdrücklich überlassen hat oder ob die Wasserrechte mit der Übernahme der Mühle durch den Beklagten gemäß § 81 Abs. 1 PrWG kraft Gesetzes auf ihn übergegangen sind, ist dafür ohne Belang.
d) Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, ob auch der Betrieb der Wasserturbine zum Zwecke der Stromerzeugung von den aufrechterhaltenen Mühlenrechten gedeckt ist. Es meint, bei nachträglich auftretenden und im Bewilligungsverfahren nicht vorhersehbaren Nachteilen müsse sich jedenfalls das Fischereiausübungsrecht des Klägers gegenüber der Gewässerbenutzung aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung durchsetzen. Diese Auffassung ist unzutreffend und findet auch in der vom Oberlandesgericht angeführten Kommentierung bei Tesmer/Messal (NdsFischG, § 1 Anm. 9 a) keine Stütze.
aa) Zunächst begegnet es schon erheblichen Bedenken, diese Frage mit dem Berufungsgericht nach dem gegenwärtig geltenden Wasserrecht zu entscheiden. Inhalt und Umfang fortbestehender alter Benutzungsrechte bestimmen sich, wenn sie auf einem besonderen Titel beruhen, nach diesem, sonst nach den bisherigen Gesetzen (§ 36 Abs. 1 NWG; vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 394, 400; Czychowski, § 15 Rn. 12 a). Das legt es nahe, auch Kollisionen mit anderen subjektiven Rechten nicht auf der Grundlage des heutigen Rechtszustands, sondern entsprechend dem für die Begründung solcher Rechte maßgebenden früheren Recht zu beurteilen (so BayObLGZ 1962, 421, 430; Czychowski, § 15 Rn. 12 c und 12 d; Sieder/Zeitler/Dahme, § 15 Rn. 23; hiervon geht auch das Senatsurteil vom 29. April 1976 – III ZR 89/73 – LM PreußWasserG Nr. 20 stillschweigend aus). Letztlich mag dies jedoch offenbleiben, da in jeder Alternative bei berechtigter Benutzung ein Unterlassungsanspruch des Klägers ausgeschlossen ist.
bb) Der Verleihung eines Benutzungsrechts nach früherem preußischem Wasserrecht vergleichbar ist heute die wasserrechtliche Bewilligung (§§ 8 WHG, 13 NWG). Wegen nachteiliger Wirkungen einer bewilligten Benutzung könnte indes gemäß §§ 11 WHG, 16 Abs. 1 NWG der Betroffene – dazu gehört auch ein Fischereiberechtigter (Czychowski, § 8 Rn. 49 m.w.N.; Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 13 Rn. 8) – keine Ansprüche geltend machen, die auf Unterlassung der Benutzung gerichtet sind; insofern wirkt die Bewilligung – anders als die einfache Erlaubnis (Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – III ZR 61/93 – NVwZ 1996, 821, 823) – privatrechtsgestaltend (Senatsurteile BGHZ 88, 34, 40; 92, 114, 116 f.; 99, 256, 259; Czychowski, § 11 Rn. 1). Das gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch dann, wenn solche Nachteile im Bewilligungsverfahren nicht voraussehbar waren. In diesem Fall ist der Betroffene darauf verwiesen, nachträglich Auflagen oder Entschädigung zu verlangen (§ 10 Abs. 2 WHG), er muß die Beeinträchtigungen jedoch weiter dulden. Nur auf Ersatz solcher Schäden bezieht sich auch die vom Berufungsgericht zu Unrecht verallgemeinerte Bemerkung in dem Kommentar von Tesmer/Messal (aaO). Darum geht es hier indes nicht. Nach heutigem Recht ist demnach ein Unterlassungsanspruch des Klägers zu verneinen, wenn und soweit sich der Beklagte – wie das Berufungsgericht unterstellt – im Rahmen der bewilligten Benutzung hält.
cc) Daß der Kläger sich gleichwohl der Stadt gegenüber vertraglich zum Einbau einer Sohlgleite als Teil eines Fischdurchlasses verpflichtet hat, womit sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang – offenbar hilfsweise – befaßt, vermag einen Unterlassungsanspruch nicht zu begründen. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß die Vertragsparteien dem Kläger auch Ansprüche aufUnterlassung des Turbinenbetriebs einräumen wollten, solange ein Fischdurchlaß und eine Sohlgleite nicht vorhanden waren, selbst wenn die vertraglichen Verpflichtungen aufHerstellung der Sohlgleite nach der Auslegung des Berufungsgerichts auch zugunsten des Klägers wirken sollten. Ein etwaiger Herstellungsanspruch des Klägers ist nicht Gegenstand der Unterlassungsklage
dd) Nicht anders läge es bei Anwendung des für das verliehene Recht zur Turbinenbenutzung ursprünglich maßgebenden Preußischen Wassergesetzes, dessen § 82 Abs. 1 inhaltlich den heutigen §§ 11 und 10 Abs. 2 WHG entspricht (vgl. Holtz/Kreutz/Schlegelberger, PrWG, 4. Aufl., § 82 Anm. 1, 3 f.; Czychowski, § 11 Rn. 1; s. im übrigen zum Vorrang eines regalen Mühlenrechts Heimbach in Weiske aaO S. 198, 201).
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil nach alledem nicht bestehenbleiben.
III.
Die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung des Turbinenbetriebs wäre dennoch im Ergebnis zu bestätigen, wenn entgegen der Unterstellung des Berufungsgerichts die dem Beklagten zustehenden oder von ihm ausgeübten alten Mühlenrechte eine Verwendung der Stau- und Wehranlage zur Stromerzeugung aus Rechtsgründen nicht umfaßten, eine über die bloße Anpassung an neue technische Entwicklungen und Modernisierung (zu ihrer Zulässigkeit statt aller Czychowski, § 7 Rn. 33, § 15 Rn. 12 a) hinausgehende Umwandlung der ursprünglichen Wassermühle in ein Wasserkraftwerk mithin ohne erneute wasserrechtliche Bewilligung oder Erlaubnis unzulässig wäre. Ungeachtet dessen, daß unter solchen Umständen auch die Wasserbehörde zum Einschreiten befugt wäre, würde der Beklagte dann aus dem Blickwinkel des Privatrechts zugleich ohne rechtfertigenden Grund in das Fischereiausübungsrecht des Klägers eingreifen. Auf der Grundlage des für die Revisionsinstanz maßgebenden Sachverhalts läßt sich diese Entscheidung indes nicht treffen, hierzu bedarf es vielmehr weiterer tatrichterlicher Aufklärung.
1. Wasserrechtliche Benutzungsrechte wurden nach preußischem Recht, ähnlich wie heute die Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), nur für ein näher bezeichnetes Unternehmen verliehen, dem ein bestimmter Plan zugrunde lag (§§ 48, 72 Nr. 1 PrWG). Maßgebend für Inhalt und Umfang des verliehenen Rechts ist daher auch der Unternehmenszweck (vgl. PrOVG ZAgruWR 13, 142, 144 f.; Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Vorbem. zu § 48, §48 Anm. 1, § 72 Anm. 2). Eine wesentliche Änderung dieses Zwecks würde deswegen die Staurechte überschreiten und eine neue Genehmigung bedingen. Das gilt im Streitfall unmittelbar für das der Stadt O. im Jahre 1930 eingeräumte zweite Staurecht, kann aber für das ebenfalls zu einem bestimmten Unternehmenszweck verliehene regale Mühlenrecht von 1850 nicht anders gelten (vgl. Heimbach in Weiske aaO S. 146 f.; differenzierend Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Vorbem. D zu § 42).
2. Wesentlich in diesem Sinne sind indessen Zweckänderungen regelmäßig nur dann, wenn sie sich auch wasserwirtschaftlich auswirken, insbesondere das Gewässer stärker beanspruchen, oder wenn sie Dritte in höherem Maße belasten. Das entspricht der überwiegenden Meinung und war insbesondere ständige Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (PrOVGE 83, 245, 247 ff. = ZAgruWR 13, 142, 144; ZAgruWR 15, 31, 34 f.; 20, 15, 17; 21, 207, 210; ebenso OLG Celle NJW 1966, 1758, 1759; OVG Lüneburg RdL 1972, 276; für Grunddienstbarkeiten Holtz/Kreutz/Schlegelberger, § 379 Anm. 6 d S. 587; wohl auch Sieder/Zeitler, § 2 WHG Rn. 9; a.A. Czychowski, § 7 Rn. 34, § 15 Rn. 12 a; Thieme, RdL 1986, 141, 142 f.; s. auch VGH Baden-Württemberg ZfW 1982, 358, 361; OVG Münster OVGE 31, 132, 137 f.). Jedenfalls für die hier in Rede stehenden alten Benutzungsrechte schließt sich der Senat der überwiegenden Auffassung an. Daß nicht jede Änderung des Benutzungszwecks nach den Vorstellungen des Gesetzgebers schon die Grenzen der genehmigten Nutzung überschreitet, ergibt sich für den heutigen Rechtszustand bereits aus den unterschiedlichen Regelungen in den §§ 12 Abs. 2 und 15 Abs. 4 WHG über den Widerruf einer Bewilligung und eines alten Benutzungsrechts bei Zweckänderung (§§ 12 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG) oder bei unzulässig ausgedehnter Benutzung (§§ 12 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 WHG). Für eine erneute behördliche Überprüfung der Gewässerbenutzung gibt es – nach altem wie nach neuem Recht – keinen hinreichenden Grund, falls nicht durch die Nutzungsänderung Umstände berührt werden, die bei der Erteilung der Genehmigung zu beachten waren und auch jetzt zu beachten sind. Hierzu gehören aber – als Bestandteil des allgemeinen Wohls (§§ 49 PrWG, 6 WHG) sowie nach den Vorschriften der §§ 41 PrWG, 8 Abs. 3 und 4 WHG – in erster Linie die genannten Gesichtspunkte (vgl. hierzu BVerwGE 55, 220, 229 ff.; 81, 347, 348 ff.; Czychowski, § 6 Rn. 15, 21 ff., § 8 Rn. 40 ff.). Sind indes zur Ausübung eines alten Rechts bereits rechtmäßige Anlagen vorhanden, so verbieten es der Vertrauensschutz und das eigentumsrechtlich geschützte Bestandsinteresse des Unternehmers, deren weitere wirtschaftliche Nutzung, die vielfach nur mit einer Zweckänderung rentabel sein wird, ohne schwerwiegende Gründe zu unterbinden und unterschiedslos von einer erneuten wasserrechtlichen Gestattung abhängig zu machen. Die vom Wasserhaushaltsgesetz und den neuen Landeswassergesetzen geschaffenen Ordnungsprinzipien, auf die Thieme (aaO) für seine gegenteilige Ansicht verweist, treten bei alten Rechten aus dem Gedanken der Rechtssicherheit zurück (dazu Czychowski, Vorbem. Rn. 1 vor §§ 15-17).
3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Der Wechsel des Unternehmenszwecks vom Antrieb einer Mühle zu der Erzeugung von Strom für eine Einspeisung in das öffentliche Netz erscheint für sich betrachtet von den Staurechten gedeckt. Auch die dafür notwendige Verwendung einer Turbine anstelle der früheren Wasserräder ist der Stadt (und dem Beklagten) mit der Verleihung von 1930 ausdrücklich gestattet. Sie umfaßt auch den Einbau einer moderneren leistungsfähigeren Turbine. Es kommt deshalb darauf an, ob der Wasserlauf durch die jetzige Kraftwerksanlage insgesamt stärker belastet wird als durch den alten Mühlenbetrieb, etwa deshalb, weil das Staurecht, wie der Kläger behauptet hat, früher nur zeitweise ausgeübt werden mußte und ausgeübt worden ist, während nunmehr dauernd gestaut wird (vgl. Holtz/Kreutz/Schlegelberger, § 42 Vorbem D. S. 289 f., § 379 Anm. 6 d S. 587). Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen; für die Revisionsinstanz ist somit davon auszugehen, daß Veränderungen dieser Art nicht eingetreten oder nur geringfügig sind. Von Bedeutung können darüber hinaus Verschlechterungen für Dritte, insbesondere für die Fischereiberechtigten sein. Solche Nachteile hat das Berufungsgericht zwar angenommen, wenn es bemerkt, die vom Betrieb der neuen, „technisch völlig andersartigen” Wasserturbine zur Erzeugung von Strom für den Fischbestand ausgehenden Gefahren seien im Jahre 1930 noch nicht vorhersehbar gewesen. Mit Recht rügt die Revision diese tatsächliche Feststellung jedoch als verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO). Sie läßt sich weder auf unstreitiges Parteivorbringen oder das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten stützen noch hat das Berufungsgericht entsprechende eigene Sachkunde dargelegt. Eine nähere Begründung für die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte technisch wesentliche Änderung und nachteilige Entwicklung wäre, worauf die Revision ebenfalls zutreffend hinweist, nicht zuletzt deshalb erforderlich gewesen, weil Wasserturbinen der jetzt vom Beklagten verwendeten Bauart (Kaplanturbine) bereits seit 1919 verwendet werden und es infolgedessen jedenfalls nicht auf der Hand liegt, daß sich das mit dem zugelassenen Betrieb einer Wasserturbine (dieser oder anderer Bauart) verbundene Gefahrenpotential für den Fischbestand seit 1930 signifikant erhöht hat. Dabei ist noch zusätzlich zu berücksichtigen, daß die derzeit eingebaute Turbine nach dem für die Revision als richtig zu unterstellenden Vorbringen des Beklagten im Gegensatz zu früheren Konstruktionen einen verletzungsminimierenden Doppelkugelmantel aufweist.
IV.
Entgegen der Meinung der Revision ist der Rechtsstreit allerdings auch nicht im Sinne einer Klageabweisung zur Entscheidung reif. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein Abwehranspruch, der die Einstellung eines Betriebs oder einer Anlage zur Folge hätte, ausgeschlossen sein, wenn die störenden Einwirkungen der Erfüllung von Aufgaben dienen, die im Allgemeininteresse liegen und von öffentlichen Trägern oder von unmittelbar dem öffentlichen Interesse verpflichteten gemeinwichtigen Einrichtungen ausgehen (Urteil vom 7. April 2000 – V ZR 39/99 – NJW 2000, 2901, 2902 m.w.N., für BGHZ 144, 200 bestimmt; ebenso für das Wasserrecht Sieder/Zeitler/Dahme, § 15 WHG Rn. 23). Hierzu gehören indes privat betriebene Kleinstkraftwerksanlagen trotz ihrer Förderung durch die öffentliche Hand nicht, mindestens aber wären bei Wasserkraftwerken die oben behandelten differenzierten Regeln des Wasserrechts allein maßgebend. Daran hat auch das von der Revision für ihre abweichende Auffassung herangezogene neuere Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien vom 29. März 2000 (BGBl. I S. 305), das sich lediglich mit einer Abnahme- und Vergütungspflicht für Netzbetreiber befaßt, nichts geändert.
V.
Das Berufungsgericht wird demzufolge zu klären haben, ob sich durch die Umwandlung der Mühle in eine Wasserkraftanlage die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben und hierdurch in Rechte Dritter, insbesondere des Klägers, in erheblich stärkerem Umfang eingegriffen wird als früher. Zu diesem Zweck ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht hiernach erneut zu einer Verurteilung des Beklagten kommen, wäre zu beachten, daß das Urteil nicht zu dessen Nachteil hinter der aufgehobenen Entscheidung zurückbleiben darf (Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 536 Rn. 15 m.w.N.).
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.03.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584887 |
BGHZ |
NJW 2002, 966 |
BGHR 2001, 520 |
BGHR |
NVwZ 2002, 245 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1069 |
AgrarR 2001, 383 |
DÖV 2001, 644 |
NuR 2001, 537 |
VR 2002, 249 |
VersR 2002, 770 |
DVBl. 2001, 927 |
UPR 2001, 390 |
ZfW 2002, 56 |