Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung landwirtschaftlich genutzer Grundstücke eines Begünstigten aus der Bodenreform auf seine Erben. Bodenreformvermerk. Zuteilungsfähigkeit des Erben. Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung. Mitgliedschaft des Erben in einer LPG
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Übertragung von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken eines Begünstigten aus der Bodenreform auf seine Erben bedurfte es nach den Zuteilungsgrundsätzen der Besitzwechselverordnung der Mitgliedschaft des Erben in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) oder eines Antrags auf Mitgliedschaft.
2. Wurde der Antrag des Erben auf Aufnahme in eine LPG abgelehnt, kam die Übertragung der dem Erblasser aus dem Bodenfonds zugeteilten Grundstücke auf ihn nicht in Betracht. Ohne Bedeutung war, aus welchem Grund der Aufnahmeantrag abgelehnt wurde, sofern kein manipulatives Handeln der Organe der DDR zu der Ablehnung geführt hatte.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3; EGBGB § 12 Abs. 2 Nr. 2c
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Februar 2001 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Grundstücke aus der Bodenreform.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war der Vater des Beklagten, A. F. B., als Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Die Grundstücke waren ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden; der Bodenreformvermerk war eingetragen. A. F. B. verstarb am 29. Januar 1968. Er wurde von seiner Ehefrau, der Mutter des Beklagten, T. M. B., geborene S., und dem Beklagten beerbt. T. M. B. verstarb am 30. April 1984. Sie wurde von dem Beklagten und W. S. beerbt. W. S. ist nicht zuteilungsfähig. Er übertrug durch Vertrag vom 27. April 1993 seinen Anteil am Nachlaß von T. M. B. und seinen Anteil an den Grundstücken auf den Beklagten.
Der Beklagte arbeitete seit 1973 für das Agrochemische Zentrum B. (ACZ), eine zwischengenossenschaftliche Einrichtung mehrerer landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, die dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft administrativ zugeordnet war. Daneben betrieb er eine persönliche Hauswirtschaft, hielt im Rahmen der Nutzung landwirtschaftlicher Kleinstflächen Vieh und wurde von der örtlichen LPG regelmäßig zu Betriebsfesten eingeladen.
Am 29. April 1994 wurde er als alleiniger Eigentümer der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. Das klagende Land (Kläger) verlangt ihre Auflassung. Der Beklagte sieht sich als besser berechtigt an. Hierzu hat er auf seine Tätigkeit für das ACZ verwiesen und geltend gemacht, nach dem Tod seiner Mutter 1984 einen Antrag auf Aufnahme in die LPG gestellt zu haben. Dieser Antrag sei abgelehnt worden, weil die LPG Differenzen mit dem ACZ durch die Aufnahme von Mitarbeitern des Zentrums habe vermeiden wollen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt er die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht den geltend gemachten Anspruch. Es meint, der Kläger könne gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB die Auflassung der Grundstücke verlangen. Auch auf der Grundlage seines Vorbringens sei der Beklagte nicht zuteilungsfähig, weil wegen der Ablehnung seines behaupteten Antrags auf Aufnahme in eine LPG eine Übertragung der Grundstücke auf ihn nicht in Betracht gekommen sei.
II.
Die Revison führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie die Zuteilungsfähigkeit des Beklagten bejaht. Der Beklagte ist nicht zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB, weil er bei Ablauf des 15. März 1990 weder Mitglied einer LPG noch ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG gestellt war, aufgrund dessen die Grundstücke auf ihn übertragen werden konnten.
Art. 233 § 12 Abs. 2, 3 EGBGB zeichnen die Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung in pauschalierter Weise nach (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 132, 71, 77; Senatsurt. v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865; u. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/98, WM 1997, 785, 786). Zur Übertragung von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken eines Begünstigten aus der Bodenreform auf seine Erben bedurfte es nach diesen Grundsätzen über die Tätigkeit des Erben in einem dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft administrativ zugeordneten Unternehmen hinaus (§ 1 BesitzwechselVO) gemäß § 3 Abs. 1 BesitzwechselVO der Mitgliedschaft des Erben in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (Senat, BGHZ 136, 283, 290). Der Senat hat der Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft einen Antrag auf Aufnahme in eine solche dabei gleichgestellt (Senat, BGHZ 136, 283, 292). Ziel der Gleichstellung ist es, die Zuteilungsfähigkeit im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB auch in den Fällen anzunehmen, in denen die beantragte Aufnahme bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform am 16. März 1990 nicht mehr erfolgt ist, jedoch zu erwarten war. Die Aufhebung der Beschränkungen, die für die Grundstücke aus der Bodenreform bis zum 15. März 1990 galten, und der Umbruch der wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR im Herbst 1989/Frühjahr 1990 dürfen nämlich nicht dazu führen, daß der Erbe das Eigentum an Grundstücken verliert, die ihm nach den Grundsätzen der Besitzwechselverordnung zu übertragen waren (vgl. Senats-urt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902, 1903). In einem solchen Fall ist daher die Zuteilungsfähigkeit des Erben zu bejahen, obwohl er am Stichtag nicht Mitglied einer LPG war.
Wurde der Antrag des Erben auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft abgelehnt, kam die Übertragung der dem Erblasser aus dem Bodenfonds zugeteilten Grundstücke auf ihn nicht in Betracht. So verhält es sich hier. Bei Ablauf des 15. März 1990 lag kein Antrag vor, der zu einer Aufnahme des Beklagten in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft führen konnte und die Übertragung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke schon zuvor ermöglicht hätte (vgl. Schietsch, NJ 1965, 564, 565; Arlt/Rohde, Bodenrecht, 1967, 355; Hähnert/Richter/Rohde u.a., LPG-Recht, 1984, S. 46 ff). Der Senat hat daher die Zuteilungsfähigkeit eines Erben selbst dann verneint, wenn er zwar im Zeitpunkt des Erbfalls, jedoch bei Ablauf des 15. März 1990 nicht mehr Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war (Senat, BGHZ 136, 283, 292).
Ohne Bedeutung ist auch, aus welchem Grund der Aufnahmeantrag des Beklagten abgelehnt wurde, sofern kein manipulatives Handeln der Organe der DDR zu der Ablehnung geführt hat. Daß es sich so verhalten habe, hat der Beklagte nicht behauptet. Ebenso ist ohne Bedeutung, daß der Beklagte im Rahmen einer persönlichen Hauswirtschaft Vieh hielt und zu den Festveranstaltungen der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft eingeladen wurde, deren Mitglied er hatte werden wollen. Eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft wurde hierdurch nicht begründet.
2. Der Rechtsstreit ist jedoch nicht zur Entscheidung reif. Nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB kann nur die Auflassung desjenigen Eigentums oder Miteigentums verlangt werden, dessen Zuordnung an den Verpflichteten nach der Absicht des Gesetzgebers durch Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB erfolgen sollte. Hieran fehlt es, soweit der Beklagte das Eigentum an den Grundstücken von W. S. erworben hat. Zur Größe dieses Anteils ist zu beachten, daß T. M. B. mit Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs der DDR am 1. April 1966 gemäß § 4 EGFGB Miteigentümerin der Grundstücke in ehelicher Vermögensgemeinschaft geworden sein dürfte, sofern die Grundstücke A. F. B. vor dem 1. April 1966 aus dem Bodenfonds zugeteilt worden sind und er schon bei der Zuteilung mit T. M. B. verheiratet war (OG NJ 1970, 249, 250).
Das haben die Parteien bisher nicht gesehen. Durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erhalten sie Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Schneider, Klein, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 728814 |
VIZ 2002, 484 |
NJ 2002, 589 |