Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht, haftet der Schuldner eines Vertragsstrafeversprechens im Zweifel auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen.
Normenkette
BGB §§ 339, 278
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 14.01.1983) |
LG Traunstein |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Januar 1983 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien befassen sich mit der Vergabe und der Vermittlung von Krediten; sie inserieren hierfür in Zeitungen und Zeitschriften.
Auf ein entsprechendes Abmahnschreiben der Klägerin verpflichtete sich die Beklagte durch eine Unterlassungserklärung vom 6. November 1980,
- „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Zeitungsanzeigen, bei der Ankündigung der Vergabe von Krediten Zinsen zu nennen, die unter dem effektiv geforderten Zinssatz liegen, insbesondere
- einen Zinssatz von 7,25 % bzw. effektiv 7,7 % bei langfristigen Darlehen anzukündigen, während mehr als 8,5 % gefordert werden,
- für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 aufgeführte Verpflichtung an die Firma G. für H.- und I. Dr. … & Co. eine Vertragsstrafe von 5.000,– DM zu zahlen.”
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe in drei Fällen die vereinbarte Vertragsstrafe von je 5.000,– DM verwirkt, und hat die Zahlung einer Vertragsstrafe von 15.000,– DM verlangt.
Das Landgericht hat zwei Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung als erwiesen angesehen und hat die Beklagte zu einer Vertragsstrafe von 10.000,– DM verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat nur noch einen Verstoß als gegeben angesehen und hat unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage wegen weiterer 5.000,– DM abgewiesen; im übrigen hat es die Verurteilung zu einer Vertragsstrafe von 5.000,– DM bestätigt. Hiergegen wendet sich die – zugelassene – Revision der Beklagten, mit der sie die völlige Abweisung der Klage begehrt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe wegen der Anzeige in der Zeitschrift „Die Schleswig-Holsteinische Schule” im Januar/Februar 1981 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe zu. Diese Anzeige stelle unstreitig eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung dar. Die Beklagte habe diesen Verstoß zu vertreten, auch wenn sie ihrer Werbeagentur rechtzeitig die Anweisung zur Änderung des bisherigen Anzeigentextes erteilt und von dieser eine entsprechende Vollzugsmitteilung erhalten haben sollte. Die Beklagte hafte nämlich gemäß § 278 BGB auch für das Verschulden der Werbeagentur als ihres Erfüllungsgehilfen und habe dafür einzustehen, wenn diese sich nicht an die Weisung zur Änderung des Anzeigentextes gehalten haben sollte.
II. Die Revision, die sich gegen die Heranziehung von § 278 BGB wendet, hat keinen Erfolg; denn das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Beklagte nach § 278 BGB für das Verschulden ihrer Werbeagentur, die nach ihrem Vortrag die Abänderung des unzulässigen Anzeigentextes pflichtwidrig versäumt hat, einzustehen hat.
Die Anzeige der Beklagten in der Ausgabe Januar/Februar 1981 der Zeitschrift „Die Schleswig-Holsteinische Schule” stellt unstreitig einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 6. November 1980 dar. Hierdurch hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt, und zwar aufgrund ihrer Haftung für ihre Werbeagentur.
Das Berufungsgericht hat die Verwirkung der Vertragsstrafe zutreffend davon abhängig gemacht, ob die Beklagte den Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zu vertreten hat (vgl. BGH Urt. v. 29.06.1972 – II ZK 101/70, NJW 1972, 1893 ff., und vom 24.01.1973 – VIII ZR 147/71, WM 1973, 388). Es hat ferner ohne Rechtsverstoß angenommen, daß der Schuldner bei dem Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB einzustehen hat. Bei einer Verpflichtung des Schuldners zu einem positiven Tun ergibt sich dies bereits aus der Verweisung in § 339 Satz 1 BGB auf die allgemeinen Voraussetzungen des Verzuges, die grundsätzlich das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen ausreichen lassen. Für diesen Fall ist die Anwendung von § 278 BGB auch anerkannt (vgl. BGH Urt. v. 09.10. 1961 – VIII ZR 107/60, MDR 1962, 209 f.). Es bestehen keine Gründe, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, die Verpflichtung zu einer Unterlassung insoweit anders zu behandeln.
Der Einwand der Revision, daß bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO überwiegend nur eigenes Verschulden des Vollstreckungsschuldners, nicht aber ein Verschulden eines Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen berücksichtigt wird, greift nicht durch. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO und die Verwirkung einer Vertragsstrafe sind insoweit nicht miteinander vergleichbar. Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt und daher eine persönliche Schuld des Betroffenen voraussetzt (vgl. BVerfGE 20, 323, 331), ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB lediglich eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadensersatzpauschalierung. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf diese Ersatzleistung, insbesondere die Art des hierfür erforderlichen Verschuldens, können von den Beteiligten im Rahmen der Vertragsfreiheit frei vereinbart werden. Daher ist es angemessen, daß – wie auch sonst bei der Verletzung von schuldrechtlichen Verpflichtungen – der Schuldner grundsätzlich für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen mit einzustehen hat, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart ist.
Nach den festgestellten Umständen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien bei der Vertragsstrafevereinbarung die Haftung für Erfüllungsgehilfen stillschweigend ausgeschlossen hätten (§ 157 BGB). Da die Beklagte als Kreditinstitut in der Form einer Kapitalgesellschaft ihre Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß über Erfüllungsgehilfen, nämlich eigene Mitarbeiter oder selbständige Werbefachleute, ausführen läßt, gewährt das Vertragsstrafeversprechen erst dann einen wirksamen Schutz, wenn die Beklagte auch für ihre Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Es kann daher nach Treu und Glauben nicht angenommen werden, daß die Klägerin hierauf verzichten wollte.
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
v. Gamm, Piper, Erdmann, Scholz-Hoppe, Mees
Fundstellen
Haufe-Index 1237577 |
NJW 1986, 127 |
GRUR 1985, 1065 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1986, 262 |