Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 05.02.2004) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 5. Februar 2004 mit den Feststellungen aufgehoben,
- hinsichtlich des Angeklagten M., soweit er vom Vorwurf der Bestechlichkeit in 23 Fällen freigesprochen wurde,
- hinsichtlich der Angeklagten Ro. und W. insgesamt.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Dem Angeklagten M. liegt zur Last, als Leiter des Stadtplanungs- und Hochbauamts der Stadt G. seine Dienstpflichten verletzt zu haben, indem er unter Einschaltung der Mitangeklagten Ro. und W. und deren Firma Ingenieurgemeinschaft RS ein System der Vertragsweitergabe an das zunächst ihm gehörende, später von seinem Sohn weitergeführte Ingenieurbüro M. … errichtet habe. Er habe mit den Mitangeklagten Ro. und W. eine Vereinbarung getroffen, daß diese die von ihm vergebenen Aufträge der Stadt G. an das Ingenieurbüro M. weitergaben. Dafür sollten sie sich von den auf ihre Ingenieurgemeinschaft R. ausgestellten Rechnungen Provisionen abziehen. Das Landgericht hat den Angeklagten … M. vom Vorwurf der Bestechlichkeit in 23 Fällen und des Betrugs in zwei Fällen sowie die Angeklagten Ro. und W. vom Vorwurf der Bestechung in 23 Fällen freigesprochen. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen die Freisprüche vom Vorwurf der Bestechlichkeit bzw. wegen Bestechung. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
Das Landgericht hat im einzelnen folgende Feststellungen getroffen.
Dem Angeklagten … M. oblagen unter anderem die Auswahlentscheidungen zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurverträgen. Die Angeklagten Ro. und W. standen als Gesellschafter des von ihnen geführten Unternehmens Ingenieurgemeinschaft R. bereits seit Anfang der 80er Jahre als Auftragnehmer bei öffentlichen Bauvorhaben in einer festen Geschäftsbeziehung zur Stadt G.. Im Februar 1997 trug der Angeklagte M. den Mitangeklagten Ro. und W. den Abschluß von zwölf Ingenieurverträgen über Planungsarbeiten zu Bauvorhaben der Stadt G. im Wege der freihändigen Auftragsvergabe an. Den Abschluß dieser Ingenieurverträge machte der Angeklagte … M. jedoch davon abhängig, daß die Angeklagten Ro. und W. zugleich das Ingenieurbüro M. als Subunternehmer mit der Durchführung der Planungsarbeiten beauftragten. Jeweils 10 bis 15 % des Nettohonorars sollten in jedem Falle bei der Ingenieurgemeinschaft R. verbleiben. Inhaber der Firma M. war – formell – der Angeklagte
… M.. Faktischer Geschäftsführer dieses Unternehmens war sein Sohn L. M., der die Firma Ende des Jahres 1997, nach seiner Zulassung als beratender Ingenieur, auch formell übernahm.
Der Angeklagte … M. bezweckte damit, dem von seinem Sohn geführten Unternehmen, das unter starkem Umsatzrückgang und mangelnder Auslastung litt, wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die durch die Auftragsvergabe bewirkten Umsätze der Firma M. kamen auch dem Angeklagten … M. selbst unmittelbar zugute. Er hatte das in seinem Miteigentum stehende Firmengrundstück an die Firma M. vermietet, und die Mieteinnahmen wurden zur Bedienung des Darlehens verwendet, das zur Finanzierung des Grundstückskaufs aufgenommen worden war. Ihm war, wie auch den Angeklagten Ro. und W., klar, daß er für eine direkte Vergabe der Aufträge an die Firma M. – und ebensowenig für eine Auftragsvergabe an die Ingenieurgemeinschaft R. unter Offenlegung der Unterbeauftragung keinesfalls die im Rahmen der Bewirtschaftungsbefugnisse erforderlichen Genehmigungen – je nach Auftragsvolumen – durch den Bauamtsleiter, den Oberbürgermeister oder den Gemeinderat der Stadt G. erlangt hätte.
Die Mitangeklagten Ro. und W. willigten in die Bedingung ein. Im März 1997 kam es zum Abschluß der entsprechenden Ingenieurverträge zwischen der Stadt G., vertreten durch den Angeklagten … M. und den – gutgläubigen Bauamtsleiter F., sowie, sukzessiv, der entsprechenden Verträge zwischen der Ingenieurgemeinschaft R. als Auftraggeber und der Firma M. als Subunternehmerin. Wie von den Angeklagten beabsichtigt, wurden die Ingenieurleistungen überwiegend von der Firma M. … erbracht. Die Ingenieurgemeinschaft R. übte lediglich eine Strohmannfunktion aus. Die Abrechnungen der Ingenieurleistungen durch die Ingenieurgemeinschaft R. und die entsprechenden Zahlungen der Stadt G. erfolgten sukzessiv in der Zeit ab September 1997. Die Abrechnungen zwischen der Ingenieurgemeinschaft R. und der Subunternehmerin M. … folgten jeweils anschließend dergestalt, daß die Ingenieurgemeinschaft R. jeweils 10 bis 15 % des Nettohonorars für sich behielt.
In der Zeit zwischen April 1997 und Oktober 1999 kam es zum Abschluß entsprechender Ergänzungsaufträge zwischen der Stadt G. und der Ingenieurgemeinschaft R.. Zwischen Oktober 1997 und Januar 2001 vergab der Angeklagte … M. im Rahmen anderer Bauprojekte weitere Aufträge der Stadt G. an die durch die Angeklagten Ro. und W. vertretene R.. In allen diesen Fällen schloß die Firma R. jeweils entsprechende Subunternehmerverträge mit der Firma M.. Auch die Abwicklung und die Abrechnung dieser weiteren Verträge erfolgte jeweils nach gleichem Muster in der Zeit bis März 2001. Die Firma M. stellte der Ingenieurgemeinschaft R. in der Zeit vom 30. September 1997 bis zum 14. September 2001 für Ingenieurleistungen 981.889,75 DM in Rechnung, die als Honorar gezahlt wurden. Bei der Ingenieurgemeinschaft R. verblieben davon brutto 204.789,20 DM.
Entscheidungsgründe
II.
Die Freisprüche halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beschwerdeführerin beschreibt zutreffend die von den drei Angeklagten vereinbarte vertragliche Konstruktion als Unrechtsvereinbarung in der Form eines Dreiecksverhältnisses: Die pflichtwidrige Diensthandlung des Angeklagten … M. liegt in der die Stadt G. verpflichtenden Auftragsvergabe an die Ingenieurgemeinschaft R. vor dem Hintergrund der verheimlichten Abrede zur Unterbeauftragung des Ingenieurbüros M. und der Aufteilung der Honorare. Der Senat vermag dem Landgericht nicht darin zu folgen, daß die vermögenswerte Zuwendung an den Sohn des Angeklagten … M. „nicht als Ausfluß oder Gegenstand einer seitens der Mitangeklagten Ro. und W. gewährten Gegenleistung” dargestellt habe, sondern vielmehr „unmittelbar der vom Angeklagten … M. selbst vollzogenen pflichtwidrigen Diensthandlung” entsprungen und deshalb straflos sei. Die heimlich getroffene Abrede der Angeklagten (Auftragsvergabe nur unter der Bedingung der Beauftragung der Firma M. als eigentlichem Auftragnehmer) begründet vielmehr das unrechte Beziehungsverhältnis zwischen der Diensthandlung des Angeklagten … M. als Ermessensbeamten und dem von ihm dafür geforderten Vorteil. Der von den Angeklagten Ro. und W. entsprechend gewährte Vorteil, die Unterbeauftragung und die Weitergabe der vertragsgemäßen Zahlungen der Stadt G. abzüglich 10 bis 15 % an die Firma M., ist die geforderte und gewährte Gegenleistung im Sinne der §§ 332, 334 StGB (vgl. BGHSt 20, 1, 2; BGH NStZ 1994, 191 = BGHR StGB § 332 Abs. 1 Vorteil 4; BGH NStZ 1987, 326, 327 = NJW 1987, 1340, 1342; Jeschek in LK 11. Aufl. § 332 Rdn. 9; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 332 Rdn. 21). Dieses Gegenleistungsverhältnis lag auch im Interesse der Angeklagten Ro. und W., zumal sie als Auftragnehmer der Stadt G. an den vertragsgemäß erfolgten Zahlungen in Höhe von 10 bis 15 % des Nettohonorars profitierten. Der von Ro. und W. gewährte (weitergegebene) Vorteil wurde demgemäß um der von dem Angeklagten … M. angebotenen Diensthandlung willen gewährt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterfällt damit die zwischen den Angeklagten … M. und Mitangeklagten Ro. und W. getroffene Unrechtsvereinbarung in geradezu klassischer Weise dem Schutzzweck der §§ 332, 334 StGB, da die Abrede der Angeklagten sich eben nicht darin erschöpfte, eine reine Selbstbedienung des Amtsträgers zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 1994, 488 m. Anm. Maiwald).
Soweit die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung darauf hingewiesen hat, der Stadt G. sei durch die Unrechtsvereinbarung kein wirtschaftlicher Schaden entstanden, ist dies schon den Urteilsgründen nicht mit der hinreichenden Klarheit zu entnehmen. Wäre der Stadt G. auch ein Schaden (vgl. BGHSt 47, 83) entstanden, so käme eine tateinheitlich begangene Untreue in Betracht. Im übrigen dienen die Strafvorschriften der Untreue und der Bestechung unterschiedlichen Zwecken. Sie schützen verschiedene Rechtsgüter. Geschütztes Rechtsgut ist im Falle des § 266 StGB das fremder Hand anvertraute Vermögen. Bei dem Bestechungstatbestand des § 332 StGB ist das Vorliegen eines Vermögensschadens ohne Belang, weil hier geschütztes Rechtsgut das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes ist (BGHSt 15, 88, 96; 30, 46, 48; BGH NStZ 1987, 326, 327; st. Rspr.).
III.
Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende Hinweise:
Hinsichtlich der Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse zwischen den einzelnen Vertragsschlüssen weist der Senat auf die Rechtsprechung in NStZ 2004, 380 hin. Für die Frage, ob die Bestechungsvorschriften in der Fassung des am 20. August 1997 in Kraft getretenen Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997 auf sämtliche Einzeltaten anzuwenden sind, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 8. November 2004.
Die Sache bedarf hinsichtlich der Bestechungsdelikte neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Kolz, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2556130 |
wistra 2005, 378 |
NStZ-RR 2005, 266 |