Leitsatz (amtlich)
Ein Händler, der in Zeitungsanzeigen für fabrikneue Fahrzeuge wirbt, die aus dem EU-Ausland importiert worden sind und deren Serienausstattung in für die Kaufentscheidung wesentlichen Merkmalen (hier: kein Beifahrer-Airbag; keine geteilte Rücksitzbank) hinter der Serienausstattung der für den deutschen Markt bestimmten Fahrzeuge zurückbleibt, muß nicht schon im Zeitungsinserat auf die geringwertigere Serienausstattung hinweisen, wenn er die Fahrzeuge in der Werbung hinreichend deutlich als „EG-Neuwagen” bezeichnet. Etwas anderes kann aber gelten, wenn den beworbenen Fahrzeugen wesentliche Ausrüstungs- oder Ausstattungsmerkmale fehlen, die der Verkehr als selbstverständlichen Bestandteil der Serienausstattung kennt.
Normenkette
UWG § 3; EGVtr Art. 28
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen |
OLG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 4. Zivilsenat in Freiburg – vom 17. Juli 1997 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und im übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 18. Juli 1996 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Das Versäumnisurteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29. Februar 1996 wird teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeveröffentlichungen, z.B. Zeitungsinseraten, ohne Hinweis darauf, daß es sich um EG-Neuwagen handelt, für den Verkauf von nach Deutschland importierten Opel-Kraftfahrzeugen eines bestimmten Modells zu werben, die gegenüber gleichnamigen, für den deutschen Markt hergestellten Typen in wesentlichen Ausrüstungs- und Ausstattungsmerkmalen (z.B. Fehlen des Beifahrer-Airbags oder der geteilten Rücksitzbank) abweichen, sofern nicht unübersehbar auf die geringerwertige Ausrüstung hingewiesen wird.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am Geschäftsführer – angedroht.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits – mit Ausnahme der vollständig von der Beklagten zu tragenden Kosten ihrer Säumnis – trägt der Kläger drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen der ihm angeschlossenen Opel-Händler und Opel-Werkstätten. Die Beklagte ist freie Kraftfahrzeughändlerin. Im Juli 1995 erschien in einer Werbebeilage der Tageszeitung „Südkurier” die nachfolgend wiedergegebene Anzeige, in der die Beklagte unter der Überschrift „NEUWAGEN” u.a. für zwei Fahrzeuge vom Typ Opel Corsa 1,2i „Swing” warb. Unter den aufgeführten Neufahrzeugen findet sich in der Anzeige der Hinweis: „Zum Teil mit Tageszulassungen”.
Die beiden angeführten Opel-Fahrzeuge stammten aus dem EG-Ausland und waren dort bereits für einen Tag zugelassen worden (Tageszulassung). Ihre Ausstattung stimmte nicht vollständig mit den von deutschen Opel-Vertragshändlern angebotenen „Swing”-Modellen überein. So verfügten sie nicht über einen zweiten Airbag und nicht über eine geteilte Rücksitzbank.
Der Kläger hat diese Werbung als irreführend beanstandet und beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeveröffentlichungen, z.B. Zeitungsinseraten, zu werben für
- den Verkauf von Kraftfahrzeugen der Marke Opel mit der Erklärung „Neuwagen” und dem weiteren Hinweis auf eine sog. „Tageszulassung” ohne Hinweis darauf, daß mit dem Tage der Erstzulassung des Fahrzeuges die Hersteller-Garantie der Adam Opel AG bereits zeitlich zu laufen begonnen hat;
- den Verkauf von nach Deutschland importierten Opel-Kraftfahrzeugen eines bestimmten Modells, die gegenüber gleichnamigen, für den bundesdeutschen Markt hergestellten Typen in wesentlichen Ausrüstungs- und Ausstattungsmerkmalen abweichen, sofern nicht unübersehbar auf die geringerwertige Ausrüstung hingewiesen wird.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise in Abrede gestellt und vorgetragen, auch von deutschen Opel-Vertragshändlern sei noch im Juli 1995 das Modell „Swing” des Jahres 1994 angeboten worden, das ebenfalls noch nicht serienmäßig über einen Beifahrer-Airbag und über eine geteilte Rücksitzbank verfügt habe.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision des Klägers, mit der er die Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 3 i.V. mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verneint und zur Begründung ausgeführt:
Zwar sei der Kläger prozeßführungsbefugt nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Es sei aber zweifelhaft, ob der Verkehr nach heutiger Auffassung beim Erwerb eines Neufahrzeugs immer mit einer zeitlich uneingeschränkten Herstellergarantie rechne. Die Frage könne indessen offenbleiben, da dem auf § 3 UWG gestützten Unterlassungsbegehren des Klägers die Bestimmung des Art. 30 EGV (jetzt Art. 28 EG) entgegenstehe. Die sich aus § 3 UWG ergebenden Schutzstandards würden durch diese Bestimmung des EG-Vertrages eingeschränkt, wenn ihre Anwendung zu einer Behinderung des Imports führen würde. Der Antrag des Klägers betreffe nicht lediglich eine Verkaufsmodalität, weil sich die aus § 3 UWG hergeleitete Pflicht, auf die verkürzte Herstellergarantie hinzuweisen, gerade auf importierte Neufahrzeuge beziehe. Wie sich bereits aus einer früheren Entscheidung ergebe (OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1472), erweise sich eine solche Hinweispflicht als ein unzulässiges Handelshemmnis. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Verbraucher und der Lauterkeit des Handelsverkehrs sei es mit Blick auf den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit ausreichend, wenn die Kunden erst beim Verkaufsgespräch über eine verkürzte Garantiezeit aufgeklärt würden. Entsprechendes gelte auch für eine aus dem Irreführungsverbot des § 3 UWG abgeleitete Pflicht, auf Ausstattungsunterschiede hinzuweisen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben nur teilweise Erfolg.
1. Die Prozeßführungsbefugnis des Klägers aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Seine Ausführungen zur Abgrenzung des räumlichen Marktes sowie zur Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die ebenfalls auf diesem Markt tätig sind, begegnen keinen Bedenken. Die Revisionserwiderung erhebt insoweit auch keine Gegenrügen.
2. Klageantrag zu a (Irreführung bezüglich der Herstellergarantie)
Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage mit dem Klageantrag zu a – Fehlen eines Hinweises darauf, daß der Lauf der Werksgarantie mit der Erstzulassung der Fahrzeuge begonnen hat – abgewiesen. Insoweit besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 3 UWG.
a) Im Streitfall steht nicht eine täuschende Werbeangabe durch positives Tun in Rede; vielmehr richtet sich der Vorwurf darauf, daß die Beklagte in ihrer Werbung einen für die Kaufentscheidung wesentlichen Umstand verschwiegen hat. Hierin kann nur dann eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG liegen, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller – auch der weniger vorteilhaften – Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 63/96, WRP 1999, 839 f. - Auslaufmodelle I; Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/95, Umdr. S. 7 - EG-Neuwagen I). Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden beachtet werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, bereits in Werbeanzeigen negative Eigenschaften des eigenen Angebots offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerläßlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1989 - I ZR 141/87, GRUR 1989, 682, 683 = WRP 1989, 655 - Konkursvermerk; WRP 1999, 839, 840 - Auslaufmodelle I; Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 74/96, WRP 1999, 842, 843 - Auslaufmodelle II; Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/95, Umdr. S. 7 f. - EG-Neuwagen I; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 199 f.; Gloy/Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 49 Rdn. 47).
b) Das Berufungsgericht hat es offengelassen, ob der Verkehr beim Erwerb eines Neufahrzeuges immer mit einer auch zeitlich uneingeschränkten Werksgarantie rechne. Für das Revisionsverfahren muß daher eine entsprechende Verkehrserwartung unterstellt werden.
c) Daß diese Erwartung bei den von der Beklagten beworbenen Neuwagen enttäuscht wird, hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, läßt sich jedoch dem Berufungsurteil und dem Parteivorbringen, auf das es sich bezieht, ohne weiteres entnehmen. Danach waren jedenfalls die beiden in der Anzeige aufgeführten, aus dem EG-Ausland stammenden Fahrzeuge des Typs Opel Corsa 1,2i bereits im Ausland für einen Tag zugelassen, so daß die Herstellergarantie mit diesem Tag zu laufen begonnen hat.
d) Gleichwohl kann im Streitfall nicht von einer irreführenden Werbung nach § 3 UWG ausgegangen werden. Eine Pflicht des Händlers, schon in der Zeitungswerbung – und nicht erst im Verkaufsgespräch – auf Punkte hinzuweisen, in denen die angebotenen Fahrzeuge hinter der Verkehrserwartung zurückbleiben, besteht nicht uneingeschränkt. Sie ist zwar zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Werbung infolge der im Ausland erfolgten „Tageszulassung” bereits ein nicht unerheblicher Teil der Garantiezeit verstrichen ist (BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/95, Umdr. S. 10 - EG-Neuwagen I). Ein solcher Sachverhalt ist jedoch vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden. Nach dem Klagevorbringen muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß im Streitfall zwischen der Erstzulassung im Ausland und der beanstandeten Werbung nur wenige Tage oder Wochen lagen. Unter diesen Umständen kann eine Pflicht der Beklagten, bereits in der Zeitungswerbung auf jede auch noch so geringe zeitliche Einschränkung der Werksgarantie hinzuweisen, nicht angenommen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/95, Umdr. S. 12 ff. - EG-Neuwagen I).
Wie bereits dargestellt, kann die Frage, ob bereits in der allgemeinen Publikumswerbung auf negative Eigenschaften eines Angebots hingewiesen werden muß, nicht ohne Berücksichtigung auch der berechtigten Interessen des Werbenden beantwortet werden (s. oben unter II.2.a). Im Rahmen der danach erforderlichen Interessenabwägung muß dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Beklagte als außerhalb des Vertriebssystems des Herstellers stehende Parallelimporteurin durchweg darauf angewiesen ist, Fahrzeuge anzubieten, die bereits eine „Tageszulassung” im Ausland aufweisen und bei denen daher die Werksgarantie – wenn auch nur um wenige Tage – verkürzt ist. Eine Verpflichtung, bereits in der Zeitungswerbung jede auch noch so geringe Verkürzung der Garantiezeit zu offenbaren, träfe sie besonders hart. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Parallel- und Reimporte innerhalb der Europäischen Union einen gewissen gemeinschaftsrechtlichen Schutz genießen. Denn sie können dadurch, daß sie einer Abschottung der nationalen Märkte entgegenwirken, die Entwicklung des Warenaustauschs begünstigen und den Wettbewerb verstärken (vgl. EuGH, Urt. v. 16.1.1992 - Rs. C-373/90, Slg. 1992, I-131 = WRP 1993, 233 f. Tz. 12 - Nissan; vgl. auch EuGH, Urt. v. 10.12.1985 - Rs. 31/85, Slg. 1985, 3933 = WuW/E EWG/MUV 723, 724 - Swatch-Quarzuhren). Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem die Irreführungsrichtlinie (Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung) betreffenden Fall, in dem es ebenfalls um die aus dem Irreführungsverbot abzuleitende Aufklärungspflicht des Parallelimporteurs über nachteilige Eigenschaften seines Angebots ging, das Verbot der irreführenden Werbung (dort aus Art. 4 Abs. 1 i.V. mit Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie) zurücktreten lassen, soweit einerseits die beim Verbraucher hervorgerufenen, nicht als besonders gravierend erscheinenden Fehlvorstellungen regelmäßig vor der Kaufentscheidung ausgeräumt werden und andererseits ein Verbot die Tätigkeit von Parallelimporteuren nicht unerheblich beeinträchtigen würde (EuGH Slg. 1992, I-131 = WRP 1993, 233, 234 Tz. 13 ff. - Nissan; dazu Tilmann, Festschrift Piper, 1996, S. 481, 487; ferner OLG Karlsruhe WRP 1996, 584, 586; Bornkamm in Schwarze [Hrsg.], Werbung und Werbeverbote im Lichte des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 134, 145).
Dieser Gesichtspunkt wirkt sich im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung unmittelbar auf die Frage aus, ob sich aus dem Verbot der irreführenden Werbung des § 3 UWG eine Aufklärungspflicht für die Beklagte ergibt oder nicht. Ihre Beantwortung ist somit nicht abhängig davon, ob – wie das Berufungsgericht gemeint hat – ein solches Verbot, wenn es nach dem autonomen deutschen Recht bestünde, als eine Maßnahme gleicher Wirkung nach Art. 28 EG (früher Art. 30) anzusehen wäre oder als bloße Verkaufsmodalität nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fiele (vgl. einerseits OLG Karlsruhe WRP 1996, 584, 586 und NJW-RR 1997, 1472 sowie andererseits OLG Dresden GRUR 1997, 231, 233 = WRP 1997, 197).
3. Klageantrag zu b (Irreführung bezüglich der Ausstattung)
Die Revision hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auch mit dem Antrag zu b – Fehlen eines Hinweises auf Abweichungen hinsichtlich der Ausstattungsmerkmale – wendet. Da im Streitfall für den Verkehr nicht erkennbar war, daß es sich bei den beworbenen Fahrzeugen nicht um für den deutschen Markt produzierte Importe aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union handelte, hätte die Beklagte auf die bestehenden, nicht unerheblichen Unterschiede in der Serienausstattung hinweisen müssen. In diesem beschränkten Umfang ist dem Kläger daher ein Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG zuzubilligen. Dagegen braucht die Beklagte in Zeitungsanzeigen auf derartige Ausstattungsunterschiede nicht ohne weiteres hinzuweisen, wenn der Verkehr der Werbung entnehmen kann, daß es sich um sogenannte EG-Neuwagen handelt.
a) Der Kläger macht auch mit diesem Klageantrag nicht geltend, daß die tatsächlich gemachten Angaben der Beklagten über die beworbenen Fahrzeuge unzutreffend seien. Er beruft sich allein darauf, daß die Beklagte für die Kaufentscheidung wesentliche Umstände in der beanstandeten Anzeige verschwiegen habe. Eine wettbewerbswidrige Irreführung kommt danach auch hier nur insoweit in Betracht, als der Verkehr bei Unterbleiben des Hinweises in einem für die Kaufentscheidung wesentlichen Punkt getäuscht würde und es für den Werbenden – ungeachtet der Möglichkeit, bestehende Fehlvorstellungen in einem späteren Verkaufsgespräch zu korrigieren – zumutbar ist, bereits in Zeitungsanzeigen und anderen Formen der allgemeinen Publikumswerbung auf die nachteilige Eigenschaft hinzuweisen.
b) Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, daß der Verkehr bei Neuwagen generell dieselben Ausstattungsmerkmale erwartet, wie sie die von Vertragshändlern angebotenen Fahrzeuge aufweisen. Von einer solchen Erwartung wird nur dann ausgegangen werden können, wenn der Verkehr zu der zunächst naheliegenden Annahme gelangt, die beworbenen Fahrzeuge seien für den deutschen Markt bestimmt. Ergeben sich dagegen aus der Werbung Hinweise darauf, daß es sich um parallel- oder reimportierte – d.h. von seiten des Herstellers für einen anderen europäischen Markt bestimmte – Fahrzeuge handelt, kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, daß der Verkehr mit der Möglichkeit einer abweichenden Serienausstattung rechnet.
Der Streitfall zeichnet sich insoweit durch eine – vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassene – Besonderheit aus: In der Anzeige fehlt ein Hinweis darauf, daß es sich um aus dem EG-Ausland importierte Fahrzeuge, also um sogenannte EG-Neuwagen, handelt. Dies kann der Leser – worauf die Revision zutreffend hinweist – auch nicht der Angabe in der Anzeige entnehmen, einige der angebotenen Neuwagen verfügten bereits über eine „Tageszulassung”. Denn es ist nicht festgestellt – und wäre im übrigen auch mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu vereinbaren –, daß nur parallel- oder reimportierte Fahrzeuge mit solchen „Tageszulassungen” angeboten werden. Der verallgemeinernde Klageantrag stellt allerdings auf diesen Umstand nicht ab und erfaßt damit beide Fälle: sowohl den einer Werbung für Fahrzeuge, die dem Anschein nach für den deutschen Markt produziert sind, als auch den einer Werbung für sogenannte EG-Neuwagen.
Für die weitere Prüfung ist hinsichtlich der beiden vom Antrag erfaßten Sachverhaltsvarianten von der Annahme auszugehen, der Verkehr erwarte eine einheitliche Serienausstattung. Läßt sich der Anzeige – wie im Streitfall – nicht entnehmen, daß es sich um importierte Fahrzeuge handelt, liegt ein solches Verkehrsverständnis auf der Hand. Enthält eine Anzeige dagegen einen entsprechenden Hinweis (z.B. „EG-Neuwagen”), ist ein derartiges Verständnis im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers revisionsrechtlich zu unterstellen.
c) In dieser Erwartung sieht sich der Verkehr getäuscht, wenn bei den beworbenen Fahrzeugen für die Kaufentscheidung bedeutsame Ausrüstungs- oder Ausstattungsmerkmale fehlen, die bei für den deutschen Markt bestimmten Wagen zur Serienausstattung gehören. Eine relevante Fehlvorstellung kann auch dann bestehen, wenn dem Kunden der Unterschied nicht bewußt wird, weil er – auf den Streitfall bezogen – gar nicht weiß, daß das von deutschen Vertragshändlern angebotene aktuelle Modell des fraglichen Fahrzeugstyps über einen zweiten Airbag und über eine geteilte Rücksitzbank verfügt. Denn die Erwartung bezieht sich nicht auf das Vorliegen bestimmter Ausstattungsmerkmale, sondern darauf, daß der angebotene Neuwagen die gleiche Serienausstattung aufweist wie die für den deutschen Markt bestimmten Fahrzeuge und daß insbesondere nicht einzelne Ausstattungsmerkmale gesondert in Rechnung gestellt werden, die bei anderen Fahrzeugen desselben Typs bereits im Grundpreis enthalten sind.
Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei den in Rede stehenden Abweichungen um Merkmale handelt, die für eine Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung sein könnten (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 5.12.1991 - I ZR 63/90, GRUR 1992, 171, 172 f. = WRP 1992, 165 - Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag; Urt. v. 28.10.1993 - I ZR 247/91, GRUR 1994, 228, 229 = WRP 1994, 106 - Importwerbung). Der Senat ist in der Lage, diese Frage anhand der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, die die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, zu beantworten: Danach stellt das Fehlen des Beifahrer-Airbags angesichts des gesteigerten Sicherheitsbedürfnisses der Autofahrer ein nicht unerhebliches Minus gegenüber der serienmäßigen Ausstattung dar. Das Interesse an einer geteilt umlegbaren Rücksitzbank mag – wie die Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen hat – geringer sein. Auch dieses Ausstattungsmerkmal schlägt aber erfahrungsgemäß mit einem Betrag zu Buch, der den mit dem Erwerb eines parallel- oder reimportierten Fahrzeugs verbundenen Preisvorteil deutlich reduzieren kann. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die beiden fraglichen Ausstattungsmerkmale für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise relevant sein können.
d) Auch bei einer entsprechenden Verkehrserwartung kann jedoch eine Aufklärungspflicht – wie dargelegt – nicht ohne Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden bejaht werden (s. oben II.2.a und d). Die vom Klageantrag zu b umfaßten Sachverhaltsvarianten machen insofern eine unterschiedliche Beurteilung erforderlich:
aa) Der Beklagten ist ein aufklärender Hinweis über Abweichungen hinsichtlich der Serienausstattung jedenfalls dann zuzumuten, wenn sich aus der Werbung nicht ergibt, daß es sich um sogenannte EG-Neuwagen handelt. Eine Anzeige wie die vorliegend vom Kläger beanstandete gibt den angesprochenen Interessenten noch nicht einmal Anlaß zu entsprechenden Rückfragen, weil sie nicht erkennen läßt, daß es sich bei den beworbenen Neuwagen um importierte Fahrzeuge handelt. Auch im Hinblick auf die Bedeutung der Parallelimporte im Rahmen der Schaffung des Binnenmarktes ist den Händlern die geforderte Aufklärung zuzumuten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß sich der Parallel- oder Reimporteur – wie sogleich unter bb) auszuführen ist – der Verpflichtung zur Aufklärung über eine geringwertigere Serienausstattung dadurch entziehen kann, daß er die beworbenen Fahrzeuge als EG-Neuwagen bezeichnet und auf diese Weise einen Hinweis auf mögliche Besonderheiten seines Angebots gibt.
bb) Der gestellte Unterlassungsantrag geht – wie dargelegt – über die konkret beanstandete Anzeige deutlich hinaus. Er umfaßt insbesondere auch Fälle, in denen der Leser ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen wird, daß es sich um EG-Neuwagen handelt. Insofern kann eine Verpflichtung, über mögliche Abweichungen hinsichtlich der Serienausstattung aufzuklären, bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht bejaht werden. Für diese Beurteilung, die der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere dem Nissan-Urteil (Slg. 1992, I-131 = WRP 1993, 233), Rechnung trägt und die die in früheren Senatsentscheidungen, insbesondere in der Entscheidung „Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag” (GRUR 1992, 171, 172 f.), angenommene umfassende Aufklärungspflicht unter gewissen Voraussetzungen einschränkt, sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
(1) Auch hier ist zunächst hervorzuheben, daß es im Streitfall allein darum geht, ob bereits in der allgemeinen Publikumswerbung, in der die Produkte im allgemeinen nur schlagwortartig vorgestellt werden, eine entsprechende Aufklärung erfolgen muß. Nicht jede nachteilige, von der Verkehrserwartung abweichende Eigenschaft einer angebotenen Ware, über die der Kaufmann den Kaufinteressenten im Verkaufsgespräch informieren muß (wie beispielsweise bei Gebrauchtwagen die Unfallwageneigenschaft), muß auch schon in der Zeitungsanzeige Erwähnung finden.
(2) Ferner muß im Rahmen der Interessenabwägung – wie bereits dargelegt – der Bedeutung der Parallelimporte bei der Schaffung des Binnenmarktes Rechnung getragen werden. Auch wenn es für die unterschiedliche Serienausstattung von Kraftfahrzeugen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im allgemeinen triftige Gründe geben wird, ist doch zu berücksichtigen, daß willkürliche Produktdifferenzierungen auch als ein Mittel zur künstlichen Marktabschottung eingesetzt werden können und daß die Notwendigkeit, auf Abweichungen von der vom Hersteller gesetzten Ausstattungsnorm bereits in der Zeitungswerbung hinzuweisen, einem solchen Bestreben Vorschub leisten könnte.
(3) Enthält die Werbung den Hinweis darauf, daß es sich um EG-Neuwagen handelt, besteht zumindest für den aufmerksamen Verbraucher Veranlassung, sich darüber Gedanken zu machen, ob und inwieweit die beworbenen Neuwagen von den Angeboten der inländischen Vertragshändler abweichen. Dabei ist auch von Bedeutung, daß es im Streitfall um Ausstattungsmerkmale geht, die zwar für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise relevant sein können, die aber nach der Verkehrsvorstellung nicht ohne weiteres zur selbstverständlichen Standardausrüstung eines Kleinwagens zählen. Eine andere Beurteilung wäre angezeigt, wenn es um das Fehlen eines wesentlichen Ausstattungsmerkmals ginge, von dem der Verkehr als selbstverständlich annähme, daß es im Lieferumfang enthalten ist.
e) Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, auch wenn sich aus § 3 UWG ein Unterlassungsanspruch ergebe, sei dieser als nichttarifäres Handelshemmnis i.S. von Art. 30 EGV (jetzt Art. 28 EG) anzusehen. Dem kann für den hier noch bejahten Unterlassungsanspruch nicht beigetreten werden. Dem Umstand, daß Parallel- und Reimporte innerhalb der Europäischen Union einen gewissen gemeinschaftsrechtlichen Schutz genießen, wurde bereits bei Prüfung der Voraussetzungen des § 3 UWG, insbesondere im Rahmen der Interessenabwägung, Rechnung getragen. Das gleichwohl aus § 3 UWG abgeleitete Verbot ist – falls es in den Anwendungsbereich von Art. 28 EG fällt – als durch zwingende Gründe des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 44/95, Umdr. S. 11 f. - EG-Neuwagen I, m.w.N.).
III. Danach ist das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Hinsichtlich eines stärker an der konkreten Verletzungsform orientierten Teils des Klageantrags zu b ist das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, Starck, Bornkamm, RiBGH Pokrant ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.08.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541231 |
BGHR |
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