Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.03.1999) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagter) hatte als Angestellter der Kreditanstalt für Wiederaufbau, ausgestattet mit monatlichen Nettoeinkünften von gut 3.600,00 DM, Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern bei der Privatisierung von kommunalem Eigentum zu betreuen. In dieser Eigenschaft erhielt er Kenntnis davon, daß die klagende Stadt eine in ihrem Eigentum stehende, in Plattenbauweise errichtete Wohnanlage sanieren, in Eigentumswohnungen aufteilen und dieselben anschließend veräußern wollte. Er wandte sich in der zweiten Jahreshälfte 1993 an die Klägerin mit dem Angebot, alle Wohnungen „en bloc” zu erwerben und auf eigene Rechnung weiter zu verkaufen.
Mitte Februar 1994 gründete er als Alleingesellschafter die mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM ausgestattete zweitbeklagte GmbH, die das gegen sie ergangene Grund- und Teilurteil des Landgerichts Gießen hat rechtskräftig werden lassen und deswegen an den Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt ist. Die Gesellschaft wurde am 11. März 1994 in das Handelsregister eingetragen. Zuvor, nämlich am 28. Februar 1994, hatte der Beklagte die genannten Immobilien durch die Vor-Gesellschaft zum Preise von zusammen 7.212.063,00 DM von der Klägerin kaufen lassen. Obwohl der Kaufpreis nicht bezahlt war, wurden schon mit Wirkung vom 1. März 1994 der Käuferin der Besitz und die Nutzung übertragen. Die Finanzierungsverhandlungen, welche der Beklagte mit der D. Bank geführt hatte, waren drei Tage vor dem Notartermin gescheitert; aus diesem Grund hatte sich der Beklagte mit seinen Kreditwünschen an die N. H. -Bank gewandt, bis zum Abschluß des notariellen Vertrages aber noch keine abschließende Stellungnahme erhalten.
Da der Beklagte bzw. die von ihm geführte Gesellschaft auch in der Folgezeit den Kaufpreis nicht aufbringen konnte, ist das Projekt gescheitert. Die Klägerin hat die Wohnanlage anderweitig veräußert und will dabei einen Verlust von 1.263.000,00 DM erlitten haben. Außerdem mußte sie eine Maklerprovision von 179.813,14 DM aufwenden.
Sie hat deswegen Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt und hinsichtlich des Beklagten dieses Begehren damit begründet, er habe sie vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Ohne jedes Eigenkapital und in Kenntnis des Scheiterns der Kreditverhandlungen mit der D. Bank habe er die notariellen Verträge schließen lassen; angesichts seiner beschränkten Mittel – schon für die Aufbringung des Stammkapitals habe er einen Kredit aufnehmen müssen – habe keinerlei Aussicht bestanden, daß er ein anderes Kreditinstitut werde finden können, das ihm die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen werde.
Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil auch den Beklagten zur Zahlung von 179.813,14 DM (Maklerprovision) verurteilt und ausgesprochen, daß die weitergehende Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Dessen Annahme, der Beklagte hafte der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) und wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten, weil er sie durch Vorspiegelung finanzieller Leistungsfähigkeit dazu bewogen habe, die Wohnanlage an seine GmbH zu verkaufen und dieser sofort das Besitz- und Nutzungsrecht einzuräumen, kann sich nicht auf ordnungsgemäße tatrichterliche Feststellungen stützen bzw. ist von Rechtsirrtum beeinflußt.
Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht sich ohne Prüfung über den – die Schädigungsabsicht nach § 826 BGB ausschließenden – unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten hinweggesetzt, die Vertreter der Klägerin seien genau über den Stand der Finanzierungsverhandlungen unterrichtet gewesen, hätten den notariellen Vertrag aber gleichwohl geschlossen, weil sie seine, des Beklagten, Ansicht geteilt hätten, daß gute Aussichten bestünden, die erforderlichen Finanzmittel zu beschaffen. Dieser Verfahrensfehler nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß eine Vertreterhaftung des Beklagten aus vorvertraglichem Verschulden auch dann ausscheidet, wenn sich in der durchzuführenden Beweisaufnahme herausstellen sollte, daß die Vertreter der Klägerin über das Finanzierungsrisiko nicht unterrichtet waren. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 126, 181, 184 m.w.N.) rechtfertigt die Stellung des Handelnden als Alleingesellschafter der Verpflichtungen eingehenden GmbH nicht die Anwendung der Grundsätze über die Haftung des Vertreters wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 846340 |
DStR 2002, 1541 |