Leitsatz (amtlich)
Die Gemeinde, der ein Wiederkaufsrecht zu dem vom Gutachterausschuß ermittelten Wert des verkauften Grundstücks zusteht, hat den Käufer aufzuklären, wenn dieser im zutage getretenen Irrtum über die Wertverhältnisse den Wiederkauf durch notariellen Vertrag zu einem auffällig unter dem Wert liegenden Preis anbietet.
Normenkette
BGB §§ 242, 497
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Hanau |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1998 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hanau, 7. Zivilkammer, vom 27. Februar 1997 abgeändert, soweit sie zum Nachteil der Beklagten ergangen sind. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 14. November 1989 verkaufte die beklagte Gemeinde (Beklagte) dem Kläger ein unbebautes Grundstück zum Preis von 60 DM/qm, insgesamt 911.880 DM. Der Kläger verpflichtete sich, das Grundstück binnen eines Jahres ab Eigentumswechsel, spätestens 18 Monate nach Vertragsschluß der gewerblichen Nutzung durch einen Kunststoff-Bearbeitungsbetrieb zuzuführen. Für den Fall der Verletzung dieser Pflicht behielt sich die Beklagte den Wiederkauf zum Verkehrswert vor, der durch den Gutachterausschuß zu ermitteln war. Der Rückauflassungsanspruch war durch eine am 15. August 1990 eingetragene Vormerkung gesichert. Auf Anfrage teilte der anwaltlich vertretene Kläger der Beklagten am 28. Januar 1993 mit, aus wirtschaftlichen Gründen sei ihm ein kurzfristiger Baubeginn nicht möglich. Er bot der Beklagten den Wiederkauf zum Verkehrswert an. Der Wiederkauf unter einem Betrag von 1,5 Mio. DM komme im Hinblick auf die Aufwendungen des Klägers, einschließlich Baugenehmigung und Erschließung 1.401.509,92 DM, nicht in Frage. Die Beklagte erklärte sich hiermit am 1. März 1993 vorbehaltlich der Zustimmung der städtischen Körperschaften einverstanden. Darüber hinausgehende Ansprüche wurden ausgeschlossen. Mit notariellem Vertrag vom 9. August 1993 verkaufte der Kläger das Grundstück der Beklagten zu dem abgesprochenen Preis. Der Bodenrichtwert des Grundstücks betrug zum 31. Dezember 1992 270 DM/qm, der Verkehrswert 4.103.460 DM.
Der Kläger hat die Beklagte auf die Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem am 9. August 1993 beurkundeten Preis von 1,5 Mio. DM, mithin auf 2.603.460 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abzug von 60 DM/qm, abgerundet 900.000 DM, wegen Bodenkontaminationen zur Zahlung von 1.703.460 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.
Der Senat hat nur die Revision der Beklagten angenommen. Die Beklagte beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, es sei von der Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Beklagte auszugehen. Dem stehe nicht entgegen, daß sie das Recht nicht durch formlose Erklärung gegenüber dem Kläger ausgeübt habe. Aus der Korrespondenz ergebe sich, daß beide Seiten davon ausgegangen seien, „aus dem (im Kaufvertrag vom 14. November 1989) begründeten Wiederkaufsrecht berechtigt und verpflichtet zu sein, so daß auch die weitere vertragliche Ausgestaltung dieses Wiederkaufsrechts … hinsichtlich des Wiederkaufspreises erkennbar verbindlich sein sollte”. Das Fehlen einer Bezugnahme auf das Wiederkaufsrecht im Kaufvertrag vom 9. August 1993 sei für die Bewertung des vorangegangenen Verhaltens der Beklagten ohne Bedeutung. Umgekehrt habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, daß er die 1,5 Mio. DM als Mindestbetrag des Verkehrswertes fordere. Das kommentarlose Einverständnis der Beklagten habe in ihm den Eindruck erwecken müssen, seine Vorstellung träfe zu. Die Beklagte, der die wahren Wertverhältnisse bekannt gewesen seien, hätte den Kläger nicht in dem von ihr erkannten Irrtum belassen dürfen. Sie sei verpflichtet, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der unterbliebenen Aufklärung erwachsen sei. Den Gewinn aus der Wertsteigerung des Grundstücks hätte der Kläger auch dann realisieren können, wenn die Beklagte zum Rückkauf zum Verkehrswert nicht bereit gewesen wäre. Denn „mangels entsprechender vertraglicher Vorkehrungen hätte der Kläger das Grundstück dann seinerseits durch Veräußerung zum Verkehrswert verwerten können”.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
1. Das Berufungsurteil ist in sich widersprüchlich, denn es geht einerseits davon aus, der Wiederkauf sei zustande gekommen, billigt dem Kläger aber andererseits den Wiederkaufpreis in Höhe des Verkehrswertes (§ 433 Abs. 2 BGB) nicht zu. Er sei nur im Wege des Schadensersatzes berechtigt, die Differenz zwischen Verkehrswert und einem Kaufpreis von 1,5 Mio. DM – abzüglich der Wertminderung wegen Kontaminationen – zu fordern. Aus rechtlicher Sicht löst sich der Widerspruch dahin auf, daß die Beklagte, wovon das Berufungsurteil im Tatsächlichen auch ausgeht, von ihrem Recht, gemäß § 497 Abs. 1 BGB durch einseitige formlose Erklärung gegenüber dem Kläger den Wiederkauf zustande zu bringen, keinen Gebrauch gemacht hat. Aus der vom Berufungsgericht erörterten Korrespondenz ergibt sich zwar, daß die Parteien übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Ausübung des Wiederkaufs ausgegangen waren. Dies ist aber, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, mit der Vornahme der Gestaltungserklärung (vgl. Senat BGHZ 140, 218, 220) nach § 497 Abs. 1 BGB nicht gleichzusetzen. Eine weitergehende Deutung der Äußerungen der Beklagten verbietet sich darüber hinaus wegen des Umstandes, daß diese ihre Erklärungen jeweils unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Zustimmung der gemeindlichen Organe abgegeben hatte. Der Kaufvertrag vom 9. August 1993 wurde zwar vor dem Hintergrund der Befugnis der Beklagten zur Ausübung des Wiederkaufsrechts abgeschlossen, er hat aber den Wiederkauf im Sinne des in dem ursprünglichen Kaufvertrag vom 14. November 1989 aufgenommenen Vorbehalts nicht zum Gegenstand. Zwar können die Parteien davon absehen, den aufschiebend bedingten Wiederkauf (BGH, Urt. v. 20. Dezember 1955, I ZR 171/53, LM BGB § 610 Nr. 1) durch gestaltende Erklärung gemäß § 497 Abs. 1 BGB wirksam werden zu lassen und die ohnehin erforderliche Rückauflassung mit dem Abschluß eines weiteren, den vorbehaltenen Bedingungen entsprechenden Kaufvertrags verbinden. So sind die Parteien indes nicht vorgegangen. Der Kaufvertrag vom 9. August 1993 nimmt auf das Wiederkaufsrecht der Beklagten keinen Bezug und weicht im wesentlichen Punkte, dem Kaufpreis, von dessen Bedingungen ab. Für den am 14. November 1989 aufschiebend bedingt geschlossenen Wiederkauf hat er zur Folge, daß die Bedingung ausgefallen, dieser mithin endgültig unwirksam ist.
2. Damit bleibt allerdings Raum für den Schadensersatzanspruch, auf den sich das Berufungsurteil stützt. Er ist im Grundsatz zu bejahen. Das Streitverhältnis der Parteien ist mit dem Fall des offenen, vom Erklärungsempfänger erkannten, Kalkulationsirrtums vergleichbar, für den der Bundesgerichtshof je nach der Risikolage des Erklärenden sowie des Ausmaßes des Irrtums eine Aufklärungspflicht des Empfängers bejaht und an deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Erklärenden anknüpft (Urt. v. 7. Juli 1998, X ZR 17/97, NJW 1998, 3192, 3193 ff). Der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Beklagten erkannte Irrtum des Klägers über die Höhe des Verkehrswerts des Grundstücks, der nach den Wiederkaufsbedingungen den Preis bestimmen sollte, war geeignet, eine Aufklärungspflicht auszulösen. Anders als im Falle des an einer Ausschreibung teilnehmenden Bieters, der das Risiko seiner Fehlkalkulation zu tragen hat (Urt. v. 7. Juli 1998), war im Streitfalle das Risiko, den Verkehrswert zutreffend zu ermitteln, ein gemeinsames. Dies kommt in der Vereinbarung zum Ausdruck, den zur Neutralität verpflichteten (§ 192 BauGB) Gutachterausschuß mit der Ermittlung zu beauftragen. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, daß dem anwaltlich vertretenen Kläger das Risiko, insbesondere soweit es in der Abweichung von dem in § 497 Abs. 1 BGB vorgesehenen Wege lag, erkennbar war und ihm auch die Möglichkeit zur Verfügung stand, das Risiko durch Einschaltung des Gutachterausschusses oder anderweitige Schätzung des Verkehrswerts zu steuern. Dies ändert indes nichts daran, daß die Beklagte dem erkannten, in seinen Auswirkungen schwerwiegenden Irrtum über den im beiderseitigem Risiko liegenden Umstand abhelfen mußte. Die eigenen Möglichkeiten des Klägers zur Schadensverhütung finden ihre rechtlichen Folgen erst bei der Ursachenabwägung nach § 254 BGB. Ob die Aufklärungspflicht aus dem allgemeinen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß herzuleiten ist, oder ob die Treuepflicht aufgrund der besonderen Bindung der Parteien aus dem Wiederkaufsverhältnis vorgeht, kann im Ergebnis dahinstehen.
3. Der Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert nämlich daran, daß ein durch die unterlassene Aufklärung eingetretener Schaden nicht dargetan ist. Die Beklagte war, wovon (wohl) auch das Berufungsurteil ausgeht, nicht gehalten, im Falle der Aufklärung des Klägers von dem Wiederkaufsrecht zum Verkehrswert Gebrauch zu machen (a). Einem Verkauf des Grundstücks durch den Kläger standen, was das Berufungsgericht übersieht, die Wirkungen der Rückauflassungsvormerkung (§§ 883 Abs. 2, 888 BGB) entgegen (b).
a) Eine besondere Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht der Beklagten war nicht festgelegt. Es galt mithin die 30-jährige Ausschlußfrist des § 503 BGB, auf die der Vertrag vom 14. November 1993 im übrigen verwies. Diese Frist zu nutzen und auf eine günstige Entwicklung der Grundstückspreise zu warten oder auch nur von der Belastung des Haushalts mit dem Wiederkaufspreis bis auf weiteres abzusehen, stand der Beklagten frei. Die Aufklärung des Klägers über die wahren Wertverhältnisse hätte nicht zur Folge gehabt, daß die Beklagte nunmehr dessen Ansinnen zum Wiederkauf hätte stattgeben müssen. Treu und Glauben hätten zu einer solchen Verengung der Entschlußfreiheit der Beklagten nicht geführt. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zu Recht hervorhebt, brachte es die für die Beklagte ungünstige Ausgestaltung des Wiederkaufsrechts mit sich, daß der Kläger, obwohl er nicht in der Lage war, seiner Vertragspflicht zur Errichtung von Gewerberaum zu genügen, einen „Spekulationsgewinn” in Millionenhöhe hätte einstreichen können. Hierzu brauchte ihm die Beklagte nicht zu verhelfen.
b) Als Folge der Rückauflassungsvormerkung war das Grundstück, wirtschaftlich betrachtet, ohne die Zustimmung der Beklagten unverkäuflich. Die Vermögenslage des Klägers hätte mithin, wenn er nach Aufklärung sein Angebot zum Rückkauf für 1,5 Mio. DM zurückgezogen hätte, gegenüber dem jetzigen Zustand keine Verbesserung erfahren können (§ 249 BGB). Ein Erwerber, der dem Kläger den Verkehrswert zur Verfügung gestellt hätte, hätte nach Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Beklagte deren Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch zustimmen (§§ 883, 888 Abs. 1 BGB, 39, 19 GBO) müssen. Das Risiko, mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Verkehrswerts gegenüber dem Kläger auszufallen, hätte bei ihm gelegen. Dem hätte zwar durch eine Abtretung des Zahlungsanspruchs des Klägers aus dem Wiederkauf entgegengewirkt werden können. In gesichertem Eigentum und Besitz wäre der Erwerber indessen nicht geblieben. Dies wäre aber Voraussetzung für den Entschluß eines Dritten gewesen, auf dem Grundstück ein gewerbliches Bauvorhaben durchzuführen. Wirtschaftlich betrachtet scheidet ein Kauf vom Kläger gegenüber der Möglichkeit, von der Beklagten gesichertes Eigentum zu erlangen, aus. Dies wird noch durch den Umstand unterstrichen, daß das Grundstück mit Rang nach der Rückauflassungsvormerkung nicht beleihbar war. Der Kläger wäre deshalb, wenn er von dem Verkauf vom 9. August 1983 abgesehen hätte, weder im Hinblick auf das Eigentum an der Sachsubstanz noch auf die Möglichkeit, deren Gegenwert durch Veräußerung zu erlösen, gegenüber dem bestehenden Zustand besser gestellt gewesen.
4. Darauf, ob die Beklagte, wie die Revision meint, darüber hinaus wegen der Nichterfüllung der Bebauungspflicht von dem Kaufvertrag vom 14. November 1989 hätte zurücktreten und den Kläger auf den damals vereinbarten Preis von 911.880 DM verweisen können (§§ 326, 327, 346 BGB), oder ob der Wiederkauf die einzige Sanktion der Vertragsverletzung war, kommt es nicht mehr an.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Klein, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.09.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556299 |
NJW 2001, 284 |
BGHR |
BauR 2001, 135 |
BauR 2001, 456 |
NVwZ 2001, 233 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 207 |
WuB 2001, 301 |
ZfIR 2001, 28 |
AgrarR 2001, 149 |
DNotZ 2001, 363 |
JA 2001, 529 |
MDR 2001, 79 |
KomVerw 2001, 193 |
FSt 2001, 879 |
FuHe 2001, 293 |
FuHe 2001, 484 |
GuGA 2000, 47 |