Leitsatz (amtlich)
›Für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Wohnwagens kann der Berechtigte ohne Nachweis eines konkreten Schadens keine Entschädigung in Geld beanspruchen.‹
Gründe
Läßt sich das Maß der Beeinträchtigung eines Vermögensguts nach objektiven Maßstäben geldlich bewerten, so ist die Berechtigung der Ersatzforderung nicht stets davon abhängig, daß eine das Gesamtvermögen erfassende Differenzrechnung eine ziffernmäßige Minderung des Vermögens ergibt.
Die Anerkennung als Vermögensgut bedeutet indessen nicht, daß jeder Entzug von Gebrauchsvorteilen, jede Einbuße an Freizeit und jede Beeinträchtigung von Genußmöglichkeiten als ersatzfähiger Vermögensschaden anzuerkennen wäre. Da sich Genußmöglichkeiten heute sehr weitgehend mit Geld erkaufen lassen, bedarf es, will man die in § 253 BGB getroffene Regelung nicht völlig aushöhlen, einer wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung etwa die Benutzbarkeit einer Sache als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen werden kann und die Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit damit einen Vermögensschaden darstellt. ...
Ein Wohnwagen ist für einen Teil der Bevölkerung ein Mittel, mit der Familie auf relativ günstige Weise die Wochenenden und die Ferien außerhalb des Wohnorts zu verbringen. Man kann auch davon sprechen, daß die Nutzungsmöglichkeiten eines Wohnwagens heute insoweit ›kommerzialisiert‹ sind, als die Möglichkeit besteht, einen Wohnwagen für eine begrenzte Zeit zu mieten, so daß also auch ein Markt für eine solche Nutzungsmöglichkeit besteht. Dieser Umstand allein genügt jedoch nicht, um einen Anspruch der Kl. auf abstrakte Nutzungsentschädigung zu begründen. Dem Berufungsgericht [OLG Oldenburg] ist zuzustimmen, wenn es die Anwendbarkeit des Kommerzialisierungsgedankens auf die Fälle beschränkt wissen will, in denen eine weitgehende Übereinstimmung mit den zum Schadensersatz für entgangene Gebrauchsvorteile bei Kfz entwickelten Kriterien gegeben ist.
Eine solche Übereinstimmung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall mit Recht verneint; denn der Rechtsprechung zum Nutzungsausfall bei Kfz liegt die Erwägung zugrunde, daß nach der heutigen Verkehrsauffassung neben dem Substanzwert des Kfz auch dessen ständige Verfügbarkeit - also die Möglichkeit, es jederzeit aus Bequemlichkeit und zur Zeitersparnis benutzen zu können - schon als geldwerter Vermögensvorteil angesehen wird und daher dessen vorübergehende Entziehung bereits einen Vermögensschaden darstellt. Damit wird zugleich vermieden, daß ein Geschädigter, der von der ihm zustehenden Befugnis zur Beschaffung eines Ersatzwagens keinen Gebrauch macht oder - etwa weil ihm zunächst die finanziellen Mittel dazu fehlen - machen kann, gegenüber anderen Geschädigten ungerechtfertigt benachteiligt wird und damit dem Schädiger einen ihm nicht gebührenden Vorteil zukommen läßt.
Diesen Erwägungen vergleichbare Überlegungen lassen sich nicht anstellen, wenn ein zu privaten Zwecken angeschaffter Wohnwagen dem Eigentümer vorübergehend entzogen wird. Denn bei einem Wohnwagen handelt es sich - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - weder um ein Kfz noch dient er vergleichbaren Zwecken und Einsatzmöglichkeiten. Anders als beim Kfz ist die jederzeitige Benutzbarkeit eines Wohnwagens kein weitgehend unentbehrlicher Bestandteil allgemeiner und alltäglicher Bedürfnisse, der es rechtfertigen würde, für die bloße Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Wohnwagens eine Nutzungsentschädigung ohne Nachweis eines konkreten Schadens zuzusprechen. Diese Grenzlinie zwischen allgemeinen und alltäglichen Bedürfnissen einerseits und darüber hinausgehenden besonderen Bedürfnissen und Luxusbedürfnissen andererseits erscheint sachgerecht, um die Verantwortlichkeit für den zeitweiligen Nutzungsausfall sinnvoll zu begrenzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992720 |
BGHZ 86, 128 |
BGHZ, 128 |
DB 1983, 1200 |
NJW 1983, 444 |
DRsp I(123)269a-b |
DAR 1983, 76 |
VRS 64, 161 |
VersR 1983, 298 |
ES Kfz-Schaden G-6/6 |